Markus Kügle

Schatzi-Mausi & Ich: Sau-(B)är-Ei im Kühlschrank


„Schnucki?“, (sc)hallte die Stimme von Schatzi-Mausi aus der Küche zu mir herüber. „Kannst du mal eben kommen?“ Ich saß gerade vor dem Fernseher. Normalerweise müsste „Schnucki“ jetzt auch sofort aufstehen und seinen Pflichten als braver Lebensgefährte nachkommen. Soll heißen: So schnell, wie möglich zu seinem Schatzi-Mausi eilen. Allerdings gab es da etwas, was mich davon abhielt. Vielleicht nur eine unbedeutende Kleinigkeit. Vielleicht nur eine winzige Nuance in ihrer Aussprache. Aber: Die Art und Weise, wie Schatzi-Mausi nach mir gerufen hatte, machte mich nervös. Es war die Betonung, die sie auf das „u“ und das „i“ gelegt hatte.

„Schnuuhckiii?“ Das konnte nichts Gutes bedeuten. Nein! Wirklich nicht!! Das letzte Mal, als sie so nach mir gerufen hatte, war ihr ein Ohrring in die Kloschüssel gefallen und sie fand es zu eklig und widerwärtig, ihn da selbst wieder rauszuholen. Dafür gibt es ja ...

„Schnuuuuh-Ckiiiieh?!“ Ich war mir absolut sicher, dass es sich um etwas Unangenehmes handeln musste, das sie von mir wollte und überlegte fieberhaft, wie ich es anstellen könnte, um nicht in die Küche gehen zu müssen. Die einzige Idee, die mir in den Sinn kam, war ein Sprung aus dem Fenster, gefolgt von einer Flucht die Straße hinunter, ins Exil, zum Dönermann meines Vertrauens. Unglücklicherweise würde sich dieser Plan nicht in die Tat umsetzen lassen. Und wenn, dann nur unter größten Opfern. Weil: Wir wohnen im dritten Stock. Versteht mich nicht falsch. Ich liebe meine Freundin. Mehr, als jede andere. Sie ist für mich das wichtigste, was ich habe. (Abgesehen von meiner DVD-Sammlung vielleicht ...) Aber manchmal kann es schon schwer mit ihr sein. Sehr schwer sogar.

„Verdammte Scheiße!“, kreischte Schatzi-Mausi. Oh, je! Jetzt habe ich es wieder geschafft. Jetzt habe ich sie wieder verärgert. Und das, obwohl ich nichts gemacht habe. Bei näherer Betrachtung war das wohl genau das Problem: Ich hatte eben nichts gemacht.

„Jetzt komm´ endlich!!!“ Tja, was soll man(n) da nur machen? Was blieb mir anderes übrig, als zu tun, was mir gesagt wurde? Nix! Stöhnend erhob ich mich von der Couch und ging in die Küche. Ich fühlte mich wie ein Lamm auf dem Weg zur Schlachtbank. Und meine schlimmsten Erwartungen erfüllten sich. Doch das kam erst später.

Schatzi-Mausi stand vor dem Kühlschrank. Als sie mich bemerkte, ging sie einen Schritt beiseite.

„Jetzt schau´ dir bloß mal diese Sauerei da an!“ Ich tat es.

„Ja?“, fragte ich dann arglos. „Und nun?“

Ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen. Wenn Blicke töten könnten, dann hätte dieser es zweifellos auch getan. Glücklicherweise geht das nicht. Andernfalls wäre ich nämlich schon tausend Tode gestorben. Andererseits geht das natürlich auch nicht, weil ich ja nach dem ersten Bösen Blick von ihr nicht mehr aufgestanden wäre.

„Da fragst du noch?“, empörte sich Schatzi-Mausi. Ihre Stimme schraubte sie um eine Oktave höher. Langsam wurde es mir dann doch unangenehm, ihr in die Augen zu sehen. Darum richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den offenen Kühlschrank. Was könnte sie nur konkret meinen? Gemessen an dem Grad ihrer Erregtheit erwartete ich fast schon, einen Schrumpfkopf, oder eine halb verweste Katze in der Kühlung zu finden. Ich hielt Ausschau nach derartigen Widerwärtigkeiten. Fehlanzeige. Darum: Fieberhaftes Überlegen. Es war mir beim besten Willen nicht möglich, etwas zu entdecken, was meiner Ansicht nach die Bezeichnung „Sauerei“ wirklich verdient hätte. Zugegebenermaßen, es sollte in unserem Kühlschrank schon ein wenig ordentlicher und hygienischer zugehen, aber: Auch wenn es nicht wirklich sauber und rein da drinnen war ... Das war doch kein Grund, sich so aufzuregen und mich deswegen extra vom Fernseher weg zu holen. Oder?

