Gaby Schumacher

Patschi und Löffel (Märchen)


 
 
Auf einer in allen Farben des Regenbogens leuchtenden Blumenwiese lebten zwei Hasenkinder. Als sie sich kennen lernten, waren sie noch ganz klein. Mit ihren winzigen Nasen schnupperten sie aneinander und mochten sich sofort gut leiden. Es waren ein Mädchen und ein Junge. Das Hasenmädchen hieß Patschi und der Hasenjunge Löffel.

´Patschi` wurde so gerufen, weil es so gerne mit den Pfoten auf dem Boden herum trommelte und dabei machte es jedes Mal deutlich ´patsch`. Löffel dagegen trug seinen Namen, weil er so außergewöhnlich lange Ohren hatte, eben so richtige Löffel.

Die Beiden mochten dieselben Hasenkinderspiele wie Nachlaufen und Verstecken und tobten den halben Tag miteinander herum. Sie zankten sich nie, sondern verstanden sich prima.

Patschi und Löffel wuchsen heran und gingen gemeinsam in die Hasenkinderschule. Immer noch waren sie ein Herz und eine Seele und liefen auch in der Schule Pfote in Pfote. War ein fremder Hasenjunge böse zu Patschi, wischte Löffel dem eins, dass jenem das Hören und Sehen verging und der hakenschlagend Reißaus nahm. Ärgerte jemand Löffel, war Patschi wütend zur Stelle und verteidigte ihren Freund.

In der Schule lernten die Beiden, dass so ein Hasenleben nicht nur ausgesprochen schön, sondern auch sehr gefährlich war. Vor großen Raubvögeln, dem Fuchs, den Hunden und vor allem den Jägern hieß es auf der Hut zu sein. Die Jäger, das waren die Menschen mit den Flinten. Bollerten die los, dann war größte Vorsicht angesagt.

Viele der jungen, unerfahrenen Hasenkinder wurden zur Beute und starben, bevor sie richtig gelebt hatten. Patschi und Löffel spitzten aufmerksamst ihre langen Ohren. Sie waren sehr fleißige Schulkinder und merkten sich jedes Wort.

Aber es gab auch Schönes zu berichten: Lehrer ´Schnupper` erzählte viel Lustiges, so dass seine Schüler oft laut kicherten. Außerdem verriet er ihnen, dass auf den benachbarten Äckern leckere Möhren und Salatköpfe wuchsen. Manchmal waren diese Köstlichkeiten auch in den Gärten der Menschen zu finden, denn die aßen gleichfalls gerne Salat und Möhren.

Hasen werden schnell erwachsen. Patschi war ein bildhübscher Hasen-Teenager und Löffel ein ebenso schöner Hasen-Twen geworden. Mittlerweile wagten sie lange Ausflüge, weit weg von zu hause.

Eines Tages, sie stromerten gerade durch einen kleinen Wald, hörten sie in der Nähe ein Schnaufen.
„Was ist das?“, bibberte Patschi.
„Keine Ahnung!“, war Löffels verunsicherte Antwort.
Irgendwie witterten sie die Gefahr und duckten sich vorsichtshalber platt ins hohe Gras.

Das Schnaufen kam erschreckend schnell näher. Löffel riskierte einen Blick nach oben und erstarrte. Ein paar Meter von ihm entfernt stand einer ihrer Todfeinde, ein Fuchs. Der hatte sie anscheinend schon gerochen, hatte offensichtlich großen Hunger und wartete nur noch auf den günstigsten Moment, sich jene leckere Mahlzeit zu holen. Er schlich langsam auf die Beiden zu.

„Löffel, ich hab` solche Angst! Ich will nicht gefressen werden!“
Patschi drängte sich eng an Löffel.
„Patschi, rühr` Dich nicht von der Stelle, ja?“
„Was hast d...du denn vor?“, zitterte sie.

Doch Löffel gab keine Antwort, sondern stellte sich auf seine vor Furcht wackelnden Beine.
´Der darf meine süße Patschi nicht kriegen! Den lenk ich ab!`

Löffel verschwand. Er brachte sich nicht etwa in Sicherheit, sondern hopste dem Fuchs mutig entgegen. Jener gemeine Kerl leckte sich bereits sein Maul und setzte zum Sprung an.

