Klaus Eylmann

Ein Glas zuviel

Eine Kommissar Schneider Geschichte

Ohne Heinrich und seine platten Sprüche war es verdammt langweilig bei der Arbeit. Udo legte die Bild-Zeitung zur Seite und blickte auf den Schreibtisch seines Kollegen. Aufgeräumt, eine Schreibunterlage, ein Becher mit ein paar Stiften und eine Glas mit Bonbons. Der leere Stuhl dahinter. Udo sah auf das Fenster, auf Schlieren prasselnden Regens. Seufzend drehte er sich zum Bildschirm und hämmerte auf der Tastatur, bis ihn das Klingeln des Telefons von seinem Bericht riss.
“Wie bitte? Bin gleich bei Ihnen.”
Dr. Schmidts Büro befand sich eine Etage höher.
“Udo, wir haben einen Mord. Hamburg-Poppenbüttel, Schulbergredder 14.” Schmidt rückte seine Brille zurecht. “Der Mann heisst Emil Erdmann. Die von der Spurensicherung sind schon da.”

Eine Frau weinte. Ein Mann lag im Flur. Zwei Männer stäubten mit weissen Latexhandschuhen Pulver auf Treppengeländer und Türgriff. Ein vierter lehnte an der Wand und sah ihnen zu.
“Doktor Petersen, wie siehts aus?” Der Mann hob die Hand. Ein flüchtiges Lächeln zuckte über sein Gesicht.
“Herr Schmitz ohne Herrn Schneider. Welch ungewohntes Bild.”
“Mein Kollege ist auf Urlaub.”
“Nun,” Petersen deutete auf das klaffende Loch in der Stirn des Mannes, “der Einschuss kam aus nächster Nähe, aus dem Treppenhaus. Der Mann ist seit etwa neunzig Minuten tot.”
“Frau Erdmann?” Die Frau blickte auf Udo und nickte.
“Schmitz, von der Mordkommission. Kommen Sie,” Udo fasste sie am Arm und geleitete sie vorsichtig vom Tatort. “Können wir uns irgendwo hinsetzen?”
Die Frau öffnete eine Tür und zeigte auf ein Sofa.
“Frau Erdmann. Ich möchte Ihnen meine Anteilnahme aussprechen.” Die Frau blickte auf den Boden.
“Können Sie mir erzählen, was passiert ist?”
“Wir waren gerade dabei, uns die Tagesschau anzusehen, als es klingelte. Ich weiss nur, dass mein Mann zur Tür ging und nicht mehr wiederkam.”
“Haben Sie denn keinen Schuss gehört?”
“Nein.”
“Hatte er Feinde?”
“Nicht, dass ich wüsste.”
“Irgendwelche besonderen Hobbies?”
“Ja. Seine elektrische Eisenbahn.”
“Laster?”
“Nein, Eisenbahn.”
“Ich meine, hatte er irgendwelche Laster?”
“Er trank, und es war nicht schön. Bis vor einem Monat. Dann ging Emil zu den Anonymen Alkoholikern, hörte eine Weile mit dem Trinken auf.”
Udo erhob sich und griff in seine Jackentasche.
“Wollen Sie damit sagen, er hat nicht durchgehalten?”
“Ja.”
“Frau Erdmann. Hier haben Sie meine Karte. Rufen Sie mich bitte an, sollte Ihnen noch etwas Aussergewöhnliches einfallen.”

Der Mord stand am nächsten Morgen in der Bild-Zeitung. Udo legte sie zur Seite und dachte an den gestrigen Abend im Stadtpark, ging im Geiste noch einmal die Züge der Schachpartie durch. Sie hatten nahe am Stadtpark See mit den grossen Holzfiguren gespielt, Boris und er. Jetzt fiel es ihm schwer, sich auf den Mord zu konzentrieren. Er nahm Bleistift, Papier zur Hand und suchte nach Anhaltspunkten.

Der Klingelknopf. Die Spurensicherung hatte einen unvollständigen Fingerabdruck abgenommen.
Der Ermordete gehörte den Anonymen Alkoholikern an. Und er, Udo, den Anonymen Schachspielern. Gab es da Unterschiede? Nun, die einen soffen, die anderen spielten Schach. Die einen zerstörten ihr Gehirn, die anderen trainierten es.
Die Frau hatte den Schuss nicht gehört. Die Waffe musste einen Schalldämpfer haben.

Es gab nicht viel her. Er brauchte mehr Informationen und Udo schickte sich an, zu Erdmanns ehemaligem Arbeitgeber zu fahren, als ihm Dr. Schmidt auf dem Korridor entgegen kam.
“Herr Schmitz, schon auf dem Weg? Woher wissen Sie von dem neuen Mord?”
“Es kam über mich,” Udo grinste. “Wo war es noch genau?”
“Saselbekstrasse 15.”

Die Saselbekstrasse war nicht weit vom Schulbergredder entfernt, in dem der erste Mord verübt worden war. Wie Erdmann, wurde auch dieser Mann, er hiess Heinz Eckhoff, erschossen, als er die Wohnungstür öffnete. Die Kugel stammte aus der gleichen Waffe. Die Frau hatte nichts gehört und erzählte Udo, ihr Mann sei Mitglied der Anonymen Alkoholiker gewesen.

“Ich heisse Udo, und ich bin Alkoholiker.” Mann, worauf habe ich mich da eingelassen, dachte er. Ist ja fast so schlimm wie ne Damenwahl. Verlegen blickte Udo in freundliche Gesichter, die teilnahmsvoll zurückblickten.
“Erzähle mehr von dir, Udo,” sagte ein Mann im Rollkragenpullover.
“Ich arbeite in der Kostenrechnung und hab mich in Marisa verliebt, die aus der Buchhaltung. Sie ist verheiratet und will nichts von mir wissen.” Udos Stimme stockte, “dann hab ich zu trinken angefangen.”
“Woran hast du gemerkt, dass du Alkoholiker bist?”, fragte eine Frau.
“Ich kam nicht vom Trinken los, von diesem Tequila. Ich trinke ihn jeden Abend. Ist ein Agavenschnaps, kommt aus Mexiko. Das soll keine Entschuldigung sein. Es ist nur, er schmeckt einfach so gut. Es dauerte nicht lange, und ich brachte im Büro die Zahlen durcheinander. Grenzkosten lagen über Vollkosten. Das konnte doch nicht sein, und da dachte ich, jetzt machst du schon zwei Sachen, die nicht in Ordnung sind, und trinken ist sicher die schlimmere.”
“Und was war die andere Sache?”
“Ich bin nach wie vor scharf auf Marisa.” Udo lief rot an. Werde ich rot?, fragte er sich und blickte auf die junge Frau in der Runde, auf den weissen Pullover, auf ihr ausdrucksvolles Gesicht, die Stoppelfrisur aus roten Haaren, begegnete dem intensiven Blick ihrer grünen Augen, die sich an ihm festsogen.
“Du hast den ersten Schritt bereits getan,” meinte der Mann im Rollkragenpullover. “Hast zugegeben, dass du dem Alkohol gegenüber machtlos warst und dein Leben nicht mehr meistern konntest.”
“Jetzt sind es nur noch elf weitere Schritte,” nuschelte sein Nachbar, blinzelte ihm über dicke Tränensäcke zu.
“Richtig,” sagte der Mann im Rollkragenpullover. “Der nächste Schritt wird sein, zu erkennen, dass nur eine Macht, grösser als wir selbst, uns unsere geistige Gesundheit wiedergeben kann.” Dann stellte er sich selbst und die Gruppe vor.
Er hiess Erich, Udos Nachbar zur Linken Dieter, die Frau Lisa. Udo fiel es schwer Namen zu behalten. Eigenartig, wo er sich doch Schachpartien so gut einprägen konnte.

Erich liess die Leute seiner Gruppe zu Worte kommen, fragte sie, was sie die vergangene Woche unternommen hatten. Einer fütterte abends die Enten im Stadtpark, ein anderer ging auf dem Elbdeich spazieren, und während die Leute erzählten, was alles sie unternommen hatten um trocken zu bleiben, spielte Udo im Geiste die Schachpartie Zukertort gegen Blackburne nach, die vom Jahr 1883.
“Ich komm immer noch darüber hinweg, dass Emil und Heinz nicht mehr bei uns sind. Als sie letzten Mittwoch nicht gekommen waren, hatte ich ein ungutes Gefühl. Und nun sind sie tot.” Udo unterbrach sein Gedankenspiel, merkte sich die Positionen der Figuren und drehte sich zu seinem Nachbarn.
Dieter griff nach einem Taschentuch und tupfte sich die Tränen aus den Augen.
“Es hat uns alle erschüttert. Doch wir müssen weitermachen,” meinte Erich.
“Wie hast du die letzte Woche verbracht?”

Als sie nach der Sitzung den Raum verliessen, ging Udo neben Dieter her. Er hielt einen Zettel in der Hand, den mit den zwölf Schritten auf den Weg zur Abstinenz.
“Zwei Mann aus dieser Gruppe tot? Auf einen Schlag? Wie ist das passiert?”
“Sie wurden erschossen.” Dieter ging auf einen Golf zu und blieb stehen.
“Das ist ja furchtbar. Hat man schon jemanden in Verdacht?”
“Weiss ich nicht. Also dann, bis nächsten Mittwoch.” Dieter stieg in den Wagen. Udo sah, wie das Fahrzeug in der Dunkelheit verschwand und wunderte sich, dass der Mann mit diesen Tränensäcken die Strasse erkennen konnte.
“Denkst du noch immer an Marisa?” Udo drehte sich um.
“Nicht im Augenblick.” Udo bemerkte den intensiven Ausdruck in Lisas Gesicht.
“Nur, wenn ich in meinen eigenen vier Wänden bin. Ich weiss nicht, ob ich dann nicht wieder zur Flasche greife.”
“Vielleicht solltest du darüber reden.” Lisas Parfüm legte sich auf seine Sinne.
“Ausserhalb der Gruppe, meine ich.” Sie wandte sich um.
“Komm. Gehen wir doch in die Kneipe hier.”
Sie bestellten Apfelsaft und blickten sich eine Weile schweigend an, dann lächelte sie.
“Ich weiss, wie man sich fühlt, wenn man unsterblich verliebt ist. Ich habe sie kennengelernt, unerwiderte Liebe. Und danach war ich verheiratet. Mit einem anderen. Das konnte nicht gut gehen.” Sie griff nach seiner Hand. “Es geht vorbei und ist kein Grund sich zu betrinken.”
“Leicht gesagt,” seufzte Udo. “Ich brauchte jemanden, der mir dabei hilft.” Lisa betrachtete ihn aufmerksam.
“Was findest du an ihr?”
“Alles, was ich mir von einer Frau erträumt habe. Ihre langen Beine, ihr kurzer Rock, ihr dunkler Teint, die schwarzen, langen Haare, ihr glutvoller Blick. Die Art, wie sie ihre Unterlagen auf meinen Schreibtisch legt und mich dabei anlächelt. Ich wünschte, wäre sie es doch, die Unterlage und würde sie doch das Lächeln beibehalten.”
Er griff nach seinem Glas und versenkte seinen Blick darin.
“Kennst du Santanas ‘Corazon Espinado’? Udo verzog sein Gesicht zu einer traurigen Grimasse, sah zu Lisa hin. Sie schüttelte den Kopf.
“Ein dorniges Herz. Marisa hat ein dorniges Herz. Nie hat sie mich erhört. Sie müsste es wissen, obwohl, ich konnte mich ihr nicht erklären, sie ist verheiratet, aber mit jeder meiner Gesten, meines Ausdrucks, hätte sie wissen müssen, wie sehr ich sie liebe.”
Udo schüttelte erstaunt den Kopf. Was war in ihn gefahren? Die Phantasie ging mit ihm durch. War er nun ein guter Schauspieler, oder nicht? Lisa beugte sich weiter vor, hielt noch immer seine Hand. Udo versuchte das Thema zu wechseln.
“Dieter hatte von zwei AA-Mitgliedern erzählt, die ermordet worden waren. Was war da passiert?”
“Ich weiss nur so viel. Die drei kannten sich. Sie haben jeden Abend in der Kneipe am Poppenbütteler Markt zusammen gesessen und sich betrunken. Vielleicht haben sie sich gestritten.”
Lisa erhob sich und nahm ihre Jacke von der Garderobe. “Ich muss los. Vielleicht können wir unser Gespräch nächsten Mittwoch fortsetzen.”
“Würde mich freuen,” erwiderte Udo, griff nach ihrem Glas, ohne dass sie es sah und steckte es in die Hosentasche. Gemeinsam verliessen sie das Lokal. Auf der Strasse drehte sich Lisa noch einmal nach ihm um, blickte auf seine Hose.
“Oh, war ich das?” und sie bekam wieder diesen intensiven Blick. “Vielleicht sollten wir nächste Woche was dagegen tun.”

