Giuseppe Rinaldi

Das Treffen

Die Frau setzte sich vor ihren PC und schaltete ihn an. Als er hochgefahren war, startete sie den Explorer und loggte sich in ihren Lieblingschat ein. Das machte sie fast jeden Tag, seitdem sie zu Hause war, gezeigt hatte es ihr Sohn, wie das alles funktionierte. Sie fand es gut, sich mit anderen zu unterhalten, ohne gleich auf Tuchfühlung gehen zu müssen oder gar sie persönlich zu sehen. So lernte sie viele Leute kennen, selten Frauen, aber Männer, sehr viele Männer. Viele waren unmöglich, in jeder Beziehung, manche witzig, wenige sehr nett und witzig, also fast wie im richtigen Leben, im Chat aber konnte man sie löschen oder ignorieren, das war noch besser als in Wirklichkeit. Davon macht sie oft Gebrauch, es gab halt zuviel Dummköpfe, die sich nicht unterhalten wollten, sondern nur was suchten für eine Nacht oder eben ihre schmutzigen Phantasien ausleben wollten. Aber Chatfreunde hatte sie auch, ein paar, vorrangig Männer, aber auch vereinzelt Frauen, mit denen sie sich regelmäßig unterhielt.

Eines Abends aber passierte es, sie loggte sich wie immer in den Chat ein, chattete ein Weilchen mit verschieden Leuten, da sprach sie auf einmal jemand an. Hallo, entschuldige, das ich dich einfach so anquatsche, aber ich wollte dich endlich mal begrüßen, schrieb er. Sie dachte, mmhh, ist das eine dolle Begrüßung, und antwortete, ja hallo, schön, das du mich endlich mal begrüßt, hab ja lange darauf gewartet, bin ja schon seit einem Jahr hier, und sie lächelte. Ja, antwortete er, das weiß ich, aber ich habe mich nie getraut, dich anzusprechen, weil dein Nick einfach so schön aussieht, besser als all die anderen Nicks, dadurch war ich so gehemmt.

Sie lachte und dachte bei sich, vielleicht ist er ganz nett, wenn das so weitergeht und antwortete wieder. Es ging so weiter, über Stunden und man fand sich gegenseitig sympathisch und sie verabredeten sich für den nächsten Tag.

So ging es Tag für Tag, Woche für Woche und manchmal sah man sich für ein paar Tage nicht, dann vermisste sie ihn und er sie.

Die Beziehung wurde immer enger und vertrauter, man tauschte sich über Ehepartner aus, beide waren verheiratet, und über die alltäglichen Sorgen. Über Hobbys sprach man, wie viele Kinder man hatte und was man mag oder auch nicht mag.

Sie sprach über ihre Tierliebe und das sie Katzen zu Hause hatte und er war mit einigen Sachen nicht einverstanden, was sie mit ihren Tieren machte, aber letztendlich fand er es in Ordnung.

Einmal, da sagte er , im nächsten Leben werde ich eine Katze, da kann ich mit dir mal richtig kuscheln und ich werde dann von dir verwöhnt und in den Arm genommen, sie lachte und sagte, ok, ja , das würde ich machen.

Es wurden auch Fotos ausgetauscht, von sich, von den Partnern und natürlich auch von den Tieren und den Kindern.

Nach einer Weile hatte man auch soviel Vertrauen zueinander, das sie ihm ihre Telefonnummer sagte, sie war aufgeregt, als dann das Telefon klingelte, weil er anrief. Sie fand seine Stimme interessant und er ihre. So verging wieder eine Weile und irgendwann fragte er plötzlich nach einem Treffen. Nein, dachte sie, das will ich nicht, ich bin ja verheiratet, ich kann nicht. Er sah das ein, war aber trotzdem traurig, sprach das Thema Treffen immer wieder mal vorsichtig an und irgendwann sagte sie ja. Ok, sprach sie zu ihm, ich will bei dir eine Ausnahme machen, wir gehen dann schön Kaffee trinken und ein wenig spazieren. Ja klar, antwortete er, mehr möchte ich auch nicht, ich will dich nur einmal persönlich sehen, dich mal berühren. Sie vereinbarten einen Tag und eine Uhrzeit, es musste ja geplant werden.

