Patrick Wagner

Max Torrt: Das Schülerkino

Herr Meyer deutete an die Tafel und sagte: „Diese ganzen Aufgaben habt ihr bitte bis morgen aufgeschrieben und bearbeitet.“ Plötzlich kam Frau Gelb, die Rektorin, in die Klasse gestürzt. „Hallo!“, rief sie und wischte sich den Schweiß von der Stirn, „wie ihr sicher schon wisst, wird am Donnerstag unser Schülerkino eröffnet und darum wollte ich euch darauf aufmerksam machen, dass wir noch Filme fürs Kino brauchen. Also, wer Interesse hat, einen Film zu drehen, der Trägt seinen Namen in die Liste ein, die auf dem Pausenhof hängt.“ Nach dieser Nachricht fühlten sich sofort Lisa und Maria besonders angesprochen. „Pass auf“, flüsterte Lisa Maria zu, „wir drehen den Film: Die coolsten Mädchen aus der Klasse 5a.“ Maria nickte und kritzelte auf ihren Block ein Männchen, das die Zunge herausstreckte. Auch Bjön und Mark hatten schon große Pläne mit dem Schülerkino. Sie wollten nämlich den besten Film von allen drehen, von dem es mehrere Fortsetzungen geben sollte und die Schüler an der Kasse Schlangestehen. Max und Achmed waren von dem Schülerkino erstmal noch nicht so beeindruckt. „Ich geh da höchstens mal rein, wenn da ein Film läuft, den man unbedingt gesehen haben muss“, meinte Achmed und spitzte seinen Bleistift. Max nickte trocken. In der Pause drängten sich fast alle Schüler vor der Liste, um ihren Namen dort einzutragen. Mitten in dem Gedränge stand Lisa und wurde von der Menge hin und her geschoben. Völlig erschöpft trat sie wieder vor Maria. „Und, hast du es geschafft, unsere Namen in die Liste zu schreiben?“, wollte Maria wissen. Lisa nickte und sprach: „Das schon, nur durch das Geruckel von den Anderen steht da jetzt so was wie: Lizu nup Martio.“ Maria konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Mark und Bjön hatten auch nicht mehr Glück. Bjön schaffte es gerade mal, einen Strich durch ein Feld zu ziehen. Gelangweilt schauten Achmed und Max sich an, wie sich ihre Mitschüler vor der Liste gegenseitig fast tot trampelten. Da kam Lisa auf sie zu und sagte: „Na, kommt ihr auch zu der großen Premiere von unserem Film? Wir werden den Schulfilmpreis gewinnen.“ „Und warum gerade ihr?“, fragte Max. „Na wir sind intelligent“, fuhr Lisa fort, „scharmant, gut aussehend und vor allem…“ „Fürchterlich eingebildet“, unterbrach sie Achmed. Lisa verzog ihr Gesicht und drehte ihnen den Rücken zu. „Pah!“, raunzte Max, „was die können, können wir noch hundertmal besser.“ Achmed nickte und hastete zur Liste. Dort hatte sich die Stimmung schon wieder gelegt und Achmed konnte sich und Max mühelos eintragen. Am Nachmittag trafen Achmed und Max sich im Stadtpark zum Planen des neuen Filmstreifens. Nach ewig langem Überlegens, kam Max endlich die Idee. „Wir drehen einen Krimi“, schlug er vor. „Genau“, grinste Achmed, „und in dem Film geht es darum, dass die Fische aus einem See auf mysteriöse Weise sterben.“ Max nickte und schrieb alle Ideen mit, die er und Achmed hatten, bis ein komplettes Drehbuch fertig war. „Jetzt geht es ans Verfilmen und ich weiß auch schon, wer der Kameramann, technischer Assistent und Postproduzent sein könnte“, sprach Max. „Wer denn?“, wollte Achmed wissen. „Na Dr. Knooh“, antwortete Max. Mit dem kompletten Drehbuch gingen die beiden nun zu Dr. Knooh. Der war von dieser Idee so was von begeistert, dass er sofort mit dem Planen und Drehen anfing. Nach gerade mal vier Tagen war der Film fertig und Max gab ihn auf einer DVD gebrannt an Frau Gelb weiter. Bevor die Filme im Schülerkino gezeigt wurden, musste erst getestet werden ob sie keine illegalen Inhalte hatten und auch qualitativ zum Schülerkino passten. Der Film von Bjön und Mark schied sofort bei der Qualität aus. Nach dem Test wurden von fünfzig eingehenden Filmen gerade mal fünf im Kino gezeigt. Unter diesen fünf Filmen war auch der Film von Max, Achmed und Dr. Knooh, den sie „tote Fische“ nannten. Auch Lisa und Marias Film wurde ins Kino gebracht, obwohl die Chancen auf erfolg sehr sanken, weil sie sich im Film so angeberisch darstellten. Kurz nach Eröffnung des Schülerkinos gab es sogar eine Top-Five der Filme, die im Kino liefen, in der Schülerzeitung. Die meisten Zuschauer kamen zum Film von Max und Achmed und die wenigsten zu Lisa und Marias Film. Max lehnte sich erleichtert zurück und sprach: „Das ist wieder der Beweis: Leute die angeben, schaffen nur selten etwas Tolles auf die Beine zu stellen.“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.09.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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