Karin Unkrig

Die Geschichte vom Zopftier

Theo mochte nichts Neues.
 
Schon gar nicht diese modischen Cafés.
 
Kalt, unpersönlich, nach vier Monaten meist wieder weg.
 
Aber das Zumtor lag gerade um die Ecke.
 
Und die Kellnerin winkte ihm jeweils zu,
 
Wenn er einen Blick durch die Scheiben warf.
 

 
Der erste Besuch überraschte ihn.
 
Ausgezeichneter Kaffee,
 
Vorgewärmte Tassen.
 
Leiser Jazz, ausländische Journale.
Schokolade zum Kaffee,
 
Ein Teigmüsli zwischen den Croissants.
 

 
Die Kellnerin lächelte,
 
Selbst beim ersten Missverständnis:
 
Dann als er den «kleinen Nager» bestellte.
 
Ja, das Tier aus süssem Teig.
 
Die Reaktion: Augenrollen, Achselzucken,
 
Eifriges Fragen und Suchen.
 

 
Die Auskunft erheiterte ihn:
 
«Am Sonntag gibt es Zopftiere,
 
Am Montag Teigmäuse,
 
Am Dienstag gebackene Hasen:
 
ohne Rosinen, dafür mit Schnurrbart.
 
Und am Mittwoch gewöhnliches Brot.»
 

 
Selbst in der Karte stand nichts,
 
Von keinerlei Tieren oder Spezies.
 
Auch nicht was sie kosten.
 
Die Gerantin zuckte mit den Schultern.
 
Murmelte etwas von «Bäckerlaune
 
Und dass man heute froh sein müsse, wenn …»
 

Unterdessen hatte er sich das Gesuchte gegriffen
 
– und verspiesen.
 
Er bezahlte, irgendeinen Fantasiepreis.
 
Und gewann es in diesem Moment richtig lieb,
 
Dieses namenlose Geschöpf.
 
Er begann sein Auftreten zu beobachten.

 
Mal hatte es Mandelaugen,
 
Mal einen Ringelschwanz.
 
Hin wieder einen Mund oder kleine Pfoten.
 
Auf jeden Fall schmeckte es ihm.
 
Offenbar blieb’s beim selben Lieferanten
 
oder dem immer gleichen Rezept.
 

 

«Am Sonntag ist Brunch»,
 
raunte ihm ein Stammgast zu.
 
«A Discrétion, mit allem drum und dran.
 
Probieren Sie es aus!
 
Nur Anna fehlt,
 
Sie hat dann frei».
 

 
Am zweiten Adventssonntag wagte er es.
 
Er hätte es lieber lassen sollen.
 
Weihnachtsmarkt, Buffet bis 14.00.
 
Das Lokal war prall gefüllt.
 
Die letzte Zeitung im Gestell zerfledert,
 
vorne prangte ein frischer Honig-Fleck.
 

 
Er zwängte sich in eine Ecke.
 
Bestellte Tee Citron und staunte
 
ob der Berge an Gebäck:
 
Christstollen, Grittibänzen, Zuckerengel,
 
Spitzbuben, Zimtsterne und Lebkuchen. 
 
Die Zopfgebilde waren wohl schon weg.
 

 
Am nächsten Morgen ging er wieder hin.
 
Hoffte auf die montägliche Ruhe.
 
Zwei Minuten später stand der Cappuccino da.
 
Mit einer Kanne aufgeschäumter Milch.
 
Im Vorbeigehen flüsterte ihm jemand zu:
 
«Es hat noch ein Tübli. Aber es ist etwas hart …»
 



 

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