Inga Rothe

Die Rentner WG letzter Teil

Neue Bewohner

Tina informierte ihr Mitbewohner, dass sie zum 1. Oktober einziehen könnten und morgen die Anzeige in der Zeitung erschien, wegen den neuen Mietern.

Es wurde am nächsten Tag Kuchen gebacken, damit sich die ausgewählten vorstellen konnten und einen guten Empfang hatten.

Das Telefon stand kaum still und Tina machte sich Notizen.

Einige suchten eine Pflegestelle, saßen im Rollstuhl oder waren zu alt, um selbstständig zu leben. Die schloss Tina gleich aus und es blieben immerhin noch acht Bewerber, die ihr schon am Telefon sympathisch erschienen.

Ebenfalls hatte Tina eine Anzeige aufgegeben, für eine Köchin, mit Wohnmöglichkeit. Daraufhin meldete sich bisher nur eine ältere Dame, die aber kaum in Betracht kam, da ihre Forderungen zu hoch waren.

Am Sonntagnachmittag trudelten die ersten Bewerber ein.

Kurt, ein netter Herr, der gerade in Rente ging, schien sich sofort mit Johannes zu verstehen, die Beiden saßen zusammen und unterhielten sich.

Doris, eine ehemalige Beamtin, schloss sich Luise an.

Erika, eine Dame, die schon länger alleine war, setzte sich zu Marie.

Ingeborg, eine quirlige Dame, erzählte, dass sie schon 80 Jahre alt war und niemand konnte es glauben. Man sah es ihr auch gar nicht an.

Dann erschien auch Martha, sie saß da und sprach kaum etwas, nippte an ihrem Kaffee und schwieg weiterhin.

Wieder klingelte es und Irmgard betrat das Wohnzimmer. Sie erkundigte sich sofort nach dem Preis und als sie erfuhr, sie sollte auch noch mithelfen, zog sie entrüstet ab. Martha folgte ihr und meinte, das käme auch für sie nicht infrage, sie wolle ihre Ruhe haben.

Drei andere Bewerber erschienen gar nicht und so musste Tina nicht lange überlegen. Die Entscheidung war getroffen.

Nachdem eine Woche später das neue Haus mit den neuen Bewerbern besichtigt wurde, konnte ein Vertrag gemacht werden.

Am selben Abend meldete sich eine junge Frau, die sich als Köchin bewerben wollte. Tina bestellte sie zum nächsten Tag zu einem Vorstellungsgespräch.

Uschi, eine junge Frau Ende dreißig, machte einen guten Eindruck und Tina erfuhr, dass sie gerade eine Scheidung hinter sich hatte und nun ohne Wohnung da stand.

Tina stellte sie ein.

Umzug

Es war soweit, die Möbel waren verladen, die Männer des Umzugswagen packte noch die restlichen Kartons ein.

Da stand plötzlich Tanja, die Tochter von Tina vor der Tür.

“Mama, was ist hier los?”, fragte sie entsetzt.

Tanja hatte sich die ganzen Monate und Jahre nicht gemeldet und ausgerechnet jetzt stand sie vor der Tür.

Tina hatte nun aber keine Zeit ihr alles zu erklären und bat sie in den nächsten Tagen zu kommen. Sie schrieb ihre neue Adresse auf und ließ die völlig verblüffte Tanja einfach stehen.

Spät am Abend kamen Tina und Uwe endlich zur Ruhe. Sie machten es sich in ihrer Etage gemütlich und Uwe fragte nach der jungen Frau, die Tina so abblitzen ließ.

Tina erzählte ihm, dass sie damals ausgezogen war und sich nie wieder gemeldet hatte. Sie hatte ihr regelmäßig geschrieben, aber zuletzt keine Antwort mehr bekommen. Mit den anderen drei Kindern hatte sie einen guten Kontakt, aber auch diese ließen sich kaum sehen.

Uwe schwieg nun, da er merkte, Tina wollte über dieses Thema heute sicher nicht sprechen und er wollte ihr Zeit geben.

