Matthias Lübbers

CARANTHAN Die Schwarze Pyramide

                                                  
 
Hier strandete einst eine Raumarche. Geflüchtet von einem Planeten der durch atomare Kriege, Naturkatastrophen und Pandemien unbewohnbar wurde. Die Nationen die noch über genügend Ressourcen verfügten, bauten gigantische Raumarchen in den Orbitalen Docks und Hunderttausende Menschen machten sich auf die Suche nach einer neuen Heimat.
 
Viele Archen erreichten ihr Ziel nie.
 
Sie wurden Opfer von Asteroidenfeldern, Novae, technischem Versagen oder von anderen feindlich gesinnten Lebensformen. Eine Arche namens „Caranthan“ steuerte einen Planeten in einem weit entfernten Spiralarm der Galaxie an. Es war eine Reise die tausend Jahren dauern sollte, doch der Wagemut der sechs organischen Computernavigatoren wurde belohnt. Mit einer akzeptablen Verlustrate von nur zwanzig Prozent, überlebten genügend Siedler um die Neue Heimat zu kolonisieren.
 
Das neue Sternensystem besaß eine weiße Riesensonne mit sieben Planeten, von denen zwei von verschiedenen Zivilisationen bewohnt waren. Auf dem Planeten der der Sonne am nahesten stand, befand sich die einheimische Lebensform noch in einer der früheren Phasen der Entwicklung. Auf dem anderen fielen die wenigen, höher entwickelten Lebewesen mehreren natürlichen Umweltbedingungen zum Opfer. Nur der fünfte Planet besaß zwei Trabanten und war geeignet für eine Besiedlung.
 
Dort lebten eine Vielzahl von Lebewesen und Pflanzen auf acht Kontinenten. Das Wasser war sauber und die Atmosphäre frei von Verschmutzung. Es gab nur eine geringe Population die erst vor wenigen Jahrzehnten das Stadium des Ackerbaus erreicht hatte wie die Computernavigatoren errechneten. Der Planet umkreiste die Sonne in einer elliptischen Bahn und ein Jahr alter Zeitrechnung betrug umgerechnet sechzehn Monate, während ein Tag denselben Zyklus besaß wie der des Heimatplaneten. Die Arche errichteten auf dem größeren der zwei Monde eine Basis um den Planeten genauer untersuchen zu können und geeignete Landeplätze für die Besiedlung zu finden. Während dieser Zeit mussten genetische Modifikationen an den Schlafenden unternommen werden, um sie an die leichten Veränderungen des Gasgemisches der Atmosphäre und deren Strahlungswerte anzupassen. Es waren nur geringe Veränderungen die gemacht wurden, doch die genetische Datenbank wies zahlreiche Defekte auf und es war nötig die fehlenden Sequenzen mit denen der Einheimischen zu reparieren. Auch dies nahm eine lange Zeitspanne in Anspruch und reduzierte die letzten Energieressourcen für die letzte und wichtigste Aufgabe der Besiedlung.
 
So verließ die Arche den Mond und hinterließ dort eine geringe Anzahl von Menschen in der lunaren Basis zurück um ihn urbar zu machen. Im geostationären Orbit der Neuen Heimat koppelten die Sektoren der Arche ab und sanken in die Atmosphäre Caranthans ein. Doch die lange Reise, die Zeit der Genreparaturen, der Materialverschleiß und der Verbrauch der Energien forderte ihren Tribut. Sämtliche Sektoren landeten überall auf Caranthan bruch und verstreuten ihre menschliche Fracht auf den Kontinenten.
 
Die Überlebenden stiegen aus der Asche der Wracks und mit den letzten Wissensspeicher der Navigatoren bauten sie eine neue Kultur auf und erforschen und erkunden ihren Planeten seit über zwei Jahrtausenden. Aber das meiste Wissen der alten Kultur geriet in Vergessenheit und musste neu erlernt werden. Das sie einmal von einem anderen Planeten kamen wissen nur eine Hand voll der heutigen Generationen. Dennoch lebt in jedem Caranthaner die Sehnsucht nach den Sternen weiter.
 

 

 


 
 
                                                       Prolog
 

 

 

 
Granon stand am Ufer und dachte sich, das diese Stelle genau richtig sei um zu Angeln. Mit einem leisen Klatscher landete der Köder im Wasser und Granon ließ sich mit einem entspannten Seufzer in das Gras am Ufer des Flusses Seneja nieder. Schon nach ein paar Minuten hatte ihn die Erschöpfung der Feldarbeit übermannt. Träge blinzelte der Junge auf das Wasser. Die Nachmittagssonne färbte die glitzernde Oberfläche in die wunderschönen Farben des frühen Herbstes. Ein leichter Wind blies über das Land, ließ das Schilf am Ufer entlang in einem hypnotischen Wiegen Hin und Her schwenken. Auch die Blätter in den Bäumen nahe vom Fluss raschelten und die ersten Blätter fielen zu Boden. Granon mochte den Herbst, bedeutete er doch das die anstrengende Arbeit auf dem Bauernhof seiner Eltern und den dazu gehörigen Feldern beendet war und es wieder Zeit gab ein wenig zu faulenzen bevor die getrockneten Gemüsearten für den Winter haltbar gemacht werden mussten. Er fing an zu dösen und kurz darauf war Granon eingeschlafen.Deshalb entging ihm, das zwei Augenpaare ihn aus dem Wasser beobachteten.
 
Es waren gelbe Augen, leicht schräg mit geschlitzten Pupillen und einer zweiten Haut überzogen die sie vor dem Wasser schützten. Langsam näherten sie sich dem Ufer. Ohne das geringste Geräusch kamen sie bis auf wenige Meter heran. Schon waren sie bereit zuzuschlagen als ein leises Knacken die Stille unterbrach. Ein kleines Mädchen verharrte am Waldesrand in leicht geduckter Haltung. Sie sah das ihr Ziel nicht erwachte sondern zur Seite drehte und weiterschlief. Dabei rutschte die Angel ein wenig von seinen Beinen, fiel aber nicht in den Fluss. Nach ein paar Atemzügen schlich das Mädchen weiter, darauf bedacht jedes noch so kleine Geräusch zu vermeiden. Innerhalb von wenigen Schritten erreichte sie Granon und machte sich bereit. Mit angewinkelten Armen, die Hände gespreizt griff sie Ihrem Bruder mit lautem Gebrüll in die Seiten um ihn zu erschrecken.
 
„UUUAAAHHH.“ rief sie so laut wie sie konnte „Hab ich dich erwischt, Brüderchen!“
 
„AAAAAAAHHHH.“ schrie Granon und sprang auf, wobei er die Angel vor Schreck ins Wasser fallen liess.
 
„Wer in Abgrunds Namen…?“ Granon drehte sich um und sah wer ihn da bei seiner wohlverdienten Nachmittagspause störte.
 
Vor Lachen sich den Bauch haltend rollte sich seine Schwester Marlan auf den Boden herum, „Du hättest dich sehen sollen.“
 
„Na warte, das wirst du mir büßen.“ sagte Granon und warf sich auf Marlan um sie zu kitzeln. Da sie drei Jahre jünger als ihr vierzehnjähriger Bruder war hatte Marlan nicht die Möglichkeit Granons flinken Händen zu entkommen und ihr Bruder war gut darin sie in wahrsten Sinne des Wortes zu Tode zu kitzeln und so balgten die beiden bis Marlan vor Tränen in den Augen aufgab.
 
„Granon ich kann nicht mehr, meine Seiten schmerzen vor Lachen, bitte hör auf.“
 
„Also gut, du hast deine gerechte Strafe erhalten.“ äffte er ihren Vater nach wenn er Granon für eine seiner Dummheiten zurecht wies. Er stand auf und half Marlan auf die Beine. Sie klopften sich das Gras aus ihrer Kleidung und schöpften erstmal wieder etwas Atem.
 
