Sam Brown lehnte an der Bar und vor ihm
stand ein halbvolles Glas Bier. Langsam trieben die kleinen Blasen in
dem Glas durch die goldene Flüssigkeit nach oben. Es stand schon
länger dort vor ihm doch Sam sah nur in den Spiegel über
dem Tresen in den schummrigen Raum. Flüstern erfüllte die
Luft, während irgendwo in der Dunkelheit der Kneipe ein
Klavierspieler seine Finger über die Tasten gleiten lies. Es war
nicht die vornehmste aller Bars, aber für Leute wie ihn war es
ein Zufluchtsort. Ein Ort an dem man sich von der Welt entziehen
konnte. Einen Moment den rauen Alltag zu vergessen. So wie es der
Mann am Klavier wohl tat.
Nur wenige Leute saßen an den
kleinen runden Tischen und tranken noch ein Bier bevor sie für
diesen Tag nach hause gingen. Entweder alleine in ihre kalten und
trostlosen Wohnungen, oder zu Frau und Kindern nach Haus. So wie Sam
nach diesem Bier in sein graues und dunkles Leben zurückkehren
würde, in sein zuhause. Das einsam und leer auf ihn wartete.
Draußen wurde es bereits dunkel
und die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos spiegelte sich in den
verschmierten Scheiben der Bar. Ein kurzes aufleuchten um dann wieder
in der Dunkelheit zu verschwinden. Um einen flüchtigen Kegel des
Lichts in den dunklen Raum zu werfen. Wie Gespenster in der
Abenddämmerung huschten sie vorbei, die Automobile.
Ein kalter Lufthauch erfüllte die
Luft. So als wäre soeben jemand durch die Tür herein
getreten. Doch im Spiegel konnte Sam niemanden erkennen. War es nur
der Wunsch gewesen das jemand durch diese Tür nach inneren trat.
Vielheit eine Frau in dessen Anglitz er sich verlieben konnte. Doch
Frauen betraten diesen trostlosen Ort nicht, niemals. Und so eine
Frau von der Sam träumte erst recht nicht. Oder ein Freund den
Sam schon lange nicht mehr gesehen hatte. Um mit ihm ein Bier zu
trinken und ein paar Worte zu wechseln, dieser Gedanke gefiel Sam.
Und dann sah er sie.
Über ihm im Spiegel erschien eine
Frau, die soeben eingetreten war. Das flüstern verstummte, so
wie auch die leise Musik des Klavierspielers. Alle starrten die junge
Frau nur an. Lillian Sharingham war ein ungewohnter Anblick in dieser
Spelunke, ein Gast der niemals freiwillig einen Fuß in so eine
Bar setzen würde. Sie schien zu jenen zu gehören, die
nichts an so einem Ort zu suchen hatten.
Sam schob seinen Hut mit dem
Zeigefinger etwas nach oben und betrachtete sie weiter durch den
Spiegel. Ihr rotes lockiges Haar schimmerte wie Feuer in dem schwach
beleuchteten Raum. Und ihre Augen schienen zwei Smaragde zu sein.
Während sich das schwarze Kleid, das sie trug, sich an ihren
zierlichen Körper schmiegte. Ihre Haut war hell, fast weiß
wie der Schnee und ihre Lippen so rot wie das Blut das in seinen
Adern pulsierte. Sie war keine gewöhnliche Frau, das konnte Sam
erkennen.
Mit einem kurzen Blick sah Lillian sich
um, so als könnte sie mit ihm alles erfassen. Unbeirrt von dem
schweigen das ihr entgegenschlug ging sie mit sicherem Schritt auf
die Theke zu. Ihrer Schritte klangen dumpf auf dem schäbigen
Holzboden, und merkwürdig in der stille der schweigenden
Menschen. Lillian warf im vorbeigehen einen kurzen Blick auf den
Klavierspieler, und schon erfüllte sich wieder der Raum mit
sanfter Musik. Das flüstern der Menschen setzte wieder ein, so
als wäre nie etwas geschehen. Und doch ging ihr Getuschel nur um
sie. Während ihre Blicke ihr folgten. Doch Lillian ging weiter,
ohne sich daran zu stören. So als wäre sie die fragenden
Blicke längst gewöhnt. Immer noch verfolgte Sam jede
Bewegung von ihr. Es war als würde sie schweben. Nur so konnten
Engel aussehen, schoss es Sam durch den Kopf.
