Was da oben vorging war uns eigentlich immer egal, wir sahen nur
gelegentlich die Ergebnisse und versuchten ihnen aus dem Weg zu gehen. Bei der
Größe des Ozeans kein schwieriges Unterfangen, vor allem seit die ganzen Jäger
sich mit uns geeignet hatten nur das nötigste zu tun um selber zu überleben.
Zumindest solange da oben die Geschehnisse tobten. Alles zog sich in Summe über
knapp 20 Jahre, und danach wurde es so ruhig dass wir danach an Land gingen um
nach dem Rechten zu sehen. Wir blieben dann gleich dort, denn es war niemand
mehr da um uns das Gebiet streitig zu machen. Die ganzen ach so intelligenten
Säuger auf zwei Beinen, die Maschinen benutzten und die Welt nach ihrem Willen
umformten, waren verschwunden. Nur mehr ihre zerstörten Behausungen waren ein
Zeugnis ihres Seins.
Als Delphin lebt es sich einfach. Den meisten Meeresbewohnern ist man an
Intellekt überlegen, was aber keinesfalls ein Ersatz für Größe oder ein paar
Reihen scharfer Zähne sind. Und natürlich sind nicht alle vor Zähnen starrende
Monster dumm. Haie, zum Beispiel, können ganz gewieft sein wenn sie wollen.
Aber meistens beschränken sie sich auf zwei Dinge: schwimmen und fressen.
Da sind die Wale schon besser. Ihre Gesänge reichen weit und dienen zum
Informationsaustausch. Wie Tratschweiber, deren Tisch der Ozean ist. Ihre
Lieder sind vergleichbar mit dem, was die Menschen klassische Musik nannten.
Klassisch im Sinne dass es nie aus der Mode kam.
Je tiefer man kommt, desto verschiedener sind die Lebewesen, die man antrifft.
Sie werden immer weicher und oft kleiner. Erst ganz unten, wo es wieder warm
wird, gibt es Monster, die noch größer sind als die Wale oder Haie. Es sind
Haie, aus grauer Vorzeit, gefangen zwischen der Wärme des Erdbodens und der
Kälte der Ozeane. Doch würden sie nach oben kommen, bei meinen Flossen, wir
wären nur ein Buffet für sie.
Ich will aber nicht mehr über meine Nachbarn lästern.
Eigentlich will ich über die Menschen berichten, die alles hier oben als
total selbstverständlich ansahen. Sie ebneten Berge ein oder schufen neue, je
nachdem. Wir sind nicht dazu fähig, und haben es auch nicht nötig, will ich mal
betonen. Die Meere geben uns alles was wir brauchen, also wozu was ändern.
An Land ist es, zumindest seit wir hier sind, auch nicht anders. Wir
mussten nicht Berge erschaffen, unsere Bedürfnisse sind jedoch anders. Zum
Fressen gehen wir noch immer zurück in die Heimat, das Wasser. Aber an Land ist
es sicherer, keine Jäger, die aus Spaß töten. Keine Rabauken, die dich nur aus
Spaß jagen und töten, wie die Orcas, die jetzt wieder zahlreich die Meere
unsicher machen. Wie die Wölfe, die sich an Land nur langsam und vorsichtig an
uns heranwagten und nach einem kurzen Gespräch wieder respektvollen Abstand
einhielten.
Die Menschen waren, wie wir von den Wölfen erfahren haben, anders. Sie
waren nie zufrieden, und beneideten sich gegenseitig.
Wir verfolgten ihr Handeln so gut es ging aus sicherer Entfernung,
manchmal wagten wir uns auch näher ran und warnten sie. Doch die Menschen, in
ihrer Arroganz, sahen unsere Gesten als Versuch mit ihnen zu spielen.
So kam es wie es kommen musste. Irgendwann sahen wir viele Schiffe
auslaufen und Maschinen durch die Luft fliegen. Andere rollten in Küstennähe
vorbei ins Landesinnere.
Da schrillten bei uns schon alle Alarmglocken und wir begannen die
anderen zu warnen. Die Wale nahmen unsere Warnungen sofort ernst und
verbreiteten sie mit ihren Gesängen. Die Haie brauchten länger, und haben sogar
ein paar unserer Boten gefressen.
Wir Delphine waren sozusagen das Streichholz, das das Feuer entzündet
hat.
Dann begann das Sinken. Immer mehr der Schiffe kamen als
riesige Geschosse nach unten, total verfetzt und zerschossen. Einige von uns im
Wasser konnten den Trümmern nicht ausweichen und wurden verletzt, viele sogar
erschlagen.