Am nächsten Tag sollten die neuen Mieter einziehen, darum schlug er vor jetzt lieber schlafen zu gehen.

Ein anstrengender Tag folgte. Die Zimmer wurden bezogen und es mussten Pläne erstellt werden, um jeden gerecht zu werden.

Jeder packte mit an und so war nach drei Tagen nichts mehr vom Umzugsstress zu sehen.

Endlich konnte Tina aufatmen, es war geschafft.

Johannes und Kurt begaben sich in den Garten und waren froh, den Frauen mal nicht zu begegnen.

Uwe brachte Tina einen herrlichen Blumenstrauß und erinnerte sie an die Hochzeit.

“Endschuldige, Uwe, daran hab ich vor lauter Stress gar nicht mehr gedacht. Lass es uns in Ruhe angehen.”, bat sie.

Uwe war beinahe beleidigt, dachte er doch, sie hätte es eilig damit. Er wollte noch etwas sagen, aber Tina war schon wieder aus dem Zimmer.

Er zog seine Jacke an und machte einen Spaziergang, er brauchte erst einmal frische Luft. Unterwegs traf er auf Uschi, die heute ihren freíen Tag hatte und die Gegend erkunden wollte. Uwe schloss sich ihr an.

Uschi und Uwe

Auch Marianne war unterwegs und traute ihren Augen nicht, als sie die Beiden sah und folgte ihnen unauffällig.

Uwe merkte schnell, dass Uschi jemand zum Reden brauchte und er genoss es, den Beschützer zu spielen.

Uschi erzählte von ihrer Ehe, was sie alles mit ihrem Mann aufgebaut hatte. Ein Restaurant, sie kochte und putzte, um Personal zu sparen. Für Kinder war noch keine Zeit, zuerst wollten sie noch ein Haus bauen. Dann wurde ein zweites Restaurant eröffnet und die Jahre vergingen. Uschi hoffte immer noch auf ein Kind, aber ihr Mann hatte sich verändert. Eines Tages sah sie ihren Mann mit einer anderen Frau, viel jünger als sie. Diese Frau schien auch schwanger zu sein und das traf Uschi Mitten ins Herz.

Plötzlich bekam sie einen Weinkrampf, das ganze Leben spielte sich noch einmal für sie ab. Ein Leben voller Arbeit, mit vielen Entbehrungen.

Uwe nahm sie mitleidsvoll in die Arme und versuchte sie zu trösten.

Marianne hatte genug gesehen und machte sich auf den Heimweg. Sie wollte zuerst einmal schweigen und weiter beobachten.

Tina wunderte sich, als Uwe und Uschi gemeinsam nach Hause kamen und Uschi verweint aussah, sagte aber nichts.

Auch schien Uwe ihren Blicken auszuweichen. Dann klingelte es an der Tür und Tanja war da.

Tina bat sie in ihrer privat Wohnung und klärte sie auf.

“Mensch Mama, warum hast du mir das denn nicht gesagt, ich wollte jetzt eigentlich wieder nach Hause kommen und mit dir wohnen.”

“Nein, Tanja, das geht auf keinen Fall, ich habe mein Leben anders eingerichtet, habe dir geschrieben und keine Antwort mehr erhalten.”

“Mama, was soll ich denn jetzt machen? Zahl mir wenigstens mein Erbe aus.”

“Dein Erbe? Warum das denn, ich lebe doch noch.”

Tina merkte, worum es ging, Tanja hatte mal wieder kein Geld.

Uwe kam in Zimmer und merkte auch sofort, dass er stört und verschwand auch gleich wieder.

Im gemeinsamen Wohnzimmer traf er wieder auf Uschi. Er setzte sich zu ihr und sie erzählte weiter.

Nachdem das Haus fertig war und sie anfing Kartons zu packen, kam ein Brief vom Anwalt. Ihren Mann hatte sie in letzter Zeit kaum gesehen, er gab an, sich um das neue Restaurant kümmern zu müssen. Somit hatte sie auch noch keine Gelegenheit ihn auf diese Frau anzusprechen.

Mit zitternden Fingern öffnete sie den Brief und was da stand, ließ sie in ein tiefes Loch fallen.

Ihr Mann hatte die Scheidung eingereicht und ihr mitgeteilt, dass sie nicht mehr bei ihm arbeiten müsste und bitte sie, die Wohnung bis zum ersten zu Räumen, da er diese gekündigt hätte.

Uschi bekam einen Zusammenbruch und wurde von einer Bekannten gefunden und ins Krankenhaus gebracht. In dieser Zeit hatte ihr Mann die Wohnung geräumt. Ihre Bekannte holte einen Koffer aus der Wohnung, alles was Uschi geblieben war.

Uwe war erschüttert und erfuhr, dass sie keinerlei Ansprüche hatte, da es einen Ehevertrag gab und sie nie mit unterschrieben hatte, beim Hauskauf und auch in den Restaurants, sie hatte ihren Mann vertraut.

Es war spät geworden, Uwe schlug vor ins Bett zu gehen und schlich leise zum Treppenhaus. In dem Moment aber stieß er beinahe mit Marianne zusammen, die vorgab zur Toilette zu müssen.

Tina schlief schon und merkte nicht, wann Uwe kam.

Es war Sonntag und wer zuerst wach war, machte das Frühstück. Johannes und Kurt standen gemeinsam auf und kümmerten sich darum.

Marianne hatte vor Aufregung kaum geschlafen und kam dazu. Sie konnte nun nicht mehr schweigen und erzählte, dass sie Uwe und Uschi erwischt hätte.

“Wie erwischt?”, fragte Kurt.

“Na, kannste dir das nicht denken?”, antwortete Marianne und verdrehte dabei die Augen.

“So ein schmarrn,” grummelte Johannes.

Da kamen auch schon Marie, Erika, Luise, Ingeborg und Doris ins Speisezimmer.

Marianne konnte nicht an sich halten und erzählte es auch ihnen.

Marie wurde ein wenig böse und warnte sie vor falschen Anschuldigungen., Marianne aber blieb felsenfest bei ihrer Version.

Nun erschien auch Tina und alle schwiegen, um sie nicht zu beunruhigen. Alle wunderten sich, warum Uwe und Uschi nicht anwesend waren, als sie das Frühstück beendeten. War doch etwas an der Sache dran?

Marie hatte mal wieder das Bedürfnis spazieren zu gehen und fragte Tina, ob sie nicht auch Lust hätte.

Tina willigte ein, hatte aber nicht allzu viel Zeit.

Unterwegs sprach Marie Tina auf die Hochzeit an und Tina erklärte, dass sie so im Stress war und gar nicht mehr daran gedacht hatte. Jetzt aber wollte sie sich Gedanken darüber machen. Auch erzählte sie von dem Besuch ihrer Tochter und das sie im Streit auseinander gegangen seien. Das alles würde sie sehr belasten.

Tina hatte ein schlechtes Gewissen gegenüber Uwe, wollte es sich aber nicht anmerken lassen.

Marie ließ es erst einmal auf sich beruhen und schwieg.

Uwe war immer noch beleidigt, wegen ihrer Aussage, alles in Ruhe angehen zu lassen, denn schließlich hatte sie ihn ja unter Druck gesetzt.

Er wollte heute einmal über alles nachdenken und nahm sich vor, eine Radtour zu machen.

Er meldete sich zum Mittagessen bei Luise ab, ohne zu sagen, wohin er wolle.

Luise schaute ihm nachdenklich hinterher und Marianne, mal wieder in der Nähe, meinte spöttisch: ”Tja, Uschi hat heute auch frei.”, und fing einen bösen Blick von Luise ein.

Als Tina zurück war, wunderte sie sich, als Uwe nicht auffindbar war.

