Ingrid Grote

Holidays in Kampodia Kapitel VII

Mit diesem Kapitel bin ich überhaupt nicht zufrieden, aber ich habe es satt, daran herumzubasteln. Es geht um ein Fest, um ein mieses Spiel, um Sex - und um den Zusammenbruch von Illusionen...
...Und auf meiner HP, da kann man besser gucken (Fenster in der Breite verkleinern) und auch besser drucken, falls denn Bedarf besteht:
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Kapitel VII Teil 1 BALL
Max war nicht gekommen! Andy fühlte sich zutiefst unglücklich., Denn wenn er an solch einem Tag nicht bei ihr war, bedeutete sie ihm absolut nichts. Sie war ihm egal.
Und dabei sah sie so gut aus, so schön und erwachsen. Zirza hatte ihr nämlich aus einer ihrer Boutiquen ein Kleid mitgebracht, das wie sie meinte, hundertprozentig zu Andromeda passen würde. Und Zirza hatte natürlich Recht. Das Kleid war ärmellos und hatte ein schwarzes eng anliegendes Oberteil, das herzförmig in einen leichten kniebedeckten Rock aus zartem weißen Stoff überging, der sich wie eine duftige Tulpenblüte an Andys vollkommenen Körper schmiegte. Der weiße Stoff hatte einen Überwurf aus dunkelvioletter Spitze.
Das war das Kleid, und es war vollkommen! Andys leichte Bräune wurde seltsamerweise durch das Schwarz des Oberteils und durch das Weiß-Violett des Rockes hervorgehoben, so dass ihre Haut dunkler erschien, als sie in Wirklichkeit war. Sie trug keine üblichen Ballschuhe, sondern bis zum Knie hochgeschnürte Ledersandalen, in denen sie wie Artemis, die jungfräuliche Göttin der Jagd aussah. Leider war Max war nicht da, um sie zu bewundern...
Stattdessen war Zirza heute Morgen wieder eingetroffen und hatte sich rührend um Rebekka gekümmert. Rebekka war jetzt tatsächlich mit Daniel verheiratet, obwohl man es ihnen gar nicht ansah. Zirza war schwer betroffen gewesen von dieser Entführungssache mit Morgaine und hatte immer wieder gesagt, wie schön es wäre, dass dem armen kleinen Mädchen nichts Schlimmes passiert war.
Zirza hatte Andromedas Haar hergerichtet wie das der Kaiserin von Österreich, der unglücklichen Elisabeth. Die Kaiserin hatte es oft als geflochtenen Kranz getragen, der ihr tief in den Nacken hing, und sie hatte genauso üppiges goldbraunes gelocktes Haar wie Andy gehabt. Natürlich war sie nicht so schön wie Elisabeth, aber sie sah gut aus, das wusste sie. Warum war Max nicht gekommen, um sie zu sehen?
Sie schaute auf die Uhr, die im Ballsaal hing. Der Ballsaal war heute zu seiner vollen Größe erweitert worden, und man konnte endlich den riesigen Kristalllüster bewundern, der an der stuckverzierten Decke hing. Vor der großen Tanzfläche war in einer Nische ein Podest aufgebaut, auf dem sich eine Combo versammelt hatte, um den Abend musikalisch zu untermalen. Ein Geiger war auch dabei. Oh Gott, was würden die spielen? Irgendwelchen altmodisch Kram wahrscheinlich. Aber das machte nichts. Sie hatte sowieso keine Lust zum Tanzen, weil Max nicht da war.
Andy schaute sich um und behielt dabei die Eingangstür im Auge. Sie hatte noch Hoffnung. Vielleicht kam er ja doch noch.
Schließlich stibitzte sie sich ein Glas Sekt, und trank es in einem Zug leer. Er würde nicht kommen, und sie wollte sich amüsieren. Sie sah Benny, einen Schulkameraden von ihr, Sohn des Metzgermeisters Dennis, er war in sie verliebt, und heute Abend konnte sie diese Verliebtheit gut gebrauchen. Sie ging zu dem armen Jungen hin und begrüßte ihn mit einem zarten Kuss auf seine Wange. Er war schwer verwirrt und erfreut.
Wenigstens einer war verwirrt und erfreut. Leider war Max immer noch nicht gekommen und hatte sie auch nicht mit Benny gesehen. Machte gar nichts. Sie wollte sich schließlich amüsieren.
Diese Combo war gar nicht so übel. Die Typen spielten natürlich nichts richtig Fetziges, aber die Sachen, die sie spielten waren gut, gehaltvoll und romantisch. Andromeda tanzte hingebungsvoll mit ihrem Schulkameraden Benny. War nur blöd, dass es niemanden interessierte. Vor allem Max nicht…
Alle anderen schienen sich prächtig zu amüsieren, wie es ihr schien. Außer Daniel vielleicht. Der schien sich zu langweilen. Im Gegensatz zu Rebekka, die sich nicht zu langweilen schien. Rebekka sah irre hinreißend aus in ihrem eng anliegenden japanischen Kleid, das seitlich so hoch geschlitzt war, dass man fast ihre Taille sehen konnte. Sie hatte tolle Beine! Und sie trug ihr Haar wie eine Geisha, irgendwie mit Nadeln drin. Irgendwie damenhaft, und es machte sie absolut nicht älter, obwohl sie sich das hätte leisten können, so jung wie sie immer aussah. Und die Männer schienen diese Frisur zu lieben. Oder doch mehr das Kleid?
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Auch Daniel konnte sich kaum von Rebekkas Anblick losreißen oder vielmehr von den Einblicken, die das Kleid in Rebekka gewährte. Die Ferien hatten ihr gut getan, Sie sah blendend aus, ihr Gesicht hatte eine gesunde Fülle bekommen, und sie war gleichmäßig am ganzen Körper gebräunt, soviel man sehen konnte… Ihr dunkles Haar mit dieser seltsam asiatischen Hochsteckfrisur hatte ausgeblichene Strähnchen, und Daniel überlegte auf eine recht unmännliche Art, ob die wohl gefärbt waren. Aber sie hatte bestimmt kein Geld für so etwas übrig. Wie hatte sie bloß die letzten Jahre überstanden ohne finanzielle Hilfe? Er war ihr in dieser Beziehung einiges schuldig, und er überlegte seit ein paar Tagen, wie er es machen sollte... Aber sie waren jetzt verheiratet, und sein Geld war auch ihr Geld. Er würde dafür sorgen, dass es ihr und Morgaine an nichts fehlte. Und obwohl alles in ihm danach verlangte, versuchte er nicht, sich ihr körperlich zu nähern. Sie war zwar nicht mehr so abweisend wie am Anfang der Ferien, aber trotzdem immer noch undurchschaubar, und Daniel wollte sich nicht unbedingt zum Narren machen. Er wohnte zwar jetzt in ihrem Appartement – was es noch schwerer machte – aber das war nur pro Forma für die anderen.
Ihm war ein wenig langweilig zumute. Er vermisste Max. Wo steckte der Kerl nur? Andromeda sah auch nicht besonders glücklich aus. Sie machte gerade einen jungen Mann an, der anscheinend der Sohn von diesem Metzgermeister war, diesem Verehrer von Rebekka... Wo steckte Rebekka gerade? Daniel ließ seine Blicke schweifen. Er entdeckte sie vor dem Podest, auf dem die Combo gerade nicht spielte. Sie hatte ein Sektglas in der Hand, und sie hatte einen betörenden Ausdruck im Gesicht, den er gar nicht an ihr kannte. Sie sah aus wie ein junges Kätzchen, so unbeschwert, so spielerisch und auch ein wenig grausam. Wem galt denn nun dieser betörende Gesichtsausdruck? Archie oder Dennis? Dann erblickte Daniel noch einen dritten Mann, nämlich Herbert Nickel, den Dorfpapagalli, kurz Onkel Herbie genannt. Auch der scharwenzelte um Rebekka herum.
Was trug sie da übrigens für eine Halskette? Sie sah sehr teuer aus, und sie gehörte ihr mit Sicherheit nicht.
Daniel ließ sich ein weiteres Glas Bier servieren. Heute gab es sogar richtige Kellner, absolut Professionelle im Frack, die viel vornehmer aussahen als die meisten männlichen Gäste. Sammy hatte seinen Job als Barkeeper verloren und stand auch sonst ziemlich verloren im Saal herum, während seine Frau sich gerade Onkel Herbie griff und an die Bar zerrte.
Meine Güte, musste Rebekka so hemmungslos flirten? Das war doch gar nicht ihr Stil! Und sie war jetzt schließlich verheiratet... Daniel fing wirklich an, sich zu ärgern.
Er sah Zirza auf sich zukommen. Die Frau sah nicht übel aus. Sie trug etwas Korallenrotes aus einem hauchdünnen anschmiegsamen Stoff, es enthüllte mehr als es verbarg. Und der Körper, der durch dieses Kleid quasi enthüllt wurde, tja, der war sensationell.
„Sie amüsiert sich gut“, sagte Zirza. Es klang irgendwie säuerlich. Daniel wusste natürlich sofort, wen sie meinte. Hatte Zirza etwa Probleme mit Archie? Der kümmerte sich wirklich aufopfernd um Rebekka, wie Daniel fand.
„Archie hat ihr wohl ein Collier von Kassiopeia ausgeliehen. Oder vielleicht sogar geschenkt...“
„Er hat was?“ Daniel war nun wirklich fassungslos. Was Archie sich da leistete, war ja wirklich... Ein Collier als Geschenk für Rebekka, das war ein Hammer!
„Siehst du es? Es ist wunderschön und kostbar. Mir hat er es damals verweigert. Aber es hat bestimmt gar nichts zu bedeuten.“ Zirza blies ihm leicht den Rauch ihrer Zigarette ins Gesicht, und Daniel wandte sich automatisch ab, um dem Rauch zu entgehen.
