Das Plakat am Zaun war weithin
sichtbar. „Spezial-Tierfutter“ stand dort in roten Lettern auf
gelbem Hintergrund. Ich war auf dem Weg ins Zentrum, um das Armband
meiner Uhr, welche ich zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte, enger
machen zu lassen. Es war keine lange Strecke zu gehen, und so hatte
ich beschlossen, nach den kalorienreichen Weihnachtsessen etwas für
meine Figur zu tun.
In dem umzäunten Areal in unserem
Viertel waren vor dem Fest noch Weihnachtsbäume verkauft worden.
Und alles, was ich beim Näherkommen sah, waren Weihnachtsbäume.
Ungläubig blieb ich an dem offenen Tor stehen und versuchte zu
begreifen. Ein Verkäufer, der mir irgendwie bekannt vorkam, war
damit beschäftigt, eine Fichte durch einen Trichter zu ziehen.
Mit diesem Gerät verpackte man die Bäume in einem Netz,
sodaß der Transport leichter wurde.
Gleich daneben war ein Preisschild
aufgebaut und ich begann zu lesen: Douglasie 8 Euro, Nordmanntanne 12
Euro, Fichte 18 Euro. Ich musste beim lesen einen recht dümmlichen
Gesichtsausdruck gemacht haben, denn der Verkäufer rief mir zu:
„Guten Morgen. Na, kann ich Ihnen helfen?“ Ich schüttelte
nur den Kopf und brachte mit Mühe ein „Ich schau mich nur mal
um“ heraus.
„Es ist das beste Futter weit und
breit. Da müssen Sie sonst lange suchen“, fuhr er unbeirrt
fort. Ich zögerte ein wenig, bevor ich antwortete: „Futter für
was? Wer frisst denn Weihnachtsbäume?“ Der Mann hatte seine
Arbeit beendet und kam auf mich zu. „Nicht Weihnachtsbäume
guter Mann. Das sind Tannen und Fichten bester Qualität.“ „Na
gut, also welches Tier frisst schon Fichten?“ Jetzt war es an ihm,
ein ungläubiges Gesicht aufzusetzen. „Natürlich
Elefanten“, stieß es aus ihm hervor. „Bisher bin ich davon
ausgegangen, dass das allgemein bekannt ist“.
Ich schüttelte den Kopf und verzog
meinen Mund zu einem abschätzigen Grinsen. Bevor ich etwas
erwidern konnte, belehrte er mich weiter: „Es ist eine Delikatesse.
Es gibt nichts Besseres, glauben Sie mir. Ich kann natürlich
verstehen, wenn Sie noch keinen Elefanten haben sollten. Immerhin
treten bei älteren Gebäuden gelegentlich statische Probleme
auf. Dafür sind sie sehr anhänglich und pflegeleicht.“ Es
entstand eine kleine Pause. Offensichtlich wollte er mir Zeit geben,
das Gesagte zu verdauen.
„Ich kenne niemanden, der sich zu
Hause einen Elefanten hält.“ Mein Satz kam mir ungewollt
spöttisch über die Lippen. Es musste ihn wohl getroffen
haben, denn in etwas beleidigtem Ton erwiderte er mir: „Nun, ich
kenne einige, die einen haben. Und nicht nur auf dem Land. Ein
Bekannter hält einen indischen Elefanten in seinem Loft. Klappt
ganz prima.“ Erneut konnte ich nur den Kopf schütteln.
„Sie wollen mich wohl auf den Arm
nehmen? Wer nimmt Ihnen das ab?“ Mit diesen Worten drehte ich mich
zum Gehen um, doch er hielt mich an er Schulter fest. „Hören
Sie! Niemand hat die Absicht, sie zu veräppeln. Meinen Sie etwa,
ich stehe nur zum Spaß hier herum bei der Saukälte?“ Mit
den Gedanken an meine Uhr beeilte ich mich zu erwidern: „Schon gut.
Aber wie gesagt habe ich keinen Elefanten zu Hause.“ „Das macht
doch nichts. Dann spenden Sie eben einen Baum dem Zoo. Die freuen
sich sehr über das Futter. Ich empfehle die Fichten. Da sind die
Elefanten ganz wild drauf.“
„Warten Sie mal“, fiel mir ein.
„Wieso sind eigentlich die Fichten teurer als Edeltannen?“ „Das
ist doch ganz einfach“, meinte der Verkäufer. „Fichten sind
leichter verdaulich und die Elefanten mögen sie auch lieber.“
„Aber die nadeln doch wie verrückt und pieksen“, kam es aus
mir heraus. „Na klar, aber das macht den Tieren nichts. Im
Gegenteil, es ist sogar gut, wenn Sie den Baum noch 2 bis 3 Wochen
auf dem Balkon stehen lassen, bis er getrocknet ist.“
Unschlüssig stand ich da und der
Mann nutzte meine Verwirrtheit und hielt mir schnell einen schon
verpackten Baum unter die Nase. „Für Sie mach ich's für
15 Euro anstatt 18. Da können Sie unmöglich nein sagen.“
Ich zögerte noch immer. Das war doch kompletter Schwachsinn.
Oder vielleicht nicht? „Ich habe aber keine Zeit, den Baum dem Zoo
zu bringen“, fiel mir nur ein. „Oh, das ist kein Problem. Für
nur 2 Euro liefern wir ihn mit besten Wünschen direkt dorthin.“
Er hatte mich überrumpelt. Ich
bemerkte, wie meine Hand das Portemonnaie aus der Hosentasche zog.
„OK, hier haben Sie 17 Euro in Gottes Namen“. Irgendwie war ich
froh, dass ich jetzt endlich gehen konnte. Mit einem Kopfnicken nahm
er das Geld entgegen und wünschte mir noch einen schönen
Tag, sowie einen guten Rutsch ins neue Jahr, als ich schon schnellen
Schrittes meinen ursprünglichen Plan verwirklichte und mich ins
Zentrum aufmachte.
Am Ende des Zaunes bog ich in eine Seitenstraße ein und erblickte einen großen Lieferwagen, der etwas versteckt parkte. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Auf den Türen prangte in großer grüner Schrift „ZOO Leipzig“.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.01.2008.
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