XIX
„Das war es dann wohl“, sagte sie und schmiß die Taschenlampe zu Boden.
Sie landete in einem blechernen Eimer und es schepperte lautstark.
„Hast du sie noch alle? So findet er uns doch gleich“, flüsterte Jennifer aufgeregt und blickte Christina in die Augen.
Sie standen dicht zusammen und verhielten sich jetzt still. Schritte näherte sich der Tür.
John steckte die Pistole weg und drückte die Klinke hinunter. Die Tür
war verschlossen. Sie mussten sich dahinter befinden. John trat einen
Schritt zurück und rammte mit dem Fuß dagegen. Die Tür gab nur etwas
nach und John wiederholte diese Aktion bis die dicke Holzplatte
krachend aus den Angeln fiel, die Eisenstange verbogen nachgab und zu
Boden klatschte. Sogleich griff sich John die Pistole und stürmte in
den Raum. Er ließ die Fackel um sich herum leuchten und suchte nach den
drei Frauen. Jennifer, Christina und Linda hatten sich hinter einem
Regal versteckt und warteten geduckt darauf, was John jetzt tun würde.
Mit rasenden Herzen und zitternden Körpern blickten sie zwischen
Kisten, Dosen und Bergsteigerutensilien hindurch und konnten erkennen,
daß er sich ihrem Versteck in der Dunkelheit näherte.
„Wo seid ihr?“, fragte John lächelnd.
Er blickte umher und stand fast unmittelbar vor dem eisernen Gestell.
Linda, die in der Mitte saß, gab Jennifer und Christina per Hand
Zeichen und schließlich stemmten sie sich gleichzeitig dagegen. Das
Regal fing an sich zu neigen und kurz darauf kippte das gesamte Gerüst
mitsamt dem Inhalt auf John zu. Dieser drehte sich um, sah das Regal
auf sich zukommen und konnte erst reagieren, als das Eisengerüst auf
seinen Beinen lag. Dosen schepperten und Kisten zerbarsten.
Der obere Teil hatte seinen Beine eingeklemmt und während er versuchte
sich aus seiner mißlichen Lage zu befreien, nutzten die drei Frauen die
Gelegenheit und hasteten in Richtung Tür. Christina hatte sich schnell
gebückt und die Fackel ergriffen, die John aus der Hand fallen gelassen
hatte.
John sah die drei hinauslaufen, suchte mit der Hand die Pistole, fand
sie, drehte sich sofort zum Ausgang und feuerte sogleich zweimal
hintereinander. Jennifer schrie auf und fiel zu Boden. Die beiden
anderen liefen ohne sich weiter umzudrehen in den Keller, denn John
feuerte solange in die Dunkelheit hinein bis das Magazin seiner Waffe
leer war.
Anschließend schmiß er die Waffe weg und zog sich mühselig und vor
Schmerzen schreiend unter dem Regal hervor. Nun stand er inmitten des
tiefschwarzen Raumes und tastete sich fluchend zur, auf dem Boden
liegenden, Tür voran. Er stolperte über Jennifer, fühlte warmes Blut an
seinen Fingern. Er versuchte aufzustehen. Diese Schmerzen! Er verließ
humpelnd den Raum und versuchte den Weg durch den Keller zur Treppe zu
finden. In dem Augenblick fing es wieder an zu quietschen. John blieb
stehen und lehnte sich an die Wand. Sie würden bestimmt keine Waffen
mehr schicken und sind bestimmt hierher unterwegs. Er mußte sich
beeilen. Außer Atem erreichte er das Kaminzimmer. Wo hatten sie sich
versteckt? Er schleppte sich zum Kamin hin und sah seine Fackel im
Feuer liegen.
Hatte er nicht etwas gehört? Als er sich umdrehte, stand Christina
unmittelbar hinter ihm und verpaßte ihm einen gehörigen Schlag mit dem
Kaminstöber ins Gesicht. John schrie auf, torkelte etwas benommen im
Raum und ging vor dem Feuer zu Boden. Christina hatte ihm eine tiefe
Fleischwunde auf der linken Wange, aus der unentwegt Blut lief,
verpasst.
Er tastete die Verletzung ab, während sie mit dem Schläger in der Hand
etwas erschrocken dastand. Sie holte zu einem zweiten Schlag aus.
Diesmal rollte sich, der noch immer auf dem Boden liegende John zur
Seite und Christina traf nur den Fußboden. Er griff zur Fackel, die
mittlerweile komplett brannte, und war im Nu wieder auf den Beinen.
Blut lief ihm übers Gesicht und tropfte auf den Anzug. Furchterregend,
angespannt und wütend ging er auf Christina und Linda, die hinter ihrem
Rücken in Deckung gegangen war zu.