Während ich also das Innenleben unseres Kühlschranks durchforstete, stand Schatzi-Mausi abwartend daneben. Es ging ihr nicht schnell genug. Sie tippte mit dem Fuß auf den Boden: Klack! Und wieder und wieder: Klack-Klack! (Warum müssen Weiber nur immer so ungeduldig sein?) Ich tat so, als ob ich es nicht bemerken würde. Klack-Klack! Normalerweise ist das die beste Vorgehensweise. Irgendwann erkennt Schatzi-Mausi dann auch die Sinnlosigkeit ihres Tuns und hört von alleine damit auf. Und richtig! Nach zweiunddreißig Klacks (Nur ein grober Schätzwert! Ich habe wirklich nicht mitgezählt!!) hatte sie keine Lust mehr, auf das Laminat zu trommeln. Um mir die Suche nach der „Sauerei“ zu erleichtern, zeigte Schatzi-Mausi schließlich mit ausgestrecktem Finger darauf. Die Flasche mit der thailändischen Chili-Sauce, die im obersten Fach lag. Die war gemeint. Den Deckel hatte irgendjemand nicht wieder ordentlich drauf geschraubt. Darum hat er sich auch streng an die Gesetze der Schwerkraft gehalten und ist runter gefallen. Und deshalb ist der Inhalt der Flasche wohl auch ausgelaufen, genau so wie es die Gravitation von ihm verlangt hat.

„Aha! Wäre mir jetzt echt nicht aufgefallen!“ Ich schwöre es: Das ist die reine Wahrheit. Es war auch leicht zu übersehen, wie der rote Matsch hinten an der Rückwand von ganz oben nach ganz unten hinab geflossen ist. Schatzi-Mausi sah mich an. Erwartete einen Kommentar. Und denn bekam sie auch:

„Ach, das ist doch wirklich nicht so schlimm!“

„Dafür bist doch wieder du verantwortlich!“ Eine derartige Beschuldigung ist typisch für mein Schatzi-Mausi. Jetzt bin ich wieder schuld! Klar, wer auch sonst? Man könnte natürlich den Einwand erheben, dass in dieser Wohnung nur zwei Personen leben und deswegen der Kreis der Verdächtigen überaus eng ist. Aber. Irgendwie finde ich es trotzdem nicht richtig, nur aufgrund von Indizien so vorschnell beschuldigt und angeklagt zu werden. Oder hatte sie mich vielleicht letzte Nacht dabei gesehen? Nein! Das hatte sie nicht. Konnte sie auch gar nicht. Schatzi-Mausi hatte da tief und fest geschlafen. Das weiß ich noch so genau, weil sie geschnarcht und sich angehört hatte, wie ein ganzes Sägewerk. Also: Von diesem Standpunkt aus betrachtet müsste ich nicht unbedingt schuld an dieser „Sauerei“ sein. Dummerweise kam Schatzi-Mausi nicht auf so einen Gedanken. Und ich habe es ihr auch nicht gesagt. Ich habe mich nicht getraut. Es wäre einfach taktisch unklug gewesen. Frei von jeder Art diplomatischen Geschicks ... Also? Was tun?? Man(n) sagt Dinge, wie: „Ja, Schatzi-Mausi. Ich kann dich verstehen.“ Und außerdem noch: „Da hast du aber so was von recht!“ Denn, wenn man den Vesuv am Ausbruch hindern kann, dann sollte man das meiner Meinung nach auch tun. (Schatzi-Mausi kann ab und zu sehr impulsiv sein! Darum ist hier Vorsicht geboten!!) Leider reichte ihr mein Geständnis nicht. Nicht alleine. Darum musste ich noch mehr sagen. Und tat es auch:

„Das, ... Ähm, ... Das wollte ich noch sauber machen.“

„Und wann?“

„Ähm, ... Morgen?“

„Morgen, Morgen, nur nicht heute ...“ Sie stemmte die Hände in die Hüften. Mir wurde klar: Ich hatte die falsche Antwort gegeben. Zu spät am Morgen. Aber: Eine Chance hatte ich noch!