„Hmmm“, er überlegte angestrengt, ob es wirklich nichts zu bedeuten hatte. Verdammt, Rebekka war doch nicht naiv. Sie würde so ein Geschenk doch nicht annehmen. Daniel hoffte allerdings immer noch, es wäre eine Leihgabe – aber sogar das wäre ein Schlag ins Gesicht. Archie sollte die grünen Klunker seiner eigenen Frau Zirza umhängen und nicht Rebekka. Sie waren bestimmt wertvoll, sie sahen sogar von weitem auffallend wertvoll aus. Steckte etwa mehr dahinter? Ihm fielen die Nachmittage ein, als er vor der Bibliothek gestanden hatte. Die Tür war verschlossen gewesen, und er hatte Musik gehört und Rebekkas leises Lachen. Was zum Geier hatten die da getrieben? Der Wurm der Eifersucht nagte an Daniel, und außerdem verübelte er es sich, dass er jetzt zwar in Rebekkas Wohnung wohnte, aber nicht in ihrem Schlafzimmer. Aber sie ermutigte ihn auch nicht gerade. War es etwa wegen Archie? Es war bestimmt wegen Archie. Allmählich wurde er wirklich stinksauer. Sie nahm von ihm Geschenke an!
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In Wirklichkeit waren die Klunker bei weitem nicht so wertvoll, wie sie aussahen, das Halsband war nur eine perfekte Imitation, aber solch eine perfekte Imitation, dass nur ein Juwelier mit Lupe es als Fälschung entlarvt hätte. Aber das wusste Daniel natürlich nicht.
Was Daniel auch nicht wusste war, dass Zirza Rebekka die Halskette selber geschenkt hatte und dass Archie damit nichts zu tun hatte. Daniel sollte nur ein bisschen zermürbt werden durch diese kleine Lüge, denn Zirza hatte in dieser Nacht noch einiges vor.
Sie tobte vor Wut hinter ihrer kühlen Fassade. Denn leider war die Entführung von Morgaine in die Hose gegangen, weil der Blödmann von Stallknecht sie nicht rechtzeitig aus der Krypta geholt hatte. Auf dem Gut wäre zuviel los gewesen in dieser Nacht, damit wollte er sich tatsächlich herausreden, der Idiot! Und die Hochzeit hatte sie auch nicht verhindern können.
„Hast du Lust zu tanzen? Oh, sie spielen ja gar nicht. Vielleicht später?“ Zirza schaute Daniel aufreizend mit ihren dunklen Augen an und kam ihm ein wenig näher.
Und plötzlich roch er wieder diesen Geruch an ihr. Und alles, was er eventuell begehrenswert an ihr gefunden hatte, verflüchtigte sich sofort. Sie mochte noch so hübsch und geil sein – dieser Geruch zerstörte alle Illusionen. Und automatisch fielen ihm Max’ Worte ein: Halte dich fern von ihr. Und außerdem liebte er Rebekka. Die sich wahrscheinlich einen Dreck um ihn scherte…
„Ja, vielleicht später...“, sagte er vage und wich ein Stück zurück, nicht viel, aber genug, damit sie es auch verstehen konnte.
Zirza war nicht blöde. Sie verstand und verschwand. Dieser Mann war einfach nicht zu packen. Aber sie würde sich schon an ihm rächen, und zwar noch im Verlauf dieser Nacht. Und auch an dieser Rebekka-Schnepfe, die gerade Archie, Dennis und den Dorfpapagalli Onkel Herbie nacheinander bezauberte – auch an der würde sie sich rächen. Nein, rächen war vielleicht der falsche Ausdruck. Sie würde ihr ganz schön was zu knacken geben. Und dann fiel ihr noch etwas absolut Gemeines ein: Die Firma sollte ihr eine Spermaprobe von Daniel beschaffen! Was für eine geniale Idee! Vielleicht würde sie ja auf Umwegen ihr Ziel erreichen und außerdem noch Nachwuchs haben... Zirza erschauerte vor Vergnügen. Eine Vaterschaftsklage wäre ziemlich amüsant, wenn der ‚Vater’ niemals Sex mit der Mutter gehabt hatte. Vielleicht war es ja möglich. Andererseits war ihre fruchtbare Zeit wohl vorbei, nein schlimmer noch, so wie es schien, hatte sie nie richtig stattgefunden... Verflucht! Trotzdem, tolle Idee!
Und wo steckte Max eigentlich? Sie hatte sich solche Mühe gegeben, Andromeda extra für ihn herzurichten, in diesem Kleid, in dem sie so begehrenswert aussah wie Schneewittchen – Zirza lächelte in sich hinein – in diesem Kleid, welches Max deutlich machen sollte, dass er sie nie besitzen würde. Obwohl, Max war unberechenbar, und sie konnte ihn nicht einschätzen. Sie hatten sich gegenseitig in Ruhe gelassen seit vielen Jahren, aber sie traute ihm nicht. Max hatte vielleicht einen Verdacht, aber er konnte ihr nichts beweisen. Wie auch, ohne selber reinzufallen... Außerdem ärgerte sie sich, weil Daniel den Qualm ihrer Zigarette nicht richtig inhaliert hatte. Es hätte die Sache vereinfacht, aber es würde auch so gehen.
Zirza lächelte wieder. Es war ein gemeines und tückisches Lächeln, und jeder, der es gesehen hätte, wäre schockiert gewesen.
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Nachdem Zirza gegangen war, beobachtete Daniel nun Andromeda. Sie flirtete gerade mit diesem jungen Mann, und sie sah wirklich bezaubernd aus. Ihr Kleid erinnerte ihn an Schneewittchen, besser gesagt an die Disney-Variante des Schneewittchen-Themas. Und diese Frisur, dieses geflochtene Haar, es erinnerte Daniel an etwas anderes. Bis er drauf kam: Es erinnerte ihn an das Bild der Kaiserin Elisabeth, das in ihrem Zimmer hing. Aber wo zum Teufel war Max?
Die Combo fing wieder an zu spielen. Und Daniel bemerkte erst jetzt, dass sie einen Geiger dabei hatten. Einen Stéphane Grappelli, der vielleicht Django Reinhardts Musik kannte, jedenfalls war es ein Geiger, und wenn er, Daniel, besoffen genug wäre – vielleicht im Laufe dieses elenden Balles, würde er den Geiger einfach mal fragen, ob er mitspielen könnte.
Daniel sah erstaunt, wie Andromeda mit dem jungen Mann die große Treppe empor ging, sie drehte sich kurz um und warf einen letzten verzweifelten Blick auf die Eingangstür.
Ach Andy, was machst du? Daniel klammerte sich kurz an seinem Bierglas fest. Dann entschloss er sich, nach Morgaine zu sehen. Sie hatten zwar das Babyphon, und Claudia Mansell schlief auf dem Sofa im Wohnraum, aber sicher war sicher.
Er stieg langsam die Treppe hoch, denn er hatte keine Eile, wieder zurück zum Ball zu gehen.
In der Wohnung war alles klar. Sie schlief - und sie war so, nein süß würde er nicht sagen, das war reiner Frauenquatsch, sie war wirklich bezaubernd, nein, auch das war reiner Frauenquatsch, jedenfalls war sie mittlerweile das Wichtigste in seinem Leben außer vielleicht…
Er beugte sich über das Bett und küsste Morgaine zart auf ihre Stirn.
„Schläft sie?“ Rebekka war kurz nach ihm ins Zimmer gekommen. „Warum bist du hier?“ Daniel schaute sie fragend an. „Ist es unten nicht amüsant genug für dich?“
„Nicht wirklich“, sagte Rebekka leise, während sie versuchte Daniels Blick festzuhalten, aber er entglitt ihr und heftete sich auf ihren Hals und auf das Halsband, das sie trug.
„Daniel?“
„Was ist denn?“ Seine Stimme klang unwirsch.
„Wirst du heute mit mir tanzen?“
„Ich kann nicht besonders gut tanzen. Du solltest dich an Archie halten. Oder an Dennis. Die sind bestimmt alle besser in Übung.“ Daniel starrte immer noch fasziniert auf den großen grünen Stein in der Mitte ihres Halsbandes. Es war mit Sicherheit ein Smaragd.
Rebekka schwieg und schien auf etwas zu warten.
„Du hast da ein schönes Halsband.“ sagte er schließlich verdrossen.
„Ach, es ist nichts Besonderes...“ Es wird mir helfen, die Wahrheit zu erfahren, dachte Rebekka, während sie mit leicht weichen Knien fast der Versuchung erlag, sich eng an Daniel zu schmiegen und ihn zu küssen. Doch er machte so einen abweisenden Eindruck, dass sie sich nicht traute. Und noch war es nicht an der Zeit. Aber bald, denn das Halsband war magisch, es hatte besondere Fähigkeiten, und sie hatte Zirza versprochen, nicht zu erzählen, von wem es kam. Es war natürlich nicht echt. Rebekka hielt es für nicht ganz billigen, aber wirklich schönen und geschmackvollen Modeschmuck.
Rebekka fühlte sich im Augenblick ein wenig verzweifelt. Daniel machte keinerlei Anstalten, sie in irgendeiner Art und Weise zu berühren. Aber sie wollte es, sie sehnte sich danach. Sie lebten jetzt so nahe nebeneinander, da war es unausweichlich, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte… Und so kam es, dass sie von Zirza eingelullt wurde. Zirza war eine weise und erfahrene Frau, dazu gewaschen mit allen Kenntnissen des Rechts. Sie hatte Rebekka erzählt, dass Väter manchmal versuchten, auf unredliche Art das Thema der Unterhaltszahlungen zu umgehen. Und es konnte ja sein, dass Daniel, nachdem er jetzt festgestellt hatte, dass Morgaine sein Kind war, versuchen würde, seinen Verpflichtungen durch Heirat zu entgehen. Rebekka hatte zugeben, nie irgendwelche Zahlungen für Morgaine erhalten und auch nie welche gewollt zu haben.
„Weißt du eigentlich, dass er für drei Jahre den Unterhalt nachzahlen müsste?“ Zirza hatte nicht lockergelassen.
