Gaby Schumacher

Schmalz hoch Drei

Ich gehe in mich. Es läßt mir keine Ruhe. Ich kann den Gedanken einfach nicht mehr abschütteln.
Was für ein Mensch bin ich eigentlich? Grundsätzlich kann ich mir zumindest zusagen, dass ich einer bin. Ist doch schon mal toll, nicht?
 
Was die übrigen, mich betreffenden,vielen detaillierteren Angaben angeht, sind das so viele, dass ich hier mal mindestens so an die zweitausend davon einfach unter den Tisch fallen lasse.
Es geht mir im Moment nur um die eine Veranlagung, die ich noch nie habe verstecken können und die zu verheimlichen ich auch niemals imstande sein werde.
 
Also:
Dass ich gerne schreibe, weiß hier jeder. Dass ich demnach wahrscheinlich auch gerne lese, ahnt jeder. Aber, was ich gerne lese, braucht einer Aufklärung. Das kann nämlich keiner einfach so erraten.
Ich lese gerne Ernstes, ich lese sehr gerne Amüsantes und ich schäme mich nicht, es zuzugeben: Ich schwärme für Schmalz!!
 
Allerdings muß der so dick aufgetragen sein, dass mir beim Schmöckern nach spätestens fünf Minuten die Tränen rollen. Das dann allerdings weniger vor Rührung, sondern eher vor Lachen, weil alles so herrlich dämlich ist und darin so unwahrscheinlich leicht durchschaubar. Andernfalls ist das in meinem Dafürhalten ein Schmalz ohne Niveau.
 
Eine Zeitlang las ich nur noch ausgesprochen selten, saß stattdessen vor der geliebten Glotze, die doch tatsächlich mehr als genug anschauliche Schmalzthemen offerierte. Diese waren in durch ihre mehr als naiven Titel beim Blättern durch die Fernsehzeitung sofort ins Auge springende Sendungen gepackt. Jedoch möchte ich sie nicht alle namentlich aufzählen, denn sonst kriegte ich vielleicht noch Ärger und dieses vielfachen Blödsinns wegen noch Nervenkraft einzusetzen, weigere ich mich ganz ausdrücklich.
 
Eine Zeitlang lang ließ ich mich doch tatsächlich von dem Quatsch berieseln, wie es gleich mir wohl für eine kürzere Weile so Manchem erging. Nach der vierhunderfünfundvierzigsten Folge einer allseits mehr als bekannten Serie allerdings schaltete mein Verstand auf stur:
"Nicht mehr mit mir!"
 
Notgedrungen sagte ich also jener irren Serie Lebewohl und verzichtete damit doch tatsächlich auf die wirklich unabsprechbar lebenswichtigen Informationen der betreffenden Folge und sämtlicher, noch zu erwartenden Fortsetzungen und suchte mir ein anderes Betätigungsfeld, um mich auf ähnliche Weise zu betätigen, nämlich, mir tropfenden Schmalz einzusaugen bis in den hintersten Winkel meines ach so nach Romantik süchtigen Herzens. Dabei hoffte ich inständig beziehungsweise war mir eigentlich da recht sicher, dass meine eigene Lebenroute deswegen keinerlei Umwege nehmen würde.
 
Ich erinnerte mich daran, dass ich ja des Lesens mächtig war und eigentlich mal wieder einem Buchgeschäft mit meinem Besuch eine dann überaus große Ehre zuteil werden lassen könnte. Eine recht große Buchhandlung musste es sein, denn in den kleinen würde ich garantiert nicht fündig werden.
 
Da Düsseldorf ja eine Stadt guten Kulturangebotes ist, brauchte ich nicht lange zu fahnden, bis ich das fand, was mein Herz begehrte. So stand ich kurz darauf denn im Geschäft meiner Wahl inmitten von Regalen bis unter die Decke. Klassiker schauten mir entgegen und natürlich auch die gesamte Literatur der Moderne. Ein bestimmtes Regal zog mich magisch an. Die Titel der Bücher brachten mein Herz zum Klopfen, bis es dann schließlich anfing zu rasen. Ich war am Ziel meiner Träume angelangt.
 
Ich hatte sie gefunden, die Schmalz-Autorin, die anfangs des letzten Jahrhunderts garantiert zahllose Frauenherzen zu Tränen rührte und damit der Taschentuchindustrie zu ungeahnter Blüte verhalf:
Hedwig Courts-Mahler, meiner Meinung nach in jenem Genre eine wahre Zauberin! Wie hypnotisiert starrte ich auf die Einbände, deren Outfit allein mich bereits in die Träume der heilen Welt entführte.
 
Ich bezähmte mich nicht länger. Beinahe mit Ehrfurcht klaubte ich mir einen Band heraus, schlug ihn auf und sofort war es um mich geschehen. Ich vergaß meine Umgebung, versank in jener Welt voller Lieblichkeit und Rosen überall, identifizierte mich mit den Helden dieser Geschichten und verschlang geradezu die schwülstigen Liebeserklärungen, die in schöner Regelmäßigkeit auf jeder zwanzigsten Seite zu lesen waren.
 
Ach, seeuufz! Ich schwamm innerlich weg, "wegger" ging es gar nicht. Zu meiner Schande muß ich gestehen, dass ich leider nicht nur mehr innrlich hin und futsch war, als ich jene, der Heldin begegnende, bedeutungsschwangere Situation mit durchlebte:
"Sie schaute in seine tiefblauen Augen, Augen, so tief wie das Meer, die vor überschäumender Liebe zu ihr so strahlten wie die gleißende Sonne am Sommerhimmel. Sein inbrünstiger blick versengte sich in den ihrigen, usw. ... usw. ...
Den Rest möchte ich Ihnen erspraren.
 
Was ich Ihnen aber nicht ersparen werde, ist meine Reaktion darauf:
Zuerst war es nur ein schüchterner Tropfen, dass sich verschämt seinen Weg in der Nähe des rechten Ohres über meine Wange bahnte. Dem allerdings folgten dann ganz viele, alles andere als schüchterne Tränen, die ungehemmt und für jeden weithin sichtbar, über mein Gesicht rollten. Sie vereinigten sich zui einem wahren Wasserfall und ich war mitnichten mehr fähig, dem auch nur im Ansatze etwa Einhalt zu gebieten.
Welch` eine Wonne! Es war ja noch schööner als im Fernsehen!!
Ich erwarb dieses Buch, raste anschließend fix zu Aldi und kaufte dessen gesamten Taschentuchvorrat auf - für alle Fälle!

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Gaby Schumacher).
Der Beitrag wurde von Gaby Schumacher auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.09.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Gaby Schumacher als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Was bleibt - Die Reise des Jusup W. von Heiger Ostertag



Die Welt und der Inhalt des vorliegenden Buches orientieren sich am Leben des Titelhelden und Protagonisten Jusup W. Doch zum Roman gehören auch literarische Fiktionen und der spielerische Umgang mit der so genannten Realität. Unter Umständen bestehen zwischen dieser und in dem, wie Personen und Ereignisse im Buch gezeigt werden, gewisse Differenzen. Manche Übereinstimmungen mit dem realen Leben sind dagegen reiner Zufall und natürlich völlig ungewollt, anderes könnte sich hingegen wirklich so ereignet haben. Wichtig in diesem Spiel mit der Fiktion ist das, was wirklich bleibt!

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Satire" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Gaby Schumacher

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Ab-stellen! von Gaby Schumacher (Leben mit Kindern)
Förderverein der Profiteure (FDP) von Norbert Wittke (Satire)
Die Traumfrau von Ingrid Drewing (Liebesgeschichten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen