Klaus Eylmann

Invasion der Rasenmäher

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Erst war es nur einer, dann wurden es immer mehr. Niemand weiss, woher sie kamen, jeder weiss, wohin sie wollen. Sie haben die Strasse erobert. Doch unsere kleine Gemeinde gibt nicht auf. Sie hat sich formiert, fest entschlossen, den Kampf aufzunehmen, mutig und aufopferungsbereit, gegen

Die Invasion der Rasenmäher

Es war ein heisser Sommertag. Lerchen schraubten sich jubilierend in die Höhe, Eisverkäufer fuhren mit fröhlichem Glockengebimmel die Strassen entlang und auf dem Wochenmarkt herrschte geschwätziges Treiben. Lautes Summen durchbrach ein paar Strassenzüge weiter die Mittagsstille. Dietrich schreckte hoch, öffnete die Augen und starrte in die Sonne. Geblendet fiel er in den Liegestuhl zurück.
“Marta, doch nicht jetzt! Schalte den Rasenmäher ab!”
“Dietrich, hast du was gesagt?”, rief Marta aus dem Badezimmer.
“Ich sagte, schalte den Rasenmäher….”, verdutzt hielt Dietrich inne und sprang von seiner Liege hoch.
“Das ist doch….”. Dietrich lief barfuss über die Terrasse zum Fischteich, blickte zum Rasen hinüber. Langsam glitt ein chromblitzender Rasenmäher über das Gras hinweg. Wer bediente den Apparat? Dietrich sah niemanden. Er trat näher an das Gerät heran. Es besass keine Griffstangen, keine Räder, schwebte ein paar Zentimeter über dem Boden. Luftkissen? Gab es einen Abschaltknopf? Dietrich ging weiter auf den Rasenmäher zu. Urplötzlich änderte der seine Richtung, schoss mit einem wütendklingenden Heulton auf ihn zu, während sich eine rotierende Säge aus ihm herausschob. Erschreckt wich Dietrich zurück, stolperte und fiel rücklings in den Fischteich. Das schrille Signal verstummte, die Säge glitt zurück und der Apparat nahm seine Arbeit auf.
“Dietrich, was hattest du gesagt? Was machst du da im Fischteich?”
“Einen Schwimmversuch,” knurrte Dietrich wütend und rappelte sich hoch. “Sieh mal auf den Rasen.”
Marta drehte sich um und blickte verblüfft auf das Gerät, welches die letzten Stellen des Rasens zurückstutzte.
“Wo kommt der denn her?”
“Keine Ahnung,” murmelte Dietrich, so leise, als ob der Apparat mithören könnte. “Der ist von allein gekommen und wird hoffentlich auch von allein wieder verschwinden.”
“Dietrich, behalten wir ihn doch. Der nimmt uns die ganze Arbeit ab.”
Marta sah zur Pforte hinüber. Sie war verschlossen.
“Na, der kann ohnehin nicht raus.”
Der Rasenmäher glitt zur Gartenpforte, hielt vor dem Ausgang. Mit fauchenden Düsen hievte er sich auf eine Höhe von zwei Metern, flog über die Pforte hinweg, verharrte über dem Fussweg der Strasse, senkte sich auf Luftkissenniveau und fing an, das Gras neben dem Gehsteig zu schneiden. Marta und Dietrich blickten über den Zaun, sahen, wie der Apparat plötzlich anhielt und auf dem nächsten Grundstück verschwand.
“Die Müllers werden sich wundern, wenn sie aus ihrem Urlaub zurückkommen.” Dietrich schüttelte den Kopf und ging wieder zu seinem Liegestuhl zurück.

Am nächsten Morgen, auf dem Weg zur Arbeit, sah Dietrich, wie auf allen Bürgersteigen Rasenmäher patroullierten. Passanten, die ihnen zu nahe kamen, liefen vor Schreck auf die Strasse, wenn sich die Apparate unter schrillem Gesumme mit ausgefahrenen Sägen auf sie stürzten.
Die meisten Zwischenfälle liefen glimpflich ab, dann aber gab es die ersten amputierten Füsse.
Die Bevölkerung war alarmiert.
“Eine Gefahr für die Öffentliche Ordnung und Sicherheit,” erklärte der Bürgermeister in einer Pressenotiz. Die Polizisten rückten mit Lastwagen an, schwärmten aus und versuchten die Rasenmäher unschädlich zu machen. Es war ein aussichtsloses Unterfangen. Sie hatten keine Chance, als die Apparate auf sie zuflogen. Revolverschüsse, verzweifeltes Brüllen - blutende, verstümmelte Polizisten wälzten sich auf den Strassen - dann kam der Befehl zum Rückzug. Die Rasenmäher hatten den Kampf für sich entschieden.

“Petermann, machen Sie das Licht aus!” Assessor Petermann ging zum Eingang des Klassenzimmers und schaltete die Deckenbeleuchtung aus.
“Meine Damen und Herren,” das Licht des Diaprojektors warf den Schatten des Mannes auf die Leinwand. “Die Lage ist ernst. Wir haben hier in der Friedrich Ebert Schule das Operationszentrum eingerichtet, um Informationen über ein Phänomen zu sammeln, das sich unserer Vorstellungskraft entzieht. Es sieht so aus, als seien wir die einzige Gemeinde, die dieses Problem hat. Sehen Sie selbst.”
Bürgermeister Fischer betätigte den Projektor.
“Auf diesem Bild, dass von einem Polizeihubschrauber stammt, können sie gut erkennen, die Apparate kommen aus dem Sachsenwald in der Nähe unseres Ortes. Alle Versuche, ihnen den Weg abzuschneiden, sind fehlgeschlagen. Eine Hundertschaft von Polizeibeamten, die in den Wald eingedrungen war, ist nicht mehr zurückgekehrt.”
Fischer liess ein neues Foto auf der Leinwand erscheinen.
“Hier sehen Sie nun einen der Invasoren.” Er blickte ernst in die Runde.
“Wir müssen herausbekommen, mit wen wir es zu tun haben, um sie bekämpfen oder uns mit ihnen arrangieren zu können. Einige Experten, die wir eingeladen haben, sollen uns dabei helfen. Petermann, schalten Sie das Licht wieder ein.”
Die Deckenlampen flammten auf.
“Herr Müller-Hagen,” wandte sich Fischer an einen der Anwesenden. “Sie sind Mechanikermeister und haben tagtäglich mit der Reparatur von Rasenmähern zu tun. Haben sie auf dem letzten Foto irgendetwas erkennen können, das Ähnlichkeit mit einem herrkömmlichen Gerät hat?”
Müller-Hagen erhob sich und blickte bedeutungsvoll um sich.
“Aus meiner langjährigen Praxis heraus kann ich Ihnen sagen: so einen Rasenmäher gibt es nicht. Das ist kein Rasenmäher. Auch wenn er Rasen mäht. Dieser Apparat hat nichts, was ein Rasenmäher haben muss. Er hat keinen Führungsholm, keinen Gasbedienungshebel. Das heisst, das Gerät ist nicht dafür bestimmt, von Menschen benutzt zu werden.
Ich sah keine Zündkerzen, keine Zündkabel. Was ist das für ein Motor?
Es gibt keinen Grasfangkorb, und wo ist denn die TUEV-Plakette?”
Müller-Hagens Stimme überschlug sich fast.
“Haben Sie, meine Damen und Herren, geschnittenes Gras gesehen, wo eines dieser Geräte tätig gewesen ist? Haben Sie mal darauf geachtet? - Es gibt kein geschnittenes Gras. Es verschwindet während des Schneidens!”
Müller-Hagens Augen traten fast aus den Höhlen, als er herausbrüllte.
“Wir werden von Rasenmähern aus dem Weltraum attackiert!”
Im Klassenzimmer wurde es unruhig. Nervös redeten die Leute durcheinander.
“Na, auf jeden Fall besser, als ein paar wildgewordene Handfeger,” lachte einer.
“Halten Sie Ihren Mund, das ist kein Spass. Sehen Sie mal durch das Fenster.”
Eine dicke Frau schob den Vorhang zur Seite.
“Seht doch. Fünf Rasenmäher auf dem Gras und sie kommen auf uns zu!”
Einige der Anwesenden stürzten zum Fenster und starrten entsetzt hinaus. Doch die Rasenmäher bogen ab, setzten ihre Arbeit fort. Erleichtert kehrten die Leute auf ihre Plätze zurück.