“Weiß jemand wo Uwe ist?”, fragte sie dann am Mittagstisch.

“Da würde ich mal Uschi fragen.”, entgegnete schnippisch Marianne.

“Der wollte eine Radtour machen.” , antwortete Luise.

“Warum soll ich Uschi fragen, Marianne, die hat doch heute frei.” , sagte Tina und sah Marianne an, die nun völlig verlegen war.

“Ist schon gut, Tina, ich meinte ja nur.” , erwiderte sie und widmete sich ihren Sonntagsbraten.

Irgendetwas ist hier los, dachte Tina und es machte sich ein seltsames Gefühl in ihr breit.

Uwe genoss die Einsamkeit in der Natur und vergaß völlig die Zeit. Er gönnte sich am frühen Nachmittag erst einmal ein gutes Mittagessen, um sich dann auf dem Heimweg zu machen.

Einige Kilometer von Zuhause, hatte er eine Reifenpanne. Er muss wohl in eine große Scherbe gefahren sein, denn das Loch ließ sich nicht reparieren. Er fluchte, ausgerechnet hier, wo kaum ein Mensch lang fährt, muss eine Scherbe liegen, aber es nutzte nichts. Sein Handy hatte er vergessen und weit und breit keine Menschenseele.

Ihm blieb nichts weiter übrig, als zu Fuß den Heimweg anzutreten, das Fahrrad im Schlepptau.

Mittlerweile machte sich Tina Sorgen, es war schon 22 Uhr und kein Uwe in sicht. Er hatte auch sein Handy ausgeschaltet, was war nur los?

Unruhig lief Tina zum Fenster und schaute hinaus.

Plötzlich sah sie ihn mit jemanden sprechen, war das nicht Uschi?

Ja, Uwe hatte noch ein paar Meter zu laufen, da traf er auf Uschi, die gerade ankam. Sie unterhielten sich noch eine Weile und nachdem Uwe sein Rad abgestellt hatte, fragte Uschi, ob sie ihm noch etwas zu Essen machen sollte. Uwe nahm dankbar an und da er im Zimmer von Tina kein Licht sah, nahm er an, sie schlafe schon.

Tina war wie gelähmt, war da etwas dran, Uwe und Uschi?

Nach ein paar Minuten wollte sie der Sache auf den Grund gehen und schlich hinunter. Schon im Flur hörte sie ein leises Kichern, Das reichte ihr. Das hatte sie nicht verdient.

Erst jetzt wurde ihr klar, wie sehr sie ihn liebte, aber nun war es zu spät. Sie warf sein Bettzeug in das Privatwohnzimmer und schloss sich in ihrem Zimmer ein.

Uwe wunderte sich einige Zeit später, machte sich sein Bett fertig und schlief ein.

Als Tina am Morgen erwachte, war Uwe schon zur Arbeit. Sie hatte kaum geschlafen und war völlig fertig.

Ausgerechnet Uschi begegnete ihr auf dem Weg ins Esszimmer.

“Guten Morgen, Tina. Na, du siehst ja schlimm aus, wirst du krank?”

Tina antwortete nicht, trank nur einen Kaffee und schwieg.

Johannes machte Kurt ein Zeichen und die Beiden verschwanden gemeinsam.

Marianne wollte wieder einen ihrer Sprüche los lassen, verstummte aber sofort, als sie den Blick von Luise sah.

Nach kurzer Zeit waren nur noch Marie und Tina am Tisch. Marie legte Tina den Arm auf die Schulter und fragte, was passiert sei.

Tina konnte nicht antworten und lief in ihr Zimmer, um ihren Tränen freien Lauf zu lassen.

Niemand wusste was geschehen war, noch nicht einmal Marianne.

Tina erschien nicht zum Mittag.- und auch nicht zum Abendessen. Ausgerechnet heute kam Uwe später als sonst. Marie nahm ihn zur Seite und fragte, was los sei.

Er aber wusste es ja auch nicht und war nun sehr besorgt.

