Germaine Adelt

International

 
        „Quelle pointure faites-vous?
        Fragend sah ich den Mann an, der, so glaubte ich, französisch auf mich einredete.
        „Bitte?“
        „Excusez-moi. C’est très important pour moi.“
        Ich verstand kein Wort. Zumindest viel zu wenig um zu begreifen, was der Mann von mir wollte. Fragend hob ich die Schultern und versuchte ein Lächeln. Irgendetwas war ihm wichtig, soviel hatte ich begriffen. Aber eine Notsituation schien es nicht zu sein, denn der Schuhverkäufer stand ergeben neben uns und sah mich erwartungsvoll an.
        „Je ne voulais pas vous offenser.“ redete der Franzose weiter und mit einem zögerlichen Kopfschütteln versuchte ich ihm klarzumachen, dass es keinen Zweck hatte.
 
        Ein junger Mann der im Vorbeigehen die Situation beobachtet hatte kam direkt auf mich zu: „Puis-je vous aider, Madame?“
         Ich atmete hörbar aus. Wo war ich hier hingeraten.
         Der Blick des Franzosen hellte sich auf: „La pointure.“
         „Ich glaube er möchte wissen, welche Schuhgröße Sie haben.“ erklärte der junge Mann.
         „Will er das?“
         „Können Sie etwa kein Französisch?“ fragte er fast ein wenig entrüstet.
         „Njet, tolko parusski.“ erwiderte ich trotzig und genoss nun seinen fragenden Blick.
        „Otschen charoscho!“ rief der Schuhverkäufer aus und erst jetzt sah ich sein Namensschild, auf dem Nikolai stand.
 
        Dann waren alle Blicke auf mich gerichtet, als wäre ich diejenige, die diesen Wirrwarr auflösen könne. Konnte ich aber nicht.
         „Meine Schuhgröße?“ fragte ich leise und der junge Mann nickte stellvertretend.
        Nikolai eilte zu einem Regal und holte ein paar Schuhe. Klein und wie aus rotem Samt gemacht mit einer niedlichen, weißen Schleife darauf, sahen sie fast so wie aus einem Märchen. Ich zweifelte ernsthaft daran, dass diese Schühchen mir passten. Zwar waren meine Füße wirklich sehr klein geraten, dennoch kam ich mir vor wie in Aschenputtel.
        „Cendrillon“ murmelte der Franzose grinsend und der junge Mann brauchte es diesmal nicht zu übersetzen, hatte ich doch den gleichen Gedanken. Nur Nikolai sah uns fragend an.
         „Soluschka“ erklärte ich und er lachte.
        „Jetzt brauchen wir nur noch jemanden der das Wort Cinderella versteht.“ stellte der junge Mann fest. „dann wäre alles vertreten. Deutsch, französisch, russisch und englisch.“
        „You speak English?“ sagte ich im Spaß.
        „Talk to me?“ fragte die ältere Dame, die abseits des Trubels schweigend Schuhe anprobiert hatte.
        Nicht wirklich, sie hatte mindestens Schuhgröße vierzig.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.04.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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