„Wie hast du mich gefunden, bist du mir gefolgt?“ fragte Granon.
 
„Nein.“ antwortete Marlan “Ich wusste, wo ich dich finden würde. Es gibt nur einen Platz an den du gehst wenn du dich aus dem Staub machst.“
 
„Ab und zu muss ich mich halt verdrücken und die Arbeit Arbeit sein lassen.“ antwortete Granon „ Dieses Fleckchen ist mir halt das liebste auf der Welt.“
 
„Ach, und ich dachte das wäre Lujana, die dir immer schöne Augen macht und dir wie blöde zulacht.“ Marlan äffte ihrerseits ein überzogen verführerisches Zwinkern nach um ihren Bruder zu ärgern.
 
„Davon verstehst du doch gar nichts, “ wehrte Granon ab und machte eine wegwischende Geste. Er sah zu der Angel und bemerkte dass sie inzwischen in die Mitte vom Seneja getrieben war und er sie nicht mehr erreichen konnte.
 
„Oh, jetzt kann ich mir eine neue basteln.“ kam der leichte Vorwurf von Granon.
 
„Entschuldige, das wollte ich nicht, bist du böse auf mich?“ fragte Marlan mit einem unschuldig wirkendem Gesicht.
 
„Eigentlich sollte ich das aber wie kann ich meiner kleinen Schwester böse sein, da du doch ohne Hirn auf die Welt gekommen bist.“ neckte Granon sie.
 
„Du gemeiner Trollknutscher.“ empörte sich Marlan, warf sich auf Granon und schon waren sie wieder am Boden und balgten herum. Von der Strömung mitgezogen trieb die Angel an den beiden gelben Augenpaaren vorbei, die sich nach dem Knacken unter Wasser versteckt hielten und nun wieder aufgetaucht waren. Zielstrebig schwammen die Geschöpfe auf das Ufer zu. Geduldig warteten sie im Schilf auf die passende Gelegenheit. Als die Geschwister miteinander balgten, sahen sie ihre Chance gekommen und stiegen aus dem Wasser. Ihre Opfer waren nur zwei Schritte entfernt und bemerkten das Unheil das sich ihnen näherte, nicht im geringsten. Im kindlichen Frohsinn waren sie zu beschäftigt um die Schatten, die auf sie fielen, zur Kenntnis zu nehmen.
 
Marlan lag unter ihrem Bruder und konnte sich der Kitzelattacken nur schwer entziehen mit denen sie Granon eindeckte. Durch halb geöffnete Augen sah sie die Kreaturen im Rücken ihres Bruders. Augenblicklich riss sie ihre Augen auf und sie füllten sich mit purer Angst. Granon stutzte und dann fiel auch ihm der Schatten auf. Er drehte sich um und wie seine Schwester war er geschockt. Marlan fing an zu schreien. Ebenso Granon. Ein furchtbares Knacken ertönte und ein Körper fiel neben ihr ins Ufergras.
 
Sie schaute nach links und blickte in die toten Augen ihres Bruders.
 
Sekunden danach schrie auch Marlan nicht mehr…
 

 


 
 
Kapitel 1
 

 

 

 
Krachend knallte die Tür zur Seite und ein pelzbesetzter Stiefel trat über die Schwelle in das Wirtshaus Schwert und Schild.
 
