Patrick Wagner

Max Torrt: Babysitter wieder Willen

Bjön freute sich, weil seine Eltern einen ganzen Abend nicht da waren. Sie wollten nämlich zu einer Firmenfeier von Bjöns Vater. Bjön zeigte an derartigen Feiern keinerlei Interesse, er spielte lieber die ganze Nacht Videospiele. „Bis dann ihr zwei“, verabschiedete sich seine Mutter. Bjön war entsetzt. „Zwei?“, stotterte er. Sein Vater räusperte sich und sagte: „Ja, du musst heute Abend auf Madlene aufpassen, denn sie darf nicht auf solche Feiern nicht mit.“ Beinahe traf Bjön der Schlag. Er dachte die ganze Zeit während er im Raum auf und ablief über diesen furchtbaren Job nach. Madlene lag in ihrem Laufstall und ein beißender Geruch lag in der Luft. „Puh, ist hier eine Maus reingekrochen und ist jetzt gestorben?“, fragte sich Bjön. Schnüffelnd suchte er nach der Quelle des Gestanks. Dann machte er vor dem Laufstall halt. „Oh nein! Madlene hat einen in ihre Windel gesetzt“, jammerte Bjön. „Jetzt muss ich sie wahrscheinlich wickeln.“ Geekelt zog er sich Handschuhe an und schaffte Madlene auf den Wickeltisch. Kurz überlegte er, ob er sich nicht doch lieber eine Luftschutzmaske aufsetzen würde. Doch dann war es schon zu spät. Die qualitativ schlechte Windel platzte und der ganze Tisch war voll. Jetzt heißt es nur: Saubermachen und die Windel austauschen. Mit zwei Fingerspitzen nahm er die volle Windel und stopfte sie ins Klo. Er meinte, dass so was nicht in den Mülleimer gehöre, weil der dann für den Rest seiner Tage kontaminiert ist. Furchtbar angewidert drückte Bjön den Spülknopf. Doch zu seiner Enttäuschung kam das Wasser samt Windel wieder herausgesprudelt. „Oh nein, bloß nicht!“, schrie er, als er das sah. Plötzlich fing Madlene an zu schreien. Sofort rannte Bjön zu ihr. „Was ist denn los, du kleine Hosenscheißerin?“, schnaubte er. Anscheinend ist ihr Po in der ganzen Zeit wund geworden. Bjön schüttelte den Kopf und sagte: „Sag mal, soll ich dir jetzt auch noch den Hintern abwischen?“ So wie es aussah musste er das tun. Zögernd nahm er ein Tuch und wischte das Hinterteil seiner Schwester ab. Dann ließ er Badewasser ein, tat Schaumbad dazu und steckte seine Schwester in die Wanne. Ohne nach ihr zu sehen, ging Bjön in das Wickelzimmer und säuberte den Wickeltisch von dem Windelinhalt. Auf einmal hörte er eine Art Gurgeln aus dem Badezimmer. Sofort stürzte er dorthin und sah das Schlamassel, denn Madlene war kurz vor dem Ertrinken. Entsetzt holte er sie aus der Badewanne und trocknete sie ab. „Warum habe ich die eigentlich gerade aus der Wanne geholt, wenn sie ertrunken wäre, hätte ich keine Probleme mehr mit ihr“, grinste Bjön. Erleichtert ließ er das Badewasser aus der Wanne und zog ihr den Schlafanzug an. Zur Unterhaltung von Madlene spielte er ein Puppenspiel vor, das eher nicht für Kinder in Madlenes Alter geeignet war. Schockiert rannte sie weg und kletterte auf einen Schrank. Doch Bjön merkte das zu spät und reagierte erst, als sie oben war. Grinsend streckte er die Hände zu ihr. Madlene wollte gerade springen, als Bjön die Hand wegzog. „Warum sollte ich mir die Hände schmutzig machen? Mädchen sind total giftig für meine Haut“, überlegte er. Glücklicher Weise wurde Madlenes Aufprall von einem Kissen, das auf dem Boden lag, gebremst. Nach diesem Vorfall brachte Bjön seine Schwester ins Babybett. Erleichtert ließ er sich aufs Sofa fallen. Nach fünf Minuten schrie Madlene schon wieder. Sie hatte Hunger und wollte von Bjön mit Babymilch gefüttert werden. Wütend machte Bjön eine Flasche warm und steckte sie ihr in den Hals. „So und jetzt trink!“, rief er. Doch sie trank nicht, sondern wurde immer blasser. Bjön kratzte sich am Kopf. Dann nahm er ihr vorsichtig die Flasche aus dem Mund und hielt sie fest. „Mensch Madlene“, sagte Bjön zu Madlene, „fast alle Kinder in deinem Alter essen schon Brei und fette Brötchen. Ja, Achmed aß mit einem Jahr sogar schon fette Döner.“ Kurz darauf war sie satt und schlief ein. Nun setzte Bjön sich wieder vor den Fernseher. Nach einer halben Stunde kamen seine Eltern wieder und Bjön konnte seine heiß geliebten Horrorfilme wieder nicht sehen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.10.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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