Anke Ritter

Pass auf, was Du Dir wünscht . . .

Der Wecker ging an und der Moderator beim Radiosender las gerade die Ortstemperaturen vor, schon 16°C, angenehm, und er war sofort wach.

Er sah gut aus, war mittelgroß, hatte eine fast schon athletische Figur und einen umwerfenden Charme, der genauso auf Frauen wirkte – umwerfend – und meistens fielen sie direkt in sein Bett. Leider war er aber oberflächlich, sehr von sich eingenommen und träumte davon eine herausragende Tat zu vollbringen, um Ruhm und Ehre zu erhalten.

Er stand auf, ging ins Badezimmer und schaute sich lange im Spiegel an. `Meine Güte´ dachte er, `der liebe Gott hat mit mir wirklich ein Kunstwerk geschaffen´. Er hörte wie Marlene, seine Freundin, aufstand. Er wusste, dass sie ans Heiraten dachte, welche Frau tat das nicht, und irgendwie hatte sich der Floh auch bei ihm festgesetzt. Nun ja, Marlene war wunderschön, sie war eher ruhig, hielt die Wohnung ordentlich und hatte einen guten Geschmack was Einrichtung und Stil anging. Er legte viel Wert auf eine elegante Frau. Marlene war so eine. Und das wichtigste war, dass sie keine Fragen stellte, wenn er erst mitten in der Nacht von der Arbeit nach Hause kam.

Er grinste und freute sich schon auf seinen Auftritt heute. Er wusste, dass er sie bald so weit hatte, die neue Kollegin aus dem Marketing. Die war schon eine Herausforderung. Groß, fast so groß wie er, und sportlich, das konnte er sehen, drahtig, muskulös wo es sein sollte. Ein leichtes Kribbeln lief seinen Rücken rauf, als er an sie dachte. `Nein´ dacht er `jetzt noch nicht´ sein Körper reagierte auf seine Gedanken, schon in freudiger Erregung dessen, was ihn erwartete. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, dass die neue Kollegin nicht seinem Charme erliegen könnte.

Pfeifend ging er aus dem Bad, zog sich an und lauschte auf das klappern, das aus der Küche kam. Er war auffällig und er wusste das. Topmodisch gekleidet, nicht übertrieben, ein Mix zwischen sportlich und elegant.

„Ich werde heute nicht frühstücken“ sagte er als er in der Küche ankam. „Ich hol mir unterwegs ein paar belegte Brötchen, es wird heute ein stressiger Tag, könnte länger dauern“. Er sah Marlene nicht an als er das sagte, er sah nicht, dass Marlene den Kopf senkte und die Augen vor unterdrückten Tränen schimmerten. Er sah auf den Flur, dort, gegenüber, hing der große Spiegel, er betrachtete sich, ihm gefiel was er sah.

„Einen schönen Tag wünsch ich Dir noch“ sagte er zu Marlene, drückte ihr einen Kuss ins Haar, schnappte sich seinen Aktenkoffer und ging hinaus.

Gleichzeitig mit ihm kam die Nachbarin von gegenüber aus der Wohnung und sie lief bald in ihn hinein. „Oho, Frau Nachbarin, heute morgen sind Sie aber sehr stürmisch“, er grinste die Frau an und blinzelte ihr zu. Sie wurde rot bis an die Ohren, murmelte ein leises Guten Morgen und lief die Treppen hinab. Er schaute ihr kurz hinterher. Nie im Leben würde er daran denken, sich näher mit der Nachbarin zu befassen. Er hatte nur schöne Frauen, wunderschöne Frauen, elegant, mit Stil und Sexappeal. Kleine, unscheinbare Mäuschen, die sich im Bett wie erschreckte Kaninchen tot stellten, die waren nichts für ihn. Er brauchte welche mit Feuer und Raffinesse. Er schob sich noch mal die Krawatte hoch, schmunzelte und dachte bei sich: `und solche Frauen bekomme ich auch´.

Pfeifend ging er aus dem Haus.

Der Weg zur Arbeit dauerte zu Fuß nur 10 Minuten. Er traf meistens auf dieselben Leute. Aus dem Nachbarhaus kam immer eine Frau mit 2 kleinen Kindern. Der türkische Gemüsestand wurde gerade geöffnet und an der Ampel standen oft 2 Schulmädchen, die er mit Kennerblick einschätzen konnte. Eine davon würde sich zu einer interessanten Frau entwickeln, die andere, nun, die war jetzt schon zu sehr Durchschnitt, als das er zweimal hingeschaut hätte.

