Susanne Bruschke

Die Welt geht nicht unter? Darauf würde ich nicht wetten!

Ich flippe gleich aus! Gleich zerlege ich ihm sein Haus, bis es nur noch Schutt und Asche ist. Mann, habe ich die Schnauze voll! Das glaubt mir keiner, selbst wenn ich auf die Bibel schwöre. Jetzt stehe ich schon geschlagene vier Stunden Schmiere und der Deal ist immer noch nicht über die Bühne. Was macht der Typ solange? Warum braucht er solange, diese eine Karre zu knacken? Verarscht der mich? Oder sind die Bullen schon da? Fast hoffe ich, dass die Bullen wirklich da sind oder denken die, ich habe nur ne Waffe, weil sie zu meinen dunklen Klamotten passt oder weil ich komplett unten und durchgeknallt bin? Sicher nicht. Die glauben nie, dass ich schieße, das traut niemand einer Tussi zu, die 1,50 m groß ist und blass wie der Schnee auf den Motorhauben der Autos, die in den arroganten Autohäusern auf dem Platz  herum stehen und glitzern. Nee, wie ich diese verdammten Autohausbesitzer hasse! Die können und mal. Jetzt ist es nach 23 Uhr und kein dämlicher Schnösel mit überstylter Fresse ist mehr hier. Smiley ist zu Hause geblieben und spielt den braven Ehemann, dabei könnte wir ihn hier gut brauchen. Ist zu gar nichts mehr Nutze, seit der eine Alte an seiner Seite kleben hat. Und die anderen sind auch nicht besser. Wo sind die Zeiten geblieben, in denen die Gang das Wichtigste war? Freunde für immer, was für ein Gelaber! Alles nur heiße Luft. Griffas und ich. Mehr sind nicht übrig geblieben. Doch dieses Leben, das gebe ich nicht auf, selbst wenn sie mich lebendig begraben oder in Marokko einperren im Männerknast. Wär für Griffas sicher schlimmer, tss, tss. Adrenalin, das ist alles was ich brauche, meine Droge, ohne die ich den Tag und dieses lahme Spießersystem nicht ertrage. Wir rasen wie die Irren dem Ende entegegen, spiegelglatte Autobahnen, wen interesssiert´s? Wenn es dann zu Ende ist, was verpassen wir? Bausparverträge, die Zeugen Jehovas oder die sabbernden Mitbewohner im Altenheim? Jung sterben ist ohnehin meine geringste Sorge. Wo bleibt er nur? Griffas! Ich mach dich kalt, wenn du auch noch abspringst! Dies hier ist alles, was mir geblieben ist! Oder was ich jemals hatte. Nur die Raserei schützt mich vor dem Abgrund, egal was da sonst noch so ist. Shit! Kippen habe ich auch keine mehr, auch keinen Alkohol zum Warmwerden. Bleibt nur, auf den Füßen herum zu wippen, als wenn ich eine Zwangsneurose hätte. Na hoffentlich kommt der Arsch bald.
 
Ich verfluche ihn! Er ist das Letzte, was einem Menschen oder selbst einer Kakerlake vor Augen kommen kann. Stundenlang lässt er mich hier sitzen im Dunkeln und nicht mal Kaffee gibt es hier! Wieder eine sinnlose Observation, wer würde drauf kommen? An diesem Autohaus hier ist nichts Besonderes, wieso glaubt der, die Pirinta-Gang schlägt hier zu, um Wagen zu stehlen? Ist er ein telepathisch veranlagter Mensch geworden, oder was? Der mit seinem Fettarsch! Aber nicht doch! Der hört höchstens die Kekse oder Pommes Frites nach sich rufen! Dabei packt ihm seine Lockenwicklertante schon genug Kram ein. Bockwurst, Schweineohren, Schokolade, Küchlein und so weiter, und so weiter. Davon könnt ich glatt ne ganze Woche leben! Nee, jetzt stehe ich hier und stehe ich hier und komme mir immer noch nicht so cool vor wie bei Niedrig&Kuhnt. Dabei bin ich hier nur gelandet, weil die Polizeiarbeit im Fernsehen immer so cool und locker ausgesehen hat. Nun schreibe ich den ganzen Tag Berichte, muss dem hässlichen Fettarsch (meinem Chef) in den Hintern kriechen, obwohl ich ihn lieber in denselbigen treten würde. Gott steh mir bei, dass ich nicht irgendwann mit seinem Hintern die Flure des Polizeireviers aufwische. Dreckig genug ist es da ja.
 
