Daniel Wehowsky

Geistkälte

Mein Mitbewohner schlachtete drei Ferkel und hängte sie mit Hacken über seine Badewanne. Er soff das Blut das von ihnen runterfloss. Es war erfrischend und belebend. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits das Kostüm eines weissen Bären angezogen. Er betrachtete die Badewanne wie sie sich mit Blut füllte lang und ausgiebig, dabei erstarrte seine Bewegung und sein Blick.
 
Ich hatte mich währenddessen an meine selbstauslösende Guillotine festgeschraubt und war bereits in meiner Phantasie zu den letzten zwei Sekunden ohne Kopf und bei Bewusstsein gereist. Im Grunde wollte ich nichts weiter tun als vorauszureisen immer und immer wieder und dabei in passiver Starre zu verharren. Auf den Tod zu warten und ihn stets aufs Neue zu mir herzuziehen anstatt, dass er mich zu sich zieht. Letztendlich so aus der Hiflosigkeit des Lebens herauszukommen. Es wandt sich in mir wie ein blinder Wurm. In dem ich mich gefangen nahm, zwang ich ihn aus seinem Versteck in dem er hastig frass und auf das Feld meiner Gedanken schiess.
Der Selbstzwang brachte mich dazu mich innerlich auszufressen. Mich porös und Schwarz zu machen es zu einem alten Grab zu formen, wo sich an jeder Ecke ein Eingang bot für allerleih sichtbares und unsichtbares Getier, hinein zu zerfallenden Steinsärge. Einer der Steinsärge soll mein Gesicht tragen, dass letzte was von mir blieb. Ein Gesicht das auf die schattenverhangene Erde am Grund des Sarges fällt. Dort für niemanden sichtbar zerbrochen liegt. Mein inneres Anglitz wird steinern, kalt und eine Maske.    
 
Mein Mitbewohner stieg geistesabwesend in die Blutwanne. Er hatte vor dort solange zu bleiben bis sich das Blut braun färben würde. Er begann das Blut zu saufen, bis im das Kotzen kommen würde. Ganz und gar war er nun kein weisser sondern ein roter Bär.
 
Ich saß währenddessen auf dem Scheisshaufen eines zerbrochenen Stuhles. Einer der Spähe hatte sich mir durch die Hose gebohrt. Ein weitere Bewegung und er würde mir ins Arschloch fahren. Grossartige Vorstellung von den Überresten eines Stuhls dort hineingefickt zu werden.
 
Ich liess mir noch Spielraum für meine Hände um meinen Kopf in den kleinen Fernseher zu schieben um den Kabelsalat darin zu fressen. Ich saugte die Plastikhüllen der Drähte aus ihren Würsten. Machte die entgültige obskure Reise meines Gaumens. Das Ekelgefühl mischte sich mit dem kalten Würgegriff der Halskrause, die um meinen Hals lag. Hoffentlich löste es sich nicht aus. Ich will nur die Vorstellung. Die Dioden der Innereien des Fernsehers zerbrachen unter meinen Zähnen. Zerrissen meine Zungen und meine Lippen. Das Blut floss durch das Loch der Halskrause.
 
Da erschien plötzlich der Geist des grossen Verehrers des Musikers Vlad Jensit. Dieser hatte es sich getreu der Aufforderung seines Vorbildes selbst getötet. Sein Kopf war nur noch ein Loch zwischen zwei toten Augen. Der Verehrer verkündigte seelenlos ritualisiert, die kommenden in den Selbstmord treibende Geistkälte von Vlad Jensit, den traurigen Rest der von ihm übrigblieb. Der Verehrer verschwand zwischen der graugrünen Kotze der Schatten, die sich hier auf die Ritzen und Dielen der kargen Kammer legten. Augenblickig zuckte die Geistkälte den Raum zusammen. Ein Injektion wie aus einer Spritze, gefüllt mit verseuchtem Schnee. Der unsichbare Schnee der sich hier in den Raum legt, trug nur noch die äußeren Grenzen und Umrisse der Unschuld. Ein graues übergewichtiges nebliges Leichentuch lag auf ihm.
 
Die Geistkälte ergriff meinen Mitbewohner in der Wanne. Ich hörte dieses bestimmte Plätschern, dann stand er im Flur. Die groteske Figur, der Geisterbär im Opferblut. Für wen wollte er sich hingeben. Er stand da und rührte sich nicht. Die Geistkälte hatte seinen kranken Willen gebrochen. Dann führte in die Geistkälte aus dem Gang in das Zimmer in dem ich nun saß. Dort drehte er sich in meine Richtung und starre auf den Auslöseknopf für die Guillotinne.   

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.09.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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