Angelika Kappler

Yoga - einmal anders

Hier liege ich nun –
auf einem sterilem weißen Lacken
Zugedeckt bis unter die Nasenspitze
Am rechten Arm gefesselt.
Viel zu schnell tropft die Chemo in meine Venen.
Sie sagen es muss so sein.
Langsam lege ich mich ganz gerade hin.
Bewusst atme ich ein und aus.
Plötzlich bin ich in unserem Raum.
Trudi umarmt mich – Elisabeth auch.
Wo ist Evi? Kommt noch!
Einatmen – ausatmen.
Ein – aus.....
Ich höre Martinas Stimme.
Langsam streckt sich mein rechtes Bein,
dann mein linkes.
Ich atme.
Vorsichtig bewegen sich meine rechten Zehen.
Ich spiele mit ihnen.
Dann lasse ich sie wieder los.
Langsam zieht mein rechter Fuß Kreise.
Nach ein paar Mal lasse ich auch meinen Fuß ruhen.
Jetzt bewegen sich meine linken Zehen.
Ganz langsam, ganz bewusst.
Dann kreist auch mein linker Fuß.
Trudi seufzt.
Vorsichtig heben sich meine Knie ein wenig und
Fallen langsam wieder auf die Unterlage zurück.
Das tut gut.
Einatmen – ausatmen, ein aus.....
Meine Finger spielen – wie von Geisterhand berührt.
Ganz bewusst lass ich auch das sein.
Meine Hände kreisen und ruhen sich wieder aus....
Einatmen – ausatmen ...
Meine Bauchdecke hebt sich, ich atme ein paar Mal ganz tief ein.
Geleitet durch Martina lenke ich meinen Atem an verschiedene Organe.
Erleichterung macht sich breit.
In meiner Phantasie komme ich zum Vierfüßler- Stand.
Ganz langsam strecke ich meinen rechten Arm und mein linkes Bein vor
Um es dann abzuheben und ganz bewusst waagrecht auszustrecken
Dann mache ich diese Übung mit meinem linken Arm und meinem rechten Bein.
Mein Rücken fühlt sich gut an.
Dann stellen wir uns auf unsere Unterlage.
Martina erklärt uns die Kampfhaltung.
Nein – kämpfen will ich heute nicht. Ich schaue den anderen zu,
lege mich wieder auf meine Unterlage und atme ganz bewusst
ein – aus, ein – aus....
Martina bring die Klangschale zum Singen.
Elisabeth atmet hörbar aus.
Ich erinnere mich an Thich Nhat Hanh:
“Lausch, lausche,
dieser wundervolle Klang bringt mich zu meinem wahren Selbst zurück.“
Einatmen – ausatmen, ein – aus....
Ich schrumpfe, werde ganz klein.
Plötzlich finde ich mich in meinem Inneren wieder.
Wie es hier pulsiert. Meine Organe arbeiten.
Ich bewundere sie. Dann sehe ich es:
Wie weiße kleine atomare Teilchen sucht die Chemo
Ihren Weg zu den Krebszellen, durchbricht die Zellwand
Und lässt den Zellkern schmelzen bis dieser wie verfrorenes
Laub von den Ästen hängt. Ich schaue fasziniert zu.
Nach einer Weile bewege ich mich weiter.
Ich sehe viele, schnell arbeitende gesunde Zellen,
Jede verrichtet ihre Arbeit präzise. Ich frag nach,
was ich für sie tun kann. Bewege mich von einem Organ zum
anderen. Mit vielen Aufträgen kehre ich langsam an die
Oberfläche zurück.
Eine schnarcht, friedlich und leise.
Zärtlich streichelt mich das Lied der Klangschale.
Eine kalte Hand nestelt an meinem rechten Arm herum.
„Frau Kappler – haben Sie geschlafen?“
Ich nehme noch einen tiefen Atemzug
Verabschiede mich von allen!
Öffne die Augen und lächle.

Diese Meditaion ist mir während einer laufenden Chemotherapie in den Sinn gekommen und ich widme sie meinen Yoga-Freundinnen unserer Selbsthilfekruppe Frauen nach Tumorerkrankungen.Angelika Kappler, Anmerkung zur Geschichte

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Angelika Kappler).
Der Beitrag wurde von Angelika Kappler auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.10.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

Bild von Angelika Kappler

  Angelika Kappler als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Die Trilogie der Phönix 1 (3 Bände) von Saskia Burmeister



Spannend, phantasievoll, auch für Kinder, die ansonsten nicht gern lesen! Die Bücher können auch vorgelesen werden. Die Sprache, in der sie verfasst sind, wird kein Kind überfordern. Die Bücher enthalten zudem viele Bilder, die die Autorin selbst gezeichnet hat.

„Start frei Phönix 1“ ist der erste von insgesamt drei Teilen, in denen es um ein Raumschiff, die Phönix 1 und deren Besatzung geht. Die fünf Mitglieder der Crew reisen mit ihrem superschnellen Raumschiff sozusagen als Raumpolizei (später als Forscher) durch das All. Dabei erleben sie viele Abenteuer. Auch geht es um eine Liebesgeschichte zwischen zwei Crew-Mitgliedern. Warum diese allerdings von der einen Seite nicht erwidert wird, soll vorerst noch ein Geheimnis bleiben. Nur eines soll verraten werden: Wer in der Vergangenheit „wühlt“, kann auf etwas treffen, das nicht nur unglaublich, sondern auch erschreckend sein kann.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Hoffnung" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Angelika Kappler

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

EIN SCHIFF NAMENS HOFFNUNG von Karin Schmitz (Hoffnung)
Auszug aus "Befreiungs-Schläge" von Elke Lüder (Autobiografisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen