Gaby Schumacher

Der vermutlich erste Korb seines Lebens

Schon im Kindergarten trat meine Älteste recht selbstbewusst auf. Wie es sich sogar für eine so junge Dame gehörte, hatte sie bereits einige Verehrer, die verzweifelt um ihre Gunst buhlten. Mal balgten sie sich mit ihren Konkurrenten um ein bestimmtes Spiel, von dem sie wussten, meine Tochter schwärmte dafür, mal teilten sie ihr Frühstück mit ihr.
 
Die ganz Vernarrten überließen es ihr und hungerten tapfer vor sich hin. Für einen einzigen lieben Blick aus den riesigen, braunen Augen machten sie fast alles. Meine Tochter nahm es mehr als gelassen hin. Es interessierte sie offensichtlich nicht die Bohne, wie die armen Kerle sich abmühten. Die Spiele dagegen sehr.
 
Doch eines Tages – ich hatte schon nicht mehr damit gerechnet – funkte es bei ihr. Meine Kleine fing zu Hause an zu schwärmen. Ich horchte auf, denn es fiel auch ein Name: „Stephan“. Stephan musste einfach ein besonderer Junge sein, dass er es geschafft hatte, dieses Mädchenherz für sich einzunehmen.
 
Den halben Tag lang hieß es:
„Mama, der Stephan hat ... Stephan hat den Jörg gehauen, weil der mir das Bilderbuch geklaut hat ... Stephan und ich haben Sandburgen gebaut. Gaanz hohe ... !“
Ach, wie süß sie strahlte.
 
Bald darauf führte sie ihn mir vor. Nein, so kann ich das nicht nennen, was sich dann abspielte: Eher zog und stubste sie ihn energisch auf mich zu. Stephan kam dies alles wohl zu plötzlich und er wollte nicht so recht. Sich zu sperren, brachte ihm aber nichts.
 
Wenn meine Tochter sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann gab`s kein Entrinnen, wie schließlich auch Stephan erkennen musste und sich dann zerknirscht in sein Schicksal ergab.
 
Im zarten Alter von fünf Jahren bereits mit seiner Eventuell-mal-Schwiegermutter konfrontiert zu werden und dies sogar ohne jede Vorwarnung, vermochte ein solch junges Männerherz sehr wohl aus der Fassung zu bringen.
 
An dem besagten Tage lernte ich denn auch noch seine Mutter kennen. Wir verstanden uns sofort ausnehmend gut und verabredeten, da wir in etwa den gleichen Heimweg hatten, in Zukunft unsere Kinder gemeinsam abzuholen. Damit war unser junges Liebespaar dann mehr als einverstanden.
 
Einige Tage später geschah es dann: Frau Becker und ich standen am Eingangstor. Als Erste erschien meine Tochter, sagte kurz brav „guten Tag“ und hüpfte schon mal vorweg in Richtung der Straße.
 
Eine Minute später kreuzte auch Stephan auf, mit puterrotem Kopf und einer kleinen Rose in der Hand. Woher er die da hatte – keine Ahnung. Stephan beachtete uns nur flüchtig und flitzte hastig hinter meiner Tochter her, die mittlerweile schon ein ganzes Stück weit weg war.
 
Seinen Arm hielt er lang ausgestreckt nach vorne. Die Rose flatterte im Winde.
„Du ... b...bist meine S... Sonne!“, rief er stotternd.
Von vorne keine Reaktion. Entweder hatte sie es nicht gehört oder sie überhörte es geflissentlich.
 
Stephan ließ sich nicht entmutigen, legte noch einen Zahn zu und es trennten ihn nur noch wenige Schritte von seiner großen Liebe.
„ ... m...meine Sohonne!“
Offensichtlich ging ihm so langsam die Puste aus.
 
Meine Tochter guckte stur geradeaus. Schließlich musste sie auf den Verkehr achten. Erst einmal links, dann rechts, dann nochmals links ... Frau Becker und ich grinsten uns an. Ich dachte:
„Mensch, nun erhör` ihn dich endlich!“
Von wegen.
 
Stephan wusste anscheinend nicht, was er noch anstellen könnte, ums sie denn zu beeindrucken und versuchte es ein letztes Mal. Er streckte ihr die in seiner Aufregung von ihm schon beinahe zermatschte Blume hin und schrie:
„Du b...bist meine S...Sonne!“
 
Ich begann, mir Sorgen um die töchterlichen Ohren zu machen. Es passierte nämlich nichts. Sie drehte sich noch nicht einmal zu ihm um.
 
Stephan war es eindeutig leid wie dicke Tinte. Schließlich war er Wer. So nicht mit ihm! Er schmiss die jämmerlich zerfetzte Rose auf den Bürgersteig und trampelte noch drauf herum:
„Dann eben nicht, doofe Kuuh!!“
 
Eine Rose schenkte er ihr nie mehr.
 
             
 
 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.03.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Trilettantia ist der Titel einer Erzählung, deren Handlung Ende des 22. Jahrhunderts spielt. Trilettantia ist keine SF-Erzählung, was sie vielleicht auf den ersten Blick zu sein scheint. Was in Trilettantia in der Zukunft spielt, ist die Gegenwart, die beleuchtet wird aus einer Perspektive, die unsere heutige Wirklichkeit überwunden zu haben scheint – jedenfalls ihrem Anspruch nach. Denn selbstverständlich geht der aufgeklärte Mensch des 22. Jahrhunderts davon aus, dass in 200 Jahren die Welt – bzw. das, was wir dann darunter verstehen werden – vernünftiger geworden ist, die Vernunft wieder ein Stückchen mehr zu sich selbst gekommen ist. Aus dieser Perspektive werden uns Strukturen und Charaktere des begonnenen 21. Jahrhunderts deutlich als Atavismen erscheinen. Nun ja: jedenfalls vielleicht...

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