Rebecca Lang

Sam Browns Engel

Sam Brown lehnte an der Bar und vor ihm stand ein halbvolles Glas Bier. Langsam trieben die kleinen Blasen in dem Glas durch die goldene Flüssigkeit nach oben. Es stand schon länger dort vor ihm doch Sam sah nur in den Spiegel über dem Tresen in den schummrigen Raum. Flüstern erfüllte die Luft, während irgendwo in der Dunkelheit der Kneipe ein Klavierspieler seine Finger über die Tasten gleiten lies. Es war nicht die vornehmste aller Bars, aber für Leute wie ihn war es ein Zufluchtsort. Ein Ort an dem man sich von der Welt entziehen konnte. Einen Moment den rauen Alltag zu vergessen. So wie es der Mann am Klavier wohl tat.
Nur wenige Leute saßen an den kleinen runden Tischen und tranken noch ein Bier bevor sie für diesen Tag nach hause gingen. Entweder alleine in ihre kalten und trostlosen Wohnungen, oder zu Frau und Kindern nach Haus. So wie Sam nach diesem Bier in sein graues und dunkles Leben zurückkehren würde, in sein zuhause. Das einsam und leer auf ihn wartete.
Draußen wurde es bereits dunkel und die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos spiegelte sich in den verschmierten Scheiben der Bar. Ein kurzes aufleuchten um dann wieder in der Dunkelheit zu verschwinden. Um einen flüchtigen Kegel des Lichts in den dunklen Raum zu werfen. Wie Gespenster in der Abenddämmerung huschten sie vorbei, die Automobile.
Ein kalter Lufthauch erfüllte die Luft. So als wäre soeben jemand durch die Tür herein getreten. Doch im Spiegel konnte Sam niemanden erkennen. War es nur der Wunsch gewesen das jemand durch diese Tür nach inneren trat. Vielheit eine Frau in dessen Anglitz er sich verlieben konnte. Doch Frauen betraten diesen trostlosen Ort nicht, niemals. Und so eine Frau von der Sam träumte erst recht nicht. Oder ein Freund den Sam schon lange nicht mehr gesehen hatte. Um mit ihm ein Bier zu trinken und ein paar Worte zu wechseln, dieser Gedanke gefiel Sam.
Und dann sah er sie.
Über ihm im Spiegel erschien eine Frau, die soeben eingetreten war. Das flüstern verstummte, so wie auch die leise Musik des Klavierspielers. Alle starrten die junge Frau nur an. Lillian Sharingham war ein ungewohnter Anblick in dieser Spelunke, ein Gast der niemals freiwillig einen Fuß in so eine Bar setzen würde. Sie schien zu jenen zu gehören, die nichts an so einem Ort zu suchen hatten.
Sam schob seinen Hut mit dem Zeigefinger etwas nach oben und betrachtete sie weiter durch den Spiegel. Ihr rotes lockiges Haar schimmerte wie Feuer in dem schwach beleuchteten Raum. Und ihre Augen schienen zwei Smaragde zu sein. Während sich das schwarze Kleid, das sie trug, sich an ihren zierlichen Körper schmiegte. Ihre Haut war hell, fast weiß wie der Schnee und ihre Lippen so rot wie das Blut das in seinen Adern pulsierte. Sie war keine gewöhnliche Frau, das konnte Sam erkennen.
Mit einem kurzen Blick sah Lillian sich um, so als könnte sie mit ihm alles erfassen. Unbeirrt von dem schweigen das ihr entgegenschlug ging sie mit sicherem Schritt auf die Theke zu. Ihrer Schritte klangen dumpf auf dem schäbigen Holzboden, und merkwürdig in der stille der schweigenden Menschen. Lillian warf im vorbeigehen einen kurzen Blick auf den Klavierspieler, und schon erfüllte sich wieder der Raum mit sanfter Musik. Das flüstern der Menschen setzte wieder ein, so als wäre nie etwas geschehen. Und doch ging ihr Getuschel nur um sie. Während ihre Blicke ihr folgten. Doch Lillian ging weiter, ohne sich daran zu stören. So als wäre sie die fragenden Blicke längst gewöhnt. Immer noch verfolgte Sam jede Bewegung von ihr. Es war als würde sie schweben. Nur so konnten Engel aussehen, schoss es Sam durch den Kopf.