Als der Tag da war, war sie aufgeregt, sie dachte, ja, ich möchte ihn treffen, ich möchte ihn sehen, es ist so schön mit ihm zu erzählen, zu lachen und auch zu weinen. Er ist einfach irgendwie toll, lieb, romantisch, witzig und manchmal unberechenbar. Aber, hoffentlich geht das gut und ich werde nicht enttäuscht, überlegte sie noch und dann machte sie sich fertig, schließlich war es Zeit los zu gehen.

Als sie am vereinbarten Treffpunkt angekommen war, stellte sie fest, das sie etwas zu früh losgegangen ist und setzte sich erstmal auf eine Bank. Er wird doch nicht in einen Stau geraten, dachte sie, schließlich fährt er ja ein paar Kilometer, wie viel waren es, mmhh, ja genau, etwas über 150. Na, wird schon gut gehen, er ist ja vorsichtig.

Die Zeit verging, erst eine halbe Stunde, dann noch eine. Ihre Laune wurde immer schlechter und sie wurde langsam ungeduldig, sowas, schimpfte sie leise, erst drängeln , mich unbedingt treffen wollen und dann nicht losfahren und ich sitze hier wie eine dumme Pute vor dem Schlachter. Nee, sagte sie sich, nie wieder, er hätte auch mal anrufen können. So stand sie auf und ging wütend nach Hause.

Plötzlich, kurz bevor sie zu Hause war, klingelte ihr Handy. Ach guck, sagte sie sich, jetzt ruft er an, wehe, er stand nicht im Stau. Sie guckte auf das Display, es war keine Nummer zu sehen, aber sie nahm das Gespräch trotzdem an.

Hallo, sagte sie ins Telefon, ja bitte ? Nichts, nur ein Rauschen war zu hören, hallo, brüllte sie noch mal, wer ist denn da !!

Hallo, klang es aus dem Hörer, total verrauscht, ich bins. Ja, schön, antwortete sie wütend, ich hör es, das du es bist, wo steckst du denn ?

Ich kann nicht kommen, klang es leise aus dem Telefon, wie bitte, rief sie, du bist so leise, ich verstehe dich nicht, was hast du gesagt ?

Ich kann nicht heute nicht mehr kommen, aber ich verspreche dir, ich werde dich besuchen, bald, sagte er unter lauten Rauschen. Dann war Ruhe, nur noch ein leises Zischen war zu hören, sie guckte noch eine Weile verwirrt das Handy an und legte dann auf.

Was war das, überlegte sie, erst stundenlang sich nicht melden und dann nur ein Satz und die Verbindung war ja wirklich saumäßig, wer weiß, wo er da war. Sie zuckte mit den Schultern und ging in ihre Wohnung.

Dort zog sie sich um, setzte sich in das Wohnzimmer, schnappte sich eine Katze und streichelte sie. Ja, dachte sie, ich bin wütend, so was passiert mir nicht noch mal, kein Treffen, nie mehr und dann überlegte sie sich, ob sie sich an den PC setzt. Nein, ich guck Fernsehen, das ist wohl besser heute, ich brauch Ablenkung.

