Hermann Josef Vollmer

Mysteriöse Episoden zwischen Himmel und Erde/ 1. Teil

Denn dem Glück, geliebt zu werden,
gleicht kein ander Glück auf Erden;
die geliebte Schäferin, Sie allein ist Königin.
                                                 
(Johann Gottfried Herder aus 27. Romanze von "Der Cid")
Für meine liebe Ehefrau Angelika und meinen Sohn Dennis

 

Der alte Hirte und sein Engel

 
Am südlichem Rand des am weitesten nach Norden vorgeschobenen deutschen Mittelgebirges, dem Harz, liegt zwischen den Städten Kelbra und Bad Frankenhausen in Thüringen ein weiteres Steinmassiv, das seit Urzeiten Kyffhäuser Gebirge genannt wird. In den frühen Morgenstunden, es dämmerte gerade und der Hahn hatte seinen ersten Schrei getan, verließ ich das Gasthaus „Thüringer Hof “, um mich von Bad Frankenhausen auf die Wanderung zu der Burgruine auf dem Kyffhäuser Berg zu machen. Mein Weg führte mich vom Stadtkern, ein Stück an der „Kleinen Wipper“ entlang, vorbei am großen Schweinskopf und dann in Richtung Ratsfeld. Auf meinem Streifzug durch dichten Mischwald, sah ich das niedrig wachsende Gehölz; konnte die Küchenschelle, die Bärenschote, das Gipskraut, das Federgras und wenige Moos- und Wiesenpflanzen bestaunen. Vor allem die Traubeneiche war überall zu erblicken, untermischt mit Schlehe und Weißdorn. An den Lichtungen blühte das Heidekraut und über das Vorkommen des Sonnenröschens war ich besonders verwundert, da es eigentlich zur Flora des Mittelmeeres gehört. Die ersten Sonnenstrahlen durchdrangen die Baumkronen und der morgendliche Gesang der gefiederten Waldbewohner erquickte mein Herz. Weder auf Weg noch Steg achtend, wanderte ich die Höhen hinauf, getragen vom Rausch der Natur, ohne zu ahnen, dass ich vom Weg abgekommen war. Erst nach langer Zeit muss ich aus meinen tranceähnlichen Zustand erwacht sein, als ich nach Stunden des Wanderns einen alten Hirten und seine Herde entdeckte. Wo war ich? Ich hatte vollständig die Orientierung verloren und so kam mir der alte Mann gerade recht. Ich näherte mich der kleinen Waldwiese und sah, dass er auf einem Stein saß und dass neben ihm eine junge Frau stand, mit schwarzem, langem Haar, das ihr über die Schultern fiel. Der Schäfer hatte ein gesundes, bräunliches, aber faltenreiches Gesicht, einen weißen Bart, graue lange Haare und trug einen Hirtenhut. In der Hand hielt er einen Stab, auf dem er sich stützte und genüsslich rauchte er seine Pfeife.
„Guten Morgen zusammen!“, rief ich ihnen zu.
„Die Sonne steht hoch am Himmel, es ist Mittag und man sollte besser guten Tag sagen!“, belehrte er mich scherzhaft mit einem Lächeln.
„So spät ist es schon?“, fragte ich erstaunt. „Die Zeit ist so schnell vergangen, dass ich es nicht bemerkt habe. Seit Stunden bin ich auf dem Weg zum Kyffhäuser Berg und muss mich verlaufen haben. Könnten Sie mir bitte sagen, wie ich dahin komme und wo ich hier bin?“
„So - so!  Du möchtest also zum Kyffhäuser Berg“, und so deutete er mir an, dass es nicht gut war, was ich da machen würde – er überlegte kurz und zog dabei an seiner Pfeife.
„Du solltest auch nicht, wenn Du Dich nicht auskennst, ohne Wanderkarte eine solche Tour machen, denn Du bis weit von deinem Weg abgekommen. Du befindest Dich hier unterhalb vom Mönchenberg, auf einer Wiese und der Kyffhäuser Berg liegt auf der anderen Seite des Gebirges, von hier in östlicher Richtung.“
„Ich war der Meinung, dass ich den Weg kennen würde! Meine Großeltern und ich sind ihn schon oft gegangen“, versuchte ich ihm meinen Verhalten zu erklären, „und von meinen Verwandten hatte keiner Zeit, so musste ich das erste Mal alleine gehen.“
„Deshalb warten wir hier auf Dich, Hermann!“, antwortete er mir, lehnte den Hirtenstab an den Stein und stocherte mit einem spitzen Gegenstand in der Pfeife.
„Meine Tochter Angela wurde schon ungeduldig und bezweifelte, dass Du kommen würdest.“
„Sie warten auf mich? – Ihre Tochter wird ungeduldig? – Ich verstehe kein Wort!“, erstaunt sah ich ihn an – doch er antwortete mir nicht – so tat ich es:
„Sie können nicht auf mich gewartet haben! Ich wusste doch heute Morgen selber nicht, dass ich in dieser Gegend gelangen würde. Wie sollten Sie es wissen? Und woher kennen Sie meinen Namen?“
„Langsam, junger Mann! Du stellst viele Fragen auf einmal. Sie werden Dir alle in kurzer Zeit beantwortet werden. Doch was Dich betrifft: So möchte ich Dir sagen, dass ich Dich schon 17 Jahre kenne; deine Eltern waren mit Dir zum ersten Mal hier, um deine Verwandten zu Besuchen. Dein Großvater hielt Dich stolz in den Armen, präsentierte seinen ersten Enkel in ganz Frankenhausen und Du warst für ihn ein glücklicher Ausgleich, für den schmerzhaften Verlust des `verlorenen Sohnes´, der nach dem 2.Weltkrieg seine Heimat verließ und in den Westen ging, um im Bergbau Arbeit zu finden. Als deine Eltern dich `heimbrachten´, wurde lange gefeiert. Als Wirt des `Thüringer Hofs´ spendierte er für die gratulierenden Stammgäste Freibier und in seiner überschwänglichen Freude gab er Dir seinen Namen, als Zusatznamen: Artus“