“Wir haben einen Abdruck auf dem Glas gefunden, der dem auf dem Klingelknopf gleicht.” Hans Müller von der Spurensicherung saß auf Schneiders Stuhl und blickte Udo erwartungsvoll an.
“Dem Teilabdruck auf dem Klingelknopf,” präzisierte Udo. “Das reicht nicht für eine Festnahme.”

‘Poppenbüttler Ecke’, was für ein phantasievoller Name, dachte Udo und trat in die Kneipe. Ein paar Tische, Stühle, eine Theke mit Zapfhahn und darauf Frikadellen im Glas. Udo wies sich aus und befragte den Wirt.
“Emil Erdmann und Heinz Eckhoff wurden ermordet. Das wissen Sie, nicht wahr?”
Der Wirt nickte und schwieg.
“Die waren Stammgäste, richtig?” Der Wirt nickte wieder.
“Wer war noch mit ihnen zusammen?”
“Dieter Stromberg, und dann noch eine Frau. Wenigstens am Anfang.”
“Wie hiess sie?”
“Ich glaube Lisa, eine Busfahrerin.” Der Wirt wischte über den Tresen. “Sie hatte diesen entsetzlichen Unfall, und danach hatte ich auch die drei anderen eine Weile nicht mehr gesehen.”
“Was für einen Unfall?”
“Sie hat mit ihrem Bus ein Mädchen auf dem Fahrrad überfahren. Stand doch in der Zeitung.”
Udo kramte in seinen Erinnerungen. “Das war diese Frau? Wurde von der HVV entlassen, richtig?”
“Nee, so weit ich weiss, in den Innendienst abgeschoben.”
“Und die drei Männer, sie kamen wieder?”
“Nur zwei von Ihnen, die später ermordet wurden. Fingen wieder mit der Sauferei an.”
“Hat sich die Frau noch mal sehen lassen?”
“Einmal. Es gab eine fürchterliche Szene. Sie hatte die beiden angeschrien, sie seien an ihrem Unglück schuld gewesen und jetzt betränken sie sich wieder. Doch die lachten nur.”

“Hallo Heinrich, wie war der Urlaub?” Udo legte die Bild Zeitung auf den Schreibtisch und seinen Apfel in die Schublade.
“Ganz nett,” meinte sein Kollege und fläzte sich auf seinen Stuhl. “Was gibt es Neues?”
“Zwei erschossene Alkoholiker. Heinrich, du musst mir helfen.”


