Huzan Abdulkarim

Die Fliege




Der Oger
sah an sich herab und schüttelte seine zersauste Mähne, fuhr sich durch seinen
zotteligen Bart, an dem noch die Überreste seines letzten Mahls klebten, und
seufzte.
Die
sommerliche Sonne schien ihm auf sein mächtiges Haupt, das hart genug war um
Höllenpforten zu zersprengen.
Er begriff nicht was er getan hatte. Blinzelnd blickte er auf
den riesigen Knochenhaufen, der einige Klafter vor ihm von
einem ungeheuren Mahl zeugte.
Der Oger weinte.
Eine einsame Schmeißfliege senkte sich herab um sich an Fleischfetzen zu
laben, die für den Oger klein waren und nur seinen Bart verbrämten. Er verscheuchte sie
nicht – war sie doch unbedeutend für das Monstrum.
Er rief sich in Erinnerung, was er verbrochen hatte während ein zufriedenes
Insekt an köstlichem Fleisch knabberte......

 

....am Anfang des Tages.
Am Anfang war die Morgenröte, die seinen monströsen Leib wach küsste.
Grimmig und gram
erhob sich das Monster und begrüßte das rotgoldene Licht, das ihn wie heißes
Blut umfloss. Er hatte Hunger. Seine Hauer mahlten ungeduldig und rhythmisch in
ungeduldiger Vorfreude auf  rohes
Fleisch. Viel Fleisch, soviel um darin baden zu können. Der Oger stapfte in
grüne Wälder, fraß
wildes Getier und erfrischte sich an silbernen Flüssen. Er tauchte in die Weltmeere die Ozeane leer zu saufen.
Er wütete und mordete und tötete und fraß und zermahlte und zermalmte und wurde
nicht satt. Dann war kein Fleisch mehr da.
Er stieg auf Vulkane um Lava zu trinken und den Feuerberg selbst zu verspeisen. Doch auch dies
vermochte seinen Hunger nicht zu stillen.
Also sprang er vom letzten Gipfel, den er verschonte, herab und
bohrte sich in die Erde um sich wie ein Wurm die Wege durch zu fressen. Er
tauchte an anderen Stellen auf, die er ebenso verwüstete. Und dann....

 

.....dann war nichts mehr da um ihn zu stillen. Verrückt vor Heißhunger
warf sich die Bestie auf das letzte Stück Gipfel und hämmerte seinen Schädel
gegen seine Knie, die als einziges den verheerenden Schlägen dieses lebenden
Rammbocks widerstehen konnten. Wütend und tränenüberströmt wandte er seinen
Blick zum Himmel und brüllte und zeterte und weinte.

 

-        
Hunger. Dieser Hunger, er tötet Mich. – brüllte der Oger und senkte
sein Haupt.

 
-        
Durst. Dieser Durst, er klingt nicht ab. –
brüllte
der Oger und seufzte.
 

-        
Verlangen.......dieses Verlangen, es brennt und kann nicht gelöscht
werden. – schrie der Oger und riss sich ein Auge aus.
 

 
Weit schleuderte er das Auge und befahl ihm Essbares zu suchen. Das Auge des Ogers
flog und flog und das Monster sah mit ihm. Da fand das Auge Gott und als der
Oger dies sah spannte er seine Muskeln und war mit einem Satz bei dem Schöpfer angelangt.

 

-        
Du musst mir Speise und Trank schaffen, Gott, denn Ich habe Hunger und
Durst. – sprach der Oger und seufzte.

 
-        Du hast Meine Schöpfung vernichtet und stellst noch
Forderungen. Sag, was soll Ich anderes mit Dir anfangen, als Dich in das Feuer zu schmeißen?
– sagte Gott und bebte ob der Unverschämtheit.



 
-        
Doch auch Ich bin Dein Geschöpf und Du musst Mich
lieben und Mir Nahrung schaffen. – sprach der Oger und blinzelte.
 

 
Da erschöpfte Gottes Geduld und er warf das Biest samt seinem Auge in die
tiefsten Tiefen der Hölle. Da freute sich der Oger und fraß von den Seelen der
Verstorbenen, der Getöteten und der Ermordeten. Und er trank die siedendheißen
Teiche leer und dessen Sud und am Ende fielen ihm die Höllenbewacher und Malik
seinem unstillbaren Hunger zum Opfer.
Und als Gott die Vernichtung seiner Hölle sah packte er den Oger an
seinem Schopf und zerrte ihn
wieder zu sich.