Neben Sam blieb Lillian an der Bar stehen. Einen kurzen Blick warf sie hinüber zu dem Mann der sie durch den Spiegel beobachtet hatte. Seine Blicke waren ihr nicht entgangen.
Trotz dem Hut der er trug konnte Lillian sein dunkelblondes Haar erkennen. Und seine dunkelbraunen Augen verfolgten jede Bewegung von ihr. Er war einer jener Männer vor deren sie in ihrer Gesellschaft gewarnt wurde. Er war einer der das Leben kannte. Gute so wie schlechte Zeiten. Lillian blieb neben ihm stehen. “Whisky,” sagte sie.
Sams Herz schlug höher, sein Engel hatte gesprochen. Auch wen er wußte das sie sich niemals mit ihm abgeben würde, sie gehörte nicht in seine Welt. Doch er genoss die Vorstellung, den Gedanken daran, das sie sein Engel war. Sam wagte einen kurzen Blick hinüber zu ihr.
Der Mann hinter dem Tresen stellte ein Glas vor Lillian während in seinen Mundwinkeln eine Zigarette hing. Lillian fühlte sich von ihm angeekelt. Er war ein schmieriger Typ mit langen, grauen, fettigen Haaren die im Nacken zusammengebunden waren. Er war unrasiert und mit seinen kleinen grauen Augen und der krummen Nase wirkte er wie ein alter herunter gekommener Boxer. Sein weises Hemd war grau und verschmiert, während seine Blicke gierig an Lillians Brust hingen. Er schenkte Lillian ein während einiges daneben lief, doch ihn schien es nicht zu stören. Sein Blick schien starr auf sie gerichtet zu sein.
Lillian beugte sich hinüber, zu dem Fremden dessen Blicke sie immer noch spürte. Er war ihr sofort aufgefallen als sie die Bar betreten hatte. Er faszinierte sie, ohne das Lillian sagen konnte wieso. Er hatte etwas das Lillian nicht in Worte fassen konnte. Etwas das ein Mann aus ihrem Gesellschaftskreis niemals besaß und niemals besitzen würde. Er war ein Mann, so wie sich Lillian echte Männer vorstellte.
“Feuer,” fragte sie und zog aus einer kleinen Handtasche die sie bei sich trug eine Schachtel Zigaretten. Sam sah sie verwundert an, hatte sie mit ihm gesprochen. War es üblich das Frauen in ihrer Gesellschaft rauchten. Aber sie schien keine übliche Frau zu sein. Frauen ihres Schlages machten einen weiten Bogen um Orte wie diesen. Und rümpften die Nase falls ihnen mal jemanden von seiner Gesellschaftsschicht über den Weg lief. Sie war keine normale Frau. Und die Tasche war Sam vorher noch gar nicht aufgefallen. Nervös zog Sam ein Feuerzeug aus seiner Manteltasche. Er gab sich gelassen, so als wären es für ihn selbstverständlich, jeden Tag einer schönen Frau die ihm um Feuer bat zu halfen.
“Was verschlägt eine Frau wie sie an diesen Ort,” fragte Sam. Lillian lächelte so als hätte sie auf die frage längst gewartet. “Mein Wagen ist liegen geblieben,” war ihre kurze Antwort. Doch für Lillian war dies nur eine ausrede gewesen. Sie wollte ausbrechen aus den zwängen der vornehmen Gesellschaft. Sie wollte das fremde, das unbekannte erleben. Sam witterte seine Chance. “Vielleicht kann ich ihnen helfen,” fragte er. Lillian setzte das Glas an ihre sanftgeschwungenen Lippen und lehrte es mit einem zug. Sie legte etwas Geld auf den Tresen, das sie zuvor aus ihrer Handtasche kramte und sagte, “stimmt so.” Dann sah sie Sam mit ihren grünen Augen an, “können wir gehen,” fragte sie mit einer Stimme die wie das flüstern des Windes klang. Sam lief ein schauer über seinen Rücken, dann trank er sein Bier aus und folgte ihr nach draußen.

