Christine Herrmann

Dinner for two

Mein Mann hatte gestern eine tolle Idee: er wollte kochen. Das letzte Mal, dass ich in den Genuß seiner Gourmet-Kreationen kommen konnte, war eine ganze Weile her und ich war natürlich dafür. Soll ich mir etwa eine Gelegenheit entgehen lassen, dass ich nicht kochen muß ? Eben. Männe kaufte also alles ein, was er brauchte und trank schon mal ein Bierchen zur Vorbereitung der Zubereitung der „Kressesuppe mit Kartoffeln“.

In und um unseren Riesengarten wuchert Kresse und die hat orangenfarbene Blüten, die man essen kann, das sagt jedenfalls Mutti. Männe wollte also eine Suppe daraus kreieren, mit Kartoffeln und Buttermilch. Ich hatte den Auftrag, rauszugooglen, ob die Stengel Blausäure enthalten (dann wollte er ein paar weniger nehmen), während er sich ans Schälen der mehlig, also pampig kochenden Kartoffeln machte. Das ist harte Arbeit und da brauchte er noch ein Bierchen, damit der Kartoffelschäler, der immer in der obersten Schublade des Besteckschranks liegt, auch nicht kaputt geht. Ich sagte ihm, wo der Schäler war und dass keine Blausäure in Brunnenkresse vorkommt, jedenfalls wenn sie nicht genmanipuliert ist.

Derweil ich mich auf die Couch begab und „Die Verurteilten“ im Fernsehen sah, um mich seelisch auf das Kommende vorzubereiten, schabte er die pampig kochenden Kartoffeln und die blausäurefreien Stengel der wildgewachsenen Bio-Kresse wurden mit dem Küchenmesser („1. Schublade oben, wo auch der Schäler lag !“) klein gehackt und eine kleine Flasche Bier vernichtet.

In den Werbepausen wurde das Dröhnen der Posaunen ab und zu vom Blubbern der magischen Suppe abgelöst. Ich trank Tee und Männe machte sich auf die Suche nach dem Schöpflöffel („hängt oben über Deinem Kopf am Edelstahlgitter“). Im Film baute der Häftling gerade eine enorme Bibliothek auf und Männe suchte den Kochlöffel. Es roch verbrannt, aber der Teeduft konnte das einigermaßen vertreiben. Männe machte sich von dannen, als der Verurteilte die Steuererklärungen für alle Aufseher anfertigte und besuchte seinen Kumpel Hein, denn der Film sollte noch eine Weile dauern und die Suppe war fertig.

Zwei Stunden später kam Männe zurück, prima. Der Film war zuende, ich hatte mächtigen Hunger und die Suppe wurde warm gemacht. Hmm, was war denn mit meinem Angetrauten los ? Er schwankte. Tja, bei Hein gabs auch Bier, was sonst ? Ich setzte mich also voller Erwartung auf den ersten Gang an den runden Tisch und James servierte. Es gab einen vollen Teller Supersuppe für jeden und beide Gefäße standen letztendlich wider meiner Erwartung unbeschädigt vor uns. Wir aßen und ich trank Rotwein aus einem riesigen Glas, das ich für Rabattmärkchen bekommen hatte. Dabei lauschten wir dem Gehämmer der neu angeschlossenen alten Stereoanlage. Es liefen Schellackplatten aus den 60er und 70ern. "Uhu Hipp" und "Diep Popel" und sowas. Knuffi bekam einen Riesenschreck, als der Plattenspieler loslegte und rettete sich vor meine Füße. Wie gut, denn James stolperte auch so schon wie bei „Dinner for one“ nach dem 3. Gang und brauchte dazu kein herumliegendes Fell.

Tja, was soll ich noch sagen, es war ein sehr schöner Abend. Der zweite und dritte Gang bestand aus „Kressesuppe leicht angebrannt“ und „Kartoffelpüree mit Kresse“ (weil die Flüssigkeit verdampft war) und heute habe ich einen Kater. Knuffi schläft rund um die Uhr und Männe ist topfit.

Dem Verurteilten ist übrigens die Flucht gelungen.

So eine warme Suppe zwischendurch tut ja auch mal ganz gut - meint

Miss Sophie
Christine Herrmann, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.12.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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