Volker König

Münchhausen

Wie ich nach Sansibar kam
 
Es freut mich, ihr Lieben, euch alle
nach so langer Zeit in meinem Pavillon um mich versammelt zu sehen.
Jetzt, da wir diesem seltsamen Gewürz im Punsch schon etwas
zugesprochen haben - ich muss allerdings vor seinem übermäßigen
Genuss dringend abraten...ja, gerade du, junger Freund, hast sicher
schon des Guten zu viel davon gehabt – will ich euch von meiner
weitesten und zugleich unbekanntesten Fahrt erzählen, die mich
in seinen Besitz brachte.

Es war im Jahr 1763, und ich hatte den
Auftrag von meinem guten Freund, dem indischen Maharadscha, dieses
überaus köstliche und teure Gewürz an den Sultan von
Sansibar zu übergeben, samt einer Depesche, bei deren Abfassung
der Maharadscha gelacht hatte, als hätte sich einer seiner
Günstlinge in eine Dirne verknallt und dabei ihre Profession
übersehen.

Wir waren gut voran gekommen - ich für
meinen Teil hatte mich bis dahin prächtig unterhalten - und
sollten Sansibar in wenigen Tagen erreichen. Da gerieten wir in eine
Flaute.

Eine Flaute ist nicht etwas, was man
so ohne weiteres hinnimmt, denn sie könnte schließlich
etwas werden, was man ungeduldig ertragen muss! Man bedenke, dass sie
Tage, ja Wochen dauern könnte. Und so war es dann auch. Das
Wasser wurde knapp, die Nahrung wurde knapp, die Geduld wurde
knapp...aber genug der Beschwerden.

Der Mann im Ausguck wurde verrückt,
ebenso wie der Kapitän. Ich will mich auch dazu nicht weiter
auslassen.

Mir klebte inzwischen die Zunge am
Gaumen, ach, was sage ich: Dieser trockene, rissige, harte Klumpen in
meinem Mund war weit davon entfernt, als Zunge bezeichnet zu werden.
Mein übriger Körper war in wenig besserer Verfassung, und
so wurde mir klar, dass es bald mit mir zu Ende gehen würde,
wenn ich nicht schnellsten etwas unternehmen würde. In meiner
Not durchsuchte ich das ganze Schiff nach Trinkbarem, und ihr könnt
mir glauben, ich hätte selbst einem Leidensgenossen alles weg
gesoffen, wenn ich etwas bei irgendwem gefunden hätte. Ich
wollte schon alle Hoffnung fahren lassen, als ich auf den
Schiffskompass stieß.

Hei, was sprang mein Herz, was
frohlockte mein Hirn, wie glücklich wurde meine Seele, denn die
Nadel des Kompasses müsste in Wasser schwimmen, in herrlich
klarem, süßem Wasser, in Leben spendendem Wasser...so
glaubte ich zumindest, bis ich das, was da war, hinunter gespült
hatte. Schreibt es der höllischen Hitze jener Gegend zu und dem
quälenden Durst. Was soll ich sagen: Das bisschen Flüssigkeit
war wohl eher eine Art Gemisch aus Wasser und Öl, und mit ihm
rutschte auch die Kompassnadel meinen Schlund hinunter.

Keine drei Stunden später kam
endlich frischer Wind auf. Der neue, selbst ernannte Kapitän
krakeelte, dass wir es schaffen würden. Ich bewunderte seine
Zuversicht. Als aber entdeckt wurde, dass der Kompass nicht mehr zu
gebrauchen war und wir darum die Richtung nicht genau würden
bestimmen können, sank die Moral der Leute niedriger, als es
meine Hose auf der Toilette tut. Entschuldigt die Ausdrucksweise,
aber in solcher Notlage ist der Feingeist leider beim Teufel!

Selbstverständlich habe ich mein
Missgeschick eingestanden und sofort eine Lösung parat gehabt.
Ich wies die Leute an, eine Wasserwanne aus der Täfelung meiner
Kajüte herzustellen. Dort legte ich mich hinein, und ich trank
zudem etwas Meerwasser - wir hatten ja nichts anderes, und ich
betrachtete es als Buße für meinen Fehler – sowie etwas
Speiseöl, um die Nadel in meinem Bauch wieder in Funktion zu
bringen. Ich würde uns so die Richtung weisen können.
Allein dieses funktionierte nicht zum allgemeinen und auch meinem
Missfallen. Seit ich damals schwer am Kopf verwundet worden bin, ist
das blitzschnelle Denken eine Kleinigkeit für mich, und ich
schloss daher haarscharf, dass das Problem in meiner eigenen
Abschirmung lag. Die magnetischen Strahlen der Erde konnten nicht
durch meinen Körper dringen – schon damals war ich nicht mehr
rank und schlank - und deshalb musste der magnetische Effekt
verstärkt werden. Aus meiner Wanne wies ich die Mannschaft an,
diesmal Nägel, Schrauben und Bolzen aus dem Schiff zu ziehen,
und sie mir zu schlucken zu geben. Wie ich wusste, würde die
Kompassnadel jedes Stück Eisen in ihrer Umgebung ebenfalls
magnetisieren. Auf mein Geheiß riss man also allerhand Metall
aus dem Schiff, rührte eine angenehme Mischung daraus - der
Schiffskoch bröselte sogar eine Priese Kümmel nebst einer
Fingerspitze Safran darüber - und ich würgte dies alles
hinunter zu unser aller Wohl, versteht sich.

Mir wurde speiübel, und ich
musste so kläglich ausgesehen haben, dass einer der Matrosen
sogar ein Bild von mir malen wollte! Er hat es getan, es hängt
heute drüben im Haus an der Wand neben dem Horn – ihr wisst
schon welches. Ihr könnt es jeder Zeit besichtigen.

Aber gut: Jetzt hatte die Mannschaft
ihre liebe Not damit, die Wanne bei jeder Kursänderung des
Schiffes mitzudrehen, damit ich frei ausgerichtet nach den Polen mit
dem gigantischen Magneten im Bauch, darin schwimmen konnte...eine
lebende Kompassnadel!

Unter Aufbietung aller Kräfte
gelang uns dieses Kunststück, und so segelten wir dahin bis
Sansibar. Man schleppte mich, der ich um das ganze Metall im Bauch
schwerer als gewöhnlich war, zum Palast des Sultans. Dort ging
ich ein einziges Mal auf den Abtritt, und wurde so den unnötigen
Ballast los. Anschließend haben wir die ganze Nacht besten
Tokajer gezecht, Unmengen des besagten Gewürzes dabei verkostet
bis uns ganz ulkig wurde und uns dabei an der Schönheit seiner
Sklavinnen erfreut. Zum Abschied schenkte mir der Sultan etwas von
dem Gewürz.

So war das damals im Indischen Ozean!
Und die Depesche? Selbst nach dem siebzehnten Glas Tokajer hat mich
der Sultan nicht in seinen Inhalt eingeweiht, aber ich vermute, dass
er etwas mit der Wirkung des Gewürzes auf Wahrheit zu tun hatte.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.06.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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