Neben Sam blieb Lillian an der Bar
stehen. Einen kurzen Blick warf sie hinüber zu dem Mann der sie
durch den Spiegel beobachtet hatte. Seine Blicke waren ihr nicht
entgangen.
Trotz dem Hut der er trug konnte
Lillian sein dunkelblondes Haar erkennen. Und seine dunkelbraunen
Augen verfolgten jede Bewegung von ihr. Er war einer jener Männer
vor deren sie in ihrer Gesellschaft gewarnt wurde. Er war einer der
das Leben kannte. Gute so wie schlechte Zeiten. Lillian blieb neben
ihm stehen. “Whisky,” sagte sie.
Sams Herz schlug höher, sein Engel
hatte gesprochen. Auch wen er wußte das sie sich niemals mit
ihm abgeben würde, sie gehörte nicht in seine Welt. Doch er
genoss die Vorstellung, den Gedanken daran, das sie sein Engel war.
Sam wagte einen kurzen Blick hinüber zu ihr.
Der Mann hinter dem Tresen stellte ein
Glas vor Lillian während in seinen Mundwinkeln eine Zigarette
hing. Lillian fühlte sich von ihm angeekelt. Er war ein
schmieriger Typ mit langen, grauen, fettigen Haaren die im Nacken
zusammengebunden waren. Er war unrasiert und mit seinen kleinen
grauen Augen und der krummen Nase wirkte er wie ein alter herunter
gekommener Boxer. Sein weises Hemd war grau und verschmiert, während
seine Blicke gierig an Lillians Brust hingen. Er schenkte Lillian ein
während einiges daneben lief, doch ihn schien es nicht zu
stören. Sein Blick schien starr auf sie gerichtet zu sein.
Lillian beugte sich hinüber, zu
dem Fremden dessen Blicke sie immer noch spürte. Er war ihr
sofort aufgefallen als sie die Bar betreten hatte. Er faszinierte
sie, ohne das Lillian sagen konnte wieso. Er hatte etwas das Lillian
nicht in Worte fassen konnte. Etwas das ein Mann aus ihrem
Gesellschaftskreis niemals besaß und niemals besitzen würde.
Er war ein Mann, so wie sich Lillian echte Männer vorstellte.
“Feuer,” fragte sie und zog aus
einer kleinen Handtasche die sie bei sich trug eine Schachtel
Zigaretten. Sam sah sie verwundert an, hatte sie mit ihm gesprochen.
War es üblich das Frauen in ihrer Gesellschaft rauchten. Aber
sie schien keine übliche Frau zu sein. Frauen ihres Schlages
machten einen weiten Bogen um Orte wie diesen. Und rümpften die
Nase falls ihnen mal jemanden von seiner Gesellschaftsschicht über
den Weg lief. Sie war keine normale Frau. Und die Tasche war Sam
vorher noch gar nicht aufgefallen. Nervös zog Sam ein Feuerzeug
aus seiner Manteltasche. Er gab sich gelassen, so als wären es
für ihn selbstverständlich, jeden Tag einer schönen
Frau die ihm um Feuer bat zu halfen.
“Was verschlägt eine Frau wie
sie an diesen Ort,” fragte Sam. Lillian lächelte so als hätte
sie auf die frage längst gewartet. “Mein Wagen ist liegen
geblieben,” war ihre kurze Antwort. Doch für Lillian war dies
nur eine ausrede gewesen. Sie wollte ausbrechen aus den zwängen
der vornehmen Gesellschaft. Sie wollte das fremde, das unbekannte
erleben. Sam witterte seine Chance. “Vielleicht kann ich ihnen
helfen,” fragte er. Lillian setzte das Glas an ihre
sanftgeschwungenen Lippen und lehrte es mit einem zug. Sie legte
etwas Geld auf den Tresen, das sie zuvor aus ihrer Handtasche kramte
und sagte, “stimmt so.” Dann sah sie Sam mit ihren grünen
Augen an, “können wir gehen,” fragte sie mit einer Stimme
die wie das flüstern des Windes klang. Sam lief ein schauer über
seinen Rücken, dann trank er sein Bier aus und folgte ihr nach
draußen.
Ein sanfter Nieselregen hüllte die
Stadt ein als sie gemeinsam Lillians Wagen erreichten. Er stand nicht
weit von der Bar entfernt in der Lillian wie ein Sonnenstrahl
eingefallen war. Doch jetzt stand Sam vor dem nächsten Problem.
Wie sollte er ihr sagen das er nichts von Autos verstand.
Sam setzte sich hinter das Lenkrad und
lies den Wagen an. Der Motor heulte für einen kurzen Augenblick
auf um dann in ein sanfte schnurren über zu gehen. Sam
schüttelte den Kopf. Der Wagen war in Ordnung, jedenfalls soviel
er verstand. Er stellte den Motor wieder ab und stieg aus dem Wagen.
Er ging zu Lillian die neben dem Auto auf dem Bordstein auf ihn
wartete. Seine dunklen Augen sahen sie an, sie die ihn mit ihrem
sinnlichen Blick erwartungsvoll betrachtete. Beide wußten das
der Wagen in Ordnung war.
“Ich kann keinen Fehler finden,”
sagte Sam Achselzucken zu ihr. “Aber ich bin kein Mechaniker. Von
meiner Wohnung aus könnte ich ihnen ein Taxi rufen. Den für
eine Werkstat ist es für heute schon zuspät.” Lillian sah
ihn schweigend an. Sie war bis hier her gegangen, sollte sie weiter
gehen.
Dieser fremde Mann dessen Namen sie
nicht kannte, er faszinierte sie. Er war anderst als jene Männer
die sie kannte. “Ist ihre Wohnung weit von hier,” fragte Lillian.
Sie war bereit sich auf das Spiel mit dem Feuer einzulassen. “Nein,”
schüttelte Sam den Kopf.
Langsam begann der sanfte Regen
Lillians Kleider zu durchdringen. Sam bemerkte ihr leichtes zittern,
er zog den Mantel aus und legte ihn über Lillians Schultern. Und
gemeinsam gingen sie durch den sanft prasselten Regen.
Sams Wohnung war warm doch noch immer
trug Lillian den Mantel über ihren Schultern. Er passte nicht zu
ihr, den er war alt und abgetragen. Doch er roch nach ihm, den Mann
den sie nicht kannte. Lillian fühlte sich von ihm angezogen, so
wie die Motte vom Licht.
Und ein warmes, sicheres Gefühl
durch drang sie. Noch nie hatte Lillian so gefühlt. Noch nie in
der Gegenwart eines Fremden so etwas empfunden.
Während Sam Kaffee kochte lies
Lillian ihren Blick durch das Zimmer gleiten in dem sie saß. Es
war klein und aufgeräumt und doch war es mit allem möglichen
Zeug vollgestopft. Die Küche in der Sam stand war offen
einsehbar und schien irgendwann einmal zu diesem Raum gehört zu
haben, bis es irgendjemand zu einer Küche umfonkzionirt hatte.
Die Tür zwischen Lillian und dieser Küche führte nach
draußen in den Hausflur und dann auf die Straße. Hinter
ihr wo Lillian nicht hinsehen konnte lagen zwei weitere Türen
neben einander. Die eine schien ins Schlafzimmer zu führen und
die andere ins Bad.
Sam stelle den warmen Kaffee vor
Lillian während er sich mit seiner Tasse ihr gegen über
setzte. Lillian nahm einen Schluck den er wärmte sie.
Sam sah auf Lillian, die Frau die ihm
gegenüber saß. Was machte sie hier in seiner Wohnung.
Warum war sie mit ihm hier her gegangen. Er hatte in ihrem Blick
gesehen, das sie genau wußte das ihr Wagen in Ordnung war. Was
wollte die Schönheit von ihm, die nicht aus seiner Gesellschaft
stammte.
“Ich werde ihnen jetzt ein Taxi
rufen,” sagte Sam und stand auf. Wen sie noch länger in seiner
Wohnung blieb, würde er seine zurückhaltende Art vergessen.
Er wollte sie, seit diesem Moment in dem sie die Bar betrat.
Auch Lillian stand auf und der Mantel
rutschte von ihren Schultern. Sam sah sie an, wollte sie das gleiche
wie er. “Nein,” sagte sie, “kein Taxi.”
