Helga Siebecke

Über Raben und Krähen

 
Krähen und Raben scheinen Ähnlichkeiten zu besitzen, die allerdings Vogelkundige energisch bestreiten. Sie mögen ja auch nur geringfügig äußerlich sein. Dem Raben sagt man Weisheit nach, insbesondere den alten (Raben sind immer alt). Er ist auch immer männlichen Geschlechts, dennoch gibt es wohl auch Eier legende Raben, die offensichtlich weiblicher Natur sein dürften. Sie spielen aber keine Rolle.
Die Krähen sind meistens weder jung noch schön, eher immer alt, dürr also hässlich. Auch ist von klugen Krähen landläufig kaum die Rede, mehr von rätselhaften unleserlichen, unschönen Schriften, an Krähenfüße erinnernd oder unbeliebte Fältchen um menschliche Augen. Kurz, keiner mag Krähen, ausgenommen Indianer, aber die sind weitestgehend ausgestorben.
Raben sind meistens etwas merkwürdige Einzelgänger, die man eventuell in der Not befragt (sie sind ja weise) aber dennoch lieber meidet, denn sie sind auch geheimnisvoll, vielleicht auch gefährlich. Man weiß es nicht, sitzen sie doch manchmal auf dem Rücken von Hexen (was allerdings auch eine Krähe von Fall zu Fall sein könnte). Einen weißen Raben hat man an diesem Schauplatz noch nicht gesehen. Sie sind ja auch selten und es gibt wohl mehr Hexen als weiße Raben, so dass man somit auf schwarze Katzen ausweichen muss. Wäre ein gesondertes Thema.
Krähen treten oft scharenweise auf, besonders im Nebel bevölkern sie kahle Bäume. Auch wird ihnen selten der Nimbus einer besonders guten Stimme zugebilligt. Dem Raben im Übrigen auch nicht.
Ja, man sagt so einiges über diese prächtigen Vögel, auch dass sie ein wenig harmlos wären, denn eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus oder dies wäre aber ein Rabenaas. Und ein Aas ist ja eigentlich schon lange tot, also selten gefährlich.
Nun, mir scheint irgendwie ist immer alles anders gemeint und besagt kaum Gutes oder zeugt von besonderem Beliebtheitsgrad.
Wie dem auch sei, den Vögeln ist das menschliche Vorurteil vermutlich egal.
 
 
Die Krähe
 
Eines Tages beugte sich eine Krähe über den Rand ihres Nestes um so zu schauen, was es noch gäbe. Von den alten Nebelkrähen um sich hatte sie schon lange genug und deren Gekrächze ging ihr ziemlich auf die Nerven. So wagte sie einen Blick über den Nestrand und stürzte in die Tiefe. War unsere Krähe doch nur im Schwarm zu fliegen geübt.
Unten angekommen, kratzte sie aufgeregt mit ihren Krähenfüßen erstmal etliche Kurven, um dann in einem goldenen Käfig hoffnungsvoll zu landen, denn eine einzelne Krähe ist selten, möglicherweise sogar brauchbar. Sie wird einiges über andere Krähen wissen und mit dem Schwarmverhalten der Vögel umgehen können.
Doch über die Zeit platzte die magere Goldauflage ab und im Käfig war es noch weniger erträglich als im Schwarm, denn ans Fliegen war ja nun überhaupt nicht mehr zu denken. Die Krähe mühte sich, wurde aber immer dürrer, bis sie plötzlich entdeckte, es ging durch die rostig gewordenen Gitterstäbe zu schlüpfen.
Und siehe da, es funktionierte, sie kam knapp davon.
Das Gefieder glättete sich wieder und sie lernte wieder fliegen, aber nur allein und nie wieder in die Nähe eines goldenen Käfigs.
Vielleicht begegnete ihr aber auch ein Rabe auf einem hohen Ast, der schon alles erlebte und ohne Vorurteil, mit Verständnis und unendlicher Raben-Weisheit eine einsame, dürre, alte Krähe zu nehmen versteht, denn manchmal sind sich Raben und
einzelne Krähen furchtbar ähnlich.
 
 
Sind wir nicht alle irgendwie oder irgendwann einmal Raben oder Krähen?

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.02.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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