Ein
markerschütternder Schrei löste sich aus der Kehle der älteren Dame, die gerade
ihren Hund spazieren führte. Es war früher Morgen, etwa gegen sieben Uhr. Ihr
Purzel hatte ein dringendes Bedürfnis gehabt, und so streifte sich die Dame
trotz heftigen Novembersturmes, der draußen tobte, ihren dicken Mantel über und
stülpte eine Pudelmütze auf den Kopf. Dann legte sie Purzel, der schon winselnd
vor der Haustür stand, die Leine an und begab sich mit ihm in das tosende
Inferno und die unwetterschwangere Dunkelheit.
Als
sie dann am Ortsausgang von Lontzen den Bahnübergang erreichte, erblickte sie
ganz plötzlich vor sich die Leiche der Frau, die dort regungslos am Wegesrand
lag. Aus der Ferne sah sie 2 Lichtkegel auf sich zukommen. Ein Auto bewegte
sich auf sie zu. Aus lauter Verzweiflung und weil sie nicht wusste, was sie
sonst machen sollte, ließ sie die Leine los, stellte sich mitten auf die Straße
und ruderte wild mit beiden Armen durch die Luft.
Schnell
war das Auto auf ihrer Höhe angelangt und als dieses stoppte, lief die alte
Dame ihm entgegen. Als sie die Fahrertür erreichte, kurbelte jemand von innen
das Fenster herunter. „Was ist denn passiert gute Frau?“ fragte der Fahrer und
sah die Dame verdutzt an. „Bitte rufen sie schnell die Polizei, da vorn liegt
eine Frau, ich glaube, die ist tot.“ Der Fahrer des Wagens bat die Dame, auf
der Beifahrerseite einzusteigen und auch der kleine Hund, der die ganze Zeit neben
ihr gestanden hatte, hüpfte in den Fußraum des Fahrzeugs. Nachdem die Tür ins
Schloss gefallen war, griff der Mann in die Ablage, die sich zwischen den
Sitzen befand, und holte daraus sein Handy hervor. 15 Minuten später war die
Polizei vorort, unter ihnen auch Hauptkommissar Berger und sein Assistent De
Ruijter von der Kripo Eupen. Während die Stelle, an der die Frau gefunden
worden war, gesichert wurde, stieg Berger in den Fond des Wagens ein und nahm
die Aussage der Dame auf. Da die Kommissare danach nichts weiter ausrichten
konnten, verließen sie wenig später den Tatort, denn mittlerweile stand fest,
dass die Frau im Straßengraben erschossen wurde.
Schnell
stand auch die Identität der Getöteten fest. Es handelte sich bei ihr um eine
reiche Geschäftsfrau aus Aachen. Sie betrieb unter anderem 3 Nobelboutiquen in
der Innenstadt. So machten sich die Beamten gegen 9.15 Uhr auf den Weg, um die
Angehörigen zu verständigen und auch den Geschäften einen Besuch abzustatten.
Bei Frau Kohlhaas, so hieß die Ermordete, zu Hause trafen sie den wesentlich jüngeren
Freund der Toten an.
Der
war nicht sehr traurig über das abrupte Ableben seiner Lebensgefährtin und gab
folgendes zu Protokoll. „Verzeihen sie, dass ich nicht augenblicklich in Tränen
ausbreche, aber wir verstanden uns nicht mehr sehr gut. Christa war sehr
exzentrisch und herrschsüchtig. Sobald etwas nicht nach ihrer Nase ging, drohte
sie mir mit dem Rauswurf. Bei einer Trennung wäre ich mittellos gewesen, denn
von ihr hätte ich nichts bekommen. Also blieb ich und schaffte mir eine heimliche
Freundin an, denn auf den Lebensstil, den ich führe, wollte ich nicht verzichten.“
Die
Beamten gaben sich damit vorerst zufrieden und fuhren in die Innenstadt. Es war
ein Kreuz, hier in der City einen Parkplatz zu finden. So stellten sie ihren
Dienstwagen im Parkhaus in der Stiftstraße ab und gingen dann durch den Woolworth
in die Adalbertstraße. Rechts herum, in Richtung Elisenbrunnen, lag die 1.
Boutique der Toten. Dort verlangten sie an der Information nach dem Geschäftsführer.
