Gaby Schumacher

Ooh!!

  
 
 
 
 Ich wollte ja mal wieder...
Es war dringend an der Zeit. So gänzlich ohne Kultur wie bislang sollte es nicht weitergehen. Ich erinnerte mich meiner Freude an Museumsbesuchen und machte mich froh gestimmt auf den Weg.

Die alten Römer sollte es diesmal nicht treffen, denn ich fühlte mich an jenem Tage ausgesprochen jung. Deshalb entschied ich mich für eine Galerie.

Ich fand von allem etwas, sowohl die alten Meister, aber auch die jüngeren, die ganz jungen und die jungen Alten. Mitnichten verzichtet eine solche Ausstellung auf außergewöhnliche, da extreme Werke, denn genau vor denen sammeln sich die Massen.

Vor allem ein bestimmter der Letzteren fesselte den Besucherstrom der Kunstkenner, der Möchtegern- und noch mehr der Gar-nicht-Kunstkenner, die aber nach bestem Vermögen dieses Unwissen sogar manchmal zu vertuschen vermochten.

Solch`einen tollen Kunstunterricht hatte ich während meiner ganzen Lyzeumszeit und die dauerte lange, nie erlebt. Mein Verstand arbeitete auf Hochtouren, um da noch mithalten zu können. Die eingesetzte Konzentrationsarbeit brachte mir Erkenntnisse, von denen ich noch nicht einmal in meinen verwegendsten Träumen zu träumen gewagt hätte und die brachten meine Ohren dann sehr bald zum Schlackern.

Eingekeilt zwischen mindestens dreißig lieben Mitmenschen, sah ich nämlich nur wenig und noch weniger Außergewöhnliches.
"Entschuldigen Sie!", flüsterte ich meinem Steh-Nachbarn verschämt zu. "Können Sie mir sagen, was das da vorne sein soll?"

Auf diese doch mehr als höflich angebrachte Frage erntete ich einen Blick, der mich zur geistigen Mißgeburt abstempelte und mir deutlichst bedeutete, wie ich mir nur die Frechheit hatte erlauben können, mich überhaupt in diese erlauchte Gesellschaft der Kunstbeflissenen einzuschleichen.

Doch noch prallte dieser Blick an mir ab, noch hatte ich den Mut zum Mich-Behaupten:
"Was denken Sie denn darüber?", bemerkte ich keck und brachte damit mein Gegenüber innerlich beträchtlich auf Trab.
"Na, wohl von Kunst keine Ahnung, nicht?", bollerte der, aber ich gewann irgendwie den spontanen Eindruck, dass der gleich mir ebenfalls im Prestige verschluckenden Meere des Nichtwissens schwamm.

Unbescheidenheit zählte nicht zu meinen Eigenschaften. So erwiderte ich auch ziemlich bescheiden:
"Eigentlich schon etwas ... Aber, das da, ist das denn noch Kunst?"
Mit dieser Bemerkung landete ich anscheinend einen Treffer. Fragte der sich das etwa auch?

Jedenfalls wandelte sich dessen Ablehnung in Zugänglichkeit. Er wurde regelrecht gesprächig und ließ sich doch tatsächlich herab, mit mir ein paar Worte zu wechseln.
"Dazu muß man ´Kunst` erst einmal definieren", meinte er so vollkommen richtig.

"Das ist nicht schwer!", wagte ich mich vor. "Zur Kunst zählt alles Selbstgestaltetes. Sie dient dazu, Gefühle und Umstände innerlich zu verarbeiten sowie darzustellen, in optischen und akustischen Kunstwerken sich mit der Welt auseinander zu setzen."
Immerhin, dies wurde akzeptiert und sogar mit einem halbwegs anerkennenden Blick honoriert.

Währenddessen waren wir näher und näher an jene Außergewöhnlichkeit herangeschoben worden und endlich durfte ich diese mit eigenen Augen bewundern. Deren Wirkung erschlug mich fast, aber keinesfalls derart, wie Sie es jetzt wahrscheinlich vermuten.

Nein, ich war einfach nur baff und stand sprachlos davor.
´Es ist Kunst. Nun erkenne es endlich als das. Sonst zählt man dich hier zu den Kunstbanausen!`, redete ich mir zu.
Vorsichtshalber behielt ich diese Gedanken für mich und begab mich laut stattdessen daran, mich in einer Methode des Interpretierens dessen, was sich mir da so fremdartig präsentierte, zu versuchen, die meinem Gegenüber hoffentlich zusagen würde.