„Aber ich will doch gar kein Geld von ihm!“
„Du bist zu gut für diese Welt“, hatte Zirza gesagt. „Aber Männer tun nun mal Dinge, die Frauen nicht verstehen…“
„Hmmm, ich meine ja auch, dass die Kerle irgendwie…“
„Du solltest ihn auf die Probe stellen. Es ist ein bisschen kompliziert, aber es klappt. Und es hat mit diesem Halsband zu tun, es macht Lügen erkennbar. Wenn er dir also sagt, er liebt dich, und es ist gelogen, dann wirst du das erfahren.“
Und Rebekka hatte schließlich eingewilligt. Sie wollte Klarheit haben. Warum war Daniel so kühl zu ihr? Wann hatte es damit angefangen? Seit er wusste, dass Morgaine seine Tochter war? Normal war das nicht, aber vielleicht hatte er ja andere Gründe. Und sie musste es wissen! Und deswegen ließ sie sich auf Sirzas Vorschlag ein. Sie war sowieso seit Morgaines Verschwinden und ihrer Rückkehr ein wenig daneben. Daniel hatte Morgaine gefunden und zurückgebracht. Sie hatte ihn vielleicht falsch eingeschätzt.
Tatsächlich begann Rebekka, von einer Zukunft mit ihm zu träumen. Alle ihre Abneigungen und ihr Misstrauen gegen ihn fingen an, sich aufzulösen oder erschienen ihr nicht mehr wichtig. Vielleicht war das eine Folge des Schocks, den sie durch Morgaines Entführung erlitten hatte. So etwas passierte manchmal Leuten, die sich selber für hart und abgebrüht hielten. Möglicherweise kamen aber einfach nur ihre Gefühle für ihn zum Vorschein...
„Es steht dir wirklich gut.“ Daniels seltsamerweise leicht höhnisch klingende Stimme holte sie aus ihren Überlegungen zurück. „Und vielleicht sollte ich besser hier bei Morgaine bleiben.“
„Morgaine ist sicher, Daniel“, sagte Rebekka. „Claudia ist ja da, und. Tante Bernadette will auch ab und zu nach ihr schauen...“ Sie sah ihn erwartungsvoll an, und als Daniel keinerlei Anstalten machte, sie eventuell in den Arm zu nehmen oder sie gar zu küssen, warf sie ihm eine Kusshand zu und ging wieder aus der Wohnung hinaus. Daniel sah ihr einen Augenblick nachdenklich hinterher. Sie war wirklich geil, er verstand total, warum Archie, Dennis und sogar dieser Idiot von Onkel Herbie hinter ihr her waren. Wenn er sich nur sicher wäre, dass... Aber das mit dem Collier, also wirklich, was dachte sie sich dabei?
Daniel verscheuchte diesen Gedanken und ging langsam wieder hinunter in den Ballsaal, wo er als erstes seinen Freund Max sah, der sich suchend umschaute.
„Bisschen spät, alter Junge“, meinte Daniel spöttisch zu ihm
„Wieso?“ Max schien beunruhigt zu sein.
„Dein Mädchen ist stinksauer und hat sich mit so ’nem Bübchen nach oben verzogen.“ Daniel bereute sofort, das gesagt zu haben, denn Max’ Gesicht wurde daraufhin merklich blasser.
„Mist!“ zischte Max. „Würdest du mich entschuldigen?“ Das war wohl keine Frage, denn er wartete Daniels Antwort nicht ab, sondern lief schnurstracks die gewundene Treppe hoch, um wie Daniel dachte, Andromeda den Hintern zu versohlen. Ein sehr netter und ein sehr faszinierender Gedanke. Wenn er sich das bei Rebekka vorstellte... Er schüttelte unwillig den Kopf. Rebekka, immer wieder Rebekka!
Sie waren getrennt zum Ball hinuntergegangen, Daniel hatte auf sie gewartet, aber dann die Geduld verloren. Sie steckte natürlich bei Zirza und ließ sich von der zurechtmachen und herrichten. Das Ergebnis war allerdings überwältigend. Dieses enge chinesische Seidenkleid mit den zarten schwarzen Ornamenten stand ihr wirklich hervorragend. Und diese drei geilen Spechte Archibald, Dennis und Onkel Herbie fanden das sicher auch. Er wandte bewusst seinen Blick von Rebekka ab und schaute sich stattdessen das Landvolk an, das gekommen war, um den Ausklang des Sommers zu feiern. Es waren vielleicht siebzig Leute da, die an den aufgestellten Tischen aßen und tranken, die auf der Terrasse und im Park lustwandelten und die zu den Klängen der angeheuerten Combo tanzten. Archie hatte ihm schon diverse entfernte Verwandte und andere Leutchen vorgestellt. Aber niemand sah interessant genug aus, um Daniels Aufmerksamkeit in irgendeiner Art und Weise zu wecken.
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Andromeda hatte es sich mit Benny gemütlich gemacht. Sie lagen beide bäuchlings nebeneinander auf dem breiten Bett, und sie zeigte ihm ein Photoalbum. Ihre Hüften berührten sich etwas, weil Andy es so wollte, obwohl ihr ziemlich mies dabei zumute war. Aber vielleicht mochte Max nur erfahrene Frauen und fühlte sich von Jungfrauen abgestoßen. Jungfrauen waren bestimmt kompliziert, obwohl sie selber, nein, sie war nicht kompliziert. Aber wenn das der Grund für seine Zickigkeit war, dann konnte sie sich diese Erfahrung besorgen, und sie konnte Max klarmachen, dass andere Männer... äääh Jungen sie sehr begehrenswert fanden und auch keine Hemmungen hatten, mit ihr zu schlafen.
Max stand im Zimmer, ohne vorher angeklopft zu haben, und seine undurchschaubaren grauen Augen, die normalerweise ruhig und gelassen aussahen, veränderten sich urplötzlich.
Andromeda hatte diesen Ausdruck bisher nur ein einziges Mal gesehen und zwar, als er einen Stallburschen hinauswarf, der ein Pferd misshandelt hatte. Damals hatten seine grauen Augen auf einmal so stürmisch ausgesehen wie ein aufgewühlter Ozean unter einem sonnenlosen Himmel.
Seltsam, Max so zu sehen. Max war eigentlich immer beherrscht, er schien das Gegenteil der temperamentvollen Andy zu sein, aber niemand wusste, dass auch in Max Leidenschaften schwelten, die er aber im Zaum hielt, zumindest seit er fünfzehn Jahre alt war.
Der junge Benny sah diesen grauen aufgewühlten Blick und machte sich unauffällig davon.
„Auch schon da?“ fragte Andromeda gelassen. Obwohl sie spürte, dass Max ziemlich in Rage war, hatte sie keine Angst vor ihm. Es war Max, und er würde ihr nie etwas antun.
„Was zum Teufel treibst du da eigentlich?!“ Max’ Stimme klang erregt. Und er hasste sich dafür. Warum verriet er seine Gefühle? Blöde Frage. Sie brachte ihn durcheinander. Sie hatte ihn total im Griff. Und er konnte nicht anders.
Das schien auch Andromeda zu spüren, und sie umarmte ihn und sah ihm ins Gesicht. In diese grauen Augen, die sie so liebte und die jetzt so stürmisch wie ein aufgewühltes Meer aussahen.
„Ich war nur sauer auf dich“, sagte sie.
„Musst du immer gleich, wenn du sauer auf mich bist, mit einem anderen ins Bett gehen?“
„Nicht ins Bett. Nur aufs Bett. Und es ist nichts passiert.“ Andys Stimme klang beschwichtigend, sie wusste nur nicht, ob sie es schaffen würde, ihn zu beschwichtigen. Sie hatte ihn noch nie so erlebt, so aufgebracht und so zornig und alles nur wegen ihr. Er musste sie lieben. Natürlich. Das war es!
„Ich könnte es nicht ertragen“, sagte Max leise und bereute im gleichen Augenblick seine Worte. Sie waren das Eingeständnis seiner Liebe zu ihr. Sie würde sich aufgrund dieser Worte ein Leben mit ihm vorstellen können, und das war nach seinem Drei-Tage-Trip nach Berlin wahrscheinlich unmöglich. Er hatte Sachen erfahren, die alles in Kampodia auf den Kopf stellen würden, es lag nur an ihm, sie aufzudecken. Und dann würde er selber mit untergehen.
„Ich könnte es nicht ertragen, obwohl ich kein Recht auf dich habe“, fügte er bitter hinzu.
„Ach Max, du hast alles Recht der Welt auf mich“, sagte Andy mit leiser zärtlicher Stimme.
Er schaute sie an. Er sah, wie wunderschön sie in diesem Kleid war, und die Frisur machte sie zwei Jahre älter. Max fiel ein, dass sie in vier Wochen sechzehn wurde. Würde er zu diesem Zeitpunkt noch in Kampodia sein? Vielleicht... Aber es war unwahrscheinlich.
Er nahm Andromedas Anblick mit vollstem Herzen auf. Sie war das schönste und beste Mädchen der Welt, und er liebte sie so, dass es manchmal wehtat. Und wie anmutig sie dieses Kleid trug...
Plötzlich verspürte er ein unangenehmes Gefühl, es war wie ein Déjà vu. Das Kleid hatte damit zu tun.
Und auf einmal durchfuhr es ihn: Schneewittchen! Wie hinterhältig! Wie sinnig! Mit Sicherheit hatte Zirza ihr das Kleid besorgt, dieses widerliche Monstrum von Zirza!
Das Kleid sollte ihm vor Augen führen, dass Andromeda ihn nicht mehr lieben würde, wenn sie die Wahrheit erfuhr. Also sollte er besser die Klappe halten. Das war die Botschaft von Zirza!
Max fühlte, wie sein Körper eiskalt wurde. Zirza hatte ja keine Ahnung, dass es bald vorbei sein würde, mit ihr und auch mit ihm. Eigentlich sollte er Andy hier auf der Stelle alles sagen. Hassen würde sie ihn so oder so. Aber er konnte nicht anders, als es hinaus zu zögern. Er wollte sein Glück bis zum allerletzten Augenblick auskosten, denn die Erinnerung daran würde für den Rest seines Lebens vorhalten müssen.
