Andreas Rüdig
Die Orgie
Dieser Auftrag hat es in sich. "Richten Sie eine
Orgie aus," hatte mir der Großindustrielle befohlen. Seine Frau feiert
einen runden Geburtstag: Sie wird 30 Jahre alt.
Womit
soll ich beginnen? Genau: mit dem Essen. Sekt und Champagner wird
es in Strömen gießen. Gefüllte Schweinsköpfe werde ich auftischen,
Salate, Appetithäppchen, Suppen und andere Feinkostgericht. Vor allem
wird es nur das beste geben. Im Hintergrund wird eine
kleine Kapelle, bestehend aus Schlagzeug, Bass und Trompete,
klassischen Schlager spielen. Leicht bekleidete Damen und muskulöse
Herren werden das Essen reichen.
So, das wäre
geregelt. Danach werde ich einige diskrete Rückzugsmöglichkeiten
schaffen. Dorthin können sich die Damen und Herren zurückziehen, wenn
sie miteinander herzen möchten. Die übrigen Feiernden werden mit
humoristischen und kabarettistischen Einlagen, Sketchen, Gesangsstücken
und Varieténummern unterhalten. Ein riesiges Feuerwerk und ein
anschließendes abkühlendes Bad im Swimmingpool werden der abschließende
Höhepunkt sein.
Die
Orgie war ein voller Erfolg. Wein, Weib und Gesang setzte
diversen älteren Herren dermaßen zu, daß sie am Ende nicht mehr
wußten, was sie taten. Die ganze Stadt sprach einen Monat lang von
nichts anderem. Jetzt ist es aber an der Zeit, die Rechnung
zu präsentieren und abzukassieren. Ich werde die Rechnung
persönlich überbringen. Nur so kann ich sicher sein, daß die Rechnung
auch beim (richtigen) Empfänger ankommt.
Ah
ja, da ist ja die Hausnummer 59. Die Villa Burgund. Auffahrt und Garten
sehen wieder sauber und ordentlich aus. Saubergemacht hat mein
Auftraggeber also schon. Doch als mein Zeigefinger 2
Millimeter von der Klingel entfernt ist, stutze ich. Moment mal. Da
steht ja kein Name mehr an der Eingangstür. Und auch das Haus
sieht verlassen aus - an den Fenstern gibt es keine Gardinen
mehr, kein Auto ist in der offenen Garage zu sehen.
"Aber
das Haus war doch nur gemietet. Wußten Sie das nicht? Die
letzten Mieter sind vor 2 Wochen fluchtartig ausgezogen," berichtet mir
die Nachbarin. Ich werde jetzt meine Revolvermänner aussenden
müssen. Sie werden das Geld schon eintreiben.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.10.2007.
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