“Es wäre besser so, wen sie
jetzt nach hause gehen würden,” hörte sich Sam sagen. Und
er redete sich ein das dies besser für sie beide wäre. Er
wollte diesen Engel nicht unglücklich machen.
Sam ging ins Schlafzimmer, dort wo das
Telefon stand. Lillian sah ihm nach, wollte er nicht das gleiche wie
sie. Warum hatte er sie dann nur mit zu sich genommen, nachdem er
festgestellt hatte das mit ihrem Wagen alles in Ordnung war. Lillian
folgte Sam leise ins Schlafzimmer.
Es war ein kleiner Raum, mit einem Bett
und einem Schrank und dem Telefon auf einem kleinen Tisch. Sam griff
danach, doch Lillian hielt seinen Arm fest. Sam sah sie an, seinen
Engel mit den grünen Augen und den roten, verführerischen
Lippen.
Dann spürte er ihre Lippen auf
seinen. Ihr Kuss der sanft und leidenschaftlich war. Ihre zarten
Lippen wie ein warmer Sommerhauch des Windes. Lillian trat einen
Schritt zurück und sah Sam mit ihren grünen Augen fragend
an. Sie war bereit diesen einen letzten Schritt zu gehen, war er es
auch. Sich mit einem Fremden einzulassen den sie bis vor ein paar
Stunden nicht kannte. Doch das fremde, das verbotene reizte Lillian.
Sie wollte in diese andere Welt eintauchen, auch wen es nur für
eine Nacht sein sollte.
Sam strich ihr durchs Schulter lange
Haar. Er wollte sie genauso, wie sie ihn wollte. Die Nacht mit dem
Engel seine Träume zu verbringen. Auch wen er am Morgen
aufwachen sollte und dies alles nur ein Traum war.
Sam strich ihr über die Haut die
weich war wie Seide. Über ihre Schultern und dabei streifte er
sie Träger ihres Kleide ab. Er lies seine Finger über ihren
Körper gleiten um sie zu spüren.
Sam presste seine Lippen auf ihre.
Während sie langsam auf das sauber gemachte Bett sanken. Sanft
strich er ihr das Kleid von ihrem Körper. Und vergrub sein
Gesicht in ihrer weichen, weißen, wohlriechenden Brust. Jede
Faser seines Körpers schrie nach mehr, er wollte sie, er
brauchte sie.
Und in einem Gewirr aus Armen
verschmolzen sie. Verschmolzen sie zu einem Wesen, zu einer Seele.
Die Sonne viel durch das halboffene
Fenster. Und der Straßenlärm klang hinauf zu ihnen. Etwas
bewegte sich neben Sam als er aufwachte. Er rieb sich den Schlaf aus
den Augen, und dachte dabei über seinen Traum von letzter Nacht
nach, von seinem Engel mit den Smaragd grünen Augen. Und da war
diese Bewegung wieder. Vorsichtig zog er die Bettdecke auf die Seite,
und da lag sie, sein Engel von letzter Nacht. Sie war also doch kein
Traum gewesen. Sie war so real wie er es war.
Sie war so unschuldig, so rein. Und
ihre nackte Haut schien wie frisch gefallener Schnee auf einer
Bergwiese zu sein. Nicht das Sam schon einmal frisch gefallenen
Schnee auf einer Bergwiese gesehen hätte, so stellte er es sich
vor, so mußte es sein. Sam sah weiter auf den schlafenden Engel
in seinem Bett deren Namen er nicht kannte. Er nicht wußte wo
her sie kam und wohin sie nach dieser Nacht wieder verschwand. Sam
wollte alles von ihr wissen. Seinen Engel nie wieder in die Freiheit
entlassen. Sie für alle Zeit sein zu nennen. Und doch wußte
er, das er einen Engel wie sie es war nicht in seiner Welt einsperren
konnte. Aber Sam wollte Träumen, den Gedanken an sie nie
verlieren.
Sam strich Lillian durch ihr
wohlriechendes Haar. Sie schlief noch immer.
Sam wollte warten bis sie erwachte.
Während sein Herz hoffte das sie für immer blieb, und sein
Verstand dies bezweifelte.
ENDE