Luki K

Unvollständig

 
 

 

Licht an.

 

Auf der Suche nach der Vollendung meines eigenen Ichs, rastet mein Körper. Behelmt, damit mich nichts treffen kann. Keine Felsbrocken, Unglück, Pech und Schwefel, keine treffende Worte.

Essend und trinkend sitze ich da, auf einem Felsbrocken, der mich nicht getroffen hat. Neben dem Brunnen ohne Wasser. Ausgetrocknet, vermutlich schon lange, denn er ist leer und es ist kalt.

Schritt für Schritt gehe ich den unsichtbaren Wegweisern entlang, weiter weg, und etwas näher zu mir selbst. Nach Jamshedpur, oder auch nicht. Denn die Herrschaft über meine Füsse habe ich verloren.

Ich frage mich, ob ich überhaupt noch eine Herrschaft habe, über mein Leben, über das, was ich tue. Oder ob ich einfach mache, was mein Körper mir befiehlt. Ich frage mich, warum ich das hier tue, während ich auf dem Felsbrocken sitze. Mich friert, der kalte Wind, und meine Arme schlagen sich um den Körper. Doch sie wärmen mich nicht.

Das Brot, das ich aus meinem Rucksack auspacke, ist trocken, aber nicht alt. Altes Brot ist nicht hart. Kein Brot ist hart. Weisheit meines Lehrers. Die Weisheit dessen, der mein Mathematikstudium ruiniert hat.

Der Nebelmonat kündigt sich an. Den Laib hinunterwürgend greife ich zur Flasche. Wasser eines Bauern. Der, der sein Ich kennt. Meine Hand umgreift den Hals fast panisch. Mein Körper und meine Seele, mein Geist, sie wollen nicht, dass ich verdurste. Das Wasser rinnt mir den Hals hinunter, und ich fühle mich besser. Mein Herz klopft, und das ist gut so. Obwohl ich es nicht weiss.

Es wird düsterer und mir wird bewusst, dass ich allein bin. Auf der Landstrasse, allein mit meinem Ich, dessen Name ich nicht mehr kenne.

Ich frage mich, warum ich nicht in meinem Geldbeutel nach einem Ausweis suche, auf dem mein Name steht. Dann wüsste ich ihn wieder. Ich frage mich, warum das mein Körper nicht tun will, während ich auf dem Felsbrocken sitze.

Es sind Wörter in meinem Kopf, doch sie ergeben keinen Sinn und lassen sich nicht zu Sätzen verformen. Attribute fehlen, wie bei meinem Ich. Ich bin da, aber ohne Ergänzungen. Ich existiere, aber das ist auch schon alles.

Ich stehe auf und ziehe den Reissverschluss etwas zu. Des Bauern Wasser steckt meine Hand zurück in den Rucksack.

Rhapsodie, oder auch nicht, denn niemand weiss, was passieren wird. Meine Füsse beginnen zu marschieren. Sie laufen irgendwohin, nach Indien, vielleicht. Auf der Suche nach der Vollendung meines eigenen Ichs.

Man marschiert langsam, wenn man über etwas nachdenkt, und so krieche ich dahin. Ich habe gegessen, doch satt bin ich nicht. Und werde es nie sein, vielleicht.

Und ich schaue zurück und sehe, wie sich ein Vogel über die Krümmel des Brotes hermacht.

 

Licht aus.

 

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Luki K).
Der Beitrag wurde von Luki K auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.09.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Luki K als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Unsere Welt erstrahlt in vielen Farben - Notre monde rayonne de mille couleurs von Martina Merks-Krahforst



Zweisprachiger Gedichteband (Deutsch / Französisch) von Autorinnen und Autoren zwischen 7 und 22 Jahren aus Deutschland, Frankreich, Lettland.
Die Erlöse aus dem Verkauf gehen an die Peter Maffay Stiftung

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (3)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Skurriles" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Luki K

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Plank will nicht mehr von Luki K (Abschied)
Das Geständnis eines reuigen Verkehrssünders von Heideli . (Skurriles)
Ich muß wohl damit leben von Rüdiger Nazar (Lebensgeschichten & Schicksale)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen