Kluge Vögel, dumme Vögel
Seit über dreißig Jahren haben wir unseren Graupapagei. Ein wunderbares Tier ist er, voller Verstand und dazu ein Dickschädel. Stundenlang trainierte ich mit ihm. Er schwieg, neigte den Kopf und schien mich auszulachen. Morgens begrüßte ich ihn immer mit einem knurrigen Moin. Das reicht ja völlig für einen Papagei. Meine Heide sagte morgens, sie ist nicht wie ich ein Morgenmuffel, guten Morgen, mein Schatz. Ihre Stimme klang sanft und lieb.
Es dauerte eine längere Zeit. Müde, mit verhangenen Augen stieg ich eines Tages aus dem Bett. Es war so schrecklich früh. Heide war dagegen das blühende Leben. Ihr Lachen schmerzte fast.
Mein sturer Papagei, fast schien mir, es glänzte ein spöttisches Lächeln in seinen Augen, erhob plötzlich eine warme, lieblich klingende Stimme und laut erklang es: „Guten Morgen, mein Schatz.“ Heide lachte und sagte nur ein einfaches Danke.
Die Überraschung trieb mich aus dem Bett. Ein Wunder. Unser Papagei konnte sprechen. Dazu sprach er mit einer lieblichen weiblichen Stimme. Mich trieb es hinaus. Das wollte ich auch einmal persönlich hören.
Noch leicht schwankend, ich hatte die Nacht davor lange Musik gemacht, eilte ich ins Wohnzimmer. Neugierde lag in meinen Augen.
„Guten Morgen, mein Schatz,“ klang es aus meiner Kehle.
Ganz rau kam zurück, tiefe Stimme, verschlafen, ärgerlich: „Moin!“
In diesem Moment konnte ich mein Lachen nicht unterdrücken. Er hatte mich geschafft.
Sie war eine wunderbare Frau. Ihr strahlendes Lächeln hatte ihn betört. In seinem Bauch merkte er die Sprünge seines Herzens. Sie war für ihn ein Wunder, nicht darstellbar. Sie war einfach nur da.
Ihre leichte Verlegenheit berührte sein Herz. Es gab keinen Vergleich mit Mona Lisa. Irgendwie fühlte er Federn in sich, wenn er sie sah. Sie schwebten leise vom Himmel herunter, er konnte mit einem leichten Hauch ihre Richtung verändern.
Ein erstes Zusammentreffen wurde telefonisch verabredet. Ihre Stimme klang dabei wie Musik in seinen Ohren. Er suchte in seinen Erinnerungen den Vergleich des Musikinstruments.
Wie eine Geige, nein, das war es nicht. Klarinette, dafür war zu viel Sanftheit im Ausdruck. Es konnte kein Blasinstrument sein. Er grübelte wirklich. Es war die Pan-Flöte, welche seinem Gefühl am Ende ähnelte, ein Klang, welcher durch den Hauch der Stimme erzeugt werden kann. Die Pan-Flöte, dieses wunderbare leichte Instrument, welches Träume wecken kann.
Mit einem verlegenen Lächeln begrüßte er sie. Es war ihr erstes Treffen. Er hatte ein Hotelzimmer belegt. Sie stand vor ihm mit einem leicht roten Kopf.
Sie hatte sich leicht vornehm angezogen. Ein hübsches Kostüm unterstützte den Reiz ihres Gesichtes. Farbig war es in einem leichten Rosaton gehalten. Es passte alles zusammen.
Sie gingen vom Parkplatz schnell auf das Hotelzimmer.
Er ärgerte sich, hatte Blumen vergessen.
Ihre Augen leuchteten, sie wollte sich unterhalten, ihn kennen lernen. Es war ein Abwägen, ob diese sanfte, lockende Stimme zu dem Mann passte.
In ihm stieg währenddessen eine unbändige Spannung hoch, regte sich an seinem Körper, wollte ihr Recht.
Fast stimmlos warf er sie auf das Bett, entkleidete sie und drang in sie ein.
Ihre Augen verloren den Glanz, sie war gekränkt. Sie fühlte sich als Objekt nicht als Frau. Sie spürte ihn zwar, aber vergaß ihn im gleichen Moment.
Er verstand nicht, warum sie so schnell das Hotel verließ.
Seine Augen, eben noch voller Begehren, wurden leer.
Sie sahen sich nie wieder. Es war besser so.
© pk 09 / 07