 

-        
Ich bin Dein Vater. Wieso tust Du das? Wieso
zerstörst Du Mein
Werk? – fragte Gott und keuchte.

 
-        
Du gibst nicht genug. – sprach der Oger und knurrte.

 
-        
Wiewohl Du Mein Herz beschwerst will Ich Dir ein Vater
sein. – sagte Gott und setzte dem Oger das Auge wieder ein.



 
-        
Ab mit Dir ins Paradies. Da kannst Du Dich sättigen. –
bekundete Gott und warf ihn in das Paradies.
 

 
Und der Oger fraß von den Früchten der ewigen Bäume und trank von dem
Wasser der ewigen Flüsse und fraß und soff und wurde nicht satt. Da fraß er
auch hier die Seelen der Verstorbenen und Getöteten und Ermordeten und fraß die
Knaben und die Huris und die Erzengel. Er fraß die Reste der sieben Himmel und
wurde nicht satt.
Und als Gott sah, dass seine Paradiese verschlungen waren, brach er zu
Boden und zerrte mit letzter Kraft sein Geschöpf an dem Schopf zu sich.

 

-        
Du hast mir alles genommen. Alles was Ich noch habe bist Du,
ist der Gipfel von dem Du kamst und die kleine Fliege, die Du nicht erspäht
hast und nun auf dem Gipfel summt. – sprach Gott und weinte.

 
-        
Ich will mehr. Du gibst nicht genug. – sprach der
Oger und blinzelte.

 
-        
Du Monster, Du Dolch, Dich zu schaffen war der
Untergang Meiner Schöpfung. – sprach Gott und weinte.

-        
Was kannst Du noch geben, Gott, Du hast nichts mehr um
den Hunger Deines Geschöpfes zu stillen. – sprach der Oger und knurrte.

 
-        
So bringe ich das letzte Opfer, Du Scheusal. Friss Mich, friss Meinen
Leib und friss Meine Seele. – weinte Gott.
 

 
Und der Oger schlachtete Gott und briet das göttliche Fleisch und fraß
es.
Und er mischte Met aus dem göttlichen Blut und trank es.
Und er rührte das göttliche Mark zu Brei und schlürfte es hinunter.
Und dann war der Tag um und der Oger war satt........

 

.......er wandte seinen Blick zu der kleinen Fliege, die er verschont
hatte. Die Fliege erhob sich und summte ihr liebliches Lied in das grauenvolle
Antlitz des Monsters.
 

 
- Ich will mit Dir fliegen.... – sprach der Oger und weinte.

 
Die Fliege küsste ihn auf
die Stirn und ließ ihm Flügel wachsen.

 

-        
Komm mit. – turtelte die Fliege und sang.
Und sie verließen den Gipfel, den der Oger nicht gefressen hatte und
stiegen hinauf in die Weiten des Himmels.
Und der Oger spürte wie die nassen Wolken zärtlich über seine Haare glitten
und sie stiegen immer weiter und immer höher und immer schneller dem gleißenden
Schein der Sonne entgegen.
 
 
 

 

Kaum den Mond passierend wuchsen die Flügel zu Schwingen - riesig wurden
diese und trotzdem leise wie der Schlaf. Weit holten sie aus und trugen sie zum
Mars.

Diesen umkreisten sie um gleich darauf durch die Reste des zersplitterten
Planeten Richtung Jupiter davon zu ziehen. Auch ihm und dem schwer bereiften
Saturn mit all seinen Trabantenkindern zwinkerte der Oger zu und dann ließ er sich
von Uranus und Neptun einladen, das Spielen farbenreicher Blitze in ihren
Atmosphären zu bewundern....



 
doch es war nicht die Zeit um anzuhalten, sie wollten noch weiter!
 
Ein Lächeln umspielt seine Lippen während sie die
letzten Strahlen der Sonne ohne Hast hinter sich ließen und sich wonnevoll in
ausgedehnten Nebelfeldern räkelten, die bunten Schwaden mit gespreizten Fingern
teilten, das feurige Innere der Sterne küssten, kolossale Supernoven und rote
Riesen betrachteten, die ihren Weg zu den Grenzen des Universums säumten und
dann.......

 

.....dann waren sie am Ziel. Und vor Glück und Freude keuchten die
beiden und dann umarmte der Oger die kleine Fliege, presste sie behutsam an die
starke Brust und sah ihr in die dunklen Augen...

 
...in die schwarzen Augen - tief und grundlos wie der Kosmos selbst. 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.12.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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