Also schaltete sie den Fernseher ein, zappte eine Weile durch die Programme und hörte plötzlich was von einem Unfall auf der Autobahn. Sie schaltete zurück und da wurden gerade die Bilder gezeigt, ein Massenunfall, drei PKW´s und ein Tiertransporter, es war Stau und der Transporter fuhr ungebremst in das Stauende, die Autos waren kreuz und quer ineinander verschoben, es gab 5 Tote, keiner der PKW - Fahrer und Beifahrer hat überlebt. Die armen Tiere auf den Viehtransporter werden nicht mal erwähnt, dachte sie bei sich, als sie plötzlich bei einem Auto das Kennzeichen sah, oh, dachte sie, so eins hat er ja auch und dann merkte sie, das es ja die Autobahn war, wo er lang musste. Sie guckte auf die Uhrzeit, der Unfall war vor anderthalb Stunden passiert. Dann holte sie den Zettel vor, wo sie sich sein Kennzeichen aufgeschrieben hatte, wegen dem Treffen und guckte noch mal zum Fernseher. Dort wurde das Auto noch mal gezeigt, das einzige, was man erkennen konnte, war das verbeulte Kennzeichen und ihr wurde auf einmal kalt, sehr kalt. Er ist es, es ist sein Auto, aber wieso, dachte sie, das geht doch nicht, das gibt es doch nicht, warum ? Sie zitterte, es wurde ihr abwechselnd heiß und kalt. Jetzt war ihr klar, warum er nicht gekommen war, er konnte es nicht, weil er einen Unfall hatte und er tot war.

Sie brach zusammen und lag abends noch da, als ihr Mann und ihr Sohn nach Hause kam. Sie wunderten sich, warum sie weinend auf der Couch lag, schluchzend und nichts sagte. Ihr Mann deckte sie zu und ging ins Bett.

Am nächsten Morgen hatte sie verquollene Augen, aber weinen konnte sie nicht mehr, sie hatte einfach keine Tränen mehr. Langsam wurde ihr auch klar, das dieser komische Telefonanruf ja gar nicht sein konnte, er hatte ja erst angerufen, als der Unfall schon passiert war und so was gab es einfach nicht, durfte es nicht geben. Er war bestimmt schwerverletzt und das war sein letzter Anruf, dachte sie sich, aber nein, das geht nicht. Sie las die Zeitung, darin war der Unfall noch mal genau beschrieben und das alle Insassen sofort tot waren. Sie konnte nicht mehr weiterlesen, legte die Zeitung weg und starrte vor sich hin.

Sie saß noch da, als ihr Sohn nachmittags nach Hause kam, er fasste sie sanft an ihre Schulter und sagte leise, Mama, hörst du, Mama, ich muss dir was sagen ! Langsam drehte sie ihren Kopf und guckte ihn an und sagte, ja, was ist ?

Ich hab, nun ja, ich hab draußen vor der Tür jemanden gefunden. Wen hast du gefunden, fragte sie leicht wütend. Nun ja, stotterte er, eine Katze, einen schwarzen Kater, er saß schon heute früh vor der Haustür und hat miaut und jetzt saß er immer noch da, als ich die Tür aufgeschlossen habe, huschte er mit rein und nun ist er drin in der Wohnung.

Sie guckte auf und da war er, ein Kater, mit schwarzem Fell, graue Haare mittendrin und er guckte sie mit seinen großen Augen an und miaute leise. Komm her, sagte sie leise und als wenn er darauf gewartet hat, sprang er auf ihren Schoß, rollte sich zusammen und schnurrte leise.

Das gibt es nicht, sagte ihr Sohn, er wollte nicht mal von mir gestreichelt werden und dir springt er gleich auf den Schoß.

Ja, sagte sie, merkwürdig und dachte aber an den Satz, den er vor längere Zeit gesagt hat, wegen dem nächsten Leben und so.

Das geht doch nicht, dachte sie, das wäre ja….Sie flüsterte leise seinen Vornamen und auf einmal guckte der Kater auf und miaute leise. Da konnte sie nicht mehr, fing wieder an zu schluchzen und drückte den Kater an sich.

Nach einer ganzen Weile beruhigte sie sich und in den nächsten Tagen wurde das neue Mitglied von der ganzen Familie und auch von den anderen Katzen akzeptiert.

Später verging ihr Schmerz und ihr Kummer, wenn sie dann mal wieder traurig wurde, dann nahm sie sich den Kater und streichelte ihn, solange, bis die Trauer weg war.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.07.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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