„BIIIEER!“ schallte eine tiefe Stimme und die muskulöse Gestalt eines Nordmannes trampelte in den Schankraum und auf einmal war alles ruhig. Er sah typisch nordmännisch aus. Die Beine steckten in schweren Pelzstiefeln, eine eichenfarbene Lederhose die ebenfalls mit Pelzen geschmückt war, bedeckte seine Beine. An der Hüfte hingen zwei Wurfäxte. Sein Lederwams war mit Kettenringen verstärkt wie auch seine Unterarmschoner. Diese waren zusätzlich mit feinen Knochen geschmückt die länglich an die Arme angepasst worden. Die linke Schulter verzierte der Schädel eines Eiswolfs aus dem Norden, der von innen mit einem blattgrünem Gewebe abgedichtet wurde und dem Schädel unheimlich wirkende Augen gab. Dazu hing eine Kette mit Eiswolfzähnen um seinen Hals. Hinter der rechten Schulter sah man den Griff eines Langschwertes und eine rot-grün karierte Baumwollschärpe hing bis an seine linke Hüfte herab. Sein linker Arm wurde von einem kleinen Dornenschild geschützt. Das Gesicht war leicht gebräunt und strahlte jugendliche Kraft und Stärke aus. Dunkelblondes, langes Haar fiel in Wellen auf seine Schulter, das von einem dunkelbraunen Lederband im Zaum gehalten wurde, so dass es ihm im Kampf  nicht die Sicht raubte. Die Augen hatten die Farbe von tiefblauem Wasser. insgesamt war er mit seinen 1, 84 m eine imposante Erscheinung.
 
„Oh Nein.“ stammelte der Wirt. Mit einem frisch gezapften Humpen in der Hand starrte er zur Tür und befürchtete das allerschlimmste. Der Nordmann sah den Humpen, lief geradewegs auf den zitternden Wirt zu, riss ihm das Bier aus der Hand und schluckte gierig das herrlich kühle Nass herunter. Hörte der Wirt wirklich ein Zischen als der Nordmann das Bier runterstürzte? Wiederum mit einem Knallen landete der leere Humpen auf der Theke und der Nordmann liess ein lautes Rülpsen folgen.
 
„Das tat gut. Wirt, gib mir noch eins!“ forderte er.
 
Schneller als jeder gucken konnte, verschwand auch das nächste Bier in seinem Rachen. Darauf folgte ein noch größerer Rülpser. Der Nordmann nahm den nächsten Humpen und steuerte auf einen großen freien Tisch in der hinteren Ecke zu. Mit wachsamen Blicken folgten die Bauern im Schwert und Schild dem Nordmann. Denn man wusste nie genau was einer von dieser Sorte so alles im Kopf hatte wenn sie ihren Durst auf eine so ungestüme Weise stillten. Doch außer das er das dritte Bier nun langsamer trank, geschah nichts weiter und die Gespräche gingen weiter. Da öffnete sich die Tür noch mal und weitere Gestalten betraten das Wirtshaus.
 
„Ah, da kommt ihr ja endlich, ich dachte schon ich müsste alleine unseren Sieg feiern.“ rief der Nordmann.
 
„Nach dem du wie ´n brünftiger Blarrk vom Feren gesprung´n bist und in das Wirtshaus gerannt bist hab`n wir unsere Feren erst in ´n Stall gebracht“, erwiderte Ramloc Stahlschlag, der Zwerg, „was mit deinem werd´n soll, weiß ich natürlich nich´.“ setzte er mit einem breiten Grinsen nach.
 
„Mach Dir um meines keine Sorgen Kurzer, das findet schon seinen Weg, du weißt doch das nichts und niemand einen Nordmann aufhalten kann wenn er seinen Durst löschen muss.“
 
„…und `n Zwerg ers` recht nix.“
 
Ramloc Stahlschlag war für seine Rasse recht groß geraten, etwa 1,40 m wenn man seine Lederstiefel dazu zählte. Stolz trug er eine komplette Basiliskenschuppenrüstung, die mit silbrig-grünen Schuppen schimmerte. Dazu war der Zwerg mit einer prächtigen Doppelaxt und mehreren Wurfmessern die an seinem breiten Gürtel hingen, bewaffnet. In seinem harten Gesicht prangte ein liebevoll gestutzter Vollbart und seine Augen waren von steingrauer Farbe. Die Haare waren braunrot und kurz gestutzt. Das Alter war, wie bei jedem Zwerg schwer zu schätzen, da sie bis zu 250 Jahre alt werden konnten, doch dieser hatte sicherlich schon vier bis fünf Jahrzehnte gelebt und galt somit unter seinesgleichen als Heranwachsender. Ramloc wandte sich an den Wirt und bestellte eine neue Runde Humpen dann setzte er sich zu seinem Kamerad.
 