Erich, der Mann im Rollkragenpullover lächelte sanft und fragte: “Udo, wir sollten uns zuerst mit dir befassen. Wie ist es Dir letzte Woche ergangen?”
“Es ist so schwer mit dem Trinken aufzuhören. Ich habe es versucht, ich habe es so versucht, und zwei Tage lang ging es gut. Dann kam es wieder über mich, und ich habe mir eine neue Flasche Tequila gekauft.” Udo wich Lisas Blick aus.
“Und die hast du leer getrunken, nicht wahr?”, fragte Erich und schüttelte den Kopf.
“So ist es. Wie komme ich nur davon los?”
“Erinnerst du dich noch an den zweiten Schritt?”
“Ja,” erwiderte Udo gequält. “Den mit der höheren Macht, die grösser ist als wir selbst.”
“Richtig. Vertraue dich dieser Macht an. Gott wird dir den richtigen Weg zeigen.”
“Wieso,” tat Udo verwundert,”hat er mich überhaupt den falschen Weg gehen lassen?”
“Du kennst doch das zehnte Gebot: Du sollst nicht begehren Deines Nächsten Weib.”
“Oh,” meinte Udo. “Das ist es.”

Als Udo in seinem Wagen Lisas Auto folgte, versuchte er cool zu bleiben. Nicht einfach bei dieser Frau. Sie hatte etwas an sich, was ihn erregte und zur gleichen Zeit erschreckte. Wie sie ihn ansah, mit ihrem Basiliskenblick, wie eine Schlange das Kaninchen. Wie hat sie die drei Männer dahin gebracht zu den Anonymen Alkoholikern zu gehen? Mit Erpressung, mit Sex? War sie der Mörder? Was war das Mordmotiv? Gab sie den Männern die Schuld an ihrem Unfall, den daraus folgenden privaten Konsequenzen? Der Teilabdruck auf dem Klingelknopf stimmte mit dem auf dem Glas überein. Nur, er war nicht komplett. Nie hätte ihm der Ermittlungsrichter einen Hausdurchsuchungsbefehl ausgestellt.
Lisa wohnte in Steilshoop, einer Neubausiedlung, die inzwischen sehr alt aussah. Er griff nach seinem Aktenkoffer und ging mit Lisa in das Gebäude. Das Treppenhaus war mit Graffitti verschmiert, die Beleuchtung funzelte vor sich hin. Als Busfahrer konnte man keine grossen Ansprüche stellen, oder? Er sah das Namensschild an der Tür. Die Frau hiess Lisa Krämer.