Sie schritten zurück. John holte urplötzlich aus. Christina, die nicht
auf solche einen Gegenangriff vorbereitet war, wurde die Waffe aus der
Hand geschlagen.
„Jetzt seid ihr fällig!“, sagte John genüßlich.
Er hatte Mühe aufrecht zu stehen. Linda schnappte sich eine Vase, die
hinter ihr auf einem Tisch stand und schleuderte sie John entgegen. Sie
flog auf seinen Kopf zu und zerbrach auf seiner Stirn. Sie zerbarst und
der getrocknete Blumenstrauß verspreute sich mit den Scherben auf dem
Fußboden. Die Fackel fiel zu Boden und das Feuer fand reichlich
Nahrung. Im Nu standen die hölzernen Möbel, mitsamt dem Fußboden und
den Teppichen in Flammen.
John stand röchelnd auf und kam langsam wieder zu sich. Die beiden
Frauen liefen in die Küche, hinaus auf die Terrasse. Von dort aus
konnten sie die näherkommende Kabine sehen, in der Taschenlampen
leuchteten.
„Wir sind gerettet!“, schrien sie.
„Ach ja?“, meinte John, der im Rahmen der Schiebetür, zwischen Glasscherben, stand.
Er hatte die Axt aufgehoben und kam näher an sie heran. Sie sahen ihn
an. In seinem blutverschmierten Anzug, dem furchteinflößenden Blick in
seinen Augen und dem Blut von sieben Menschen an seinen Fingern
klebend, wirkte er wie eine unnatürliche Kreatur.
Sie standen in der Ecke der Terrasse und so konnten sie ihm nicht
entkommen. Christina drehte sich um und sah hinunter. Beide sahen wie
er näher kam während hinter seinem Rücken die gesamte Bergstation
langsam in Flammen aufging. Ein Kampf zwischen Eis und Feuer. John
blieb stehen. Er genoß den Augenblick. Er packte die Axt fester in
seine rechte Hand. Wie ein Henker näherte er sich den beiden. Christina
wollte an ihm vorbeilaufen aber John hatte sich auf solch eine
Situation gefaßt gemacht und schlug zu. Die Axt hatte sie mit voller
Wucht im Rücken erwischt und sie fiel zu Boden. Linda sah plötzlich
Männer in der Schiebetür auftauchen.
„Hände hoch!“, schrie Bill Moore und feuerte in die Luft.
John drehte sich um. Polizisten!
„Lassen sie die Axt fallen!“, fügte der Beamte hinzu und zielte mit der Pistole jetzt genau auf John’s Kopf.
John drehte sich wieder zu Linda um, die das Geländer fest umklammertet.
„Geben sie auf!“, forderte Bill den Mörder erneut auf und näherte sich.
John ließ die Axt sinken und schaute dem anderem Beamten zu, wie dieser sich über Christina beugte.
„Es ist vorbei John!“, brüllte Bill und sah den Entflohnenen an.
Dieser drehte sich zu Linda um und lief, so gut er konnte, auf sie zu.
Linda schrie auf. Bill schoss. Die Kugel bohrte sich durch den Rücken
von John und strandete in seinen Eingeweiden. John wurde schwarz vor
Augen. Er verlor das Bewußtsein. Sein Körper flatterte steuerungslos
über das Geländer und flog in die verschneite Dunkelheit.
ENDE
Anmerkung des Autors:
Die Idee zur Geschichte „Live dabei“, bekam ich
im Jahr 2000, als ich die erste Staffel der Fernsehshow Big
Brother im Fernsehen mitverfolgt habe. Geschrieben habe ich sie dann im
darauffolgenden Winter desselbigen Jahres.
Als ich vor nicht allzu langer Zeit hier anfing Stories zu
veröffentlichen, kam mir die Idee „Live dabei“ wieder aus einem bereits
verstaubten Ordner auf der Festplatte zu kramen und für andere Personen
zugänglich zu machen. Leider hatte ich die Geschichte kürzer in
Erinnerung und wenn ich jetzt wieder vor der Entscheidung stehen würde,
ob ich sie hier veröffentlichen sollte, würde ich zu mir selber sagen:
nein! Denn wer liest schon die neunzehn Teile durch?
Sollte sich dennoch jemand finden, der alle Teile gelesen haben sollte,
wäre ich für einen Kommentar dankbar. Ich gebe zu, meinen Schreibstil
habe ich nicht sonderlich verändert, aber ich mußte an einigen Stellen
viel korrigieren.
Schöne Grüße an alle Leser und Danke für die Aufmerksamkeit.
Pierre