Sie küssten sich lange und innig, bevor sie Hand in Hand die Treppe hinuntergingen und sich auf die Tanzfläche begaben, um dort eng umschlungen zu tanzen.
„Weißt du, dass Rebekka und Daniel jetzt verheiratet sind?“
Max stutzte ein wenig, entschied sich aber, nicht näher darüber nachzudenken, sondern den Tanz mit Andromeda zu genießen. Es würde nicht mehr viele Tänze mit ihr geben. Er wusste natürlich von Morgaines Verschwinden, er hatte mit Archie telefoniert und es von ihm erfahren. Und automatisch war ihm der Gedanke gekommen: Sirza hat etwas damit zu tun!
„Die sehen mir nicht wie ein Ehepaar aus“, sagte er und streichelte Andromedas Haar, während sie ihren Kopf an seine Schulter lehnte.
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Archibald von Kampe sah seine Tochter mit Max zusammen tanzen, und er lächelte erfreut.
Na endlich! Die beiden passten so gut zusammen. Nun denn, Andy war noch sehr jung, aber Max schien der Richtige für sie zu sein. Er war der einzige, von dem seine ungestüme Tochter sich etwas sagen ließ und vor dem sie Respekt hatte. Max würde Andys Temperament in die richtigen Bahnen lenken. Sie würden sich prächtig ergänzen. Ob sie wohl schon Sex miteinander gehabt hatten?
Archibalds Träume gingen nach diesem Gedanken noch weiter – und er sah Kampodia mit liebreizenden Enkeln bevölkert. Max als sein Schwiegersohn könnte das Gut übernehmen und weiterführen. Wer von den jungen Leuten, die Andy kannte, wollte heutzutage noch auf dem Lande leben? Archibald hatte schon früher daran gedacht, Max zu adoptieren, damit Max mit dem Namen ‚von Kampe‘ das Gut in der Zukunft führen konnte – er hatte sogar schon mit Max darüber gesprochen, aber der hatte ihn ausgelacht und es strikt abgelehnt. Max war eben so stur wie ein Maulesel. Darin war er Andromeda sehr ähnlich.
Aber so war es fast noch besser, denn Max könnte Andys Namen annehmen, wenn sie heirateten... Archibald wunderte sich immer noch darüber, dass er in all den Jahren kein Kind mehr gezeugt hatte, obwohl er doch häufig mit Frauen geschlafen hatte, aber seit Zirzas katastrophaler Fehlgeburt war in dieser Beziehung nichts mehr gelaufen. Was Archibald nicht wusste war, dass Zirza immer dafür gesorgt hatte, dass er unfruchtbar blieb, denn wenn sie schon kein Kind von ihm empfangen konnte, dann sollte es auch keine andere Frau können.
Allerdings wirkte Max nicht gerade glücklich, wie Archibald fand. Er musste sich den Jungen – Archibald nannte Max immer noch den Jungen – mal zur Brust nehmen.
Dann sah Archibald die wunderschöne Rebekka mit seinem Freund Dennis auf der Terrasse. Er vergaß seine Tochter Andy und seinen Ziehsohn Max, ging hinaus zu Rebekka und forderte sie zum Tanz auf. Sein Freund Dennis schaute ihn ein wenig beleidigt an, aber das war ihm egal. Archie hatte nämlich zu Rebekka ein ganz besonderes Verhältnis, er konnte es nur nicht so richtig definieren...
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Daniel saß wieder an der Theke und ließ seine Blicke schweifen. Er kam sich fast vor wie ein Voyeur oder ein Spanner. Also absolut beknackt! Und trotzdem konnte er nicht anders... Rebekka war gerade auf die Terrasse hinausgegangen, und zwar mit diesem Metzgermeister Dennis. Daniel überlegte, ob er dem Metzgermeister mal so richtig was vors Maul hauen sollte. Aber der arme Kerl konnte schließlich nichts dafür, dass er in Rebekka verliebt war.
Vielleicht sollte er Rebekka über seine Schulter werfen, mit ihr die Treppe hoch in sein Zimmer laufen, sie aufs Bett schmeißen und sie dann von diesem japanischen Kleid befreien. Obwohl, das brauchte er ihr gar nicht auszuziehen, man hatte auch so guten Zugang auf alles, nur auf ihre herrlichen Brüste nicht... Es wurde ihm mächtig heiß bei dem Gedanken an das, was er mit ihr tun würde. Er würde ihre Brüste küssen, er würde ihren Körper küssen, und sie würde anfangen zu zittern. Aber er würde sie hinhalten, bis sie ihn hilflos anbetteln würde – und dann würde er ganz langsam, vielleicht…
Würde, würde, würde... Du bist ein blöder Spinner, Daniel! Er riss sich mühsam zusammen, seine Vorstellungen waren unangemessen und irrational. So etwas war nur für diejenigen reserviert, die ihr teure Halsbänder schenkten…
Daniel sah Zirza wieder auf sich zukommen. Diese Frau hatte wohl Langeweile. Warum? Klar, sie fühlte sich vernachlässigt von ihrem Gatten, der gerade – wie Daniel aus den Augenwinkeln mitbekam – mit Rebekka tanzte. Wo hatte sie eigentlich gelernt, so zu tanzen? Im E-body? Quatsch! Eigentlich hatte sie dort immer für sich alleine getanzt, und ihre Bewegungen waren damals schon so anmutig gewesen wie die einer Balletttänzerin. Ihre Schulter schien wieder in Ordnung zu sein. Aber warum mache ich mir überhaupt Sorgen um ihre Schulter, dachte er ärgerlich.
Wieder hielt Zirza eine Zigarette in der Hand. Und wieder blies sie ihm ganz unschuldig den Rauch der Zigarette ins Gesicht. Diesmal konnte er sich nicht schnell genug abwenden, sondern musste den Qualm zwangsläufig einatmen.
„Er hat es ihr gut beigebracht, nicht wahr?“
„Was meinst du?“ fragte Daniel unfreundlich.
„Das Tanzen natürlich“, sagte Zirza mit einem leicht sarkastischen Unterton. „Sie hatten ja viel Zeit dazu...“ Ein unausgesprochener Vorwurf schien in ihren Worten mitzuschwingen, und sie fuhr fort: „Wie konnte sie es eigentlich schaffen, ohne Alimente“, Sirza wählte absichtlich das veraltete Wort Alimente, „ein Kind großzuziehen? Das ist doch nicht normal. Obwohl ich es bewundern würde...“
Daniel schwieg erstaunt, denn die gleichen Gedanken hatte er sich vorhin auch gemacht. Wie konnte jemand einfach auf die Zahlungen verzichten, die einem doch zustanden? Gut, sie hatte irgendeinen Idioten für den Vater gehalten und wollte vielleicht nicht, dass er Einfluss auf Morgaine gewann. Aber ganz normal war das alles nicht. Hatte sie etwa andere Einnahmequellen? Wieder folgten ihr seine Augen, und plötzlich erinnerte sie ihn an jemanden. Was war es? Er grübelte kurz darüber nach und dann fiel es ihm ein: Es war Suzie Wong, eine Protagonistin aus einem Roman von Richard Mason. Diese Suzie Wong entpuppte sich als Prostituierte. Und Rebekka sah seltsamerweise gerade genauso aus wie Suzie Wong, mit diesem Kleid und mit diesen Augen….
„Ich finde, sie tanzt sehr gut“, sagte er mit ruhiger Stimme, obwohl er innerlich mit den Zähnen knirschte, doch das brauchte diese Frau schließlich nicht zu wissen.
Zirza durchschaute ihn aber, war höchst befriedigt und hielt es für angebracht, das Thema ein wenig abzumildern. „Sie sieht gut aus, nicht wahr?“ sagte sie mit zögernder Stimme, aus der man etwas Eifersucht und viel Resignation heraushören konnte.
Daniel sagte nichts. Rebekka sah nämlich nicht nur gut aus, sondern blendend, und sie tanzte gerade mit Archie zu dem Stück von Carlos Santana, nämlich 'Smooth', es war so herrlich lateinamerikanisch. Und dieses saubere Pärchen tanzte perfekt dazu. Sie schien ihn zu locken, drängte sich an ihn, und beide machten Bewegungen, die aussahen, als hätten sie ihr Leben lang miteinander getanzt. Und offenkundig trug sie keinen Slip, das machte ihn an, aber es machte ihn gleichzeitig auch wütend, dass sie diese Macht über ihn hatte!
Sirza blickte ihn befriedigt an, sie sah die Eifersucht und die Zweifel in seinem Gesicht. Es war einfach, natürlich nicht so einfach wie bei Rebekka, aber auch er hatte seine Ängste. Und sie blies ihm wieder etwas Zigarettenqualm ins Gesicht. Dann entfernte sie sich langsam, und Daniel starrte ihr finster hinterher.
Und plötzlich fiel ihm ein, womit er den Namen Zirza von Anfang an verbunden hatte, es war diese Zauberin, die Männer in Schweine verwandelte, diese Circe... Na wenn das kein Zufall war! Er erinnerte sich vage daran, dass Max von ihr als der ‚Medusa’ gesprochen hatte. Auch nicht schlecht! Wenn sie nun eine Mischung aus beiden war, dann wäre sie eine Cirdusa oder eine Mecirce? Aber egal was sie war – auch Rebekka war anscheinend nicht das, was er in ihr gesehen hatte.