Tina hatte sich erneut eingeschlossen und auch auf Uwes Bitten ließ sie ihn nicht herein.

Er war sehr geduldig und dennoch gab er nach einiger Zeit auf. Legte sich abermals im Wohnzimmer schlafen.

Am nächsten Morgen, Uwe war schon weg, schrieb sie ihm einen langen Brief.

Er möchte seine Sachen abholen und sich nie wieder bei ihr melden. Sie gäbe ihm eine Woche Zeit, das Haus zu verlassen.

Tina packte einen Koffer, sie wollte eine Woche wegfahren, um Uwe nicht mehr zu begegnen. Wie lange bedrängte sie auch schon ihr Sohn, dass sie mal zu ihm kommt.

Sie weihte Marie ein, gab ihr den Brief und bat, wenn Uwe ausgezogen sei, sie auf ihrem Handy anzurufen.

Marie wollte wissen warum, was denn los sei, aber Tina sagte nichts und verschwand.

Als Marie den Anderen sagte, was los sei, waren die entsetzt. Marianne schaute auf Uschi und zischte nur: “Gratuliere.”

Uschi war sich keiner Schuld bewusst und verstand gar nichts.

Gegen Abend erschien Uwe, mit einem Blumenstrauß. Das Haus war wie ausgestorben, alle waren auf ihre Zimmer. Tina war auch nicht da. Er wunderte sich. Da kam Marie und gab ihm den Brief. Abwartend blieb sie im Türrahmen stehen.

Uwe las die paar Zeilen und war wie vor dem Kopf geschlagen.

“Marie, was soll das? Weißt du etwas? Warum?”

Sie schüttelte nur mit dem Kopf.

Uwe musste sich erst einmal hinsetzen. Er verstand die Welt nicht mehr.

Leise ging Marie in ihr Zimmer.

Uwe brauchte noch einige Zeit, dann aber entschloss er sich zu gehen. Es konnte nur ein anderer Mann in Frage kommen und da wollte er nicht stören.

Er mietete sich ein Zimmer im Hotel und am anderen Tag holte er seine Sachen.

Er blickte noch einmal zurück und dachte wehmütig, das war es, einfach so, aus.

Obwohl Marie Tina sofort anrief, blieb diese noch ein paar Tage in Berlin, bei ihrem Sohn. Jetzt wollte sie auch nicht Uschi begegnen, denn die konnte ja nichts dafür. Sie war sicher froh, jemanden zu haben, so kurz nach ihrer Scheidung. Uwe aber hätte sich nicht so verhalten zu müssen. Was soll es dachte Tina, so sind die Männer, genau wie ihr Ex. Kaum ist eine andere Frau in der Nähe….nein, Tina wollte nicht mehr darüber nachdenken.

In der WG war trübe Stimmung. Marie machte sich große Sorgen, denn es schien alles auseinander zu laufen. Die Harmonie war einfach weg. Tina fehlte ihr sehr. Nun war sie erst eine Woche fort und es kam ihr vor wie Jahre.

Heute war sie an der Reihe, das Abendessen vorzubereiten. Als sie in die Küche kam saß Uschi auf dem Hocker und suchte ein Rezept aus dem Kochbuch heraus.

Erschrocken blickte sie Marie an.

“Oh Uschi, das wollte ich nicht. Was machst du denn da?”

“Ich habe mal überlegt, ein anderes Gericht zu kochen, aber mir fällt nichts ein. Meine Nerven sind einfach am Ende.”

Marie schüttelte mit dem Kopf und hatte keine Ahnung, was sie hatte.

“Warum denn, Uschi. Ist etwas vorgefallen?”

“Ja, Marianne sieht mich seit Tagen so komisch an und immer wenn sie mit Ingeborg tuschelt, ist sie still wenn ich den Raum betrete. Ich möchte nur wissen, was da läuft.”

“Ach Uschi, du kennst doch die alte Quasselstrippe. Du musst sie nicht ernst nehmen.”