„Wie ich seh´ haste schon ein`n Vorsprung, Magnus.“
 
„Ich hatte auch großen Durst.“ grinste Magnus.
 
„Ja, das hab’n wir sogar drauß’n gehört.“
 
Der Nordmann grinst als Antwort nur breit und prostete dem Zwerg zu.
 
„Dann hör mal was ich dazu zu sag`n hab` “, sprach Ramloc und stürzte seinen Humpen ebenfalls runter.
 
Ein noch größerer Rülpser entfuhr seiner Kehle und brüllend vor Lachen fuhren sie mit ihrem Wettstreit fort.
 
„Jedes mal dasselbe mit euch“, erklang betont vorwurfsvoll die Stimme des Schildmeisters neben ihnen, „kaum lässt man euch zwei alleine führt ihr euch auf wie die Schweine.“
 
„Hört, Hört, da kann jemand aber gut reim`n, was?“ sagte der Zwerg belustigt.
 
„Vielleicht solltest du Barde werden“, schlug Magnus vor.
 
„Wieso…Oh.“ war die einzige Erwiderung.
 
„Jetzt setz’ dich endlich hin, Grayden oder willst du da steh`n bleib`n und zu Stein erstarr`n?“ fragte Ramloc den Schildmeister.
 
„Ach was soll´s.“ murmelte er müde.
 
Grayden Reynhard kleidete sich nicht mehr in die traditionelle Rüstung seines Ordens. Er trug eine mittelschwere dunkelbraune, fast schon schwarze Panzerweste, die an den Schultern mit weißem Stahl abgesetzt war. Die Hände steckten in den passenden Handschuhen. An dem linken war  ein Stück länglicher weißer Stahl eingearbeitet der als Enerschild in Kraft treten konnte. In der grauen Schärpe um seine Mitte steckte links sein Bastardschwert. Dessen Klinge war aus schwarzem Kristall geschmiedet worden und steckte in einer schmucklosen Scheide. Daneben befand sich noch ein Kurzschwert auf der rechten Seite. Er trug eine Hose die wie Seide wirkte und in einen nachtschwarzen Ton eingefärbt war. Dabei schützte sie wie das beste bekannte Leder. Zusätzlich waren daran für die Unterbeine und die Schenkel Metallplatten darauf genietet. Der Schildmeister trug um den Hals als einziger der Gruppe keinen Trophäenschmuck und hatte wie Ramloc braune Haare. Seine Augen besaßen die gleiche Farbe. Er machte einen Kampf erfahrenen Eindruck und war es gewohnt zwar als ehemaliges dennoch ranghohes Ordensmitglied Autorität auszuüben. Doch die Zeit mit der Gruppe machte ihn zu nehmend lockerer in seiner Art. Hatten sie ihn doch als ihren Anführer akzeptiert, obwohl wichtige Entscheidungen von allen mit bestimmt wurden.
 