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Daniel wusste natürlich nicht, dass die chemische Substanz, die Zirza ihm eben inklusive Nikotin und Teer ins Gesicht geblasen hatte, ihn dazu brachte, alles zu glauben, was man ihm so erzählte. Er hatte das mit dem Collier geschluckt, das Archibald angeblich Rebekka geschenkt hatte, er misstraute ihr und Archie und glaubte nicht mehr an einen reinen Tanzunterricht. Und vor allem hegte er nun massive Zweifel an Rebekka, die sich mittlerweile nicht nur auf ihre Flatterhaftigkeit, sondern auch auf ihre Käuflichkeit erstreckten. Irmgard hatte ihm damals genug von Rebekka erzählt, sie war mit fast jedem ins Bett gegangen, sogar mit seinem Freund Lukas, aber bei dem war sie eingepennt. Aber dass sie käuflich sein sollte? Das konnte er eigentlich nicht glauben. Nicht von ihr... Aber warum trug sie dieses Collier? Es würmelte schwer in Daniel, und das Würmeln wurde immer intensiver, je länger er darüber nachdachte.
Zirza hatte natürlich kurz vorher ein Gegenmittel geschluckt, denn sonst hätte die Substanz, die sie Daniel ins Gesicht geblasen hatte, auch auf sie selber eingewirkt, und sie hätte dann jeden Blödsinn geglaubt, den man ihr erzählt hätte. Und außerdem wusste sie mit Sicherheit, dass Daniel Rebekka nicht auf das Halsband ansprechen würde, dafür war das Verhältnis dieser ‚Eheleute’ viel zu kompliziert. Und Daniel würde auch Archie nicht darauf ansprechen, dazu war er viel zu stolz. Zirza lächelte wieder gemein vor sich hin.
Also, die beiden waren jetzt verheiratet, und Rebekka konnte Daniel ohne weiteres als Vater von Morgaine angeben. Na herrlich! Man musste sie auseinander bringen, koste es was es wolle! Aber es kostete nicht viel, nur ein paar Geräte, eine paar Substanzen und ein wenig Phantasie. Die Firma unterstützte Zirza gut, man hatte ihr eine Neuentwicklung zur Verfügung gestellt, es handelte sich um ein Spiel der Simulation, der Irritation und vor allem der Manipulation. Sie sollte es an Daniel und an Rebekka ausprobieren. Man hatte ihr in Aussicht gestellt, es bei Erfolg selber vermarkten zu können – zuerst illegal natürlich. Es würde ihr einen Haufen Geld einbringen, aber das waren Zukunftshoffnungen, denn erst einmal musste sie diesen Job hier erfolgreich abschließen.
Außer diesem Spiel hatte sie auch noch diese wunderbare chemische Substanz, die Daniel schon gekostet hatte und die noch massiver an Rebekka zum Einsatz kommen sollte. Aber all das war nichts – so dachte Zirza jedenfalls – ohne ihre genialen Ideen...
Zirza freute sich schon sehr auf die Inszenierung, die in dieser Nacht stattfinden sollte. Sie war tatsächlich eine Künstlerin, und zwar in Gefühlsdingen. Sie war nicht sehr menschlich, aber sie durchschaute alle menschlichen Regungen und Wünsche – und spielte mit ihnen. Und heute Nacht würde sie spielen. Oh jaaa! Und wenn sie Daniel Burkhardt und seine angebliche Gattin entzweit hatte, dann konnte sie sich endlich ihrer Stieftochter zuwenden und auch der den Rest geben, denn sie hatte es allmählich satt! Bei diesem zähen Luder musste man mit härteren Bandagen arbeiten als normalerweise. Und dann war da noch Morgaine, das Wunderkind. Das süße kleine Ding wäre mit nur einem Elternteil bestimmt ganz arm dran...
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Zirza ließ einen ziemlich aufgebrachten Daniel zurück.
Einen Daniel, der seine Frau mit einem Collier sah, das ein anderer Mann ihr geschenkt hatte; einen Daniel, der seine Frau mit dem Mann tanzen sah, der ihr das Collier geschenkt und der ihr außer dem Tanzen vielleicht noch etwas anderes beigebracht hatte... Jedenfalls war Daniel reichlich verwirrt und vor allem sehr wütend. Eigentlich hatte er ja gehofft, sie würde endlich erkennen, was er für sie fühlte, aber nein... Es war ein harter Rückschlag, und er fragte sich ärgerlich, was er sich eigentlich so gedacht hatte. Sie hatte ihn damals nach dieser gemeinsamen Nacht schon abgewiesen. Und sie hatte nie zu erkennen gegeben, dass er ihr irgendetwas bedeutete, weder damals noch heute. Und sie war lieber mit dem reichen Archie zusammen als mit ihm, keine Frage...
Er beschloss, sich nicht zu besaufen – sie war es nicht wert, dass er seine Leber kaputt soff – sondern ein bisschen Spaß zu haben. Er verließ die Bar und näherte sich dem Podest, auf dem die Kapelle gerade Pause machte. Daniel unterhielt sich ein bisschen mit dem Geiger, einem zigeunerartig aussehenden Mann von etwa vierzig Jahren. Er unterhielt sich intensiv mit dem Geiger, denn man findet im Leben nur selten einen Geiger. Nach diesem langen Gespräch suchte er Max und fand ihn auf der Terrasse, wo er mit Andromeda knutschte. Er redete beschwörend auf Max ein, was Andy ziemlich verärgerte, denn es war gerade so romantisch mit Max, es war schon dunkel, die Lampions leuchteten zartbunt, ein warmer Wind wehte, und es war DER ideale Augenblick für eine Liebeserklärung... Und dann kam Daniel, um alles zu vermasseln und um Max zu entführen. Wohin zu entführen? Warum nahm er ihr den Geliebten weg. Was heckten die beiden aus?
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Die Klänge ließen alle aufhorchen, zumindest alle, deren Gehirn noch nicht total vom Bier und vom Champagner abgestumpft war.
Es waren Klänge, die sich spröde anhörten, es waren Instrumente, die in dieser Zusammenstellung total ungewöhnlich klangen, es war ein Rhythmus, der anders war.
Und es klang wie Musik aus einer vergangenen Zeit.
Es klang aber auch total neu.
Rebekka hörte es als erste. Denn sie kannte diese versetzten kleinen Stücke, die sich anhörten, als wären sie aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herausgerissen worden. Das waren die Stücke, die Daniel immer geübt hatte – und die sie heute Nacht zum erstenmal im Zusammenhang hörte. Und es war wie eine Offenbarung.
Sie bahnte sich den Weg zu dem Podest, auf dem Daniel mit den anderen spielte und lauschte nur noch dieser Musik, die teilweise süß war – eine Geige, egal wie schräg sie gespielt wird, hört sich immer süß an – die aber auch hart und bitter klang, denn Daniels Gitarre bildete den perfekten Gegenpol zu der süßlichen Geige.
Es hörte sich an wie... sie konnte es nicht in Worte fassen. Es war traurig und optimistisch zugleich, es war sentimental aber auch trotzig. Es war unverständlich –manchmal kitschig und manchmal disharmonisch – aber vor allem war es wunderschön.
Sie erkannte instinktiv, dass Daniel in dieser Musik sein wirkliches Wesen offenbarte.
Und sie sah zum erstenmal, was er war.
Sie sah ihn als Liebhaber, der einfach göttlich und mit nichts zu vergleichen war auf dieser Welt.
Und sie sah ihn als Liebenden, den sie so niedergemacht hatte, dass er bestimmt nicht viel Lust darauf hatte, sich eine weitere Abfuhr von ihr einzufangen.
Sie sah ihn als Vater, er war ein großartiger Vater, und Morgy liebte ihn über alles.
Sie sah ihn als Künstler, er war perfekt!
Und sie sah ihn als Ehemann. Er war IHR Ehemann, und sie sollte endlich ihre blöden Bedenken aufgeben.
Er hatte so viele Eigenschaften. Er war ein so großartiger Mann, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen. Was war passiert? Sie hatte ihm nicht vertrauen können. Warum? Weil er in seinem Leben zwei feste Freundinnen gehabt hatte und es mit denen schiefgegangen war? Absurd! Daniel konnte wahrhaft lieben, während sie selber... Ich bin abartig, dachte sie entsetzt. Sie hatte keinen ihrer Freunde und Liebhaber wirklich geliebt. Und als mit Michael Schluss war, da hatte sie sich so in ihren beleidigten Stolz hineingesteigert, dass es nach außen hin aussah, als würde sie wirklich leiden. Sie war unmöglich! Sie war entsetzlich! Sie war in Wirklichkeit das Monstrum!
Und was, wenn er sie nun gar nicht liebte? Oder liebte er sie doch? Oh bitte, lass’ es so sein! Aber er tat so, als würde sie ihm nicht das Geringste bedeuten. War aber auch kein Wunder - so wie sie ihn behandelt hatte... Sie musste auf ihn zugehen, musste selber den ersten Schritt machen. Noch in dieser Nacht.
Daniel spielte gerade ein kleines Duett mit dem Geiger, seine Gitarre hörte sich auf einmal genau so süßlich an wie die Geige – und dann plötzlich schrammte er über die Saiten, ließ ein paar sehr harte Töne hören, und alle, die er vorher mit den süßlichen Klängen verzaubert hatte, horchten auf und waren von den härteren Tönen gefangen.
Django spielt seine klaren
Töne nässen mein Gesicht
Django spielt mit drei Fingern
hart die Illusion meines Lebens
Klänge wie klobige Diamanten
tropfen an mir herab und
beißen ins Gras.
Diese Verse brauen sich gerade in Rebekkas Kopf zusammen, und sie ist nicht wenig erstaunt darüber. Bisher hat sie nämlich noch nie etwas Lyrisches zustande gebracht. Und wieso drei Finger? Das hat sie bestimmt irgendwo gelesen.
