Conny Kirsten

Memories

Ich sitze an meinem Schreibtisch, neben mir türmt sich ein Berg ungewaschener Kleidung. Auch dein Shirt ist darunter, noch... Ich schnupper an dem dunklen Stoff und bilde mir ein, dich noch immer zu riechen. Ganz vergrabe ich mein Gesicht darin und Erinnerungen überwältigen mich. Spüre deine Haut an meiner, deine Hand an meiner Hüfte, in meinem Haar. Ich steckte meine Nase in deine Achselhöhle, als wenn ich deinen Geruch ganz aufsaugen wollte, es war so geborgen, so ewiglich unantastbar schön.
Die Realität war ausgeblendet, so ist das mit der Liebe, zuerst machbar, dann vielleicht und irgendwann vorbei. Der Krieg ist schuld, aber wahrscheinlich auch wir, ich....irgendeiner ist es immer.
In meinem Herzen herrscht Konfusion. Ich schwor dir Ewigkeit und doch ließ ich dich gehen, vielleicht sind wir auch beide gegangen, vor Jahren schon. Die Haltbarkeitsdauer war abgelaufen, bevor ich es schmecken konnte. Verdammte Heuchelei. Warum fühle ich B, wenn doch A existiert?
Als ich das erste mal die Bomben hörte, dachte ich an TV, obwohl du schreien musstest, um sie zu übertönen, das Telefon ist grausam, nur Geräusche, keine Bilder. Vielleicht auch Gnade. Die Leitung wurde unterbrochen, ich fiel auf die Knie, betend, weinend, hilflos. Diese grausame Zeit dehnte sich ins Unermässliche, bis ich Nachricht bekam, dass du nicht unter den Opfern warst. Ich starb so oft in jener Zeit, mein Herz wurde so oft durchbohrt und solche Momente gab es immer wieder. Ich bestand aus einem Flickenteppich, für jede Todmeldung ein Riss und bei jeder positiven Nachricht wurde zusammengenäht. Dass unsere Liebe Risse bekam, verdrängte ich, dass du immer weniger erzähltest auch.
Ich betrachte das Shirt genauer und sehe auch hier Risse, vor allem der an der Schulter ist lang. Fast sehe ich noch das Blut rinnen und die getackerten Wundränder vor mir.
Euer Lager wurde angegriffen, ihr hattet nicht damit gerechnet, sagtest du. Was da in Wirklichkeit lief, bekam ich nie erzählt. Du hast am Anfang viel erzählt. Doch es dauerte nicht lange, bis in deinen Augen das Lachen erstarb. Eigentlich weiß ich gar nicht, ob sie es je wieder vermochten, denn im Schauspielern warst du gut.
Ich lege das Shirt zur Seite, lautlos weinend, resigniert. Ich habe aufgegeben. Obwohl doch der Krieg vorüber war. Mich angeklagt, dein liebes Gesicht vor Augen, dass schon lange nicht mehr liebevoll blickte.
Wann bist du gegangen und warum habe ich es nicht verhindern können? Nach dem Krieg ist im Krieg, denn er ist nie vorbei. Nie wieder. Das habe ich begriffen. Du nimmst deinen mit und hinterlässt Verwüstung. Es wird schwer, Frieden zu leben. Denn er ist schon lange nicht mehr in mir.
Traurig lege ich dein Shirt in den Schrank, nach ganz unten, vergraben in meiner Erinnerung. An einen Traum, der Traum bleibt, an Erinnerungen von Liebe und einen Krieg, der dich nicht gehen lässt.
Ich sitze an meinem Schreibtisch und bewahre unsere wenigen Momente. Und warte, wie immer. Diesmal auf mich.
 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Conny Kirsten).
Der Beitrag wurde von Conny Kirsten auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.03.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Conny Kirsten als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Ein erotisches Experiment und andere amüsante Geschichten von Werner Pfelling



Der Autor erzählt in ernsten und heiteren Geschichten von der Suche nach dem richtigen Partner, von der Kurzlebigkeit mancher Ehen, vom Ausleben sexueller Freiheit, von Verhaltensstörungen in der stressigen Gesellschaft und der Zunahme krimineller Energien. Die amüsanten und originellen Kurzgeschichten versprechen eine spannende und kurzweilige Lektüre.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Krieg & Frieden" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Conny Kirsten

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Sag´s doch durch die Blume von Conny Kirsten (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)
Ängste eines jungen GI von Rainer Tiemann (Krieg & Frieden)
Aus!!! von Tanja Trageser (Freundschaft)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen