Yvonne Asch

Endloser Traum

Wovor hatte sie denn nur Angst? Vor dem Schmerz, den sie erst noch über sich ergehen lassen müsste? Oder war es mehr die Ungewissheit ob es danach wirklich zu Ende war?

Vielleicht würde sie ja nur noch mehr Kummer umhüllen als jetzt schon?

Ihre zarten Hände zitterten, als sie die kalte Messerspitze an ihre Brust drückte, dort wo unter ihren Fleisch, das Herz schlug, das was man zu sehr gequält hatte, welches sich doch nur nach Liebe und Freiheit sehnte. Doch niemals würde sein Verlangen gestillt werden, sie wollte dem ein Ende setzen. Aber ihre Hände gehorchten ihr nicht, sie drückten die spitze Messerspitze nur etwas fester an ihre helle Haut, dann sobald der Schmerz erschien, bremsten sie. Sie starrte auf das Meer hinauf, ihre Augen waren mit Tränen gefüllt. Was hatte sie denn nur? Sie wollte doch sterben, sie wollte das alles doch vergessen, sie würde hier doch nichts vermissen. Warum weinte sie denn dann? Vielleicht deswegen weil keiner kam und sie versuchte auf zu halten oder weil sie die Befürchtung hatte, dass niemand ihr eine Träne schenken würde? Sie seufzte. Der zärtliche Wind tanzte über den Meeresspiegel und kleine sanfte Wellen zerbrach die dunkle Stille. Sie liebte das Meer, das Gefühl wie es ihre Haut umspielte und wie es leise rauschte. Es war so unerreichbar, es gab soviel geheimnisvolles in den blauen Weiten. Der Mensch hatte es noch nicht geschafft das ganze Meer zu erkunden, er hatte es eher geschafft weiter nach Oben ins Weltall hinauf zu gelangen, als hinunter. Was da unten wohl noch so alles war? Sie würde es nie herausfinden.

Doch sie durfte nicht vergessen warum sie hier im Sand kniete, warum sie den weiten Weg von der Stadt hier her gefahren ist. Sie wollte sterben. Aber da war ein kleiner Teil in ihr der dagegen ankämpfte und sie daran hinderte, das Messer in ihr Herz und ihre Seele zu rammen.

Sie sah hinauf in den Himmel, es war eine solch schöne Nacht, nirgends eine Wolke und die Sterne zeigten sich ohne jegliches Hindernis. Sie strahlten so hell, so freundlich und so Mystisch. Sie seufzte still. Das alles würde sie nun gleich nie mehr sehen, heute würde sie es zum letzten Mal sehen. Der Vollmond spiegelte sich auf den Ocean und er ließ das Wasser Silber schimmern.

Sie wollte es endlich nicht weiter hinaus zögern, sie schloss ihre hell blauen Augen und ihre Hände drückten den Griff des Messers fester. Gleich wird alles ein Ende haben, gleich bin ich frei!

Plötzlich hörte sie etwas, sie hörte es so klar und deutlich, wieso nur?

Wieso nur, musste es grade jetzt kommen und sie lächeln lassen, sie wollte nicht lächeln, sie wollte sterben, wieso aber kam es jetzt in dieser Vollmondnacht auf sie zu? Sie hörte es doch, sie hörte wie es seinen starken, muskulösen Körper durch das Wasser bewegte, wie es gierig die Luft einzog, wie die Mähne im Wind peitschte, wie das Meer den Körper des Tieres wich.

Verschwinde! Nicht jetzt und erst recht nicht hier! Ich möchte das du mich gehen lässt, komm doch bitte nicht näher!
Das Wasser spritzte an den weisen Körper hinauf und berührte denn noch nicht das seidig, weise Fell. Langsam öffnete das Mädchen die Augen sie traute sich kaum den Kopf zur  Seite zu drehen, aber sie hörte wie es nun langsamer auf sie zu kam. Ihr Griff  lockerte sich und sie sah zu den Wesen hin, welches sich ahnmutig durch das flache Wasser bewegte, die tief blauen Augen schienen fast in die ihre zu starren. Die junge Frau musste lächeln, sie glaubte ihren Augen kaum, als das Fabelwesen auf sie zu Schritt, den Kopf stolz gehoben, das Horn fast durch sichtig, sah aus als wäre es aus Glas und die lange, wellige Mähne spielte mit den sanften Wind, sie glänzte etwas Silber. Lucina traute ihren Augen kaum, träumte sie?

Oder war da doch wirklich das Einhorn vor ihr welches nun kurz vor ihr stand und zu ihr hinab sah?

Sie versuchte klar zu denken aber sie konnte nicht, wieso sah sie es grade heute, grade der Tag an den sie sterben wollte. Die Messerspitze ruhte noch immer an ihren Fleisch, sie war so schrecklich kalt. Aber denn noch senkte das Mädchen das Messer nicht. Das weise Pferd mit den Horn schnaubte und trat noch einen Schritt näher. Warum bist du hier? Verschwinde doch bitte… sie blickte in die blauen, großen Augen des Pferdes mit den Horn vor ihr und es senkte etwas seinen Kopf. Lucina war sich nun sicher das dieses Fabeltier auch ihr direkt in die Augen sah und plötzlich hörte sie die Stimme in ihren Kopf  Ich bin hier um dich mit mir zu nehmen.  Sie wusste sofort das diese zarte, Frauliche Stimme den Wesen vor ihr gehörte. Aber warum kam es um sie abzuholen? Man hat dir viel Leid getan, nicht jede Narbe in dir ist schon verheilt. Sie haben dir alles an Hoffnung genommen, ich bin hier um dir den Abschied zu erleichtern, wo vor fürchtest du noch?  Lucina spürte wie sie das Messer von sich nahm und es mit ihrer Hand zu Boden sank. Sie spürte wie eine Träne über ihre Wange rann. „Keiner wird an meinen Grabe stehen und weinen, niemand wird mich vermissen und keiner wird je wissen das ich gelebt habe…“, murmelte sie und sah wie das prächtige Tier sich um drehte und in das Wasser hinein trat. Möchtest du mit mir kommen? Die Stimme klang so freundlich. Das Tier ging noch mehr in  die kleinen wellen hinein. Ihre Familie existierte nicht mehr, nicht so wie sie es wollte und kannte und ihr Vater hatte sie mit seinen Tot alleine gelassen, ihr Mutter zog es vor bei ihren neuen Freund zu Leben und ihr Bruder? Ihr Bruder nahm Drogen und saß schon so manches mal im Gefängnis, sein Freund hatte sich an ihr Vergangen und keiner von ihnen hatte ihr geglaubt. Man hat ihr das Leben doch schon längst geraubt aber ihr schlagendes Herz hatte man ihr gelassen. Nun war sie jedoch nicht mehr frei, sie war gefangen, gefangen in ihren Qualen.

Du brauchst dich nicht zu fürchten, du wirst nichts spüren, du wirst sehen es geht schnell. Und du kannst alles hinter dir lassen, wirklich alles du wirst schlafen… sie stand aus den Sand auf und warf das Messer zu Boden. Sie nickte stumm und trat zu dem Tier in das kühle Nasse. „Bringst du mich fort?“, fragte sie das Einhorn leise, es schnaubte und drehte den edlen Kopf zu ihr. Ich bin gekommen um dich dort hin zu bringen wo frieden herrscht, ich bin gekommen um dich abzuholen und mit mir zu nehmen, spring auf meinen Rücken und lass alles andere hinter dir. Lucina lächelte etwas bedruckt, der Mond warf sein Licht auf das Tier vor ihr und lies es beruhigend schimmern, nichts außer den weiten Meer lag vor ihnen und es wirkte so fern von all dem, was ihr Kummer und Stress brachte. Sie dachte noch einmal an die schönen Zeiten die sie erlebt hatte, noch vor nicht allzu langer Zeit.

Sie dachte an ihren Vater wie er im Krankenhaus dagelegen hatte und das letzte was er zu ihr gesagt hatte, er liebte sie und er würde sie schon jetzt vermissen. Wieder rann eine Träne über ihr Gesicht, gefolgt von zisch anderen. Es war nicht gerecht gewesen, die Krankheit hatte ihn am Ende so sehr geschwächt das er nicht einmal mehr alleine trinken oder essen konnte, nicht einmal lächeln konnte er mehr.

Das Einhorn schnaubte nochmals und hob den Kopf ein bisschen mehr in die Höhe. Lucina wischte sich eine Träne ab, als sie dann schließlich zu den Tier trat und  ihre Hände in der Mähne Vergrub, sich mit Leichtigkeit auf den Rücken des Fabelwesens zog und noch einmal tief ein atmete bevor sie sagte sie wäre bereit, bereit dafür den Frieden näher zu kommen. Das Einhorn setzte seinen schlanken aber denn noch kräftigen Körper in Bewegung und ging weiter hinaus ins Meer, das Mädchen auf den Rücken des Tieres spürte das kühle, aber sanfte Wasser an ihren nackten Beinen. Dann, es dauerte nicht lange, schwamm das Einhorn weit hinaus aufs Meer. Der Ocean empfing sie freundlich, mit seinen kleinen Wellen und dann fragte die Stimme des Fabelwesens in ihren Kopf noch einmal ob sie bereit wäre. Sie grub ihre Hände tiefer in die Mähne und lächelte „So bereit wie noch nie zuvor...“

Das Einhorn tauchte mit dem Kopf unter das dicke, blaue und zog das Mädchen auf ihren Rücken mit sich. Mit sich in die blaue Meeresweite.

Lucina drückte ihr Stofftier fester an sich, lächelte und grub ihren Kopf tief in das Federkissen, sie hörte nicht wie ihr älterer Bruder Sturz besoffen in die Wohnung her rein kam, wie er sich mit seinen Stiefvater an schrie, wie der Mann den Jungen packte und gegen die Wand drückte. Ihr Mutter weinte wieder einmal und sagte sie sollen aufhören und sich endlich vertragen und ihr Bruder solle zur Vernunft kommen, doch alles was sie als antwort bekam, war die Faust ihres Mannes. Doch all das nahm das junge Mädchen nicht war, denn es hatte einfach mit einen Lächeln auf den Lippen aufgehört zu atmen....

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.12.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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