Und außerdem sieht ihr Ehemann fantastisch gut aus. Er sitzt lässig auf einem Stuhl, er hat seine Jacke ausgezogen, seinen Schlips weggeworfen, den Kragen des Hemds gelockert, er sitzt vollkommen entspannt auf diesem Stuhl und spielt Gitarre. Sein Haar ist vorne ein bisschen länger als hinten, und es lockt sich tatsächlich ein wenig. Rebekka sieht sein Haar mit Rührung, und sie wünscht sich, mit den Fingern durch diese weichen Locken zu fahren und dann seinen Kopf in ihre Hände zu nehmen und ihn auf seine Lippen zu küssen. Lange zu küssen, in diesem Kuss zu versinken. Sie will seinen Körper ganz nahe an ihrem spüren, sich an ihn pressen, an diesen sehnigen schlanken Körper, der so perfekt zu dem ihren passt... Sie will ihn so lange küssen, bis sie es vor Erregung nicht mehr aushalten kann – und dann wird sie ihm sein Hemd ausziehen und seine Brust küssen. Und auch er wird sie ausziehen, während er sie mit seinen braungelben Augen verlangend anschaut, bis ihre Beine schwach werden und sie sich an ihm festhalten muss. Er wird lachen und sie zum Bett tragen...
Rebekka fühlt ihre Beine schon schwach werden in Erwartung der Nacht. Heute Nacht würde sie mit Hilfe des Halsbands erfahren, was mit ihm los war. „Lass dich von dem Halsband leiten“, hat Zirza gesagt. „Und du wirst die Wahrheit erfahren.“
Rebekka lächelt, denn sie kennt die Wahrheit doch schon.
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Auch Andromeda fühlte sich magisch von der Plattform angezogen, denn Max saß dort und spielte Gitarre.
Die Musik sagte ihr zwar nicht viel, aber sie war interessant und hatte viel Pep, obwohl da nur zwei Gitarristen vor sich hin spielten und die Pace machten – ferner war da ein riesiger Kontrabass, die Gitarre von Daniel und eine Geige. Das Schlagzeug benutzten sie gar nicht. War schon eine seltsame Kombi. Aber der Rhythmus, der war echt irre. Und wie Max einfach so mitspielte! Andromeda hatte nie gewusst, dass Max richtig gut Gitarre spielen konnte. Er hatte in den letzten Jahren auch nicht mehr gespielt, weil ihm wohl die Zeit dazu fehlte. Aber anscheinend hatte er von seinen Vorfahren, die wie Andromeda wusste, auch ungarischen Ursprungs waren, jede Menge Pfeffer im Blut geerbt.
Wenn er dieses Pfeffer nur einmal an IHR mal austoben würde! Sie fühlte sich vergehen in der Vorstellung, dass er mit ihr... Heiliger Strohsack! Manchmal bekam Andromeda beim Küssen schon fast einen Orgasmus, aber das wollte sie ihm nicht zeigen, denn wenn er sich beherrschen konnte, dann konnte sie das schließlich auch. Sie musste an ihre eigentlich harmlosen Intimitäten denken, die immer im Verwalterhäuschen auf Max‘ Sofa stattfanden. Manchmal las sie in einem Buch, wenn Max noch mit seinem Schreibkram beschäftigt war. Und wenn er alles erledigt hatte und sich endlich zu ihr setzte, dann legte sie sich manchmal bäuchlings über seine Beine und tat so, als ob sie weiter in dem Buch lesen würde. Aber in Wirklichkeit wartete sie darauf, was er tun würde. Meistens saß er eine Zeitlang ganz still da, bis er dann anfing, ihren Rücken zu streicheln, so lieb und zart, dass sie es nicht länger aushalten konnte, sie drehte sich um und schlang die Arme um seinen Hals und fing an ihn zu küssen. Er fühlte sich einerseits so vertraut an und andererseits so fremd, und das Fremde war so beruhigend, und das Vertraute so erregend. Sie wälzten sich auf dem Sofa herum wie zwei liebestolle Teenager. Was sie ja auch waren, zumindest im Falle Andromeda. Andromeda hatte allerdings den Verdacht, auch Max würde sich verhalten wie ein liebestoller Teenager, und es wäre vollkommen neu für ihn. Hatte er noch nie so gefühlt, noch nie eine Frau richtig geliebt?
Und er sah so wahnsinnig gut aus. Er hatte wohl nicht genug Zeit gehabt, sich zu rasieren, denn er trug einen dieser Zweitagebärte, die so sagenhaft männlich wirkten, natürlich nur bei den richtigen Typen. Und Max war der richtige Typ, er sah ja normalerweise schon gut aus, aber dieser Zweitagebart ließ ihn härter aussahen als sonst, und Andromeda war schier überwältigt von seinem Anblick. Und diese Hose! Sie hatte an den Seiten Satinstreifen, und Max sah damit aus wie einer von der Kavallerie. Ein bisschen erinnerte er an Kevin Costner in diesem Film, wie hieß er noch, der mit dem Wolf und den Indianern. Natürlich sah Max besser aus als Kevin oder sonst wer. Viel besser! Sein Kinn war ausgeprägter, und sein Körper war viel athletischer als der von Kevin oder egal von wem... Auch das weiße Hemd stand ihm sooo guut, wieso hatte sie früher nicht bemerkt, wie wahnsinnig gut er aussah? Er quatschte auch nicht so viel wie manch andere Typen, so ein quatschender, plappernder Mann war absolut unerträglich, fand Andromeda. Kurz gesagt, Max war Andromedas Idealtyp! Uppps, und wahrscheinlich war er das auch für viele andere Frauen. Sie musste aufpassen...
Wo zum Geier war er die letzten vier Tage gewesen? Eine andere Frau? Nein, das glaubte sie nicht, aber warum wollte er nicht mit ihr darüber sprechen? Er hatte das Gespräch abgelenkt, als sie ihn zwischen zwei Küssen danach fragte, und sie hatte es aufgegeben, es herauszufinden. Wenn Max etwas nicht sagen wollte, dann konnte nichts und niemand auf der Welt ihn dazu bringen. Ob er wohl den ganzen Abend spielen wollte? Sie versuchte ihm mit den Augen zu sagen, dass er seinen Hintern herunterbewegen sollte, damit er mit seiner Geliebten herumknutschen konnte. Er schien es zu bemerken, denn er lächelte ihr wie um Entschuldigung bittend zu. Aber wenn er Gitarre spielen wollte, dann sollte er spielen. Ihn nur anzuschauen, war für sie wunderbar genug.
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Auch Zirza lauschte der Musik, während sie ihren Plan noch einmal durchdachte und analysierte.
Die Musik war gut, sie gefiel ihr, sie hatte etwas Wildes und etwas Treibendes, sie fühlte sich durch diese Musik beschwingt, und sie gab ihr den richtigen Kick, um sich an ihrem Plan zu berauschen.
Es würde nicht einfach werden, aber alles war perfekt arrangiert, denn auch Zirza war eine Künstlerin, erstens im Durchschauen und Manipulieren von Menschen – und zweitens an der neuen und so fantastischen Spielekonsole.
Die neue Konsole war ein wunderbares bahnbrechendes Gerät. Man brauchte dafür keine Verkabelung mehr und auch keine Drähte, die an die Nervenbahnen im Gehirn angeschlossen wurden. Es genügte ein einfacher Scan, um die Gehirnströme des Probanten zu messen und zu analysieren. Dann wurde die Trägerwelle erstellt, und sie funktionierte in diesen glorreichen Zeiten natürlich kabellos. Wireless Lan, das Zauberwort. Und die moderne DVD-Technik kam dazu. Man brauchte nur einen Computer – den hatte Zirza in ihrem Zimmer – ein paar geeignete Filme als Vorgabe für den Träumenden, ein paar ihm bekannte Gesichter, mit denen er die Rollen besetzen konnte, und alles andere lief dann vollautomatisch ab.
Man konnte zum Beispiel jemanden in den Wilden Westen schicken, und er würde dort General Custer sein – ein schlechtes Beispiel, es sei denn jemand wünschte sich, in der Schlacht von Little Big Horn zu sterben – nein, er könnte ein Revolverheld sein und jede Menge Leute töten.
Oder die Liebe. Wenn jemand eine bestimmte Person in sein Bett kriegen wollte, eine Person, die er im wirklichen Leben nicht haben konnte, dann war das im Traum überhaupt kein Problem.
Das Gute an der Sache war, dass die Träume, die unbewusst von Träumer gesteuert wurden, nicht originalgetreu mit der Vorlage ablaufen mussten, sondern ein Eigenleben gewinnen konnten. Welch fantastisches Wunder der Technik! Die neue Konsole ergänzte und vervollständigte diese selbst erzeugten Realitäten automatisch, das Programm berechnete alle Einzelheiten dauernd aufs Neue, und alles erschien herrlich echt in Bild und Ton. Es war fast noch besser als im wirklichen Leben.
Um das Ganze perfekt zu machen, kam noch eine wichtige Sache hinzu: Während des Traumes konnte die – wie Zirza sich nannte – Administratorin eingreifen, sie konnte Einfluss auf die Stimmbänder des Träumenden nehmen und ihn Dinge sagen lassen, welche die Handlung weiterführten, wenn auch nicht so, wie der Träumende es sich vorgestellt hatte...
Daniel würde sie einen wirklich hundsgemeinen Traum schicken, und sie freute sich schon sehr auf seine Reaktion…
Auch für Rebekka hatte sie etwas vorbereitet. Das Collier, das sie ihr überlassen hatte, war natürlich weder magisch noch verzaubert. Es war nur ein technisches Wunderwerk und enthielt unter anderem einen Sender, mit dem sie Rebekka einen Befehl geben konnte. Sie hatte Rebekka ja schon einmal hypnotisiert, und zwar während dieser albernen Seance in der Dorfdisco. Die Hypnose war nur ein Vorwand gewesen, um Rebekka ein bisschen von dem GS17 kosten zu lassen. Das war wirklich ein Wahnsinnsstoff, und sie hatte ihn eben Daniel ins Gesicht geblasen. Bei Rebekka sollte er bewirken, dass sie Zirza Vertrauen entgegenbrachte. Wie auch immer – an diesem Halsband befand sich außerdem eine mikroskopisch kleine Spritze, durch die Zirza zum richtigen Zeitpunkt eine mikroskopisch kleine Menge des Wirkstoffs GS17 in Rebekkas Blutbahn spritzen konnte. Zirza überlegte, ob sie ihr zusätzlich eine Dosis Schmusol spendieren sollte, um ganz sicher zugehen. Aber die Kleine war vernarrt genug in Daniel, und sie würde sehr zärtlich zu ihm sein – auch ohne das Schmusol. Aber das Erwachen würde schrecklich sein! Es würde alle ihre Ängste und Befürchtungen manifestieren. Sie würde anfangen, Daniel zu verabscheuen, und alles würde seinen Weg gehen...
