Sarolta Németh

Die Spieluhr

Weißes Haus, offene Eingangstür, wenig Licht. Flur, Holzfußboden voller Staub, rechts lange Treppe ins Ungewisse. Hohe Töne einer Spieluhr treffen auf das Ohr. Diese Melodie, so beruhigend, so anziehend, so vertraut. Keine Erinnerungen, nur Gefühle werden geweckt. Schritte, quietschender Boden, aufgewirbelter Staub. Blicke nach links, Blicke nach rechts. Leere Räume, kahle Wände. Müder Körper, schwache Nerven, leere Gedanken. Schritte nach vorne, lautere Musik, eine Tür. Verschlossen. Ein Schlüssel am Boden. Verrostet, voller Staub. Aufgehoben, passt ins Schloss. Kann nicht umgedreht werden, mehr Kraft, gebrochen. Ratlosigkeit. Warten. Geduld. Ideen. Türklinke in der Hand, mehr Kraft, nichts tut sich. Warten. Ruhe. Gedanken. Türklinke heruntergedrückt, Schulter und Seite an der Tür, schieben, erneut nichts. Warten. Nervosität. Drang. Türklinke nach unten, halber Schritt nach hinten, Seitenaufprall, wieder nichts. Warten. Wut. Instinkt. Ein Schritt zurück, starker Tritt. Lauter Knall, Tür rast an die Wand, fliegt halbwegs zurück. Offen. Schritte durch Tür, Staubwolke, kaum Sicht. Leerer Raum, laute Töne. Wieder eine Tür, wieder verschlossen. Zwischen den Pfosten und der Tür dring wärme ein. Tanzende rötliche Lichter fallen ins Auge. Blick nach unten, kein Schlüssel. Spieluhr am Boden vor der Tür. Die Melodie ist wunderschön. Körper sinkt zu Boden. Rücken am staubigen Fußboden liegend, Kopf neben der Spieluhr. Die Töne neben dem Ohr bringen Tränen hervor. Keine Gedanken, nur tiefe Gefühle. Feuchte Augen offen, die Decke betrachtend. Leichter Rauch quirlt über der Tür zum leeren Raum. Einzelne Rauchfäden setzen sich an der Decke zu einem Gemälde zusammen. Das Bild wird immer größer, immer verzaubernder, kommt tiefer. Es wird wärmer, der Tanz der Lichter immer intensiver. Melodien verwirren die Gefühlswelt, Rauchstreifen bewegen sich rhythmisch. Das Gemälde wird zur grauen Wolke. Schweißperlen rollen die Stirn herunter, vermischen sich mit den Tränen. Atmung verlangsamt sich. Helle, breite Lichtmasse über dem Kopf. Viele kleine Töne lassen das versteinerte Herz erweichen. Endlose Rhythmen, endlose Zeit. Leichter Körper am harten Boden. Verwirrender Rauch vermischt sich mit klaren Lichtern, ihre Bewegungen synchron mit den hohen Tönen. Hitze dringt durch die Tür, Schweiß kämpft erfolglos um die Kühlung des Körpers. Aggressive Lichtstrahlen stechen durch dichte schwarze Rauchmasse, prallen auf kahle Wände, blenden den Augenschein. Der Körper immer unklarer, voller Staub, Rauch bedeckt den Kopf, fließt immer weiter bis die Füße auch verschwinden. Atemzüge immer schwerer, kaum Luft, Lunge füllt sich mit schwarzer Masse. Beruhigende Melodien spielen weiter, keine Angst, keine Panik. Lunge hört auf zu arbeiten, Kreislauf kollabiert, Blut stoppt, Lichter verschwunden. Hohe Töne immer leiser, verschwinden völlig. Ruhe.

Als Musik zu der Geschichte empfehle ich "Honeycomb child" von Natalie Imbruglia.Sarolta Németh, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.10.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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