Als sie kurze Zeit später in seinem Büro saßen und die Nachricht vom Ableben
seiner Chefin überbrachten, staunten sie nicht schlecht, als auch dessen Bestürzung
sich in Grenzen hielt.
„Sie
war eine Hexe. Die Läden lief nicht mehr sonderlich gut. Deshalb wollte sie
alles schließen. Ich habe ihr vorgeschlagen, die Geschäfte zu verkaufen, aber die
Angebote waren ihr zu niedrig. Dann hat ihre Tochter sich angeboten, zu
übernehmen und das Ganze in modernerem Stil fortzuführen. Das lehnte Frau
Kohlhaas ab, mit der Begründung, ihre Tochter habe keine Ahnung von Mode und
von Geschäftsführung schon gar nicht. Wenn es bei der Schließung geblieben
wäre, hätte ich nirgendwo mehr eine Anstellung gefunden.
Ich
bin 54 Jahre alt, wer nimmt so jemanden noch. Jetzt besteht wenigstens die
Chance, dass die Geschäfte durch ihre Tochter weitergeführt werden und unsere
Arbeitsplätze erhalten bleiben.“ Nach weiteren 10 Minuten verließen sie das
Büro des Geschäftsführers. In den beiden anderen Läden ergab sich nicht viel
Neues. Gegen Mittag waren die Kommissare wieder in der Dienststelle und wurden
bereits erwartet. Vor ihrem Büro saß die Tochter von Frau Kohlhaas, die vom
Lebensgefährten unterrichtet worden war. „Ich möchte Ihnen mein aufrichtiges
Beileid aussprechen zum Verlust Ihrer Mutter“, begann Berger das Gespräch.
„Danke“, antwortete Patrizia Kohlhaas, „ich habe vor 2 Stunden vom Tod meiner
Mutter erfahren und bin gleich zu Ihnen hergekommen. Wir standen uns nicht
sonderlich nahe, aber so muss es bei Gott nicht enden.“ Berger zündete sich
eine Zigarette an und fragte dann: „Warum verstanden sie sich nicht mit ihrer
Mutter?“
Patrizia
fuchtelte nervös an ihrer Handtasche herum. „Sie hielt mich für unfähig, egal
was ich anfangen wollte. Immer wieder wurde mir vorgeworfen, ich hätte nichts
als Ausgehen und Feiern im Kopf. Deshalb wollte sie mir auch ihre Geschäfte nicht
überschreiben, sondern sie einfach schließen und sich mit dem Geld, das sie
besaß, auf Fuerteventura zur Ruhe setzen. Dabei interessierte es sie nicht, was
aus mir werden sollte. Sie sagte, ich sei alt genug, ich solle lernen, mich auf
eigene Füße zu stellen.
Weshalb
ich aber eigentlich hier bin, ich kenne den Mörder meiner Mutter. Das wollte
ich Ihnen mitteilen.“ Berger sah De Ruijter verheißungsvoll an, erhob sich und
schenkte 3 Tassen Kaffee ein. Er reichte jedem der beiden anderen eine an und
setzte sich mit seiner in der Hand wieder auf seinen Platz. Dann begann Patrizia
zu erzählen. „Es war vor ca. 10 Monaten. Als ich früher als erwartet nach Hause
kam, hörte ich Bernd telefonieren. Aus dem Gespräch ergab sich, dass er wohl
mit einem Versicherungsvertreter verhandelte. Ich hielt mich im Hintergrund und
belauschte das Gespräch weiter. Bernd wollte wohl eine hohe Lebensversicherung
abschließen, denn irgendwann im Laufe der Unterhaltung fiel die Summe, 2
Millionen Euro. Dann gab er die Personalien meiner Mutter durch. Da wusste ich
bescheid, wobei ich damals noch davon ausging, dass das nach Absprache mit
meiner Mutter geschah. Ich erwähnte das Thema einmal beiläufig, aber meine
Mutter wusste nichts von einer Lebensversicherung.
Da
ahnte ich schon, was er vorhatte. Ich konnte ihn noch nie ausstehen, denn er benahm
sich mir gegenüber wie ein Despot. Bernd hat sie auch desöfteren geschlagen und
stand kurz vor dem Rauswurf. Außerdem weiß ich, dass er eine andere hatte. Ich
habe es meiner Mutter nur nicht erzählt, um sie nicht noch mehr zu verletzen. Er
hat meine Mutter ermordet, um die Versicherung zu kassieren.“ Berger griff zum
Telefon und schickte einen Wagen los, um den Verdächtigen verhaften zu lassen.