„Jetzt gleich?“ Diesmal lag ich richtig. Schatzi-Mausi hatte gehört, was sie hatte hören wollen. Sie nickte zustimmend. Dann war sie immerhin so nett und brachte mir einen Putzlappen vorbei. Ich tat, was von mir verlangt wurde. Schließlich muss man seinen Pflichten als braver Lebensgefährte nachkommen. Was tut man(n) nicht alles für eine intakte Beziehung? Allerdings gab es da noch ein kleines Problem: Putzen ist nichts für mich! Denn: Ich bin ein Mann!! Diese ganze Wischerei entspricht einfach nicht der klassischen Rollenverteilung. Dummerweise sieht Schatzi-Mausi das anders. Sie ist emanzipiert. Ich seufzte. Früher war das anders. Früher war das besser. In der Steinzeit ist der Mann ein Jäger und Sammler gewesen und die Frau hatte sich um den Haushalt zu kümmern. Wenn es damals schon Kühlschränke und thailändische Chilisaucen gegeben hätte, dann wäre es sicherlich der Job von Schatzi-Mausis Urahnin gewesen, so was wieder sauber zu machen. Außerdem: Mich hat der rote Matsch doch überhaupt nicht gestört! Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte diese zähflüssige Pampe ruhig weiter an der Rückwand kleben bleiben können. Deshalb empfand ich meine Betätigung als Putzkraft als erniedrigend.

Um meinen stillen Protest deutlich zu machen, entschied ich mich gegen eine porentief reine Reinigung. Es wurde eine grobe, oberflächliche Behandlung des Schmutzes. Die krustigen Flecken, die schon am weißen Plastik fest getrocknet waren, ließen sich höchstwahrscheinlich eh´ nur mit Spezialreiniger wegmachen. Also: Chemische Keulen, die wir sicherlich nicht im Haus gehabt hätten.

Dann präsentierte ich meinem Schatzi-Mausi stolz das Ergebnis meiner Säuberungsaktion. Ihre Reaktion darauf war nicht so gut. Nee, wirklich nicht. Sie war enttäuscht von mir.

„Sauber machen heißt NICHT, den Dreck gleichmäßig verschmieren!“

„Das hab´ ich nicht!“

„Doch, das hast du!“

Also? Was tun?? Man(n) sagt Dinge, wie: „Ja, Schatzi-Mausi. Ich kann dich verstehen.“ Und außerdem noch: „Da hast du aber so was von recht!“ Denn, wenn man den Vesuv am Ausbruch hindern kann, dann sollte man das meiner Meinung nach auch tun. (Schatzi-Mausi kann ab und zu sehr impulsiv sein! Darum ist hier Vorsicht geboten!!)

„Soll ich den Kühlschrank nochmal Sau-Bär machen?“, bot ich Schatzi-Mausi zur Versöhnung an. Sie schüttelte müde den Kopf.

„Nein! Lass´ gut sein!! Ich mach´ das.“ Sie nahm mir den Putzlappen aus der Hand. „Du kriegst das ja eh´ nicht so hin, wie ich es haben will.“

Tja, was soll man(n) da nur sagen? Ich hatte es mal wieder geschafft. Ich war in diesem Moment am Ziel. Ich habe es fertig gebracht, auf Umwegen, meinen Willen durchzusetzen! Wenn das kein Grund zum Glückselig-Sein ist!! Schatzi-Mausi wollte gerade eben damit anfangen, den Kühlschrank auszuräumen, als sie auf die Uhr blickte. Es wurde Zeit für ihre Lieblings-TeleNovella.

„Aber, das mache ich nicht heute!“, fasste sie den Entschluss. Die Kühlschranktür wurde zu geknallt. „Morgen ist ja auch noch ein Tag!“

Und da war er wieder: So ein Moment, in dem ich mein Schatzi-Mausi über alles auf der Welt liebte. Ganz einfach „nur“, weil sie so ist, wie sie eben ist ...
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.02.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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