„Aber darum geht es doch gar nicht. Es geht darum,
dass Sie in den letzten sieben Jahren kein neues Auto gekauft haben. Hätten Sie
sich jedes Jahr ein neues Auto gekauft, wären sieben zusätzliche Pkws
produziert worden. Schauen Sie sich doch mal Ihren Kollegen, den Herren
Plassberg an. Der ist wirklich ein Musterbeispiel von einem guten Kunden. Der
holt sich immer das neuste Modell und immer große Geländewagen. Der Herr
Plassberg trägt auch immer elegante und moderne Anzüge und ist auch sonst immer
>up to date<, wie man so sagt…“
Besagte Lobesreden galten einem Mann, der immer
großspurig auftrat, und bei den meisten Kollegen als ziemlich unbeliebt galt.
Dies ermutigte Herrn Müller ein wenig aufzubegehren. „Entschuldigen Sie bitte,
aber der Kollege Plassberg gilt; nun, als ziemlich dummer Konsumtrottel“
„Aber genau das ist es doch“ strahlte der Chef über
das ganze Gesicht. „Genau solche Leute sind die Stütze unserer Gesellschaft.
Sie geben Geld aus, und das mit vollen Händen. Nur solche Konsumtrottel sind
der Motor unserer Gesellschaft!“
„Vielleicht bin ich ja zu altmodisch, aber was ist
mit den Werten? Ich meine menschlichen Werten, wie Sparsamkeit, Sorgfalt oder
treue?“
„Das ist recht löblich, Herr Müller. Aber Sie sollten
auch daran denken, dass dies die Werte einer vergangenen Zeit waren. Heutzutage
gelten eben andere Werte. Andere Zeiten, andere Werte, so einfach ist das“
„Aber was ist mit unserer Umwelt? Ich meine ja nur,
wird durch ein solches Verhalten nicht der Energiebedarf in die Höhe getrieben?
Und die Müllberge, die werden doch auch immer größer…“
„Aber Herr Müller! Glauben Sie denn nicht, dass
unsere Gesellschaft damit nicht zurecht kommt? Dann werden eben neue Kraftwerke
gebaut. Und auch die riesigen Müllberge schaffen neue Arbeitsplätze. Und dem
wollen Sie doch nicht entgegenwirken“
„Natürlich nicht! Aber wie soll ich das denn machen?“
„Aber Herr Müller, dass ist doch so einfach. Geben
Sie Geld aus. Suchen Sie sich ein Hobby…“
„Aber ich habe doch ein Hobby…“
„Herr Müller, wir meinen ein richtiges Hobby. Das
Geld, was Sie für Ihre Kreide- und Kohlezeichnungen in Umlauf bringen, lohnt
kaum der Erwähnung“
„Früher bin ich auch gerne schwimmen gegangen. Nun,
so lange, bis die Stadt das Schwimmbad geschlossen hat…“
„Aber Herr Müller, Sie können doch nicht wollen, dass
die Stadt Ihr Hobby finanziert. Wie sähe denn das aus?“
„Außerdem arbeiten Schwimmbäder und andere
öffentliche Einrichtungen nur mit Verlusten“ schnaubte die Frau verächtlich.
„Was für ein Hobby wäre Ihnen denn genehm?“
„Shopping, zum Beispiel“ flötete die Frau
„Aber das ist doch kein Hobby“
„Nun, Sie können sich ja auch Jahreskarten für die
Bundesliga besorgen“ sagte der Chef.
„Oder für Konzerte oder Theateraufführungen“ schlug
die Frau vor.
"Oder Sie fahren mal in Urlaub. Paris soll um diese
Zeit sehr schön sein“ riet der Zweite Mann.
Herr Müller zögerte ein wenig. „Verstehen Sie mich
bitte nicht falsch, meine Herren; Verzeihung, meine Dame“ entschuldigte er sich,
nachdem sich hinter dem Stuhl des Chefs ein sehr entrüstetes Räuspern platz
gemacht hatte „aber, wie soll ich sagen, solche Veranstaltungen liegen mir
nicht besonders. Und wie ich von einer Bekannten hörte, soll Paris eine ziemliche
Touristenfalle sein…“
„Herr Müller, niemand erwartet von Ihnen, dass Sie
eine solche Veranstaltung auch besuchen. Es reicht völlig, wenn Sie die Karten
kaufen! Und wenn Ihnen Paris nicht gefällt, es gibt ja noch andere Reiseziele.
Venedig, zum Beispiel“
„Aber das hört sich doch alles sehr teuer an. Ich
weiß nicht, ob ich mir das leisten kann…“
„Sie haben rund viertausend Euro auf einem Sparbuch
bei der Kreissparkasse und noch einmal gut eintausend Euro auf Ihrem Girokonto.
Einen Kredit haben Sie nicht am laufen. Sie sind sogar einer der wenigen
Menschen, die noch nie einen Kredit aufgenommen haben“ leierte der zweite Herr.
Leider lag er dabei wieder richtig.
„Herr Müller, wir wollen es noch einmal im Guten
versuchen“ sagte der Chef, wobei seine Stimme ein klein wenig gereizt klang. „Also
sollten Sie Ihre Lebensweise nicht ändern wollen, können wir auch zu anderen
Mitteln greifen. Ihr altes Auto könnte in einen Unfall verwickelt werden“
„Oder Ihre Wohnung brennt aus“
„Oder Sie lesen einige unerfreuliche Sachen über sich
in der Zeitung“
„Oder Sie verlieren plötzlich Ihren Job“
„Und dann verlieren Sie auch Ihre Wohnung. Aber das
ist ja alles nicht so schlimm, denn Sie sind ja auch mit wenig zufrieden,
oder?“
Herr Müller hatte sich die Bettdecke ganz über den Kopf
gezogen und zitterte am ganzen Leibe.
„Gönnen Sie sich mal was, nehmen Sie
einen Kredit auf, kaufen Sie ein, fangen Sie endlich an zu leben“ drang der
dreistimmige Chor durch die Bettdecke hindurch. Und dann war es still. Richard
Müller lupfte vorsichtig unter dem Laken hervor. Doch alles war dunkel und
alles war ruhig. Die drei Personen waren so still und heimlich verschwunden,
wie sie gekommen waren. Selbst die Türe hatte Herr Müller nicht gehört.
Am anderen Morgen fühlte sich Herr Müller wie
gerädert. Das ganze war ihm wie ein Alptraum vorgekommen. Nichts desto trotz
kaufte er sich noch am selben Tag ein neues Auto. Die drei Herren, soweit man
das sagen konnte, sah er nie wieder. Aber wahrscheinlich waren Sie auch sehr
beschäftigt.
Wer
weiß, möglicher Weise kommen sie ja heute Nacht zu Ihnen