Pierre Heinen

Kommissar Black – Die Museumstherapie (III) Ende

Black hatte Krankenhäuser noch nie gemocht und schon allein der Anblick der schneeweissen, grell beleuchteten Flure und der typische Geruch der hier herrschte, bereitete ihm Unbehagen. Er stand an der Rezeption und ein eben eingeliefertes Unfallopfer wurde rasch am Kommissar vorbeigeschoben.

Die Dame an der Rezeption, die etliche Winter mehr als Black überlebt hatte, schien am Telefonhörer zu kleben und die Ungeduld ließ die Finger des Kommissar rhythmisch auf die Theke klopfen.

"Der Chef kommt ja gleich!", fauchte sie dem Beamten entgegen und schoss mit ihren blauen Augen, die hinter dickem Glas weilten, Giftpfeile ab.

Black seufzte, drehte sich um und konnte hören, wie die "nette" Rezeptionsdame den Direktor des Krankenhauses noch einmal ausrief. Es dauerte eine Weile bis ein älterer Mann mit Glatze auf den Kommissar zugetrippelt kam. Er trug einen dunkelblauen Anzug, der so alt wie sein Träger zu sein schien.

"Sie sind der Polizist, nehme ich an", sagte der Mann keuchend und streckte seine Hand dem Beamten entgegen.

"Kommissar Black, das stimmt. Und Sie sind?", fragte Black und ließ angeekelt die blasse und zitternde Hand los.

"Victor R. Edwards, Direktor des St.-Paul", stellte sich der alte Mann vor.

Der Direktor wandte sich vom Kommissar ab und ging den Flur, den er gekommen war, wieder hinunter. Black folgte ihm.

"Es ist eine Tragödie. Unser bester Mann!", jammerte der Alte und nickte einer blonden Krankenschwester zu, die vorbeieilte.

"Wissen Sie was an was für einem Projekt Doktor Rarx mit Jonathan Detour von R-Pharma gearbeitet hat?", fragte Black und sah auf dem Namensschild neben der Tür, dass sie das Büro des Direktors erreicht hatten.

"R-Pharma? Die Firma stellt Anti-Depressions- und Schmerzmittel her. Aber der Name des Mannes sagt mir nichts", meinte Victor und nahm auf seinem Sessel Platz.

"Und eine Verbindung mit Doktor Rarx sehen Sie also auch nicht?", wollte Black wissen und sah dem Direktor in die Augen.

"Da fragen Sie am Besten mal die Assistentin von Rarx, Jenna Feel", teilte Victor dem Polizeibeamten mit und hatte schon einen Finger auf der umschaltbaren Sprechanlage.


–  0  –


Das Apartment der Assistentin lag im zweiten Stock eines gepflegten Hauses, im bürgerlichen Vorort von Lipptown. Auch nachdem Black zum dritten Mal geklingelt hatte, war kein Geräusch aus der Wohnung gedrungen und Black fragte sich wo Jenna stecken könnte. Im gesamten Haus war nicht einmal der kleinste Laut zu hören und Black schlich die Treppen wieder ins Erdgeschoss.

"Wer sind Sie?", krächzte plötzlich eine aufdringliche Frauenstimme  hinter dem Kommissar.

Black drehte sich um und sah eine ältere und schwergewichtige Dame mit schütterem Haar im Flur stehen. Einen Putzlappen hielt sie in der linken und einen Eimer Wasser in der rechten Hand.

"Ich suche Jenna Feel", sagte der Kommissar und die Dame näherte sich langsam.

"Ach das nette Mädel! Das arbeitet im Krankenhaus", erzählte sie in einer zu hohen Tonlage.

"Heute ist sie da aber nicht erschienen. Wissen Sie vielleicht wo sie sich aufhalten könnte?" fragte Black und nahm seine Dienstmarke aus der Hosentasche.

"Sie ist aber immer sehr ordentlich! Und sie putzt immer das Treppenhaus sehr gut!", versicherte die Frau dem Kommissar, der schon entnervt aufgeben wollte.

"Danke", sagte Black noch und drehte sich zum Ausgang um.

"Sie hat eine Freundin in Reddpark-City!", rief die Dame dem Beamten hinterher und sogleich blieb dieser stehen.

"Wissen Sie den Namen der Freundin?"


–  0  –


Sheila hatte ihm einen Hund besorgt. Einen wirklich netten Hund. Er brachte Black morgens die Zeitung ans Bett und schaute dann den Beamten, mit dem Gipsbein, hechelnd und schwanzwedelnd an.

Auf der zweiten Seite der angefeuchteten Lipptown-News fand der Kommissar schließlich einen Artikel über die "Rarx-Therapie der Schmerzen". Es wurde über den Doktor geschrieben, der neuartige Pillen an nichts ahnende Patienten ausprobierte. Es war von viel Geld die Rede, die der Pharmakonzern dem Doktor auf ein ausländisches Konto überwiesen hatte. Daneben war ein Bild der hübschen Assistentin, die von Rarx vergewaltigt worden war.

Black konnte sich noch sehr gut an die erste Begegnung mit Jenna erinnern. Deutlich hatte er erkannt, dass viele Tränen aus ihren Augen entweicht waren und ihr Körper lange keinen Schlaf bekommen hatte. Sie saß kraftlos auf dem Bett ihres Zimmers im Reddpark-Hospital und war beim Eintreten des Kommissars erschrocken.

Dann hatte sie ihm schluchzend alles erzählt. Die Zusammenarbeit des Doktors mit dem Konzern. Die Auswahl der Patienten. Die Pillen mit den verschiedenen Dosierungen. Die Zellen im Museum. Die Vergewaltigung. Den Mord. Die Flucht.

Jenna hatte den Arzt tatsächlich während eines Nickerchens umgebracht und war dann mit den beiden Patienten durchs Museum geflüchtet. Black hatte noch Fragen gestellt, aber auf diese antwortete die Assistentin nicht mehr. Sie weinte nur noch und hatte sich dann aufs Bett gelegt.

Und dann hatte Black noch die Patienten gesehen, die noch nicht vernehmungsfähig waren. Und dann hatte der Kommissar die letzte Stufe beim Verlassen des Krankenhauses nicht gesehen und war gefallen.


ENDE

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.10.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Pierre Heinen, Jahrgang 1979, ist seit frühester Jugend begeistert von Geschichtsbüchern und Verfasser unzähliger Novellen. In Form des zweiteiligen „Payla – Die Goldinsel“ veröffentlicht er seinen Debütroman im Genre Fantasy. Der Autor lebt und arbeitet im Großherzogtum Luxemburg, was in mancher Hinsicht seine fiktive Welt beeinflusst.

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