Andreas Rüdig
Das Hotel
Was sagt der Führer zu seinem Weibe, damit sie
schweige? "Braun, schweig!" Ist nicht gut, dieser historische Kalauer,
nicht wahr?
Wo schläft man im Libanon? Bei
Rut. Dieser geographische Kalauer gefällt mir schon wesentlich besser.
Es gibt schließlich nicht viele Orte, mit denen man Wortspiele treiben
kann. Mit Essen / Dortmund ("Wo liegt Essen?" "Dort, Mund!"), Bagdad
("Was sagt der Bäcker im Irak? "Bag dad!") und Glasgow (Was fordert der
Abstinenzler? "Glas, go(w)!") kann man auch wortspielen. Doch Beirut -
Bei Rut gefällt mir.
Bei
Rut gefällt mir. Es ein kleines, sauberes Hotel, in dem nicht viele
Fragen gestellt werden. Es liegt am Rande der Stadt und ist trotzdem
gut zu erreichen. Der Putztrupp kommt nur morgens, der Zimmerservice
nur auf Anfrage. Wer möchte, erhält auch ein nahrhaftes und
schmackhaftes Mittag- und Abendessen. Woher ich das alles weiß? Ich
habe dort ganz diskret zwei Wochen gewohnt und mich mit den
Gegebenheiten vor Ort vertraut gemacht.
Die Schlacht kann beginnen.
"Hey
Cheffe, ich würde gerne den Laden hier kaufen." Nur nicht mit der Tür
ins Hause fallen. Bei Verkaufsverhandlungen nähert sich der kluge
Geschäftsmann vorsichtig seinem Ziel. "Also: wieviel?" Ich erntete ein
sanftes Lächeln. "Nix." Nichts? Wieso nichts? "Diese Goldgrube ist
unbezahlbar. Also viel zu teuer, mein Lieber. Und außerdem
unverkäuflich..." Na, dann werden wir mal andere Seiten aufziehen
müssen.
Zuerst
kamen die Grafitis. "Liebe ist..:" oder "Erotik ist Gymnastik für die
Männlichkeit" heißt es da. Fleißig, wie er ist, übertünchte der
Hotelbesitzer diese Sprüche. "Sie sind künstlerisch wertlos,"
behauptete er am Telefon.
Dann
kamen die Rocker und Punks. Sie lungerten tagelang vor dem Hotel herum.
Betrat ein Gast das Hotel, gab es Pfiffe und Buhrufe. Also hing der
Hotelbesitzer zum Gegenangriff über. Fast täglich erreichten
Fahradfahrergruppen, Fußgängerselbsthilfegruppen und andere
Selbstorganisationen das Hotel - und das massenweise. Sie nutzten die
Sonderangebote so intensiv, daß meine Rocker und Punker den
Hotelbesitzer nur noch reicher machten. Also zog ich sie nach einer
Woche ab.
Eigentlich
hätte ich ja jetzt einen Brandanschlag verübt. Aber dann hätte ich da
Objekt meiner Begierde zerstört. Also führte ich ihn nicht aus.
Komisch
- seit zwei Wochen habe ich nun schon meine Ruhe. Dieser Mafiosi, der
mein seriöses Hotel in eine lasterhafte Liebeshöhle verwandeln will,
belästigt mich seit zwei Wochen nicht mehr.
Soll
ich nun zufrieden oder unzufrieden sein? Ich weiß es nicht. Ich habe
auch weiterhin eine regelmäßig, zahlungskräfte Kundschaft, die mir ein
regelmäßiges Einkommen sichert. Die öffentliche Aufmerksamkeit, die mir
während der Angriffe der Mafia aber sicher war, hat zum Glück ganz
schnell nachgelassen. So mancher Gelegenheitsgast, der meinen Kampf
miterleben wollte, kam nie wieder. Diese Art Aufmerksamkeit könnte ich
wieder gut gebrauchen. Sie brachte mir so manche zusätzliche Mark in
die Kassen. So, ich muß jetzt einen Rundgang durch das Hotel machen.
Ich muß sehen, wie mein Personal arbeitet.
Stümper!
Vollidioten! Versager! Knallköppe! Beschimpfungswerte Subjekte! Warum
ich so schimpfe, fragen Sie? Ganz einfach: Ich weiß jetzt, warum der
Mafiosi seit zwei Wochen so still war. Ganz subversiv schlich er sich
ins Hotel ein.
Das
Personal, das die vierte Etage betreut, wurde von ihm bestochen.
Heimlich, still und leise gestaltete es die Zimmer um. Die Betten
erhielten weiche Matratzen und viel Plüsch. Jedes Zimmer hat jetzt rote
Lampen. Überall sind erotische Bilder zu sehen. Ich habe im Gästebuch
nachgesehen. Überall in den 10 Zimmern wohnen unverheiratete junge
Damen. Sie arbeiten alle für einen Herrenbegleitservice und werden
jeweils nach einer Woche ausgetauscht. Was soll ich nur tun?
Sieg! Der Sieg ist mein! Die erste Etage ist erobert. Jetzt gilt es, auch den Rest zu erhalten.
Wo spielen Kinder? In Peters Burg. St. Petersburg.
Ach,
wie phantasieanregend sind doch Kalauer. Der obige brachte mich auf
eine Geschäftsidee. Die Namen "Peters Burg", "Ludwigs Hafen" und "Karls
Ruhe" ließ ich ganz diskret im dritten, zweiten und ersten Obergeschoß
anbringen. Wenn jetzt jemand meinen Begleitservice aktiviert, kann ich
ihn in Peters Burg oder Ludwigs Hafen schicken... Und dieser
Volltrottel von Hotelbesitzer hat nichts gemerkt...
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.06.2008.
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