“Aber es muss mit dem Verschwinden von Tina und Uwe zusammenhängen, denn seit dem ist sie so. Vielleicht denkt sie, ich hätte etwas damit zu tun.”

“Genau, wenn wir schon mal bei dem Thema sind, du hast dich an Uwe rangemacht und darum sind Tina und er nicht mehr zusammen. Streite es nicht ab, ich habe euch ein paar Mal gesehen. Draußen, an der Weser und auch im Wohnzimmer.”

Schimpfte plötzlich Marianne los, die mal wieder ganz zufällig an der Küche vorbei kam.

Uschi sprang auf, wollte etwas sagen, aber es war als schnürrte sich ihr Hals zu. Sie verließ die Küche und wollte nur noch raus. Das musste sie sich nicht anhören, aus gerechnet sie.

Marie hielt Marianne fest, die wie eine Furie hinter Uschi her wollte.

“Es reicht jetzt Marianne, du hast genug angerichtet mit deiner großen Klappe. Du weißt doch gar nicht was los war und wenn da was gelaufen wäre, warum ist dann der Uwe nicht mit Uschi fort gegangen?”, schrie Marie Marianne an.

So gleich kamen auch die anderen Bewohner um zu schlichten und um zu erfahren, was passiert sei.

Es wurde diskutiert, aber sie wurden sich nicht einig. Es herrschte völlige Ratlosigkeit.

Da ging die Türe auf und Tina war zurück.

“Hallo, habt ihr schon auf mich gewartet mit dem Essen?”, rief sie und versuchte einen fröhlichen Eindruck zu vermitteln.

Genau in diesem Moment kam Uschi die Treppe herunter, mit einem Koffer. Tina sah sie erstaunt an und fragte warum sie mit Koffer weg wollte.

Uschi fing an zu weinen und Tina zog sie mit sich nach oben in ihrem Wohnzimmer.

“Ach Uschi, du kannst nichts dafür. Ich mag dich und warum soll dich kein anderer mögen. Du bist bescheiden, fleißig und rücksichtsvoll. Lass uns die Sache einfach vergessen. Es sei denn, du willst zu Uwe, dann kann ich dich nicht halten.”, vor Schreck, das Uschi zu Uwe gehen könnte und ihr dieser Gedanke gerade kam, wurde sie blass.

Erschüttert schaute Uschi Tina an.

“Du glaubst auch, ich hätte etwas mit Uwe gehabt?”

“Wie, hattest du nicht?”, ungläubig sah Tina sie an. “Uschi, ich kann es verstehen und für mich ist es vorbei. Du konntest wirklich nichts dafür, denn in deiner Sit…”

Weiter kam Tina nicht, Uschi legte ihre Hand auf Tinas Mund und erzählte wie es zu der Annahme kommen musste. “Uwe war nur für mich da, er hörte mir zu und mehr war da nicht. Wir trafen uns zufällig beim Spaziergang und merkten nicht, das die Zeit so schnell verging.”

“Aber was war denn mit der Radtour, ihr seit doch am Abend zusammen wieder gekommen.”

“Da trafen wir uns auch zufällig vor dem Tor. Ich hab doch gar kein Fahrrad.”

Tina war nun ganz durcheinander und musste feststellen, sie hatte Uwe unrecht getan. Ihm noch nicht einmal die Chance gegeben, sich zu rechtfertigen.

“Uschi, kannst du mir meinen Zweifel verzeihen”, schluchzte sie nun.

“Ja, ich denke mal, es ist Marianne, die die Menschen manipulieren kann und ihre blöde Nase überall hineinsteckt.”, erwiderte Uschi und nahm Tina versöhnlich in den Arm.

Unten hatte es zum Abendessen geläutet und Tina nahm die Gelegenheit wahr, einiges in der WG zu klären.

Sie nahm kein Blatt vor dem Mund, um Marianne vor allen Bewohnern die Meinung zu sagen.