Patschi in ihrem Versteck war halbtot vor Angst. Doch sie konnte einfach nicht anders und schielte aus den Augenwinkeln hinter Löffel her.
„Nein, nicht meinen Löffel!“

Aber Löffel war ein kluger Hase, der in der Schule stets gut aufgepasst hatte. So wußte er, dass er viel wendiger war als dieser grobe Klotz da vor ihm.
„Du wirst Bauklötze staunen!“

Dann rannte Löffel los und schlug einen Haken nach dem anderen. Der Fuchs raste mit heraus hängender Zunge immer hinterher, nach rechts, nach links, dann geradeaus und wieder zurück. Stets, wenn der Räuber unseren Löffel fast erreicht hatte, sprang dieser mit einem hohen Satz zur Seite.

Schließlich, als Löffel ihm wieder einmal vor der Schnauze herum getanzt und dann wie ein geölter Blitz verschwunden war, gab der verwirrte, vom Jagen völlig erschöpfte Fuchs die Verfolgung auf und lief zurück in den Wald in seinen Bau, um dort geknickt seinen Mittagsschlaf zu halten.

Unser Hasenmann aber war putzmunter und obendrein sehr stolz. Er hatte seiner Patschi und natürlich auch sich selber das Leben gerettet.
„Wie lieb ich sie habe!!“, fuhr es ihm durch den Kopf, als er dann endlich bei seiner Freundin eintraf.
„Löffel, Dir ist nichts passiert. Ich bin ja so glücklich!!“, begrüßte sie ihn.

„Heute frag` ich sie!“, nahm sich Löffel vor.
Aber, bevor er das täte, wollte er noch ein schönes Geschenk besorgen.
„Patschi, bin gleich wieder da!“, strahlte er sie an und war weg.
Patschis Herz klopfte. Irgendwie spürte sie, dass etwas Besonderes geschehen würde.

Sie behielt Recht. Ein paar Minuten später hoppelte Löffel mit stolzgeschwellter Brust heran. Im Maul trug er eine wunderschöne Möhre.
„Patschii?“
„Jahaah?“, kam es leise zurück.
„Du hast mich doch lieb, ja?“
Oh ja, da brauchte Patschi kein bisschen erst zu überlegen.
„Sogar ganz doll!“

Löffel legte die Möhre zu Patschis Pfoten:
„Patschi, willst du meine Frau werden?“
Statt einer Antwort erntete er einen stürmischen Nasenkuss.

Unser Liebespärchen hoppelte eilig nachhause, damit alle anderen Hasen es erfahren sollten. Sie würden heiraten.


In den nächsten Tagen bereitete die Hasenfamilie alles für die Hochzeit vor.

Eine Höhle in einem der umstehenden Bäume diente als Kirche. Die Hasenfrauen knüpften lange Girlanden aus bunten Blumen. Mit der verzierten sie den Eingang der Höhle.

Die Hasenmänner trugen Möhren und frische Salatblätter herbei sowie noch andere Köstlichkeiten herbei und deckten auf einem der umliegenden Baumstümpfe eine richtige Festtagstafel.

Der freie Platz vor der Höhle diente als Tanzfläche. Ein Grillenorchester spielte emsig liebliche Melodien.

Dann kam das Brautpaar. Patschi trug ein Salatblatt-Rüschenkleid mit einer Möhrenscheibenbrosche und sah einfach umwerfend aus. Löffel hatte sich einen leuchtend orangefarbenen Möhren-Smoking gewählt mit einem dazu passenden Stock-Zylinder, der mit einer Möhre geschmückt war. Auch er sah toll aus.

Ringe benötigten sie nicht. Stattdessen gaben sich einen besonders innigen Nasenkuss. Jetzt waren sie verheiratet. Danach hopsten sie verliebt den Brautwalzer. Alle Hasen freuten sich für sie und feierten bis zum Einbruch der Dunkelheit mit ihnen.

Als die Anderen gegen Abend nachhause gegangen waren, legten sich Patschi und Löffel erschöpft in ihr Hasenbett. Dicht aneinander gedrängt, schlummerten sie selig ein.

Mittlerweile ist seitdem ein ganzes Jahr vergangen. Wieder einmal ist es Sommer und auf den Wiesen spielt der Hasennachwuchs.

Ob wohl Patschis und Löffels Kinder dabei sind?
Fragt sie doch einmal!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.09.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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