Luisa Eckerz

Weihnachtstücken -1-

Adriano nieste! "immer dieser verflixte Staub..." fluchte er leise vor sich hin. Er war gerade dabei, die alten, roten Christbaumkugeln in dem schäbigen, zerfledderten Pappkarton zu verstauen. Es war der 29.Dezember, kurz nach Weihnachten. Diese Tatsache freute den 21 Jährigen. Er hielt nicht viel von Weihnachten. Für ihn war der vorweihnachtliche Kaufrausch, der alle Welt heimsuchte, nur ein geschickt getarnter ausbeutender Kapitalismus! Was sollte man nun denken, wenn man an all diesen kleinen und großen Porzellanweihnachtsmännern,-engeln-und Rentieren vorbeikam, wie sie einen mit ihren kleinen, schwarzen Knopfaugen anstarrten, als würden sie einem beim bloßen Anblick die Kohle aus der Tasche ziehen, die aufgedunsenen, moppeligen Gesichtchen, die einen schon fast um den Verstand brachten, sobald man in ihre Nähe kam!? Noch schlimer dann die millionen von Fressbuden, über den ganzen  kölner Marktplatz verteilt, aneinandergereiht wie eine Bastion schiitischer Friedenskämpfer, die einem absolut keine Möglichkeit ließen, ohne irgenteine dieser fettigen Leckereien das Schlachtfeld zu verlassen und einem zum erneuten Male die Möglichkeit nahmen, nach den Feiertagen nicht wie ein tonnenschwerer Ottfried Fischer zu enden, der sich noch Monate danach mit Frühjogging und Trennkost quälen musste, um die zusätzlichen Pfunde wieder von den Hüften zu bekommen. Das soll keinesfalls heißen, dass Adriano fett war, ganz im gegenteil, er ging dreimal die Woche ins Fitnessstudio, lief jeden Samstagmorgen seine Runde durch den Stadtpark, spielte leidenschaftlich Fussball, war im Tennisverein Ehrenmitglied und auch gelegentlich  beim Stabhochsprungtraining seines Sportvereins mit von der Partie. Aber war die Art von Mensch, die das Wort,fett, nur einmal in den Mund zu nehmen brauchte, um die Menschen um ihn herum zu schallendem lachen zu bringen. Und genau deshalb störte ihn die kanibalische Rücksichtslosigkeit des Weihnachtsmarktes und deren zahlreichen Leckereien. Adriano hieß mit vollem Namen Adriano des Olliviero Meira, war gebürtiger Portugiese und lebte seit seinem fünften Lebensjahr in Köln. Er hatte (mehr schlecht als Recht) einen Studienplatz an der kölner Uni ergattert, studierte also seit ein paar Monaten Sportjournalismus. Gerade war er dabei, seine Wohnung von dem Tannenbaum zu befreien, den er wiederstrebenderweise und nur zum Willen seiner Mutter,  die ihn die Feiertage über besuchte, aufgebaut und geschmückt hatte. Seine Familie war sehr gläubig, er auch, nur war eben sein Problem die jährliche Weihnachtsausbeutung und der verfälschte Sinn des Festes. Aber nun war seine Mutter wieder zu Hause und er konnte den ganzen unnützen Krämpel wieder aus der Bude werfen. Es war schon halb 5 und in zehn Minuten begann seine Vorlesung, er musste sich also beeilen. Schnell fummelte er noch die letzten goldenen Lamettafäden aus den Zweigen ( er wollte kein Neues kaufen, wäre schließlich Geld, dass dem Abzocke-Gewerbe von Weihnachten zum Opfer viel) und griff sich seinen Mantel. Er verabschiedete sich mit einem flüchtigen Streich über den Kopf seines Mischlings Zeus und schlug die Tür hinter sich zu. auf dem Weg nach draußen, kam ihm noch die alte Frau Otten in die Quere. Diese Alte war so ziemlich der Schreck des ganzen Hauses. Sie war alt, verbittert, griesgrämig und mit Sicherheit auch einer der Gründe, weshalb Adriano so bald wie möglich ausziehen wollte. " Sie da, stehengeblieben!!" krächtste sie:" schon mal was von der Hausordnung gehört?" "Oh nein, das schon wieder..." dachte Adriano mit einem müden grinsen, er würde zu spät zu seiner Vorlesung kommen, wenn das so weiter ging, aber es blieb ihm nichts anderes