Pierre Heinen
Schürfrecht-Duell 56-21WA
Kakniat blickte über seine linke Schulter nach oben und konnte
zwischen den Baumkronen den Gleiter mit der Panoramaterrasse schweben
sehen. Eine Sekunde später waren seine Augen wieder nach vorn gerichtet
und spähten zwischen zwei Felsbrocken hindurch. Wo war er? Dieser Kerl
mußte doch irgendwo stecken?
Kakniat hielt die Luft an. Diese verdammt eisige Luft. Hatte er nicht
eben zwischen zwei Bäumen einen Schatten gesehen? Er umklammerte sein
Gewehr fester. Wie hatte er sich nur auf diesen Wahnsinn einlassen
können? Von solchen Duellen hatte er schon viel in seiner Branche
gehört, doch daß er selbst einmal in einem verwickelt wäre, das hätte
er nie für möglich gehalten.
Schürfrecht-Duelle wurden nur dann ausgetragen, wenn sich mehrere
Käufer eines Schürfrechtes für einen Planeten nicht einigen konnten.
Kakniat wollte diesen Planten unbedingt für seinen Konzern
beanspruchen, doch leider war auch Plikat, Inhaber der größten
Minengesellschaft der achtzehn Galaxien, derselben Meinung. Eine
Einigung fand man nicht und so würde per Duell der Gewinner ermittelt
werden.
Es stand ihr beider Leben auf dem Spiel und darüber hinaus die Zukunft
der beiden Firmen und ihrer Mitarbeiter. Kakniat wußte, daß ohne diesen
Planeten sein Unternehmen nicht mehr existieren könnte. Sein Tod wäre
der Untergang von Kakniat’s Minengesellschaft und für Plikat, wäre es nur ein weiteres gewonnenes Duell und ein paar Milliarden mehr in seinem Tresor.
Schneeflocken schwebten durch die Luft. Auch das noch. Kakniat wollte
nicht länger hinter den Felsbrocken ausharren und legte sich auf den
mit Tannennadeln bedeckten Boden. Er robbte schwerfällig einige Meter
und blieb anschließend liegen. Es war anstrengend, mehr als das. Die
Angst, die ihm wie die kalten Schneeflocken durch den Tarnanzug
hindurch, auf die nackte Haut küssten und ihm eine Gänsehaut nach der
anderen verpasste, machten ihn fertig.
Noch nie hatte er solche aus Stoff angefertigten Kleider angehabt,
unbequem und noch dazu wasser- und luftdurchlässig. Noch nie hatte er
ein solch altes Gewehr getragen. Noch nie war er auf der Jagd gewesen.
Noch nie hatte er sich dem Tode so nah gespürt.
Jeder Duellteilnehmer verfügte über zwei Kugeln, wie der Schiedsrichter
es genannt hatte. Er hatte ebenfalls die Funktionsweise der Waffe kurz
erläutert und Kakniat wußte, er würde nur eine Gelegenheit bekommen,
Plikat ...
Ein Schuß fiel. Das Geschoß war an einem der Felsbrocken abgeprallt.
Kakniat war zusammengezuckt und hatte die Augen geschlossen. Er
schluckte.
"Das war verdammt knapp", sagte Mandy und senkte die Hände, die sie soeben erschrocken vor ihren Mund gehalten hatte.
Den Schreckenschrei hatte die Generalsekretärin der Kakniat’s Minengesellschaft gerade noch verhindern können, aber ihr bleicher gewordenes Gesicht, blieb Plikat’s Verwaltungsrat nicht verborgen.
"Jetzt geht es richtig los!", kommentierte einer lautstark und
beobachte grinsend, wie Mandy sich einem anderen Mitarbeiter von
Kakniat’s Firma an die Schulter warf.
Gelächter breitete sich aus. Mandy verließ die Terrasse und zog sich
auf die sanitäre Anlage des Gleiters zurück. Robert, ihr
Stellvertreter, der ihr eben folgen wollte blieb stehen. Er mußte
seinen Boß unterstützen, wenn er auch nur hilflos zusehen konnte.