Grayden rief dem Wirt zu das sie für die Nacht vier Zimmer bräuchten und bestellte allen etwas zu Essen. Der Wirt nickte und gab ihnen die Schlüssel. Im gleichen Moment gesellte sich Shana zu ihnen, eine Renegatin der Assana, ausgestoßen und von ihrem alten Orden für Vogelfrei gebannt worden. Niemand aus der Gruppe kannte eine bessere Bogenschützin und Alkemistin. Shana trug laubbraune halbhohe Schuhe und ihre Kleidung bestand aus einer Bogenschützenrüstung aus leichtem hellem Leder. Diese war mit weichen Stoffen gepolstert, der rechte Arm blieb frei zum Schießen. Sie band lediglich ein paar Lederbänder um Handgelenk und Schulter. Dazu ihren schwarzbraunen, breiten Gürtel, an dem unzählige Beutel hingen. Darüber hinaus noch ein Kurzschwert, leicht gebogen, war es elegant und tödlich. Shana hatte langes schwarzes Haar, das ihre helle Haut betonte. Ihre schönen grünen Augen hatten etwas Bezauberndes und so mancher Mann konnte sich darin verlieren. Den schwarzen Hirschholzbogen und den Köcher lehnte sie an den Tisch. Sie bestellte kein Bier sondern verlangte nach heißem Blattwasser, was ihr vom Wirt einen verdutzten Blick einbrachte und unterdrücktes Gelächter von den anderen Tischen. Das kümmerte sie jedoch nicht. Sie war viel zu müde von dem letzten Abenteuer.
 
„Schade das Dimitrion nicht dabei gewesen ist.“ sagte Grayden als er sich setzte.
 
„Ja, schade dass er so viel zu tun hat. Dennoch freue ich mich für ihn.“ sagte sie.
 
„Damit gehen auch Pflichten einher, schließlich trägt er auch die Verantwortung über ein kleines Dorf und das ist bestimmt nicht leicht. Steuern bestimmen, Gesetze erlassen, Ernten überwachen, Verteidigungen errichten und so weiter und so weiter.“
 
„Dafür kann er jede Nacht in einem Bett schlafen, muss nicht mit einem Auge wach bleiben, Wache halten...“
 
„Hey, wir sin` auch noch da.“ rief der Zwerg mit voll gestopftem Mund.
 
„Genau.“ stimmte ihm Magnus zu.
 
Der Wirt hatte inzwischen das Essen gebracht und auf dem Tisch standen Teller mit dampfendem Gemüse, frisch gebackenem Brot, gegrillten Schweinescheiben und eine Schale voll mit Toffeln die mit herzhaftem Käse überbacken waren. Ramloc stach mit der Gabel eine auf und roch daran. Da der Zwerg aus seiner Sicht ein Feinschmecker war, allerdings nur wenn es sich um Fleisch und Höhlenpilzen handelte, das wussten alle in der Gruppe, begutachtete Ramloc dieses Stück Toffel einem kritischem Zwergenblick. Das er dabei die Zunge aus dem Mundwinkel streckte und einen nicht gerade intelligenten Eindruck machte, hatte sich mit lautem Gelächter nur ein einziger Mensch getraut und der aß bis zu seines Lebensende nur noch Suppe.
 
Shana und Grayden schauten sich an und mussten wohl dasselbe denken als am Nachbartisch einige Gäste anfingen auf den Zwerg zu zeigen und hinter vorgehaltener Hand über ihn zu lachen. Mit eindeutigen Gesten versuchten Shana und Grayden ihnen das auszutreiben bevor der Zwerg davon etwas mitbekommt. Doch da war es schon zu spät und ein Humpen traf den am lautesten Lachenden am Kopf. Dieser fiel hinten über und ging mit einem lauten Krachen zu Boden.
 
„Wer wagt es über mich zu lach`n?“ schrie der Zwerg, „Du? oder Du?“
 
Ramloc schaute zwei Bauern an die in ihrem Lästern abrupt aufhörten und unterwürfig verneinten und die Köpfe senkten um keinen weiteren Humpenwurf zu riskieren.
 
„Na dann is` ja gut.“ grinste Ramloc und beließ es dabei. Er setzte sich schnaufend hin und stopfte die Toffel in seinen Mund.
 
„Schmecken gut die Dinger.“ sagte Magnus zu seinem Freund.
 
„Mit Höhlenpilz`n wär`n se besser.“ antwortete Ramloc.
 
„…und mit Fjordsalt.“ ergänzte der Nordmann.
 