"Empfinden Sie es auch so - diese Klarheit der Formen, einfach toll, nicht?"

Der Mensch da neben mir biss an. Solche Diskussionen schien er zu lieben:
"Ja, ist es nicht unglaublich, mit welch` wenigen Stilmitteln man dermaßen viel ausdrücken kann?"

Abermals dirigierte mich die Vorsicht, nicht etwa durch eine unvorsichtige Antwort dieses zarte Bändchen der Unterhaltung wieder zu zerreißen. Ich schwieg einen Augenblick und dachte:
´Hat sich was mit Stil!`
Dann:
"Ja, sozusagen die Einfachheit des Lebens, meinen Sie nicht auch?"
Harmlos lächelnd sah ich ihn an.

Er geriet in Fahrt:
"Wenn Sie sich diese Farbzusammenstellung ansehen, aus der Natur genommen, als Verbindung zur Natürlichkeit sozusagen, zum Ursprung zurück. Das ist Leben pur, wissen Sie!"
Dabei rüttelte er begeistert und so gar nicht mehr zurückhaltend an meinem Arm.

Aufgerüttelt fuhr es mir durch den Kopf:
´Aha, so geht das. So musste das machen!`
Da ich ja ein fantasiebegabter Mensch bin, fiel mir dann so einiges noch dazu ein:
"Sie haben völlig Recht! Er stellt unseren menschlichen Lebensweg dar. Das untere Objekt steht für den Frohsinn, die Leichtigkeit, die Freude, das Lebensbejahende ... "

Mein Gegenüber nickte mittlerweile so heftig zu jedem meiner weisen Worte, dass ich mir schon Sorgen wegen seiner da extrem beanspruchten Bandscheiben machte. Dies aber war bestimmt unnötig, denn der vollführte, da bestimmt regelmäßig in solchen Ausstellungen, garantiert nicht das erste Mal in seinem Leben diese Gymnastikübung.

"Ich sehe schon, wir haben die gleiche Wellenlänge. Es ist ja so weiterbringend, einen Menschen zu treffen, der ... !", begeisterte er sich.`
´Wenn Du wüsstest ... !`, dachte ich.

Doch er schwebte schon im siebenten Interpretierhimmel und war nicht mehr zu stoppen:
"Das obere Objekt drückt Flexibilität aus, den Wunsch, etwas aus seinem Leben zu machen, es zu erkunden und doch sein geistiges Gut nur in verantwortungsvoller Weise und ausschließlich in dafür passenden Gelegnheiten der Umwelt mitzuteilen, ansonsten sich bedeckt zu halten ... "

Ich hatte bereits beträchtliche Mühe damit, mich nicht durch ein dann mehr als amüsiertes Grinsen zu verraten:
`Oh je, reiß`dich bloß zusammen! Das kannste dem jetzt nicht antun, dass ...!`

Doch es kam noch schöner:
"Dieses wahrlich da granios gewählte Schwarz, voller Geheimnisse, voller Ruhe und doch des Glanzes, dieser Tiefe des Ausdruckes. Diese Feierlichkeit ... Spüren Sie dieses Flair nicht auch, öffnet sich nicht ihr Inneres ... Oh ja, der Künstler ist ein Meister seines Faches ... Sein Werk ist die absulote Bereichung meines Ichs, nichts wird mehr so sein wie fürdem ... !"

´Du ahnst gar nicht, wie Recht du damit hast!`, dachte ich, befreite mit einem kleinen, höflichen Ruck meinen mittlerweile mehr als durchgerüttelten Arm und verdrückte mich schleunigst, um mich in der Ecke um die Ecke vor den Toilettenräumen ungehemmt meinem längst fälligen Lachkrampf zu überlassen.

Das in die obersten Sphären des Kunsthimmels erhobene Werk stammte übrigens von Joseph Beuys.

Das Objekt mit dieser wahnsinnigen Tiefe des Ausdruckes vierriet sich übrigens als Klavier und das flexible, geistige Gut vermittelnde war der dazu gehörige Filzhut.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.09.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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