Katja Heinrich

AugenBlicke - 2. Kapitel, 2. Teil

„Na, das ist typisch für dich, entfachst hier kurz vor deiner Abreise noch Flammen“ erklärte er lakonisch.
Richtig, das hatte sie fast vergessen. In knapp sechs Wochen wollte sie ja für drei Monate zu ihrer Freundin nach Neuseeland fliegen, um dort einen neuen Roman in Angriff zu nehmen. Schon lange Zeit war es ihr Traum, einmal einen Roman über Neuseeland zu schreiben. Dazu sollte man allerdings etwas über die Lebensumstände dort erfahren.
Vor anderthalb Jahren war Alexas Freundin Kathrin nach Neuseeland ausgewandert, eigentlich wollte sie sich nur ein bisschen durch das Outback schlagen, einen Aussteiger - Urlaub machen; dann hatte sie gleich in der zweiten Woche einen Schaffarmer kennen- und liebengelernt und war bei ihm geblieben.
Vor sieben Monaten hatten sie geheiratet. Seelenverwandtschaft, hatte Kathrin bei einem ihrer kurzen Anrufe erzählt. Nun wollte Alexa sich ihren Seelenverwandten einmal anschauen.
 
Ursprünglich sollte Alexa schon zur Hochzeit kommen, aber es ergaben sich Unstimmigkeiten wegen ihres neuen Buches, und so konnte sie zu dem Zeitpunkt nicht verreisen.
Nun sollte es in sechs Wochen endlich losgehen.
„Stimmt, ich hab`s beinahe vergessen“, antwortete Alexa ihrem Verleger, der sie bei ihren Gedanken beobachtete.
„Du bist schon ein eigenartiger Mensch, Alix.“ Wolfgang nannte sie immer bei der russischen Kurzform ihres Namens. „Irgendwie verkörperst du manchmal richtig das Klischee vom in sich gekehrten, etwas konfusen, aber liebenswerten Schriftsteller aus früheren Tagen mit wirren Haaren, unordentlichem Lebensstil, der, wenn er schreibt, weder an Essen noch Trinken denkt, geschweige denn daran, Rechnungen zu bezahlen“ entgegnete er, während er ihr in die Jacke half.
„Du magst das witzig finden, manchmal ist es tatsächlich so. Es ist aber gar nicht lustig, wenn man ständig mit so stumpfsinnig realistischen Dingen konfrontiert und auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird. So unschön und unkreativ“ flachste sie lachend, „Im Übrigen ist die kreative Phase immer eine wunderbare Entschuldigung für das totale Chaos in der Wohnung,  wenn unerwartet Gäste kommen, die noch dazu unerwünscht sind, wie zum Beispiel Lektoren, die vor Ablauf der Frist unangemeldet hereinschneien und den kreativen Schub des Autors beschleunigen wollen.“
Mit ihm konnte sie getrost so reden. Er war zwar glücklich verheiratet und hatte zwei Kinder, die gerade durch die Hölle der Pubertät gingen, aber da ist so eine kleine väterliche Schwäche für Alexa. Diese Schwäche schien ihn von Anfang an und bis in alle Ewigkeit für sie eingenommen zu haben.
Bei ihrem ersten Treffen schon waren sie auf derselben Wellenlänge. Der Verlag gehörte ihm; zusammen mit seinem Freund Georg hatte er ihn sich nach der Studienzeit aufgebaut. Mittlerweile war der Name des Verlags sehr bekannt.
Für Alexa war das damals der Wahnsinn. Ihr erstes Buch befand er für so interessant, dass es gedruckt wurde. Wolfgang nahm  sie sogar für weitere Bücher unter Vertrag. Da Alexa sich gern mit Tabuthemen befasste, drangen ihre Bücher auch immer in die breite Öffentlichkeit, weil man sie mit spitzen Fingern in der Luft zerreißt. Aber auch eine negative Kritik bringt Schlagzeilen, dadurch verkauft sich ein Buch um so besser.
Jetzt sollte sie also ihr nächstes Buch, bereits das sechste, in Angriff nehmen.
„Das kann dir in Neuseeland nicht passieren. Ob du die Frist einhältst, liegt allein bei dir. Du bist ja nicht bereit, die Adresse deiner Freundin herauszurücken“ zwinkerte er ihr zu.
„Ich möchte meine Ruhe haben und erst mal Urlaub machen, nicht ständig am Telefon mit Fragen bombardiert werden. Aber natürlich werde ich mich bemühen, meinen Mentor nicht zu enttäuschen und ihn mit einem wunderbaren neuen Werk in Erstaunen und Atemlosigkeit versetzen“ versprach Alexa ironisch.
In einer gemütlichen kleinen Bar ließen sie den Abend ausklingen, sprachen noch ein wenig über das gerade erschienene Buch und über die neue Geschichte, die in Neuseeland stattfinden sollte.
Gegen Mitternacht brachte Wolfgang sie nach Hause.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.01.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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