Es war zu köstlich!
Noch viel einfacher wäre es, die beiden zu vergiften, dachte Zirza bedauernd. Aber leider hatte die Firma das untersagt. Man wollte kein Aufsehen erregen. ‚Keine Gewalt’ hieß die Devise, und die Entführung von Morgaine war schon hart an der Grenze gewesen.
Aber so war es auch nicht schlecht, spannender irgendwie. Das Leben war wunderbar! Zirza befand sich bereits im Rausch der Vorfreude. Und das Vergiften sollte sie besser nicht zu oft betreiben, hinterher konnte noch jemand entdecken, wie ihre eigene Mutter ums Leben gekommen war. Diese sabbernde quatschende Moralistin war ihrer Tochter Zirza zum Schluss dermaßen auf den Geist gegangen, dass sie eliminiert werden musste. Das war kurz nachdem Zirza aus ihr die Wahrheit über Claudia Mansells Kind herausgequetscht hatte. Offiziell war Zirzas Mutter Helena an einer Leberzirrhose gestorben...
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Kapitel VII Teil 2 SPIEL…
 
Als Daniel endlich im Bett lag, fühlte er sich müde und erschöpft. Aber es hatte Spaß gemacht, mit der Combo zu spielen. Und vor allem hatte es seine Gedanken ein wenig von Rebekka abgelenkt, die früher als er nach oben gegangen war.
Er schlief fast sofort ein – und glitt sachte in einen Traum.
Er schaute auf eine Reihe von Türklingeln, die sich an Rebekkas Haustür befanden. Dieses Bild erschien in blendender Klarheit, und er fand es gar nicht traumgemäß. Vielleicht kam es ja von Morgaine, aber es sah seltsam und surrealistisch aus, und außerdem erinnerte es ihn an etwas. An einen Film oder an ein Buch? Es fiel ihm aber nicht ein.
Neben den Türklingeln waren glänzende Schilder mit altmodisch verschnörkelten Aufschriften zu sehen, auf denen genau in dieser Reihenfolge zu lesen war:
Die geile Prinzessin
Der flotte Vierer
Rebekkas Hoppsala-Himmelbett
Von hinten ist’s gut!
Die Klingeln hatten eine ziemlich suggestive Wirkung auf Daniel. Sie verlangten nämlich allesamt dasselbe, nämlich: Drück’ die Klingel! Drück’ die Klingel! Drück’ die Klingel!
Aber welche Klingel sollte er drücken?
Er entschied sich nach unmerklich kurzem Zögern für die Klingel mit der Aufschrift: Rebekkas Hoppsala-Himmelbett
Warum entschied er sich für Rebekkas Hoppsala-Himmelbett? Nun denn, er verspürte einfach das Verlangen, die Schlampe in ihrem Bett zu sehen, und außerdem fand er das Schild so persönlich, die anderen Schilder sprachen ihn nicht an, sie waren langweilig! Allein von dem Namen Rebekka war er fasziniert. Jedenfalls gab er dem unwiderstehlichen Drang nach, auf diese Klingel zu drücken, und er wartete gespannt darauf, was nun passieren würde.
Aber es veränderte sich eigentlich gar nichts.
Über sich sah er die Decke des Zimmers. Oder war es der Baldachin des Bettes? Seltsamerweise befand sich ein großer Spiegel dort. Den hatte er bis jetzt gar nicht bemerkt. Na und wenn schon, das kam ihm alles ziemlich normal vor. Und er wollte endlich einschlafen, um den quälenden Gedanken zu entgehen, die sich immer noch mit seiner ‚Ehefrau’ befassten und mit dem verdammten Collier, das sie getragen hatte.
Daniel wollte sich auf die Seite drehen und musste feststellen, dass es nicht ging.
Er konnte kein einziges Glied bewegen, bis auf seine Augen. Daniel versuchte, sie zu verdrehen, um festzustellen, was mit ihm los war. Aber der Blickwinkel war zu klein, und er konnte seinen Körper nicht sehen. Was war los mit ihm? Was für ein blöder Traum! Aber da war doch dieser Spiegel...
Er schaute wieder nach oben – und musste bestürzt feststellen, dass er ganz flach war und dass er keinerlei Gliedmaßen besaß.
...Und dass er – kurz und prägnant gesagt – anscheinend selber Rebekkas Hoppsala-Himmelbett war.
Das war wirklich eine Überraschung! SURPRISE, SURPRISE...
Und nicht genug der Überraschung, vollkommen unbeweglich und flach zu sein, nein, Daniel hörte, wie eine Tür sich öffnete und zwei Personen in das Zimmer kamen. Es handelte sich um zwei Personen verschiedenen Geschlechts, wie man an ihren Stimmen erkennen konnte. Und er kannte ihre Stimmen sehr gut.
Und das einzige, was er in diesem Moment flehentlich dachte, war: BITTE NICHT!
Daniel wollte sich in irgendetwas kneifen, um diesen beschissenen Traum zu beenden, aber er konnte natürlich kein Glied rühren, um sich in irgendetwas zu kneifen. Denn er war ja immer noch das Bett. Das Himmelbett daselbst. Bewegungslos, ungefähr ein Meter fünfzig breit und im Zimmer herumstehend...
Das Himmelbett, auf das sich Rebekka und Archibald gerade sinken ließen, wobei sie albern kicherten.
Das Himmelbett, auf dem sie sich gerade mit quälender Langsamkeit gegenseitig auszogen und sich ausgiebig küssten und streichelten.
Daniel sah alles im Spiegel an der Zimmerdecke. Daniel konnte auch seine Stimmbänder nicht bewegen. Und zu allem Überfluss hatte er peinlicherweise das Gefühl, seine Sprungfedern würden quietschen. Warum leistete sich die Schlampe nicht ein Wasserbett bei ihrem regen Geschlechtsverkehr. Das wäre doch viel bequemer für sie und ihre Liebhaber und vor allem nicht so geräuschvoll. Diese wütenden Gedanken befreiten ihn aber nicht von dem Anblick der beiden. Er konnte seine Augen einfach nicht schließen und musste hilflos mit ansehen, wie die beiden es miteinander trieben. Auf ihm, denn er selber war das Bett, auf dem Archibald Rebekkas Brüste und andere intime Körperteile liebkoste, bis sie schließlich anfing zu wimmern und ihn anflehte, sie endlich zu ficken.
Das Himmelbett, auf dem Daniel schließlich mit ansehen musste, wie sie sich liebten und schließlich stöhnend und erfreut zum Höhepunkt kamen. Erfreut? Seltsam, Rebekkas Höhepunkt kam ihm ein wenig gespielt vor – wie in einem schlechten Pornofilm. Und Daniel hatte recht, er sah in Wirklichkeit einen Pornofilm, aber einen mit den ihm bekannten und mittlerweile gehassten Gesichtern von Rebekka und Archie. Daraus ersieht man, dass Daniel ziemlich verarscht wurde – aber auch, dass er sehr wohl zwischen einem echten und einem gespielten Höhepunkt unterscheiden konnte. Leider nutzte ihm die letztere Fähigkeit jetzt wenig...
Du kannst sie nie so befriedigen wie ich, dachte er. Aber das war kein wirklicher Trost für ihn, denn sie liebte ihn nicht, sonst würde sie ihm so etwas nie antun.
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Rebekka richtete sich nach einem unruhigen Schlummer auf. Das Halsband hatte sie mit einem gezielten Stromstoß geweckt, den natürlich Zirza ausgesandt hatte. Rebekka hatte das Halsband auch im Bett anbehalten, weil Zirza ihr unbedingt dazu geraten hatte.
„Richte dich nur nach dem Halsband“, hatte ihre Freundin Zirza zu ihr gesagt. „Das Halsband wird dir schon sagen, was zu tun ist.“
Und Rebekka vertraute Zirza blind, denn Zirza hatte ihr dieses blinde Vertrauen in der privaten Hypnosesitzung eingeflößt, die sie in der Disco mit Rebekka veranstaltet hatte.
Und jetzt flüsterte das Halsband: „Gehe zu ihm und zeige ihm deine Liebe. Er wartet auf dich. Du wirst seine Gedanken sehen können und wie er dich liebt. Alles wird gut werden.“
Und Rebekka vertraute der Stimme, erhob sich wie hypnotisiert, sie streifte den leichten seidigen Morgenrock über ihren nackten Körper, ging hinaus auf den Balkon, der auf der Rückseite des Hauses alle Zimmer miteinander verband, und von dort aus zu Daniels Zimmer, denn sie wusste, dass er immer bei offener Balkontür schlief.
Sie trat leise in sein Zimmer. Sie sah ihn nackt und regungslos auf dem Bett liegen, lächelte und ging langsam auf das Bett zu...
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Nachdem das saubere Pärchen endlich vom Bett aufgestanden war und das Zimmer verlassen hatte, hoffte Daniel inbrünstig, in Frieden einschlafen und diesen furchtbaren Traum verlassen zu können. Er wollte nur noch vergessen, was er gesehen und gehört hatte.
Und er fühlte sich immer noch schrecklich steif. Zaghaft versuchte er, seine Glieder zu bewegen, aber es ging nicht. Und er hätte laut vor sich hin geflucht, wenn seine Lippen das zugelassen hätten.
Plötzlich jedoch hörte er wieder etwas. Ein leichtes Geräusch. Waren die beiden Ehebrecher etwa zurückgekehrt?
Aber es war Rebekka, die alleine ins Zimmer gekommen war, sie trug einen leichten seidenen Morgenrock, aber der Morgenrock stand vorne so weit offen, dass man alles von ihr sehen konnte, alles von ihren Brüsten, ihre nackte Taille und ihre nackte Scham.