„Eine
Frage habe ich noch, können sie sich vorstellen, was ihre Mutter am frühen
Morgen in Lontzen gemacht hat und, rein aus Routine, wo waren sie zum
Tatzeitpunkt?“ Auf ersteres wusste sie keine Antwort zu geben, aber was die
Tatzeit betraf, sagte sie: „Als meine Mutter erschossen wurde, lag ich im Bett
und schlief. Ich hatte eine Schlaftablette genommen, weil ich die Nacht davor
schlecht geschlafen hatte und schachmatt war.“ Während die Aussage der Tochter
schriftlich festgehalten wurde, verhörte man in einem anderen Raum den Freund
der Toten, der mittlerweile ins Kommissariat verbracht worden war. Der bestritt
vehement die Tat und gab an, zum Zeitpunkt des Todes seiner Lebensgefährtin im
Bett gewesen zu sein. Er wusste, dass sie gegen acht Uhr am Morgen einen Termin
mit einem Makler in Welkenraedt hatte, der auch Villen auf Fuerteventura verkaufte.
Nach langem Drängen der Kriminalbeamten gab er endlich den Namen seiner
Freundin preis, denn zu diesem Thema hatte er sich bisher auch ausgeschwiegen.
Für Kommissar Berger stand fest, dass der Freund der Täter war und das Motiv
war auch klar.
Er
wollte die Lebensversicherung kassieren, um seinen Lebensstandard zu halten und
sich gleichzeitig von der verhassten Partnerin befreien zu können. Plötzlich
neigte der Kommissar den Kopf, es schien, als ob er angestrengt nachdenke. Dann
verließ er den Verhörraum und ging zurück zu seinem Büro. Dort war die Tochter
von Frau Kohlhaas gerade dabei, ihre Aussage zu unterzeichnen. Als sie sich erheben
und das Büro verlassen wollte, stellte sich Berger ihr in den Weg und bat sie,
wieder Platz zu nehmen.
Dann
eröffnete er ihr, dass sie wegen Mordes an ihrer Mutter festgenommen sei.
Berger war im anderen Verhörraum etwas eingefallen. Sie hatten, während sie ermittelten,
zu keiner Zeit erwähnt, auf welche Art und Weise Frau Kohlhaas zu Tode gekommen
war. Das schien auch niemanden der Betroffenen sonderlich zu interessieren. Nur
der Mörder konnte wissen, dass Sie erschossen worden war. Dadurch hatte sich
Patrizia verraten. Nach mehr als 2 Stunden war ihr Widerstand gebrochen und sie
legte ein Geständnis ab. Sie hatte auf dem Schreibtisch der Mutter eine
Benachrichtigung des Maklers gefunden, dass er ein geeignetes Objekt für sie
gefunden habe. In dem Schreiben war auch der Termin vermerkt. Sie versteckte
sich gegen 5 Uhr morgens im Heck des mütterlichen Kombis unter einer Decke und
wartete dort, dass ihre Mutter den Weg zum Makler antrat. Unterwegs lugte sie
im Schutz der hinteren Kopfstützen immer wieder aus dem Seitenfenster.
Als
sie den Ort für angemessen hielt, kletterte sie mit der Pistole in der Hand auf
den Rücksitz und zwang ihre Mutter, dass Auto anzuhalten und auszusteigen. Sie
erschoss sie und fuhr mit dem Wagen zurück nach Hause. Die Pistole warf sie
unterwegs aus dem Fenster in ein Feld hinein. Dann entschloss sie sich, Bernd
zu beschuldigen, um ihre Rache an ihm zu üben, denn der hatte sie wegen einer
anderen vor 2 Monaten verlassen. Damit hätte sie 2 Fliegen mit einer Klappe
geschlagen, denn ihr würde alles gehören, was ihre Mutter je besaß und Bernd
säße die nächsten 25 Jahre im Zuchthaus, aber leider ging ihr Plan, dank
Kommissar Berger, nicht auf.
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Peter Kropidlowski).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.12.2007.
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