Ein sanfter Nieselregen hüllte die Stadt ein als sie gemeinsam Lillians Wagen erreichten. Er stand nicht weit von der Bar entfernt in der Lillian wie ein Sonnenstrahl eingefallen war. Doch jetzt stand Sam vor dem nächsten Problem. Wie sollte er ihr sagen das er nichts von Autos verstand.
Sam setzte sich hinter das Lenkrad und lies den Wagen an. Der Motor heulte für einen kurzen Augenblick auf um dann in ein sanfte schnurren über zu gehen. Sam schüttelte den Kopf. Der Wagen war in Ordnung, jedenfalls soviel er verstand. Er stellte den Motor wieder ab und stieg aus dem Wagen. Er ging zu Lillian die neben dem Auto auf dem Bordstein auf ihn wartete. Seine dunklen Augen sahen sie an, sie die ihn mit ihrem sinnlichen Blick erwartungsvoll betrachtete. Beide wußten das der Wagen in Ordnung war.
“Ich kann keinen Fehler finden,” sagte Sam Achselzucken zu ihr. “Aber ich bin kein Mechaniker. Von meiner Wohnung aus könnte ich ihnen ein Taxi rufen. Den für eine Werkstat ist es für heute schon zuspät.” Lillian sah ihn schweigend an. Sie war bis hier her gegangen, sollte sie weiter gehen.
Dieser fremde Mann dessen Namen sie nicht kannte, er faszinierte sie. Er war anderst als jene Männer die sie kannte. “Ist ihre Wohnung weit von hier,” fragte Lillian. Sie war bereit sich auf das Spiel mit dem Feuer einzulassen. “Nein,” schüttelte Sam den Kopf.
Langsam begann der sanfte Regen Lillians Kleider zu durchdringen. Sam bemerkte ihr leichtes zittern, er zog den Mantel aus und legte ihn über Lillians Schultern. Und gemeinsam gingen sie durch den sanft prasselten Regen.

Sams Wohnung war warm doch noch immer trug Lillian den Mantel über ihren Schultern. Er passte nicht zu ihr, den er war alt und abgetragen. Doch er roch nach ihm, den Mann den sie nicht kannte. Lillian fühlte sich von ihm angezogen, so wie die Motte vom Licht.
Und ein warmes, sicheres Gefühl durch drang sie. Noch nie hatte Lillian so gefühlt. Noch nie in der Gegenwart eines Fremden so etwas empfunden.
Während Sam Kaffee kochte lies Lillian ihren Blick durch das Zimmer gleiten in dem sie saß. Es war klein und aufgeräumt und doch war es mit allem möglichen Zeug vollgestopft. Die Küche in der Sam stand war offen einsehbar und schien irgendwann einmal zu diesem Raum gehört zu haben, bis es irgendjemand zu einer Küche umfonkzionirt hatte. Die Tür zwischen Lillian und dieser Küche führte nach draußen in den Hausflur und dann auf die Straße. Hinter ihr wo Lillian nicht hinsehen konnte lagen zwei weitere Türen neben einander. Die eine schien ins Schlafzimmer zu führen und die andere ins Bad.
Sam stelle den warmen Kaffee vor Lillian während er sich mit seiner Tasse ihr gegen über setzte. Lillian nahm einen Schluck den er wärmte sie.
Sam sah auf Lillian, die Frau die ihm gegenüber saß. Was machte sie hier in seiner Wohnung. Warum war sie mit ihm hier her gegangen. Er hatte in ihrem Blick gesehen, das sie genau wußte das ihr Wagen in Ordnung war. Was wollte die Schönheit von ihm, die nicht aus seiner Gesellschaft stammte.
“Ich werde ihnen jetzt ein Taxi rufen,” sagte Sam und stand auf. Wen sie noch länger in seiner Wohnung blieb, würde er seine zurückhaltende Art vergessen. Er wollte sie, seit diesem Moment in dem sie die Bar betrat.