übrig, als dem wandelnden Life-Center zuzuhören, also was hatte er ich angeblich diesmal wieder zu Schulden kommen lassen? " Die Überschwemmung im Waschkeller, das waren doch sie! Genau wie diese fürchterliche Stinkbombe von vorgestern! Aber diesmal krieg ich sie dran, Freundchen, das versprech ich ihnen! Sie drückte ihm einen Zettel in die Hand. Seine Kündigung? Wie  hatte sie das nun wieder hingekriegt! Als die Alte seinen verwirrten Gesichtsausdruck bemerkte, lachte sie heiser. "Na, das wäre zu schön, wenn das ihre Kündigung wär. die kommt später!" hetzte sie und schaute vorwurfsvoll über den Rand ihrer dicken, vergilbten Brillengläser. Der Zettel war eine Kopie der Hausordnung. Adriano atmete auf. Und ohne ein weiteres Wort machte er sich auf den Weg zur Tür. Hinter ihm hörte er die abgehackten Worte der Otten: " ... und das ihr dreckiger Köter mir nicht noch einmal vor die Türe scheißt!"  "Der ist im Gegensatz zu ihnen einer moralischen Erziehung unterlaufen", murmelte  Adriano , sich zur Haustür wendent. Noch das Wettern der ollen Schrepe in den Ohren, eilte der Portugise über den Domplatz zur Uni. Als er den Saal betrat, hatte die Lesung schon angefangen. Er schlängelte sich so leise wie möglich an Fußpaaren, auf dem Boden liegenden  Rucksacken und Taschen vorbei, murmelte ein dutzend mal Entschuldigung und fand schließlich einen Platz links oben in der Ecke. Der junge Mann neben ihm hatte bereits fleißig mitgeschrieben und so schielte Adriano in jeder Redepause zu seinen Notizen hinüber, um den Anfang abzuschreiben. Dabei sah er sich dem Kerl genauer an. Er war so um die 20, wie er und trug eine dunkelblaue Pollunder über einem weißen Hemd, dazu eine ränderlose Brille. Die Haare waren etwas alltmodisch, undenkbar für den eitlen Portugisen, der mindestens viermal im Monat zum Friseur rannte, und an seinen markanten, wenn nicht schon harten Gesichtszügen beurteilte er ihn als verwöhntes und eigenwilliges Einzelkind, der von Beruf einfach nur Sohn war. Sein Verdacht wurde bestätigt, als dieser ihn auch noch anraunzte, er solle gefälligst pünklich kommen und sich nicht der Arbeit der anderen zu Nutzte machte. Adriano dachte an eine Passage eines Buches, welches er mal gelesen hatte. Darin hieß es, das einen die Leute immer so sehen, wie man am besten in ihr Konzept, ihre Lebenseinstellung hineinpasst. Er fand, das es stimmte. Doch bei manchen Fällen war einfach zu erkennen, dass es sich bei der betreffenden Person um ein Arschloch handeln musste. Oder?! Er hatte keine Zeit mehr, weiter darüber nachzudenken, denn er musste sich auf seine Mitschrift konzentrieren, da der Lektor ein immer schneller werdendes Redetempo anschlug. Nach dem die Lesung beendet war, trat Adriano nach draußen. Es begann zu schneien.                                                                                                   

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.12.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Die Autorin versteht es, mit Worten Stimmungsbilder zu malen und den Leser an der eigenen Begeisterung am Land zwischen Meer und Bodden teilhaben zu lassen. In ihren mit liebevoller Hand niedergeschriebenen Gedichten und Geschichten kommen auch Ahrenshooper Impressionen nicht zu kurz. Bereits nach wenigen Seiten glaubt man, den kühlen Seewind selbst wahrzunehmen, das Rauschen der Wellen zu hören, Salzkristalle auf der Zunge zu schmecken und den feuchten Sand unter den Füßen zu spüren. Visuell laden auch die Fotografien der Autorin zu einer Fantasiereise ein, wecken Sehnsucht nach einem Urlaub am Meer oder lassen voller Wehmut an vergangene Urlaubstage zurückdenken.

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