Diese saß zusammen gesunken auf ihrem Stuhl, aber keiner hatte Mitleid mit ihr.

“Marianne, ich bitte dich so schnell wie es geht eine neue Bleibe zu suchen, das ist mein letztes Wort!”, sagte abschließend Tina.

Nachdem nun alle sich wieder verteilt hatten und jeder wusste was geschehen war, sprach Marie Tina an, u zu erfahren, was sie nun vorhatte.

“Nun, Marie, da kann ich nichts machen. Ich habe ihn zu verletzt und kann nur hoffen, er verzeiht mir eines Tages.”

Damit war das Thema erst einmal beendet.

Marianne

Marianne ging es schlecht. Jetzt erst merkte sie, was sie angerichtet hatte. Natürlich sah sie sich Wohnungen an, aber die waren einfach zu teuer. Die Zeit lief davon, sie suchte schon drei Wochen und nichts. Nein, sie wollte nicht aufgeben.

Denn dann blieb nur noch das Altenheim und davor grauste ihr.

Wieder mal hatte sie sich eine kleine Wohnung ansehen wollen, aber dieses mal wurde sie gar nicht erst hineingelassen. Sie sei einfach zu alt, sagte man ihr auf dem Kopf zu. Völlig entmutigt setzte sie sich auf einer Parkbank. Es war schon spät, aber was sollte es, niemand würde sie vermissen.

Es wäre viel besser gewesen, sie würde einfach einschlafen und nicht mehr erwachen.

“Hallo Marianne, was machst du denn hier?”

Sie blickte hoch und dachte, sie träumte. Uwe!

Schnell stand sie auf, zu schnell und Uwe fing sie gerade noch auf.

Er lud sie zu einer Tasse Kaffe ein, sie hatten Glück, ein Lokal hatte zu dieser Zeit noch auf.

“Du hast ja abgenommen, Marianne, bist du krank?” , erwähnte er nebenbei.

Langsam kam wieder Leben in Marianne und sie erzählte Uwe, was geschehen sei und sie sich wirklich schäme, für das was sie getan hatte.

“Mensch Marianne, wenn sich zwei Menschen lieben, dann kann sie nichts trennen, so lange das Vertrauen da ist. Vielleicht sollte es so sein, eine Art Prüfung. Ich bin dir sogar dankbar dafür.”

Uwe brachte sie dann nach Hause, aber nur bis zur Haustür. Er verabschiedete sich von ihr und verschwand, ohne zu sagen, ob er noch mal wieder kommt.

Auch in den nächsten Tagen fand Marianne keine Bleibe. So beschloss sie, ihr Bett nicht mehr zu verlassen. Warum auch, niemand nahm sie wahr oder sprach mit ihr.

Tina machte sich auf dem Weg, den Wochenendeinkauf zu erledigen. Als sie den Supermarkt betreten wollte, stieß sie mit einem Wagen zusammen. Sofort fiel ihr die erste Begegnung mit Uwe ein. Sie murmelte eine Endschuldigung, blickte aber nicht auf, sondern ging versunken in Erinnerungen weiter.

Endlich hatte sie es geschafft, aber die Schlange an den Kassen war endlos. Genervt schaute sie sich um. Plötzlich sah sie in bekannte grau, grüne Augen, die sie anlächelten. Diese warmen Augen hatte sie so sehr vermisst. Tinas Herz begann wieder zu rasen und sie wusste nicht was sie machen sollte.

Uwe kam auf sie zu, nahm sie wortlos, in die Arme und bevor Tina etwas sagen konnte, raunte er: ”Sag jetzt nichts, lass uns einfach einen Neuanfang machen.”

Als Tina zu Hause ankam, sah Marie sofort das etwas geschehen sein musste.

“Tina, was ist mit dir, deine Augen strahlen wie damals, als du Uwe zum ersten mal gesehen hast.”

Tina zeigte nur in Richtung Hof und meinte Marie möchte doch schnell mithelfen, damit das Essen pünktlich fertig würde.