Auch Lillian stand auf und der Mantel rutschte von ihren Schultern. Sam sah sie an, wollte sie das gleiche wie er. “Nein,” sagte sie, “kein Taxi.”
“Es wäre besser so, wen sie jetzt nach hause gehen würden,” hörte sich Sam sagen. Und er redete sich ein das dies besser für sie beide wäre. Er wollte diesen Engel nicht unglücklich machen.
Sam ging ins Schlafzimmer, dort wo das Telefon stand. Lillian sah ihm nach, wollte er nicht das gleiche wie sie. Warum hatte er sie dann nur mit zu sich genommen, nachdem er festgestellt hatte das mit ihrem Wagen alles in Ordnung war. Lillian folgte Sam leise ins Schlafzimmer.
Es war ein kleiner Raum, mit einem Bett und einem Schrank und dem Telefon auf einem kleinen Tisch. Sam griff danach, doch Lillian hielt seinen Arm fest. Sam sah sie an, seinen Engel mit den grünen Augen und den roten, verführerischen Lippen.
Dann spürte er ihre Lippen auf seinen. Ihr Kuss der sanft und leidenschaftlich war. Ihre zarten Lippen wie ein warmer Sommerhauch des Windes. Lillian trat einen Schritt zurück und sah Sam mit ihren grünen Augen fragend an. Sie war bereit diesen einen letzten Schritt zu gehen, war er es auch. Sich mit einem Fremden einzulassen den sie bis vor ein paar Stunden nicht kannte. Doch das fremde, das verbotene reizte Lillian. Sie wollte in diese andere Welt eintauchen, auch wen es nur für eine Nacht sein sollte.
Sam strich ihr durchs Schulter lange Haar. Er wollte sie genauso, wie sie ihn wollte. Die Nacht mit dem Engel seine Träume zu verbringen. Auch wen er am Morgen aufwachen sollte und dies alles nur ein Traum war.
Sam strich ihr über die Haut die weich war wie Seide. Über ihre Schultern und dabei streifte er sie Träger ihres Kleide ab. Er lies seine Finger über ihren Körper gleiten um sie zu spüren.
Sam presste seine Lippen auf ihre. Während sie langsam auf das sauber gemachte Bett sanken. Sanft strich er ihr das Kleid von ihrem Körper. Und vergrub sein Gesicht in ihrer weichen, weißen, wohlriechenden Brust. Jede Faser seines Körpers schrie nach mehr, er wollte sie, er brauchte sie.
Und in einem Gewirr aus Armen verschmolzen sie. Verschmolzen sie zu einem Wesen, zu einer Seele.

Die Sonne viel durch das halboffene Fenster. Und der Straßenlärm klang hinauf zu ihnen. Etwas bewegte sich neben Sam als er aufwachte. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen, und dachte dabei über seinen Traum von letzter Nacht nach, von seinem Engel mit den Smaragd grünen Augen. Und da war diese Bewegung wieder. Vorsichtig zog er die Bettdecke auf die Seite, und da lag sie, sein Engel von letzter Nacht. Sie war also doch kein Traum gewesen. Sie war so real wie er es war.
Sie war so unschuldig, so rein. Und ihre nackte Haut schien wie frisch gefallener Schnee auf einer Bergwiese zu sein. Nicht das Sam schon einmal frisch gefallenen Schnee auf einer Bergwiese gesehen hätte, so stellte er es sich vor, so mußte es sein. Sam sah weiter auf den schlafenden Engel in seinem Bett deren Namen er nicht kannte. Er nicht wußte wo her sie kam und wohin sie nach dieser Nacht wieder verschwand. Sam wollte alles von ihr wissen. Seinen Engel nie wieder in die Freiheit entlassen. Sie für alle Zeit sein zu nennen. Und doch wußte er, das er einen Engel wie sie es war nicht in seiner Welt einsperren konnte. Aber Sam wollte Träumen, den Gedanken an sie nie verlieren.
Sam strich Lillian durch ihr wohlriechendes Haar. Sie schlief noch immer.
Sam wollte warten bis sie erwachte. Während sein Herz hoffte das sie für immer blieb, und sein Verstand dies bezweifelte.






ENDE
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.09.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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