Ich gehe nicht nach Hause, nein da gehe ich nicht hin! Ist doch immer dasselbe. Prügel, Prügel, Prügel. Und einsperren. Nur weil ich einmal das Kopftuch nicht aufgehabt habe. Und mein Bruder petzt, denkt wohl er sei Allah persönlich. Ist er aber nicht. Komm du nach Hause, Leyla! Genau deswegen gehe ich eben gerade eben nicht nach Hause! Ich werde da auch nie wieder hingehen und das Kopftuch versenke ich in der nächsten Mülltonne. Ach ja? Tust du ja doch nicht, zahmes, dummes Mädchen! Den Islam legt man nicht ab wie ein paar alte Putzlumpen. Ich werde einfach hier stehenbleiben und erfrieren und hoffen, dass man mir all meine Sünden vergibt. Na ja, die Dinge, die die so unter Sünde verstehen. Ich habe nichts falsch gemacht, ich will nur atmen! Einfach atmen, ich selbst sein und im schönsten Kleid der ganzen Stadt tanzen und mich bewundern lassen. Was ist so falsch daran, man selber zu sein? Einen Tag einfach nur man selber. Das wäre schön. Dieser Tag kommt nie.
 
Soll ich oder soll ich nicht? Soll ich schon wieder ein Auto stehlen? Ha, ha! Das fragst du dich? Jetzt? Bist du total verrückt geworden? Tausendmal hast du die tollsten Schlitten geknackt und ausgerechnet jetzt, jetzt fragst du dich, warum? Wohl ein paar Jährchen zu spät, mein liebster Griffas. Deine Haare werden schon grau und deine Zähne verfaulen im Mund, weil du ja nicht zum Zahnarzt gehst. Als wenn der dein Fahndungsphoto bei sich in der Parxis hängen hätte! Gib´s zu, du bist nur zu ängstlich, dorthin zu gehen! Blitzt da nicht eine Taschenlampe auf? Zur Wand, schnell! Doch wahrscheinlich werde ich nur paranoid. Draußen wartet sie, langsam muss ich mich aber beeilen! Oder sonst gibt es getrennte Betten. Sie ist noch immer so heiß wie vor achtzehn Jahren. Zum alle zehn Finger ablecken! Bleib bei der Sache, Griffas! Wenn du jetzt geil wirst, ist bald alles für die Katz, auch wenn ich grade keine Katze sehen kann. Oh, Mann! Wenn jetzt einer hören könnte, was du denkst, alter Kerl! Würdest glatt in eine Gummizelle verfrachtet werden. Ist das ein Leben! Jetzt lachste auch noch, Dumpfbacke, oder heulste etwa? Ist dir klar geworden, dass es so nicht ewig weitergeht? So geht es auch nicht weiter, mein Freund, hat ddoch keinen Sinn, ewig und ewig so weiter zu machen und sich selbst zu belügen. Hat doch alles keinen Sinn!
 
Ich habe vielleicht eine Angst! Aber du bist der Chef, der Chef der gesamten Polizeiwache! So jemand darf nicht feige sein, hast du gehört! Die jagen dir sonst deinen Posten weg, du gemästete Wildsau! Schau bloß nicht in den Spiegel, der würde schwarz anlaufen, als wenn man ihn angezündet hat! Quatsch! So hässlich bin ich gar nicht. Im Dunkeln in der Scheibe des Autohauses sehe ich gar nicht mal so schlecht aus! Mal ein wenig mit der Taschenlampe beleuchten! Oh nein, wie hässlich und jetzt auch noch unprofessionell, wenn da wirklich ein Autodieb drin sitzt, könnte er jetzt gleich das Feuer eröffnen, ach, wie schön wäre es jetzt, eine Folge CSI Miami zu sehen und leckere Teigröllchen zu verputzen! Verfressen bleibt eben verfressen, und fernsehsüchtig bleibt fernsehsüchtig. Wär doch nur alles so leicht wie im Fernsehen und gäbe es nur immer ein Happyend! Jetzt mal nicht rührselig werden, reiß dich zusammen und pass auf! Sonst steht morgen in der Zeitung, wie unfähig du bist, hier tratscht doch jeder Kollege gleich alles an die Presse weiter! Und die Neue da hinten im Wagen, von der ich den Namen nicht mehr weiß, ist eine kleine Giftschlange, obwohl... Ist ja auch irgendwie zum Anbeißen nicht wahr? Gib´s doch wenigstens zu, du Ehebrecher in Gedanken! Wenn deine Frau das wüsste oder der Pastor mit seinem Drohfinger, Mann, den Kerl hab ich schon gehasst, als ich noch nicht mal schreiben konnte!
 
