Enno Ahrens
Stil und Kitsch
Habe diese von mir verfasste Aufgabenlösung beim Wohnung umräumen entdeckt. Lang, lang ist es her. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, das Thema schulisch durch genommen zu haben. Aber was hier steht, hat noch Bestand (Unterschiede zwischen Kitsch und Stil). Deshalb stelle ich es hier rein:
Das Wort „Kitsch“ heißt soviel wie „streichen, schmieren, zusammenscharren“. Es wurde in München im 19. Jahrhundert gebräuchlich und bezeichnete alles, was als geschmacklos und künstlerisch wertlos galt. Beispiele für Kitsch sind Nippesfiguren oder Devotionalien, der Eiffelturm aus Paris in Miniaturformat usw. Im Gegensatz zum Stil besteht beim Kitsch kein ausgewogenes Verhältnis zwischen Darstellung, Material und Inhalt. Der Kitschhersteller versucht das Gefühl beim Käufer anzusprechen. Es wird ihm etwas vorgegaukelt. Der Gegenstand soll ihn an etwas erinnern, ihn mit Sehnsucht erfüllen, Erlebtes nachzuerleben.
Im Kaufhaus sieht man oft Bilder mit einer schönen Spanierin, dem Clown oder dem bärtigen Bauern mit Pfeife. Die Spanierin wird zum Inbegriff für Schönheit, der Clown steht für Spaßigkeit und der bärtige Bauer für Gemütlichkeit. Sie werden alle zu Idealen. Der Hirte mit seinen Schafen auf dem „Hirtenbild“ idealisiert Schutz und Schutzbedürfnis.
Der Käufer soll sich damit identifizieren. Es soll das Bedürfnis entstehen, etwas nachzuerleben, was man noch nicht erlebt hat, oder wo man sich vielleicht nach sehnt. Der Hirte entstammt einer „heilen Welt“, von der eine magische Kraft ausgehen soll, die für den Betrachter unbewußt real wird. Es wird eine Scheinwirklichkeit aufgebaut.
Kitsch gibt’ s nicht nur bei Gegenständlichem, sondern auch in der Literatur, im Film usw. Durch Kitsch soll man die harte Umwelt vergessen, und sich von der „heilen Welt“ bezaubern lassen.
Im Unterschied zum Kitsch läßt Stil sich nicht beliebig reproduzieren. Er drückt sich in seiner besonderen Art aus; beim Menschen im Denken, in der Art sich zu kleiden, zu sprechen, zu essen und zu gehen. Er entsteht hier aus der Verbindung der Charaktereigenschaften, des Verhaltens innerhalb einer bestimmten Umwelt und durch Erfahrungen. Stil macht also die gesamte Persönlichkeit aus.
Beim Bild ist es ähnlich. Hier ist es die Verbindung von Entwurf, Technik und Gestaltung. Die Zeit muß noch hinzukommen, damit sich etwas Vollkommenes entwickeln kann, eine Idee heranreift. Verschiedene äußere Einflüsse, denen sie ausgesetzt ist, verändern sie dementsprechend. Stil kennt auch keine Effekthascherei, wie sie oftmals dem Kitsch eigen ist.
Hat eine Sache Stil, so kann man sie stilisieren. Das bedeutet, sie im Wesentlichen vereinfacht wiederzugeben, wie es zum Beispiel in der Karikatur geschieht, da allerdings nur spöttisch. Die einprägsame Form einer Blüte, eines Baumes oder die markante Körperhaltung eines Menschen kann stilisiert werden.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.08.2007.
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