“Vielen Dank, Herr Müller-Hagen.” Bürgermeister Fischers ruhige Stimme legte sich wie Balsam auf die erregten Gemüter der Anwesenden. “Ich möchte Ihnen jetzt Herrn Professor Schneider vorstellen, der die Robotik-Abteilung der Universität unserer Kreisstadt leitet. Herr Schneider, wie sollten wir mit diesem Phänomen umgehen?”
Schneider stand von seinem Platz auf. “Entspannter, meine Damen und Herren. Entspannter.
Es handelt sich um autonome Einheiten, um Roboter, die nur für eines programmiert sind, Rasen zu mähen. Ich meine auch, dass sie nicht von der Erde stammen, aber das sollte doch kein Grund sein, nicht mit ihnen klarzukommen.
Ist Ihnen nicht aufgefallen,” wandte sich Schneider an die Anwesenden, “dass die Geräte nur dann aggressiv werden, wenn sie sich in ihrer Arbeit behindert fühlen? Ich schlage vor, solange wir sie nicht vertreiben oder vernichten können, sollten wir sie gewähren lassen. Das gebietet auch der Selbsterhaltungstrieb. Schliesslich haben wir bis jetzt jedes Scharmützel gegen sie verloren.
Meine Damen und Herren. Das Verhalten der Rasenmäher erinnert mich sehr stark an die Vorgehensweise von Ameisen, die kooperativ interagieren, wenn es darum geht, ein Stück Arbeit zu bewältigen, welches für den Einzelnen zu aufwendig ist. Ameisen hinterlegen eine Pheromonspur, eine Spur von chemischen Substanzen, die andere Ameisen anziehen. Wenn ein Stück Arbeit zu bewältigen ist, wie das Zerschneiden oder der Transport eines grossen Blattes, dann lockt die Ameise, welche die Arbeit nicht allein schafft, weitere Ameisen an, bis die Arbeit kooperativ durchgeführt werden kann.
Nun stellen Sie sich einen Sportplatz vor, der aufgrund seiner Grösse von einem Rasenmäher nicht allein in einer bestimmten Zeit bearbeitet werden kann. Hier sehen Sie ein Foto, welches ich heute früh am Gemeindesportplatz gemacht habe.”
Schneider drückte auf die Fernbedienung des Diaprojektors.
“Auf dem Bild sehen Sie den Sportplatz und einen einzigen Rasenmäher, der durch Zufall auf dieses Objekt gestossen ist.”
Ein neues Bild tauchte auf der Leinwand auf.
“Was macht er jetzt? Er fängt nicht sofort an, Gras zu schneiden, sondern er gleitet zur nächsten Strassenkreuzung zurück und von dort aus wieder zum Sportplatz. Dieser Vorgang wiederholt sich einige Male. Was schliessen wir nun daraus?”
Schneider blickte triumphierend in die Runde.
“Gleich Ameisen hinterlegen auch diese Geräte eine Signalspur, welche andere Apparate anlockt.
Eine Stunde später teilen sich etwa dreissig Rasenmäher die Arbeit unter sich auf.”
Schneider zeigte das nächste Foto.

“Was bedeutet das nun für uns?” fragte Fischer. “Wie können wir das für uns nutzen?”
“Es ist zu früh, etwas sagen zu können. Wir benötigen mehr Informationen. Wenn eine Schwarmintelligenz wie die der Ameisen das Verhalten der Rasenmäher steuert, dann können wir davon ausgehen, dass ihre Königin sich im Sachsenwald versteckt. Wir brauchen mehr Information über sie. In der Zwischenzeit sollten wir die Bürger dazu anhalten, den Rasenmähern aus dem Weg zu gehen und alles zu melden, was über das übliche Mass derer Tätigkeit hinausgeht. Was ist, wenn sie für eine ausserirdische Macht spionieren und das Mähen von Rasen nur eine vorgeschobene Aktivität ist?”

Und so geschah es:

Lautsprecherwagen der Polizei fuhren durch die Strassen und wiesen die Bürger an, den Invasoren aus dem Weg zu gehen. Internationale Experten wurden eingeflogen, die helfen sollten, einen Kontakt mit ihrer Königin herzustellen.

Kann der Status Quo gehalten werden?
Ist Rasenmähen der wirkliche Grund der Invasion?
Gibt es verborgene Absichten?
Wenn ja, welche?

Wir werden darüber berichten, so lange es uns möglich ist. Bleiben Sie auf Empfang.















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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.10.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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