Peter Schultheis

Alles vergessen

Ich erwachte alleine in einer kalten grauen Gefängniszelle.

Alleine in einer Gefängniszelle!

Und noch in einer kalten.

Was machte ich im Knast?

Wie kam ich hierher oder besser noch, was brachte mich hierher?

Ich setzte mich auf der harten Pritsche auf und schlug mir sicherheitshalber meinen Kopf an das oben liegende

Stufenbett an.

Schöne neue Welt.

Ich hielt mir meinen Kopf und bemerkte das ich eine Art Turban trug.

Bin ich über Nacht Fakir geworden?

Egal was ich jetzt bin, tut trotzdem weh.

Was war den gestern nur los mit mir.

Was war nur passiert??

Ich brauchte was zum qualmen aber den Zigarettenautomat in der Zelle hatten sie abgehängt.

Und meine fand ich nicht mehr.

Nein, ein Wunder ist geschehen.

In meiner Seitentasche fand ich noch eine halbe Schachtel Kippen.

Ich steckte mir eine an und lehnte mich zurück an die kalte Mauer und zog kräftig an meinem dampfenden

Schnuller.

Ein Grinsen huschte über mein Gesicht. Irgendwie hatte diese missliche Lage etwas humorvolles.

Bin ich vielleicht Gefängnis-Zellen-Tester über Nacht geworden. Das würde mir einleuchten.

Aber der Turban um meinen Schädel machte mir ein bisschen Sorgen.

Die Zelle erinnerte mich stark an die üblichen Zellen im Kino.

Die Wand  war übersät mit einfallsreichen Sprüchen.

Ich erkannte schon an diesen tiefsinnigen Sprüchen das hier noch nie eine Frau die Nacht verbracht hatte.

Lyrik pur.

Ich stand auf und warf meine Kippe auf den Steinboden und drückte sie mit meinem Schuh aus.

Der Zimmerkellner hatte den Aschenbecher vergessen.

Genau wie mein Frühstück mit Ei, frische Brötchen, Butter, Wurst, Orangensaft, Sekt, und ein Liter Kaffee.

Ich entdeckte leider nirgends meine Zimmerglocke um meine Bestellung aufzugeben.

Ich werde wahrscheinlich verhungern müssen.

Na, nicht ganz.

Ich hatte noch meine Kippen und einen leichten Brand.

Einen Brand!

In dem Fall war wohl ein wenig Alkohol im Spiel.

Ich tastete meinen Kopf ab setze mich wieder auf meine Pritsche.

Und weil sich mein Frühstück verspätete zündete ich mir noch eine an und legte mich wieder lang.

Mit meinem Fuß trat ich an die Unterseite des Bettes über mir.

Nur so aus Langeweile.

Ein wenig Sport vor dem Frühstück hat noch keinem geschadet.

Die Matratze über mir hatte ihre beste Zeit in den 50-er erlebt.

Sie bestand eigentlich nur aus Flecken.

Die erste Matratze die nur mit Flecken aller Art zusammengehalten worden ist.

Ich ließ das mit dem Sport bleiben.

Ich hatte Schiss das sich ein Fleck ablösen und mir direkt ins Gesicht flattern würde.

Bei welcher Gelegenheit diese Flecken entstanden sind überließ ich den Kakerlaken und meinem Nachmietern.

Ich hatte immer weniger das Bedürfnis unter mein Bettchen zu schauen.

Ich schnippte meine Kippe an die gegenüberliegende Wand und setze mich wieder auf und schaute verstohlen auf

den Zigarettenstummel aber er rauchte immer noch vor sich hin.

Ich nahm einen Schuh und warf ihn in Richtung Kippe aber der verfehlte sie um einen halben Meter.

Nun musste ich mit einem Schuh Richtung Kippe laufen und sie mit einem ordentlichen Stampf in den

Kippenhimmel schicken. 

Bei der Gelegenheit zog ich im stehen meinen Schuh wieder an und humpelte mit einem Bein wortlos durch den

Raum.

Nach diesem kleinen Ausflug in das Zirkusgeschäft ging ich zu meinem vergitterten Fenster und blickte hinaus.

Es kam mir überhaupt nichts bekannt vor.

Das lag wahrscheinlich daran das ich ein unverbaubaren Blick in den geschlossenen Innenhof hatte.

Draußen war es grau und nass.

Es war einfach wieder einer dieser Tage die ich am liebsten in einer kuschelweichen  Bar verbracht hätte. Aber ich

glaube da hatte jemand andere Pläne mit mir.

Wenn ich heute noch raus komme weiß ich schon was zu tun ist.

Wenn ich heute noch raus komme.

Noch lieber wüsste ich eigentlich warum ich hier überhaupt drinnen bin. Ich hatte überhaupt keine Ahnung. Und

war mir auch keiner Schuld bewusst.

Das musste ein Irrtum sein.

Das hoffte ich insgeheim.

Totaler Filmriss halt.

Passiert.

Ich bin zwar schon oft in fremden Häusern aufgewacht aber im Knast mit einen Turban

Das macht mir so schnell keiner nach.

Na, einer wird mir das bestimmt noch stecken heute.

Ich lasse mich einfach mal überraschen.

Ich liebe Überraschungen.

Und da die Aussicht nicht die beste war ging ich zu meinem Fleckenbett und legte mich wieder hin.

Ich schloss meine Augen und schlief ein...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.02.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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