Wo ist sie? Ich suche sie. Das war doch nur so daher gesagt: Komm du nur nach Hause! Ich will doch nur nicht, dass unsere Ehre in den Schmutz gezogen wird! Was sollen Hassan und Cem sagen, zu einem, der eine Schwester hat, die ohne Tuch auf dem Kopf und diesem aufreizenden Grinsen im Gesicht über den Schulhof spaziert? Keine von denen hat so eine Schwester! Ja, doch, sie ist toll. Aber was ist mit der Tradition? Vater hat sich nicht krumm gearbeitet, damit eine seiner Töchter als unehrenhaft gilt! Er tut doch alles und weiß es nicht besser. Was denkst du soviel? Bist du jetzt schon ein Weib, oder was? Fehlt nur noch, dass du anfängst zu flennen! Bah! Was bist du nur für ein Moslem! Vater sollte dich zum Teufel jagen und nicht deine Schwester! Wenn ich sie nicht bald finde... Was sage ich Vater... Wird Mutter weinen oder in einen hypnotischen Hassgesang verfallen? Jetzt ist die Scheiße wirklich richtige Scheiße, vorhin war es nur ein kleiner Haufen und jetzt... Oh nein! Hör auf mit diesen Gedanken! Und dann noch an Scheiße zu denken, während deine Familie bald in Trümmern liegt, ist echt pervers hoch drei! Such weiter, such weiter und wenn du sie findest, zeige ihr wer der Mann ist! Verzeih ihr erhaben und großherzig und sie wird dir die Füße küssen und endlich eine gute Frau werden, eine von denen, vor der die anderen Männer Achtung haben. Wenn sie jetzt einer überfallen hat? Wenn sie sich verletzt hat? Sollte ihr einer was getan haben, ich weiß nicht... Ich weiß nicht, was ich dann tue. Aber Unsinn, ihr ist nichts passiert! Aber das wird es bald, wenn Vater rauskriegt, was Sache ist!
 
Da kommt Griffas, mit leeren Händen. Warum ist da kein Deal gelaufen? Er nimmt mich in die Arme, was ist denn jetzt kaputt? Warum heult der? Warum fällt mir, wenn ich nicht mehr weiter weiß nur immer das Wort warum ein und sonst nichts? Warum kann ich nicht aufhören, warum zu sagen? Lass einfach gut sein. Wie es so ist, so ist es und eigentlich hätte ich nichts dagegen jetzt einfach nach Hause zu gehen und für immer glücklich zu sein. Aber das geht nicht. Ich reiße mich los und haue ab. Mein Maskara verläuft. Wieder weg. Weg wie immer. Ich kann nicht anders, weil so schnell wird man kein anderer Mensch./
Weg ist sie. Meine einzige Liebe, die ich je hatte. Wir sind wie zwei verlorene Kinder im Nebel, die sich nie finden werden. Vielleicht sollte ich Hilfspoet werden, wenn im Knast sowas möglich ist./
Das gibt´s nicht! Sowas ist noch nie vorgekommen. Dass sich einer so bereitwillig ergibt! Tritt einfach an mein Fenster und fragt mich, ob die Handschellen heute kalt oder warm sind. Der Typ sah aus wie ein Schuljunge, der eine Scheibe eingeschmissen hat, mehr nicht. Das der zu so einer großen Gang gehört hat! Wahnsinn! Das hier gibt´s nicht mal bei Niedrig&Kuhnt!/
Toll, wie sie das allein hibekommen hat! Dabei ist sie erst zwei Monate hier! Alle Achtung! Da lob ich sie mal. Man muss den Männerstolz doch mal vergessen können, oder ist das verkehrt?/
Jetzt gehen wir nach Hause, mein Bruder und ich. Was vorher war? Nicht so wichtig. Wir haben uns mal wieder im Wald verirrt, doch wir finden wieder heim. Eine Familie. Blut ist dicker als Wasser. Wieso kapiert man das erst, wenn man einsam in der Kälte steht?/
Schnell nach Hause. Wie soll ich das Vater erklären? Ach irgendwas wird mir schon einfallen. Unserer Ehre ist ja nichts passiert und das wird es auch nicht geben. Das wird es nie. Und keiner wird meine Schwester hassen und verachten. Absolut keiner. Weil ich für sie da bin.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.10.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Was wäre, wenn ...? Eine Frage, die oft den Menschen anfällt, wenn ihm etwas nicht gelungen ist. Sie kann selbstquälerisch sein und wird deshalb meist vermieden. Ist der Frager stark genug, sich ihr zu stellen und eventuell seelische Qualen zu ertragen, kann sie zu Erkenntnissen führen. Stellt man solche Fragen geschichtlichen Ereignissen, sind die Reaktionen vielfältiger. Was soll's, ist doch vorbei - so die am weitesten verbreitete Reaktion. Aber beim Nachdenken über geschichtliche Unfälle oder Zufälle können sich Gedanken aufdrängen, dass nicht alles genauso und nicht anders hätte passieren müssen!

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