Daniel erblickte das alles in dem Spiegel an der Decke. Und es war ein beeindruckender und geiler Anblick.
Aber wo ist Archie, wunderte er sich.
Rebekka fixierte mit ihren Augen das Himmelbett, und Daniel hatte auf einmal das beklemmende Gefühl, sie könnte ihn sehen. Was natürlich vollkommener Humbug war. Er war das Himmelbett! Sie schien ihn aber trotzdem sehen zu können.
So ein Quatsch. Er war nur das Himmelbett, er war unbeweglich, er war nur ein Ding.
Rebekka erklomm zielsicher das Himmelbett. Also ihn...
Und er konnte immer noch kein Glied rühren. Bis auf verdammt noch mal eines! Falsch, er konnte es nicht selber rühren, er spürte nur, wie sein verdammtes Glied sich selbstständig machte und sich erhob. So ein Mist aber auch!
Aber vielleicht würde sie es nicht merken... Himmelbett! Er war ja nur ein Himmelbett...
Tat sie aber doch. Denn sie ließ sich bequem über ihm nieder, sah sich die Sachlage an, umfasste zärtlich sein Glied mit ihren Händen und fing an, es liebevoll zu massieren, was ihn natürlich noch mehr erregte, bis sie es schließlich in ihren Mund nahm und anfing, daran zu saugen...
Auf eine sanfte Art und auf eine hingebungsvolle Art und vor allem auf eine Art, auf die er voll abfuhr und die unübersehbar war, wie er im Spiegel an der Decke mit anschauen musste.
(Daniel sah eine gefilmte Szene von sich und Rebekka, die eine kleine versteckte Kamera in der Deckenlampe gerade aufnahm und die Zirza ihm postwendend, quasi in Echtzeit und ohne Verzögerung ins Gehirn schickte. Und deshalb musste er auch alles mit anblicken – genauso wie eben die angebliche Szene mit Rebekka und Archie – denn er sah durch die Nervenbahnen in seinem Gehirn.)
Aber mittlerweile wollte er es sehen, er konnte seinen Blick einfach nicht abwenden, es war... so geil. Es war so geil, wie er noch nie etwas erlebt hatte. Bis auf damals, das mit Rebekka... Und obwohl er sich dafür hasste, dachte er: Ob es wohl immer so mit ihr wäre?
Er fühlte, wie sein Körper dahin schmolz, wie ihn ihre Zärtlichkeiten in Stücke brachen, wie er aufhörte, im Innersten zu sein und wie er schließlich in ihrem Mund so heftig kam, dass er sich vor totaler Lust aufgebäumt hätte, wenn er es gekonnt hätte. Er konnte es natürlich nicht – er war nur eine Matratze...
Und sie schien es zu genießen. Sie hatte seinen Samen geschluckt, was auch nicht jede Frau so gerne tat und sie schmiegte sich der Länge nach an seinen Körper, quatsch, er besaß ja gar keinen Körper, er war nur eine Matratze. Sie schmiegte und rieb sich mit ihren Brüsten an der Matratze, seltsamerweise fühlte er seinen Körper jetzt ganz deutlich, obwohl er doch nur ein totes Ding aus Zwirn, Federkernen, und Baumwolle war. Sie rieb sich vor allem an seinem Glied, das wohl ein Eigenleben entwickelt hatte und wieder voll auf der Höhe stand, und auf einmal musste er daran denken, wie sie mit Archie den Koitus vollzogen hatte, so lächelnd und erfreut wirkend wie in einem Pornofilm. Und er dachte, du bist nur eine Nutte, aber ich kann es dir trotzdem besser geben, sogar als blöde Matratze kann ich es dir besser geben als sonst einer.
Was sie sich anscheinend nicht zweimal sagen ließ, obwohl sie ihn gar nicht hören konnte. Sie setzte sich über ihn und führte mit quälender Langsamkeit sein Glied erst unter sich und dann ganz langsam in sich ein.
Im Spiegel sah er, dass sie immer noch dieses widerliche Halsband trug. Diese schamlose Person hatte keinerlei Moral, wirklich!
Sie bewegte sich nicht viel, sondern schien nur sein Glied in sich spüren zu wollen, sie ritt ihn ein wenig, überlegte es sich dann aber anders, sie wollte es wohl nicht auf die wilde Tour haben, sondern ließ ihren ganzen Körper sanft auf seinen Körper, nein, falsch auf die Matratze sinken.
Dann versuchte sie, ihn auf dem Mund zu küssen, was Daniel zwar spürte, aber nicht erwidern konnte oder wollte, denn er war ja nur eine Matratze ohne menschliche Lippen, dann schmiegte sie sich wieder ganz flach in ihrer vollen Länge – was natürlich nicht sehr lang war – an ihn, als ob sie jeden Zoll seines Körpers spüren und so nah wie möglich bei ihm sein wollte. Sie küsste ihn noch einmal, und er spürte ihre Zunge, die sich zärtlich in seinen Mund drängen wollte. Aber er konnte den Kuss nicht erwidern, und er wollte ihn ja auch nicht erwidern.
Bis sie dann schließlich aufstöhnend innehielt, weil der Höhepunkt sie überwältigte und sie sich wieder ganz flach auf ihn fallen ließ, falsch, auf die Matratze fallen ließ...
„Oh Daniel, du...“, stammelte sie schließlich ächzend und nach Luft ringend seinen Namen.
Daniel kam kurz nach ihr zum Höhepunkt, aber er fühlte sich dabei irgendwie... vergewaltigt. Ja, tatsächlich! Natürlich stand er auf fast jede sexuelle Spielart, aber hätte es bei diesem ersten Mal nicht etwas anders sein müssen? Etwas netter vielleicht? Und vielleicht ohne dieses Gefühl, nur eine Matratze zu sein?
Jedenfalls fühlte er sich beschissen und gedemütigt, und auch die Szene mit Archie und ihr nagte noch an ihm, es war echt gewesen, es musste echt gewesen sein, und es tat weh...
Und trotz der körperlichen Befriedigung – die natürlich grandios gewesen war wie immer mit Rebekka, wie er wütend dachte – fühlte er sich in seiner Seele waidwund und verletzt. Obwohl er doch nur eine seelenlose Ansammlung aus Federkern, Baumwolle und Zwirn war, tat ihm innerlich alles weh. Mussten wohl die Federkerne sein, dachte er höhnisch.
Und er wollte ihr wehtun. Er wollte Rebekka so wehtun, wie es nur irgendwie ging.
Rebekka lag mit ihrem leichten, vollkommen entspannten Körper immer noch auf ihm. Als ihr Herz nicht mehr wie wild klopfte und sie wieder normal atmen konnte, umfasste sie zärtlich sein Gesicht und küsste ihn leicht auf dem Mund.
Er murmelte etwas, was sie aber nicht verstand.
„Was sagt du, Liebster?“ fragte sie leise, küsste ihn noch einmal und schmiegte sich mit ihren Brüsten an seinen Oberkörper.
„Mach’s mir noch einmal... Zirza!“
Seine Stimmbänder funktionierten wieder. Dem Himmel sei Dank! Daniel wusste zwar selber nicht, wie diese Worte seinen Mund verlassen konnten und wie er auf diese Idee mit Zirza gekommen war, aber er hatte es nun einmal gesagt. Und er hoffte, es würde Rebekka so richtig verletzen.
Rebekka erstarrte auf seinem Körper. Was hatte er da gesagt? Das konnte nicht sein. Es war ein Versehen.
Aber gleichzeitig verpasste ihr Zirza, die ein Stockwerk höher wie eine schwarze Spinne lauerte und agierte, ein genaues Bild, nämlich ein Bild von Daniel und Zirza, wie sie sich nackt auf Zirzas Bett herumwälzten, wie sie lachten und wie Daniel Zirza ansah, so voller Begehren. Es war ein Bild, so deutlich und klar und aussagekräftig, dass es jeden noch vorhandenen Zweifel an Daniels Untreue in tausend Stücke schlug.
Die Bilder von Daniel und Sirza flackerten wie das Lichterstroboskop in einer Disco und brannten sich im Bruchteil einer Sekunde in ihre Gehirnwindungen ein. Und sie würde die Bilder für lange Zeit in sich behalten, in aller grausamen Schärfe. Im schlimmsten Falle würde sie die Bilder für immer in sich behalten...
Denn dazu gab das Halsband noch eine ansehnliche Dosis GS17 ab, die sich unbemerkt von Rebekka in ihren Hals bohrte, sofort in ihre Blutbahn geriet und schließlich ihr Kleinhirn erreichte, um sich dort einzunisten. Das GS17 würde alle Zweifel über das, was sie in der letzten Minute gehört hatte, restlos zerstören. Alles was sie gehört und gesehen hatte, würde ihr als die Wahrheit erscheinen, nein, falsch, es WAR die Wahrheit. Sie hatte die beiden wirklich in Zirzas Zimmer gesehen. Zumindest glaubte sie das nun.
Und hatte die Schlange Zirza, die mit ihrem Ehemann herummachte, ihr nicht gesagt, dieses grandiose Halsband könne die realen Gefühle von anderen erkennen und lesen?
Oh Gott!!!!
Das war die Wahrheit?
Rebekka richtete sich gedemütigt auf.
Hoffentlich hatte er sie nicht erkannt! Hoffentlich dachte er, es wäre Zirza gewesen, mit der er es gerade getrieben hatte! Sie hätte die Demütigung nicht ertragen können, wenn er sie erkannt hätte.
Sie hatte sich ihm aufgedrängt, und er wollte sie gar nicht haben. Oh Gott!!!
Er war ein widerliches Schwein. Und er hatte sich überhaupt nicht geändert. Alle Männer waren Schweine. Aber er ganz besonders!
Rebekka floh schnell und lautlos über den Balkon aus dem Zimmer.
Ihren Morgenrock hatte sie noch an.
 
Ende KAPITEL VII Holidays in Kampodia © Ingrid Grote 2008
 
Fortsetzung folgt
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.05.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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