Andere Schiffe, die wie wir unter Wasser dahin zogen, waren
die schlimmsten. Sie schossen lange Dinge ab, die manchmal auch uns trafen. Und
diese Geräte, die sie benutzten um sich zu finden, sie schmerzen in unseren
Ohren und trieben uns beinahe zum Wahnsinn.
Wir zogen uns so tief zurück wie wir konnten, doch Wale und
Delphine mussten ja immer wieder hinauf zum Atmen.
Da kamen uns zum Glück die Riesenkraken zu Hilfe und
schlugen riesige Höhlen in die Felsen, in die sie Luftblasen setzten. Einige
von uns konnten so gerettet werden, andere blieben wie ich unbelehrbar und
stiegen immer wieder auf. Wieder andere erstickten einfach.
Ich, zu meinem Teil, ging eigentlich nur wieder hinauf um zu
sehen was da vorging. Die Flugmaschinen wurden immer weniger, die Schiffe auch.
An Land traute ich mich bald nicht mehr, weil es dort noch schlimmer war wie
auf See.
Dazu kam die dauernde Hitze. Die Wasser brodelten oft und
waren manchmal so heiß dass nur die Tiefe der Meere Linderung schenken konnten.
Schließlich endete alles, von einem Tag auf den anderen.
Alles war weg. Alle Schiffe, als Flugmaschinen, alle Landmaschinen. Riesige
Landstriche waren abgebrochen und ins Meer gestürzt.
Wir, die Gelehrten der Meere, konnten mit den Puzzlestücken,
die dadurch ins Meer gespült wurden, bald etwas anfangen. Wir benutzten
Landkarten, Schriften und schließlich sogar einige Geräte um alle aufzuklären.
Die Menschen hatten sich kurz gesagt selber verschlungen. Um
Gebiete war es gegangen, Ressourcen und natürlich die Macht. Die Menschen waren
Barbaren, die mächtige Waffen haben. Mehr als Zähne, Flossen und Fangarme. Mit
diesen Waffen stürzten sie sich in den Untergang.
Sie verdammen die Übeltäter wohl selber. Obwohl, eher nicht.
Es ist ja niemand mehr übrig, der verdammt werden kann. Und noch weniger
jemand, der verdammen könnte. Kein Mensch ist übrig, alle sind dahin gegangen.
Verbrannt, ertrunken, erschossen, verstrahlt.
Genau das ist das Problem.
Die Welt, einst Grün und freundlich, ist nur noch ein Land aus
Glut, Flammen mit Aschenregen. Kein Land, in dem man gerne verweilt. Aber die
Wasser sind vergiftet und verstrahlt. Alles stirbt, in allen Tiefen, an allen
Orten.
Die Erde ist ein wüstes Feuerland, bald ohne Leben. Bald
werden nur noch die Lavaströme und das Gift seine Kreise ziehen.
Ob an Land oder im Wasser, überleben werden wir nicht lange.
Viele sind schon gestorben, noch viel mehr haben sich selber das Leben
genommen.
Schrecklich ist was geblieben ist. Die Flossen voller
Schwielen, die Augen eitrig. Der Kopf schmerzt und der Atem brennt schlimmer
wie der heiße Boden.
Meine Zeit ist knapp, wie gesagt schmerzt alles.
Ich werde den einfachsten Weg wählen. Den Weg, den auch die
meisten verbliebenen Landbewohner wählen. Die Ratten bringen aus den Ruinen der
Städte Pulver, in riesigen Menschen. Sie nennen es Rattengift, und sagen dass
es verwendet wurde um sie zu töten.
Es soll ein einfacher Tod sein, im Verhältnis zu dem, was
denen widerfährt, die gar nichts tun. Die in Krämpfen durch das Meer treiben,
mit den Flossen schlagen und schrill kreischen bevor ihre Stimme versagt und
sie schwer zum Grund sinken, zu den unzähligen anderen, die vor ihnen starben.
So, leb wohl, du einst schöne Welt. Du warst eine wunderbare
Perle in der Größe des Ganzen.
Nun bist du ein schwarzer Schandfleck im Nichts, entstanden
durch die Arroganz der sogenannten Zivilisation.
Ich spüre wie das Gift langsam wirkt. Es schmerzt, jedoch
nicht so sehr wie es sein muss in den Krämpfen zu gehen.
Ich habe die Welt gesehen, mit meinen und mit fremden Augen.
Ich hoffe irgendwann kann das wieder jemand tun. Wenn sich dieser Ort erholt
hat und wieder Leben einkehrt. Irgendwann...
Vorheriger TitelNächster TitelMit dieser Geschichte gewann ist einst einen Wettbewerb. Die Vorgabe war einfach, fünf Wörter, die beliebig verarbeitet werden sollten.Nicolai Rosemann, Anmerkung zur Geschichte
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Der Beitrag wurde von Nicolai Rosemann auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.12.2007.
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