Black hatte Krankenhäuser noch nie gemocht und schon allein der
Anblick der schneeweissen, grell beleuchteten Flure und der typische
Geruch der hier herrschte, bereitete ihm Unbehagen. Er stand an der
Rezeption und ein eben eingeliefertes Unfallopfer wurde rasch am
Kommissar vorbeigeschoben.
Die Dame an der Rezeption, die etliche Winter mehr als Black überlebt
hatte, schien am Telefonhörer zu kleben und die Ungeduld ließ die
Finger des Kommissar rhythmisch auf die Theke klopfen.
"Der Chef kommt ja gleich!", fauchte sie dem Beamten entgegen und
schoss mit ihren blauen Augen, die hinter dickem Glas weilten,
Giftpfeile ab.
Black seufzte, drehte sich um und konnte hören, wie die "nette"
Rezeptionsdame den Direktor des Krankenhauses noch einmal ausrief. Es
dauerte eine Weile bis ein älterer Mann mit Glatze auf den Kommissar
zugetrippelt kam. Er trug einen dunkelblauen Anzug, der so alt wie sein
Träger zu sein schien.
"Sie sind der Polizist, nehme ich an", sagte der Mann keuchend und streckte seine Hand dem Beamten entgegen.
"Kommissar Black, das stimmt. Und Sie sind?", fragte Black und ließ angeekelt die blasse und zitternde Hand los.
"Victor R. Edwards, Direktor des St.-Paul", stellte sich der alte Mann vor.
Der Direktor wandte sich vom Kommissar ab und ging den Flur, den er gekommen war, wieder hinunter. Black folgte ihm.
"Es ist eine Tragödie. Unser bester Mann!", jammerte der Alte und nickte einer blonden Krankenschwester zu, die vorbeieilte.
"Wissen Sie was an was für einem Projekt Doktor Rarx mit Jonathan
Detour von R-Pharma gearbeitet hat?", fragte Black und sah auf dem
Namensschild neben der Tür, dass sie das Büro des Direktors erreicht
hatten.
"R-Pharma? Die Firma stellt Anti-Depressions- und Schmerzmittel her.
Aber der Name des Mannes sagt mir nichts", meinte Victor und nahm auf
seinem Sessel Platz.
"Und eine Verbindung mit Doktor Rarx sehen Sie also auch nicht?", wollte Black wissen und sah dem Direktor in die Augen.
"Da fragen Sie am Besten mal die Assistentin von Rarx, Jenna Feel",
teilte Victor dem Polizeibeamten mit und hatte schon einen Finger auf
der umschaltbaren Sprechanlage.
– 0 –
Das Apartment der Assistentin lag im zweiten Stock eines gepflegten
Hauses, im bürgerlichen Vorort von Lipptown. Auch nachdem Black zum
dritten Mal geklingelt hatte, war kein Geräusch aus der Wohnung
gedrungen und Black fragte sich wo Jenna stecken könnte. Im gesamten
Haus war nicht einmal der kleinste Laut zu hören und Black schlich die
Treppen wieder ins Erdgeschoss.
"Wer sind Sie?", krächzte plötzlich eine aufdringliche Frauenstimme hinter dem Kommissar.
Black drehte sich um und sah eine ältere und schwergewichtige Dame mit
schütterem Haar im Flur stehen. Einen Putzlappen hielt sie in der
linken und einen Eimer Wasser in der rechten Hand.
"Ich suche Jenna Feel", sagte der Kommissar und die Dame näherte sich langsam.
"Ach das nette Mädel! Das arbeitet im Krankenhaus", erzählte sie in einer zu hohen Tonlage.
"Heute ist sie da aber nicht erschienen. Wissen Sie vielleicht wo sie
sich aufhalten könnte?" fragte Black und nahm seine Dienstmarke aus der
Hosentasche.
"Sie ist aber immer sehr ordentlich! Und sie putzt immer das
Treppenhaus sehr gut!", versicherte die Frau dem Kommissar, der schon
entnervt aufgeben wollte.
"Danke", sagte Black noch und drehte sich zum Ausgang um.
"Sie hat eine Freundin in Reddpark-City!", rief die Dame dem Beamten hinterher und sogleich blieb dieser stehen.
"Wissen Sie den Namen der Freundin?"
– 0 –
Sheila hatte ihm einen Hund besorgt. Einen wirklich netten Hund. Er
brachte Black morgens die Zeitung ans Bett und schaute dann den
Beamten, mit dem Gipsbein, hechelnd und schwanzwedelnd an.
Auf der zweiten Seite der angefeuchteten Lipptown-News fand der
Kommissar schließlich einen Artikel über die "Rarx-Therapie der
Schmerzen". Es wurde über den Doktor geschrieben, der neuartige Pillen
an nichts ahnende Patienten ausprobierte. Es war von viel Geld die
Rede, die der Pharmakonzern dem Doktor auf ein ausländisches Konto
überwiesen hatte. Daneben war ein Bild der hübschen Assistentin, die
von Rarx vergewaltigt worden war.
Black konnte sich noch sehr gut an die erste Begegnung mit Jenna
erinnern. Deutlich hatte er erkannt, dass viele Tränen aus ihren Augen
entweicht waren und ihr Körper lange keinen Schlaf bekommen hatte. Sie
saß kraftlos auf dem Bett ihres Zimmers im Reddpark-Hospital und war
beim Eintreten des Kommissars erschrocken.
Dann hatte sie ihm schluchzend alles erzählt. Die Zusammenarbeit des
Doktors mit dem Konzern. Die Auswahl der Patienten. Die Pillen mit den
verschiedenen Dosierungen. Die Zellen im Museum. Die Vergewaltigung.
Den Mord. Die Flucht.
Jenna hatte den Arzt tatsächlich während eines Nickerchens umgebracht
und war dann mit den beiden Patienten durchs Museum geflüchtet. Black
hatte noch Fragen gestellt, aber auf diese antwortete die Assistentin
nicht mehr. Sie weinte nur noch und hatte sich dann aufs Bett gelegt.
Und dann hatte Black noch die Patienten gesehen, die noch nicht
vernehmungsfähig waren. Und dann hatte der Kommissar die letzte Stufe
beim Verlassen des Krankenhauses nicht gesehen und war gefallen.
ENDE