"Ihr werdet verlieren!", spottete ein anderer Robert zu und nahm einen weiteren Schluck aus seinem blauen Kristallglas.
Robert ignorierte ihn und schaute nach unten. Sein Boß lag noch immer regungslos am Boden. Hoffentlich war er nicht verletzt.
Plikat hatte ihn entdeckt. Was tun? Zurück zu den Felsen? Einen Blick
riskieren? Er besaß nur noch einen Schuß, das war klar. Plikat hatte
seine Karten auf den Tisch gelegt. Zu früh?
Kakniat tastete mit seiner Hand den Boden ab und fand einen
Tannenzapfen. Dieser passte in seine Hand. Er schnappte ihn sich.
Kakniat atmete tief ein und aus. Schloß die Augen und da sah er sie.
All seine treuen Mitarbeiter, all ihre Familien, er sah seine Frau und
seine beiden Töchter, denen er zum Abschied einen heftigen Schmatzer
auf die Stirn gedrückt hatte. Er sah wie er geweint hatte, als sie sich
alle lieb gedrückt hatten.
Jetzt oder nie. Eine Nervenzuckung später, schmiß er den kantigen
Zapfen weit von sich, auf die Lichtung vor ihm zu. Nichts passierte.
Plikat hatte seinen letzte Kugel nicht geopfert und so kullerte der
Zapfen seelenruhig auf dem Boden umher und riß die frische Schneedecke
auf.
Jetzt hatte er auch noch verraten, daß er noch immer an der selben
Stelle lag. Verdammt! Er mußte etwas unternehmen, aber was? Wenn er
jetzt aufstehen und losrennen würde?
Ein Ast zerbrach irgendwo. Kakniat richtete sich auf. Wo? Er blickte um
sich, Gewehr im Anschlag. Der Schnee fiel jetzt heftiger. War nicht
etwas zu sehen? Kakniat ging auf die Knie und duckte sich hinter den
rauhen Felsbrocken. Das mußte Plikat sein. Er konnte seinen Schatten
zwischen zwei Bäumen sehen.
Kakniat zögerte nicht lange und drückte ab. Ein Knall. Der Rückschlag
überraschte ihn und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Er plumpste auf
den Boden. Hatte er getroffen? Kakniat wischte sich den Schnee aus dem
Gesicht und rappelte sich wieder hoch.
Erneut blickte er in die Richtung wohin er seine Kugel geschickt hatte.
Der Schatten hatte sich nicht sonderlich bewegt. Hatte er verfehlt?
Der Tannenzapfen landete neben dem Felsen am Schnee und im Nu gefror
das Blut in Kakniat’s Adern. Er drehte sich blitzschnell um und ein
weiterer Schuß surrte durch die Luft.
Robert hatte aufgehört gegen die dicke Scheibe mit den Fäusten zu
trommeln. Er hatte den Anzug gesehen zwischen den Bäumen flattern,
gestützt mit ein paar Ästen. Er hatte Plikat gesehen, wie er mit
nackter Brust um Kakniat herumgeschlichen war, um ihm dann von hinten
eine Kugel in den Kopf zu jagen.
Was er nicht sah, war das Blut, das auf dem Felsen herunterlief. Was er
nicht sah, waren die weit aufgerissenen Augen seines ehemaligen
Vorgesetzten.
Was er sah und nicht wollte, waren die jubelnden und besoffenen Mitglieder des Plikat Mining Empire Verwaltungsrates. Plikat selbst stand noch immer, das Gewehr hochhebend vor der Leiche.
Der Schiedsrichter entschied, nachdem er den Körper von Kakniat vom
Gleiter aus abgescannt hatte, daß Plikat der Sieger des Duells war.
Kakniat’s Minengesellschaft ging kurz darauf pleite und das Plikat Mining Empire
kaufte das Unternehmen auf. Der Planet 56-21WA wurde bald darauf, dank
seines günstigen Klimas, besiedelt und seiner Schätze beraubt.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.09.2007.
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