„Er nannte mich immer nur Artus und meine besten Freunde rufen mich heut´ noch so!“
„Ich möchte auch dein Freund sein und dich Artus nennen!“
„Das können Sie, denn meine Oma meinte immer, ich könne stolz auf den Namen sein.“
 „Ja, deine Großmutter! Das war eine liebevolle, alte Dame, zu jedem freundlich und hilfsbereit, trotz ihrer schweren Krankheit, an der sie in der letzten Woche verstarb und zu deren Begräbnis deine Eltern mit Dir angereist sind.“ – Er nahm den Hut ab, bekreuzigte sich und wandte sich danach wieder an mich – „ Aber während deine Eltern wieder auf der Heimreise sind, kannst Du die freien Tage vor dem Studienbeginn nutzen, um deine Geliebte zu vergessen und durch die Schönheit der Natur, dich auf andere Gedanken bringen.“
„Das kann nicht wahr sein! Woher wissen Sie das alles?
– Sie haben über mich Informationen gesammelt, mich aus spioniert. – Sie sind Mitarbeiter der Stasi!“, stammelte ich verwirrt.
„Nein, das bin ich nicht! Aber vor denen solltest Du dich in acht nehmen, denn den Besuchern aus der BRD ist es untersagt den Urlaubsort zu verlassen. Wenn dich die Volkspolizei ergreift, gehst Du ins Gefängnis.“
„Die Herren werden sich nicht in dieser Gegend verlaufen. Sie werden genug zu tun haben! Sie stehen doch alle am `Eisernen Vorhang´, bewachen die innerdeutsche Grenze, schützen den DDR - Staat vor dem sogenannten Imperialismus des kapitalistischen Klassenfeind, schikanieren mit Verordnungen den familiären Besucherverkehr und nehmen den BRD - Bürgern die Geschenke ab.“
„Ich gehöre nicht zu den Stasimitarbeitern, habe mit der DDR -Staatsführung nichts zu tun und bin nur ein alter Mann der seine Schafe hütet...“
Er nahm behutsam seine Tochter in den Arm und lächelte sie an.
„...sonst kümmere ich mich nur um Angela. Sie ist mein Lebensinhalt! Sie ist fast so alt wie Du, kennt sich gut in der Umgebung aus und wird Dir den Weg weisen, damit Du zu deinem vorgegebenen Ziel kommst.“
Die Tochter des Hirten war eine wunderschöne, junge Frau. Ihre Augen funkelten wie Sterne in der Nacht, ihre Lippen waren zierlich geformt und sie hatte eine kleine Stupsnase, die das sonnengebräunte Gesicht vervollständigte. Sie trug ein weißes, kuttenartiges Baumwollgewand und ihre stiefelettenartigen Schuhe waren aus Schafsfell gefertigt.
„Du heißt nicht nur Angela, sondern Du bist auch das Ebenbild eines Engels“, stellte ich staunend fest.
Ein kurzes Lächeln zog über ihr Gesicht, das jetzt noch schöner wirkte. Sie hatte unterdessen einen Lammfellmantel übergezogen, küsste ihren Vater auf die Wange, kraulte einen der beiden Hunde zum Abschied und ging mit dem andern auf den Waldrand zu. Der Schäfer schlug seine Pfeife aus, verstaute sie im Mantel und holte eine Flöte hervor. Er schaute seiner Tochter nach und sprach zu mir:
„Du hast festgestellt, dass ich eine schöne Tochter habe. Aber leider hat sie seit dem tödlichen Unfall ihrer Mutter die Stimme verloren. Sie kann alles hören und verstehen, nur sprechen kann Sie nicht. Nun geh´ bitte und folgt ihr. – Du wirst am Kyffhäuser erwartet!“ Dann begann er auf dem Instrument zu spielen. Verwirrt und ohne Abschiedsgruß, ging ich Angela und Bodo nach. Als ich den Waldrand erreichte, war ich erst in der Lage, einen verhältnismäßig klaren Gedanken zu fassen und schaute zurück über die Lichtung. Wir hörten kurz dem Flötenspiel zu und danach winkte ich dem Schäfer. Kurz unterbrach er sein Lied und antwortete mir auf die gleiche Weise. Er hatte meinen Abschiedsgruß verstanden.
 

Liebe Leserin,
lieber Leser!

Wenn die Tage kalt und kürzer werden, wilde Herbststürme um das Haus fegen und
die Regentropfen unaufhörlich vor das Fenster schlagen, dann ist es Zeit – Zeit sich in eine warme Decke an der Heizung oder am offenen Kamin zukuscheln und meine Kurzgeschichten, die aus den Grundlagen der Legenden, Märchen und Sagen des Harzes bestehen zu lesen. Vertiefen Sie sich in meine Erlebnisse; begegnen Sie mit mir prominente Persönlichkeiten und sagenhafte Gestalten an historischen Orten, erleben Sie geschichtliche Ereignisse und lernen Sie die „Liebe“ meines Lebens kennen.

In der Gemeinsamkeit der Gedanken und der Wärme der Geborgenheit werden die grauen
Tage dahingehen und wir können uns auf den kommenden Frühling freuen.

Besten Dank für Ihr Interesse!
Hermann J. Vollmer
Hermann Josef Vollmer, Anmerkung zur Geschichte

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