Klaus-D. Heid

Auf ein Neues war Gestern

Langsam, ganz langsam und eigentlich für jeden Deutschen sichtbar und dennoch kaum aktiv wahrgenommen, verändert sich das soziale Gefüge in diesem Land. Wie gesagt, es geschieht langsam. So langsam, wie eine zum Kotzen anregende Folterszene in einem drittklassigen Horrorfilm nun mal dauert. So langsam, dass die Gefolterten in dem realen Horror dieser Republik starr, bewegungsunfähig und das unweigerliche Ende herbei sehnend, apathisch ihr Schicksal ertragen, weil der Tod Erlösung ist, weil das endgültige Aus jede Folter beendet und weil längst jeder noch so kleine Ansatz zum Widerstand lethargischer Hoffnungslosigkeit gewichen ist.
 
Langsam, ganz langsam.
 
Doch die Erlösung, das absolute Aus, das unwiderrufliche Ende – dieses Erhoffen des Endes aller Qualen, ist, wie sich’s für einen drittklassigen Horrorfilm gehört, nicht zu erwarten. Es ist unrealistisch. Es gibt keine Hoffnung auf irgendein Ende, wie auch immer es aussehen mag. Es geht weiter. Langsam, ganz langsam.
 
Aus der Distanz betrachtet, scheint man die unkontrollierten Bewegungen der deutschen Zombienation erkennen zu können. Starre Blicke. Ausdruckslosigkeit. Hoffungslosigkeit. Perspektivlosigkeit. Resignation.
Blutleere wankende Gestalten, die einer inneren Stimme folgend, ihrer Beschäftigung nachgehen, jeden Peitschenhieb artig ertragen und nur ab und an ein animalisches Knurren von sich geben, das keine Ähnlichkeit mit menschlichen Lauten hat.
 
Benzin kostet 2 Euro, Altenpflege ist unbezahlbar, Krankheit ist gesetzlich verboten, Löhne und Gehälter verhindern gerade so den Hungertod, Rentner und Kinder müssen unter Tage schuften, bis sie zur Entsorgung im multikulturellen Hexenkessel gar gekocht werden und im staatlichen Fernsehen werden 24 Stunden am Tag Planziele der amerikanischen Besatzungsmacht ausgestrahlt.
 
Der deutsche Bundeskanzler heißt Peter Hartz. Vorstrafe ist Qualifikation. Betrug ist Standard. Lüge ist Wahrheit. Ausbeutung ist Notwendigkeit. Folter ist Nahrung. Amerika ist Deutschlands Freund. Deutschland ist Amerikas Futtertrog. Alte Deutsche sind zu entsorgen. Arme Deutsche sind immer wieder gern gesehen. Der Tourismus in Deutschland blüht. Reiche Amerikaner fahren durch deutsche Städte und fotografieren begeistert, wie sich deutsche Zombies staksend zu ihren Arbeitsstätten begeben.
 
Die Arbeitslosigkeit ist Schnee von Gestern. Vollbeschäftigung. Jeder muss arbeiten. Wer nicht arbeitet, darf auch nicht leben. Leben ist relativ. Relationen werden kontrolliert. Kontrolle ist allgegenwärtig. Amerikanische Technik begeistert Amerikaner. Deutscher Geist ist Vergangenheit. Deutschland hat keine Zukunft.
 
Schnell, ganz schnell. Ausbeutung durch staatlich reglementierte Strukturen. Alles geht seinen Gang. Alles läuft seinen Gang. Alles läuft gut. Nicht für Deutschland – aber immerhin. Tempo. Börsengänge. Steigende Kurse. Positive Trends. Starker Euro. Starke Wirtschaft. Schnell, ganz schnell. Immer schneller. Kaufen. Verkaufen. Deutschland verkaufen. Ausverkauf. Notverkauf. Abstoßen.
 
ABSTOSSEN
 
Hartz muss gehen. Norbert Röttgen kommt. Applaus von der Ehrenloge. Applaus vom Präsidenten der Vereinigten Staaten von Europa und Amerika.
 
Korrekturen. Investieren statt Abstoßen. Jeder Deutsche bis zum 40. Lebensjahr erhält eine einmalige Sonderration Trockenfutter. Verfallsdatum unwichtig. Der Wille zählt. Die Staatengemeinschaft lobt das deutsche Durchhaltevermögen. Das Durchhaltevermögen verhindert das Umkippen der Deutschen. Liegt vielleicht auch daran, dass die Deutschen zu erschöpft zum Umkippen sind. Oder es liegt an den implantierten Stützbeinen aus israelischer Produktion. Claudia Roth erhält posthum den internationalen Trödelpreis für überdurchschnittliches Engagement bei der Pflege deutscher Vergangenheitsbewältigung.
 
Langsam, ganz langsam, kaum wahrzunehmen. Irgendein Zusatz im Trinkwasser. Zombies produzieren ohne Klagen. Krankenstand Null trotz hundertprozentiger Dummheit bei einhundert Prozent der Nutztiere.
 
Henry Morgenthau jun. wird neuer deutscher Agrarminister. Es gibt viel zu tun. Packen Sie’s an, Mr. Morgenthau! Germany Zero Points. Überall wird umgepflügt. Ackerland Deutschland. Ab und an ragen ein paar Knochen aus dem lehmigen Boden heraus, aber dank Bayer und Merk zersetzen sich die Nachweise kolonialer Machtpolitik schnell. Sehr schnell. So schnell, dass neuer Platz für neue Zombies geschaffen werden kann. Zu diesem Zweck gibt’s jetzt die staatliche ‚Zombie-Production-Factory’ mit integrierter Zucht- und Produktivitätskontrolle, sowie mit automatisierter gen-biologischer Eliminierung etwaiger Restabfälle vereinzelter Intelligenzquotienten.
 
01. Februar 2009.
Der Bundestag beschließt mit Zustimmung des amerikanischen Kontrollgremiums die Umbenennung der Bundesrepublik Deutschland in ‚Zombieland’.
 
04.März 2009
 
Joschka Fischer wird reanimiert und reaktiviert. Er wird zum Botschafter des Guten Willens ernannt, bekommt die Verdienstmedaille des Bundes der Überflüssigen und wird nach einer Fotosession wieder seinem Verwesungsschicksal überlassen.
 
Was interessiert die Deutschen ihr Geschwätz von Gestern, zumal ohnehin niemand mehr weiß, wo der Unterschied zwischen Gestern und Morgen zu suchen ist? Business, Big Business und Big Notschlachtung.
 
Alles muss schnell gehen. Auch der Untergang. Wie’s scheint, klappt das auch. Sagt jedenfalls Herr Röttgen. Und Frau Roth sagt  das auch. Und Herr Fischer sagt gar nichts mehr. Warum auch. Und überhaupt: warum wird in Zombieland noch geredet, wo doch eh alles reglementiert ist. Das sagt auch Herr Schäuble, der immer noch irgendwie am Leben gehalten wird, obwohl er dem Status eines ‚aufrechten Zombies’ nicht mehr entspricht.
 
So ist das eben. So wird’s auch bleiben. Ganz schnell. Ganz langsam. Wie auch immer man es betrachtet. Amerikanisch betrachtet, würde man wohl sagen, ‚gut durchgebraten’.
 
Das war Deutschland.
 
Ich muss jetzt los. Ganz schnell.  

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.11.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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