Claude Peiffer

Der gefährliche Weg nach Hause

Es war später Nachmittag und bitter kalt. Ein eisiger Wind peitschte den dicht fallenden Schnee vor sich her. Die Sicht reichte kaum drei Meter weit. Dennoch erkämpfte sich ein kräftiger Mann, zielsicher seinen Weg durch diese weiße Hölle.

Seine gefütterten Stiefel aus Schweinsleder hinterließen tiefe Spuren im Schnee, die jedoch nach wenigen Minuten wieder zugeschneit waren. Sein Weg führte ihn durch eine Schlucht, vorbei an den kargen Restbeständen des Toten Waldes, zum Dorf Koposo, wo er mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter wohnte.

Plötzlich blieb der dick vermummte Mann stehen. Seine braunen Augen, das einzige von seinem Gesicht, was nicht von einem warmen Wollschal verdeckt wurde, sahen sich aufmerksam um. Ein entferntes Heulen war zu hören. Es beunruhigte den Mann jedoch nicht. Er kannte es. Er hörte es jeden Tag um diese Zeit. Es war sein treuer Begleiter auf dem Nachhauseweg von der Abtei ins Dorf.

Aber diesmal klang das Heulen anders. Nicht grüßend, wie der Mann es sich stets einbildete, sondern warnend. Und der Mann nahm die Warnung ernst, denn die Gegend war unsicher, und dafür bekannt, dass gottlose Gestalten hier ihr Unwesen trieben. Vor allem kurz vor der Dämmerung und um diese Jahreszeit.

Der Mann zuckte zusammen, als er glaubte, ein dunkler Schatten wäre über ihn hinweg geflogen. Doch nichts war zu sehen. Alles blieb still. Sogar der Wolf hatte mit seinem Geheule aufgehört, war vertrieben worden. Nochmals schaute sich der Mann um. Unsicher schritt er langsam weiter.

Der Angreifer kam von hinten, sprang dem Mann auf den Rücken und brachte ihn zu Fall. Verzweifelt versuchte der Mann sich zu wehren. Der Angreifer verfügte jedoch über übermenschliche Kräfte. Er hob sein Opfer mit einer Hand hoch und schleuderte es sechs Meter weit vor sich her.

"Er spielt mit mir!", dachte der Mann entsetzt und seine panischen Gedanken kreisten plötzlich um seine Familie, die er wahrscheinlich nie mehr in seine Arme schließen könnte.

Die dunkle Gestalt des Angreifers näherte sich ihm aus dem dichten Schneetreiben. Verzweifelt suchte der Mann in seinem alten Wintermantel nach einer Waffe, nach seinem Taschenmesser, von dem er genau wusste, dass es nutzlos war. Doch er wollte nicht wehrlos sterben. Er wollte kämpfen, obwohl er damit bei diesem Gegner nichts erreichen würde. Er wollte einfach nur sein Leben verteidigen.

Der Angreifer beugte sich über ihn und der Mann wurde in seiner Manteltasche fündig. Er konnte schon den nach Fäulnis stinkenden Atem seines Peinigers riechen, als er das Falzbein aus der Tasche zog, und es mit all seiner Kraft, dem letzten Aufbäumen eines Todgeweihten, seinem Gegner in die Brust stieß.

Ein Schrei, der nicht von einem Lebenden stammte, durchdrang die eisige Luft. Es folgte der dumpfe Knall eine Implosion. Schwarzer Staub rieselte auf den, am Boden liegenden Mann herab.

Erschöpft erhob er sich und versuchte die sterblichen Reste des Vampirs von seinem Mantel zu wischen. Dabei hielt er noch immer das Falzbein, das sein Leben so unerwartet gerettet hatte, in seiner Hand. Der Mann blickte es an. Es war brandneu. Der Abt hatte ihm das, aus Rinderknochen bestehende, spitz zulaufende Arbeitsgeschirr erst heute Morgen überreicht.

"Ich habe es mit Weihwasser gesegnet, Clavis!" hatte der Abt ihm gewissenhaft erklärt.

Clavis steckte das Falzbein wieder in seine Manteltasche. Er schwor sich, es stets bei sich zu tragen. Mit schweren Schritten setzte der Buchbinder seinen Weg nach Hause fort.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.10.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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