Eine jahrzehnte andauernde, unkomplizierte Freundschaft veranlasst
mich einige wenige Worte der Erinnerung zu schreiben.
Wir wohnten einen
Steinwurf auseinander. Einige Jahre Altersunterschied waren unwichtig,
wohnten dazwischen ja auch noch zwei fast gleichaltrige Kumpels von denen
einer nicht gerade einfach zu nehmen war.
Große Einigkeit herrschte
immer, wenn wir Griesbrei kochten mit Mirabellen aus Nachbars Garten. Wie
tausende Altersgenossen wurde auch Rudolf in die Landwirtschaft hinein
geboren. Er mußte den Betrieb der Eltern weiterführen und wie alle seine
Vorfahren den Eltern bis an deren Lebensende Kost und Logis gewähren ,in
gesunden und kranken Tagen.
Wie im Fluge verging die Zeit und der
Postbote stand eines Tages mit dem Musterungsbescheid an der Haustüre.
Rudolf war ein gesunder junger Kerl und der Befund lautete ( KV )
Kriegsverwendungsfähig .
Von Rudolf wurde jetzt verlangt, was ein
weltweit bekannter Mann empfahl :
Die deutsche Jugend muß zäh wie Leder,
hart wie Kruppstahl und flink sein wie Windhunde.
Harte Kriegsjahre
folgten. Die zwei ehemaligen Spielkameraden aus der Nachbarschaft und sein
bester Freund und Alterskamerad waren gefallen - für Volk und Vaterland, wie
man so schön sagte. Rudolf hatte mittlerweile einen höheren Dienstgrad
erreicht. Gerechtigkeit, Hilfsbereitschaft, absolute Zuverlässigkeit waren
einige seiner Stärken die man erkannt hatte.
Kriegserlebnisse zu
erzählen waren für ihn kein Thema. Er hatte die Nase voll.
Auf mein
drängen erzählte er mir, daß an der rumänischen Front ihr Geschütz trotz
Raupenschlepper nicht aus der Stellung zu bekommen war. Bauern aus der
Gegend halfen mit ihren Ochsengespannen aus der Not. Mit gesengten Köpfen
und Ruhe haben die Tiere die ganze Batterie blamiert. Rudolf meinte: so
viel geballte Kraft habe ich in meinem ganzen Leben nicht mehr gesehen .
Die menschlichen Qualitäten von Rudolf waren in vielen seiner Gespräche
kein Geheimnis.Während des Frankreichfeldzuges lautete der Befehl, einen
Trupp französischer Kriegsgefangener an einen Sammelplatz zu begleiten, als
es der Zufall wollte, daß ein französischer Kriegsgefangener durch sein
Heimatdorf kam. Als dies bekannt wurde, gab er dem jungen Franzosen zu
verstehen, er möge verschwinden. Er wußte, daß er damit eine Familie
glücklich machen würde. Diese - seine Entscheidung kann nur der
nachvollziehen, der in einer ähnlichen Situation war - sie hätte sehr leicht
vor einem Militärgericht enden können. Bei dieser Erzählung konnte man auch
noch nach jahrzehnten große Befriedigung in seinem Gesicht feststellen.
In der Endphase des Krieges in amerikanische Gefangenschaft geraten,
wurde Rudolf mit vielen seiner Kameraden in fast nicht mehr zu
überblickenden Lagern untergebracht. Wochen und Monate unter freiem Himmel
hinter Stacheldraht mit einem Minimum an Ernährung, hat mancher arme Teufel
nicht überlebt. Eines Tages wurden Gefangene ausgesucht, die mit
Landwirtschaft zu tun hatten. Fremdarbeiter und Kriegsgefangene in den
Betrieben kehrten in ihre Heimat zurück, viele Väter und Söhne waren
gefallen oder in Gefangenschaft.
Man hoffte, daß durch diese Maßnahme
die angespannte Ernährungslage nicht noch drastischer wurde.
Nach
einigen Jahren fand in der Landwirtschaft ein Wandel statt, den niemand
geahnt hatte. Was in vergangenen Generationen eine Selbstverständlichkeit
war, ist von heute auf morgen vergessen. Tausende Betriebe mußten wegen
Unrentabilität aufgeben.
Rudolf war einer der ersten im Dorf, der die
Lage richtig einzuschätzen wußte.
Sehr wahrscheinlich dachte er: mit mir
nicht. Er versuchte sich einfach mit dem Beruf eines Kaufmannes und die
folgenden Jahre waren die Bestätigung, richtig gewählt zu haben.
Elektronische Hilfsmittel kannte man nicht, ein zuverlässiger Computer war
sein kluger Kopf
.Eigentlich gab es vieles, bei dem man von gleicher
Wellenlänge sprechen kann .
Beide fuhren wir Motorräder des gleichen
Herstellers.
Internationale Motorradausstellungen in Frankfurt haben wir
nie versäumt. Auf dem Heimweg machten wir Rast in einem uns bekannten
Gasthaus, um bei einem deftigen Schnitzel und einem Bier gesehenes zu
verarbeiten.
Nicht alleine die Boxermotoren von BMW, auch die
wunderbaren kraftstrotzenden Maschinen der Engländer waren eine Augenweide
für uns.
Gemeinsame Sonntagsausflüge mit unseren Frauen als Sozia, eine
Autofahrt zum Vierwaldstätter See oder das bringen eines Eimers mit Nüssen -
einfach so -alles eine Selbstverständlichkeit. Immer wenn er seinen
Mitmenschen etwas gutes tun konnte, glänzten seine Augen. Rudolf, Du warst
einfach ein feiner Kerl - es ist schön, daß es Dich gab ........
A.
Wagner
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.01.2008.
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