“Mach es Dir auf der Couch gemütlich, ich hole etwas zu trinken.”
“Brauchst du nicht, Lisa. Ich hab was mitgebracht.” Udo öffnete seinen Aktenkoffer und zog eine Flasche Tequila hervor.
“Den packst du schnell wieder weg!”, schrie Lisa erregt. “Keinen Alkohol in meiner Wohnung!”
“Entschuldige,” murmelte Udo und packte die Flasche wieder in seinen Koffer.
“Nun sag mal, Udo,” Lisa setzte sich zu ihm aufs Sofa und legte einen Arm um seine Schultern. “Warum hast du die Flasche mitgebracht? Meinst du nicht, es gäbe einen anderen Weg, Marisa zu vergessen?”
Sie zog ihn näher an sich, das Grün ihrer Augen sagte ihm ‘Freie Fahrt’ und er schloss die Augen, während sein Mund sich auf ihren presste, seine Zunge mit ihrer einen wilden Kampf begann.
“Komm,” stöhnte sie. “Komm ins Schlafzimmer.” Heinrich, dachte Udo, als er sah, dass die Tür des Kleiderschranks einen Spalt geöffnet war, dann flogen Knöpfe, als sie sich die Kleidung vom Leib rissen. Udo fand sich plötzlich nackt auf dem Bett.
“Ich werde dich Marisa vergessen lassen,” schrie Lisa und stürzte sich auf ihn. Es war ein Rausch. Udo wusste nicht, wie ihm geschah, und es kostete ihn Mühe, die Kontrolle über sich zurück zu gewinnen. Ihr Mund glitt über seinen Körper, liess Nervenden seiner Haut vibrieren, dann waren sie eins, eine dynamische Konstellation, ständig zum Wechsel bereit. Lisa kniete über ihm, bis ihr die Schenkel schmerzten, dann lag sie unter ihm und plötzlich fand er sich hinter ihr. Grunzen, Stöhnen, spitze Schreie brachen sich an den Wänden. Die Dimension der Zeit hatte sich aufgelöst, und war erst wieder vorhanden, als Lisa erschöpft auf dem Bett lag und sich nicht mehr rührte.
“Das war was,” keuchte sie und starrte gegen die Zimmerdecke.
“Ich weiss, und doch ist es so”, Udo verschwand im Wohnzimmer und tauchte mit seinem Aktenkoffer wieder auf, “Marisa will mir immer noch nicht aus dem Sinn.”
Bevor er die Badezimmertür hinter sich schloss, sah er, wie Lisa sich steil im Bett aufrichtete und ihm nachblickte.
Udo öffnete den Koffer, zog die Flasche Tequila hervor und schraubte den Verschluss ab. Er verspürte einen Luftzug und drehte sich um. Ihre Augen sprühten, die Brüste bebten, sie hatte den Finger am Abzug, und Udo dachte,
d a s ist schlimmer als ne Damenwahl. Ein Knall, Udo wankte und blickte an sich hinab. Wo war der Einschuss? Er sah keinen. Dann hörte er, wie die Pistole auf die Fliesen fiel, vernahm Stöhnen. Lisa lehnte kraftlos an der Wand und hielt sich die blutende Schulter.
Udo zog seinen Erste Hilfe-Kit aus seinem Aktenkoffer. Lisa liess es wortlos mit sich geschehen, dass er ihre Wunde verband.
“Mann, meine Kinnlade liegt noch immer auf dem Boden.” Schneider steckte die Pistole in sein Holster zurück. “Udo, ich bin beeindruckt.” Schwang nicht Neid in Schneiders Stimme mit? “Was für eine Ausdauer! Wie machst du das?”
Udo stieg in die Badewanne, drehte den Wasserhahn auf. “Die Schachpartie Marshall gegen Capablanca, die von 1909.”
“Was ist damit?” fragte Schneider und griff nach seinem Handy.
“Die hab ich im Geiste nachgespielt.”
“Ohne Orgasmus?”
“Doch nicht im Einsatz,” Udo grinste und lenkte den kalten Strahl der Dusche auf sich. “Da muss man einen kühlen Kopf behalten.”
“Frau Krämer, können Sie gehen? Kommen Sie, ziehen Sie sich was an. Ambulanz und Polizei sind auf dem Weg.” Schneider stützte sie und ging mit ihr ins Schlafzimmer.
“Ich bin Kommissar Schneider von der Mordkommission. Meinen Kollegen, Inspektor Schmitz, haben Sie ja schon näher kennengelernt. Ich verhafte Sie wegen Mordes an Emil Erdmann und Heinz Eckhoff.”
Udo folgte ihnen und sammelte seine Kleidungstücke vom Boden auf.
Lisa warf ihm einen schmerzerfüllten Blick zu. “Ich werde dich nie vergessen.” Tränen liefen ihre Wangen hinab. “Warum hast du nicht wenigstens so getan, als hätte ich Marisa aus Deinem Gedächtnis vertrieben?”
Schneider blickte Udo fragend an: “Wer zum Teufel ist Marisa?”, dann öffnete er die Haustür, ließ die Polizisten und die Männer von der Ambulanz in die
Wohnung.





















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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.10.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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