Marie traute ihren Augen nicht, da stand Uwe mit Tüten beladen und wollte gerade ins Haus.

Alle waren begeistert und freuten sich Uwe wieder zu haben. Da fiel Tina ein, sie hatte Marianne schon zwei Tage nicht gesehen und auch die Anderen nicht.

Hatte sie Marianne nicht doch etwas zu hart betrafen wollen? Sie betrat Mariannes Zimmer und erschrak. Diese lag in ihrem Bett und rührte sich nicht. Tina rief Uwe zu, er solle schnell einen Notarzt kommen lassen.

Dann stürzte Uwe ins Zimmer. “Was ist passiert, lebt sie?” Tina beruhigte ihn und auch die anderen Bewohner, die dazu gekommen waren. “Ja, sie lebt, ist aber sehr schwach.”

Marianne kam ins Krankenhaus, aber als sie sah, dass Uwe wieder da war, fasste sie allen Lebensmut zusammen und es ging ihr täglich besser.

Tina hatte nun auch begriffen, was es heißt eine Rentner WG zu führen, keine leichte Aufgabe, aber sie wollte auch in Zukunft diese Aufgabe meistern.

Sie hatte sich mit Uwe ausgesprochen und alle Ungereimtheiten klärten sich auf.

Nachdem Marianne aus dem Krankenhaus entlassen wurde, planten sie einen Hochzeitstermin. Eine Woche davor, spürte Tina eine unbekannte Unruhe bei Uwe. Er war fahrig, immer mit den Gedanken wo anders.

Tina sprach ihn dann darauf an und er druckste zuerst nur herum. Dann aber gestand er ihr, er hätte angst, ja regelrechte Panik vor dem Termin.

Tina lachte, ergriff seine Hand und fragte ihm warum, ob er meinte, sie würde sich zu einem Monster entwickeln.

Uwe war nicht zum Lachen zumute. Er beteuerte seine Liebe zu ihr, aber dennoch hätte er Panik. Immerhin sei es seine erste Hochzeit.

Tina umarmte ihn. Ihr Uwe, ein Mann, stark wie ein Bär, fürchtet sich.

“Ich hoffe ja nicht, die läufst mir noch kurz vor der Hochzeit davon, wie in dem Film, die Braut die sich nicht traute.”, lächelte Tina.

“Nein, das war ja eine Frau.” , grinste Uwe.

Endlich war es soweit, der Tag der Hochzeit war gekommen. Tinas Kinder erschienen ebenfalls und sogar ihre Tochter Tanja.

Sie war überglücklich. Wie es so Brauch war, sollte Tina getrennt von Uwe zum Standesamt gehen und sich erst davor sehen.

Marie war entzückt, als sie Tina sah. Dennoch, kein Kleid der Welt konnte das strahlen in ihren Augen ersetzen. Tina wunderte sich, denn Uwe war immer noch nicht da. Langsam wurde auch sie nervös. Der Standesbeamte bat sie herein, aber als Tina ihm klarmachte, ihr Zukünftiger Ehemann sei noch nicht da, musste sie noch warten.

Hatte er jetzt doch vor lauter Panik die Flucht ergriffen? Wieder kam der Standesbeamte und erklärte, er könne nicht länger warten. In diesem Moment erschien Uwe. Erleichtert nahm sie seine Hand und er stotterte nur, sein Hemdknopf wäre abgerissen. Tina schaute ihn an, er zitterte, versuchte aber ruhig zu wirken. Ihr machte er allerdings nichts mehr vor.

Selbst das “Ja, ich will” kam etwas kläglich rüber, dennoch, sie waren nun Mann und Frau.

Es wurde eine schöne Hochzeitsfeier, dazu mieteten sie sich ein Schloss in der Nähe.

Johannes bat Marianne um einen Tanz und diese war überglücklich, das alles wieder in Ordnung war.

Ja, in der Rentner WG war wieder Harmonie eingekehrt.

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.04.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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