Georg Klinkhammer

Spezialfutter

Das Plakat am Zaun war weithin sichtbar. „Spezial-Tierfutter“ stand dort in roten Lettern auf gelbem Hintergrund. Ich war auf dem Weg ins Zentrum, um das Armband meiner Uhr, welche ich zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte, enger machen zu lassen. Es war keine lange Strecke zu gehen, und so hatte ich beschlossen, nach den kalorienreichen Weihnachtsessen etwas für meine Figur zu tun.

In dem umzäunten Areal in unserem Viertel waren vor dem Fest noch Weihnachtsbäume verkauft worden. Und alles, was ich beim Näherkommen sah, waren Weihnachtsbäume. Ungläubig blieb ich an dem offenen Tor stehen und versuchte zu begreifen. Ein Verkäufer, der mir irgendwie bekannt vorkam, war damit beschäftigt, eine Fichte durch einen Trichter zu ziehen. Mit diesem Gerät verpackte man die Bäume in einem Netz, sodaß der Transport leichter wurde.

Gleich daneben war ein Preisschild aufgebaut und ich begann zu lesen: Douglasie 8 Euro, Nordmanntanne 12 Euro, Fichte 18 Euro. Ich musste beim lesen einen recht dümmlichen Gesichtsausdruck gemacht haben, denn der Verkäufer rief mir zu: „Guten Morgen. Na, kann ich Ihnen helfen?“ Ich schüttelte nur den Kopf und brachte mit Mühe ein „Ich schau mich nur mal um“ heraus.

„Es ist das beste Futter weit und breit. Da müssen Sie sonst lange suchen“, fuhr er unbeirrt fort. Ich zögerte ein wenig, bevor ich antwortete: „Futter für was? Wer frisst denn Weihnachtsbäume?“ Der Mann hatte seine Arbeit beendet und kam auf mich zu. „Nicht Weihnachtsbäume guter Mann. Das sind Tannen und Fichten bester Qualität.“ „Na gut, also welches Tier frisst schon Fichten?“ Jetzt war es an ihm, ein ungläubiges Gesicht aufzusetzen. „Natürlich Elefanten“, stieß es aus ihm hervor. „Bisher bin ich davon ausgegangen, dass das allgemein bekannt ist“.

Ich schüttelte den Kopf und verzog meinen Mund zu einem abschätzigen Grinsen. Bevor ich etwas erwidern konnte, belehrte er mich weiter: „Es ist eine Delikatesse. Es gibt nichts Besseres, glauben Sie mir. Ich kann natürlich verstehen, wenn Sie noch keinen Elefanten haben sollten. Immerhin treten bei älteren Gebäuden gelegentlich statische Probleme auf. Dafür sind sie sehr anhänglich und pflegeleicht.“ Es entstand eine kleine Pause. Offensichtlich wollte er mir Zeit geben, das Gesagte zu verdauen.

„Ich kenne niemanden, der sich zu Hause einen Elefanten hält.“ Mein Satz kam mir ungewollt spöttisch über die Lippen. Es musste ihn wohl getroffen haben, denn in etwas beleidigtem Ton erwiderte er mir: „Nun, ich kenne einige, die einen haben. Und nicht nur auf dem Land. Ein Bekannter hält einen indischen Elefanten in seinem Loft. Klappt ganz prima.“ Erneut konnte ich nur den Kopf schütteln.

„Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen? Wer nimmt Ihnen das ab?“ Mit diesen Worten drehte ich mich zum Gehen um, doch er hielt mich an er Schulter fest. „Hören Sie! Niemand hat die Absicht, sie zu veräppeln. Meinen Sie etwa, ich stehe nur zum Spaß hier herum bei der Saukälte?“ Mit den Gedanken an meine Uhr beeilte ich mich zu erwidern: „Schon gut. Aber wie gesagt habe ich keinen Elefanten zu Hause.“ „Das macht doch nichts. Dann spenden Sie eben einen Baum dem Zoo. Die freuen sich sehr über das Futter. Ich empfehle die Fichten. Da sind die Elefanten ganz wild drauf.“

„Warten Sie mal“, fiel mir ein. „Wieso sind eigentlich die Fichten teurer als Edeltannen?“ „Das ist doch ganz einfach“, meinte der Verkäufer. „Fichten sind leichter verdaulich und die Elefanten mögen sie auch lieber.“ „Aber die nadeln doch wie verrückt und pieksen“, kam es aus mir heraus. „Na klar, aber das macht den Tieren nichts. Im Gegenteil, es ist sogar gut, wenn Sie den Baum noch 2 bis 3 Wochen auf dem Balkon stehen lassen, bis er getrocknet ist.“

Unschlüssig stand ich da und der Mann nutzte meine Verwirrtheit und hielt mir schnell einen schon verpackten Baum unter die Nase. „Für Sie mach ich's für 15 Euro anstatt 18. Da können Sie unmöglich nein sagen.“ Ich zögerte noch immer. Das war doch kompletter Schwachsinn. Oder vielleicht nicht? „Ich habe aber keine Zeit, den Baum dem Zoo zu bringen“, fiel mir nur ein. „Oh, das ist kein Problem. Für nur 2 Euro liefern wir ihn mit besten Wünschen direkt dorthin.“

Er hatte mich überrumpelt. Ich bemerkte, wie meine Hand das Portemonnaie aus der Hosentasche zog. „OK, hier haben Sie 17 Euro in Gottes Namen“. Irgendwie war ich froh, dass ich jetzt endlich gehen konnte. Mit einem Kopfnicken nahm er das Geld entgegen und wünschte mir noch einen schönen Tag, sowie einen guten Rutsch ins neue Jahr, als ich schon schnellen Schrittes meinen ursprünglichen Plan verwirklichte und mich ins Zentrum aufmachte.

Am Ende des Zaunes bog ich in eine Seitenstraße ein und erblickte einen großen Lieferwagen, der etwas versteckt parkte. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Auf den Türen prangte in großer grüner Schrift „ZOO Leipzig“.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.01.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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