Die Ampel sprang natürlich gerade wieder auf rot um, als er dort ankam. Er stoppte seinen Schritt und schaute die Querstraße runter, wer dort so alles war, als er plötzlich von hinten einen Stoß bekam. „Eyyyy …. „ schimpfte er, „was soll …..“. Die ältere Dame ging einfach weiter, sie schaute nach unten. „Hey, die Ampel ist rot!“ rief er ihr hinterher. Es kam jedoch keine Reaktion. Die Dame war schon fast bis zur Mitte, die Autos vom Abbieger bekamen grün und sie schwebte nun wirklich in Lebensgefahr. Er wusste selbst nicht warum er es tat, aber er spurtete los, schnappte die Dame am Arm und zog sie zurück. Er schimpfte, ging rückwärts, stolperte über die Bordsteinkante und fiel mit dem Kopf gegen die Straßenlaterne.

` Oh man´ dachte er `so viel Sterne auf einmal´. Er hockte noch, als eine Hand seine Schulter berührte: „Alles klar mit Ihnen?“ Er blickte hoch und schaute in das blaueste Paar Augen, das er je gesehen hatte. Alle Sinne schärften sich, die Frau war genau sein Typ, der Jäger in ihm erwachte. Er blickte sich kurz um, die ältere Dame war weg, auch gut; er konzentrierte sich auf sein Gegenüber. Sie kam ihm irgendwie bekannt vor, eine Ähnlichkeit mit Marlene war zu erkennen.

„Ein wenig Kopfschmerzen“ sagte er, „aber sonst geht’s mir gut“. Er stand auf und schenkte ihr sein bestes Lächeln. Sie lächelte zurück und sagte: „Da haben Sie ja eine gute Tat vollbracht“, sie schaute ihm zu, wie er seinen Anzug abklopfte „sowas wird doch von guten Feen immer mit einem Wunsch belohnt“, sie zwinkerte ihm zu. Er stoppte seine Säuberungsaktion und schaute sie groß an, sie verwirrte ihn, was sein Interesse an ihr aber noch steigerte. „Oho“ sagte er scherzhaft, „wenn das so ist“ er lächelte ihr zu, dachte kurz an Ruhm und Ehre und verneigte sich dann, „liebste Fee, mir wurden schon viele Wünsche von Mutter Natur gewährt“, er schaute ihr tief in die Augen und stellte fest, wie wunderschön sie war, „aber eins, eines wollen doch alle Männer, oder?“ Er machte eine Kunstpause, lächelte sie an und ging noch einen Schritt näher. „Ich möchte ein Mann der Geschichte sein!“

Der Blackout kam sofort, er merkte er fiel, aber er spürte keinen Aufschlag.

Ach, ist das angenehm, im Bett, ein bisschen räkeln, `ich dreh mich noch mal auf die andere Seite bevor der Wecker klingelt´, dachte er noch kurz bevor es ihm siedendheiss einfiel. Er war heute schon mal aufgestanden, die alte Dame, Kopfschmerzen, die wunderschöne Frau, er schlug die Augen auf und starrte auf das Kissen auf dem er lag. Spitzenverzierte Kissen? Sein Bett war riesig. Mit einem Ruck setzte er sich auf. Ein Baldachin? Ein mittelgroßer Raum, sehr hoch, mit großen Türen die fast bis zur Decke gingen, die – so schätzte er – 3 Meter hoch war. Was war hier los?

Er überlegte noch, was das sollte, da ging die Tür auf und eine Frau, angezogen im Stil der Jahrhundertwende, betrat den Raum mit einem fröhlichen: „Guten Morgen!“. Er wusste, dass dies seine Frau war, Sophie, aber mehr wußte er nicht und langsam dämmerte es ihm. Sein Wunsch . . . er überlegte fieberhaft, wer war er? Er lächelte und beobachtete sie, als sie auf die Fenster zuging und die Vorhänge zurückzog. Es wurde hell und sie drehte sich zu ihm um und sagte: „Aufstehen, Franz-Ferdinand, der Zug nach Sarajevo wartet!“

Es dauerte nicht lange bis er realisierte, was er da eben gehört hatte. ´Oh nein` dachte er noch `. . .  ein Mann der Geschichte . . . ich werde ermordet . . . ´ . Sein Mund wurde trocken, ein Schwindelgefühl überkam ihn, als eine gnädige Ohnmacht ihn langsam wieder auf das große Bett sinken ließ.

Darum, pass auf, was Du Dir wünscht, es könnte in Erfüllung gehen.

 

Ich mag "schwarzen Humor" und viele von euch kennen das bestimmt: man überlegt, was, wenn der Wunsch der Fee zwar erfüllt wird, aber nicht so, wie gedacht? Ich hoffe, die Geschichte gefällt euch und für euren Kommentar bedanke ich mich jetzt schon. :-)

Viel Spaß weiterhin beim Lesen,
Grüße,
Anke

Nur kurz zur Information: Franz Ferdinand von Österreich-Este (* 18. Dezember 1863 in Graz; † 28. Juni 1914 in Sarajevo, ermordet), war österreich-ungarischer Erzherzog und Thronfolger. Die Ermordung von ihm und seiner Frau in Sarajevo ist einer der Auslöser des 1. Weltkrieges.
Anke Ritter, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.10.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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