Grayden und Shana schüttelten nur ihre Köpfe und verdrehten die Augen, denn niemand reißt ungestraft über einen Zwerg Witze. Manchmal mussten die Menschen schmerzhaft daran erinnert werden. Die Bauern zogen ihren bewusstlosen Kumpel raus, wahrscheinlich um den Heiler des Dorfes auf zu suchen. Oder einen Eimer Wasser. Das war Shana egal, sie trank ihr heißes Blattwasser und Grayden begann von den Speisen auf dem Tisch zu essen. Shana tat es ihm gleich und die nächste Stunde waren sie damit beschäftigt ihre knurrenden Bäuche zu füllen. Danach rückten sie die Stühle an den Kamin und Grayden stopfte eine Pfeife mit Maha. Kräuterduft erfüllte den Schankraum. Grayden zog zweimal und reichte die Pfeife an Shana weiter, sie zog einmal und reicht ihrerseits die Pfeife weiter. Nach dem das Maha geraucht war, entspannten alle und schauten gemeinsam in das flackernde Feuer. Ihre prall gefüllten Mägen taten ihr übriges so dass Magnus der erste war der gähnte und sich auf sein Zimmer begab. Ramloc folgte ihm kurze Zeit später.
 
Minutenlang sagte keiner von beiden ein Wort. Sie genossen einfach nur die Ruhe des späten Abends und jeder hing seinen Gedanken nach.
 
„Wir könnten ihn doch besuchen.“ sagte Grayden auf einmal.
 
„Dimitrion?“ fragte Shana müde nach.
 
„Ja, wie lang haben wir ihn schon nicht mehr gesehen. Über ein Jahr, oder?“
 
„Länger als ein Jahr, seit dem wir uns an den schwebenden Inseln verabschiedeten, weißt du nicht mehr?“
 
„Doch, natürlich, im Östlichen Land.“ erinnerte sich Grayden „Er hat doch mit der Tochter des Mandarrn angebändelt nach dem wir sie aus den Klauen der Harpyien befreit haben.“
 
„Die wollten sie doch die Teufelsklippen runter werfen, damit ihr Flügel wachsen und sie eine von ihnen wird.“
 
Grayden grinste leicht als er sich erinnerte.
 
„Harpyien sind nicht wirklich mit viel Verstand gesegnet worden“.
 
„Stimmt, dafür sind ihre Krallen umso schärfer.“ sagte Shana und strich sich über ihren linken Arm. Dort hatte sie eine Brutharpyie gepackt als die Gruppe an das Nest geschlichen war und sie versucht hatte Shana in Luft zu ziehen. Mit ihren Kurzschwertern hatte sich die Assana befreien können, doch gegen die Narben konnte ihre Heilkunst nichts ausrichten und so zierten drei davon ihren linken Unterarm. Die Krallen hatte sie gemahlen und als ein Pulver in einem ihrer Beutel untergebracht, sie wollte damit Versuche anstellen und herausfinden welche Verwendung sie für diese Zutat hat.
 
 „Lass uns morgen mit Magnus und Ramloc darüber reden, ich bin zu müde und möchte mich schlafen legen.“ schlug Shana vor.
 
Als sie nach ein paar Sekunden keine Antwort erhielt, sah sie zu Grayden rüber und sah dass der Schildmeister auf seinem Stuhl eingeschlafen war. Shana stand auf, küsste ihn auf die Stirn und nahm die Pfeife aus seiner Hand. Sie wollte nicht riskieren mitten in der Nacht aus einem brennenden Haus fliehen zu müssen. Oben angekommen hörte sie aus den hinteren Zimmern ein Schnarchen. Lächelnd ging sie in ihren Raum und schloss die Tür hinter sich zu. Schon bald hatte sie im Bett ebenfalls der Schlaf übermannt und Merphion, der Gott der Nacht, nahm sie sanft in ihre Arme. Ihre letzten Gedanken galten Grayden der morgen früh wohl mit einem steifen Nacken aufwachen würde.
 

 

 

 

 
*
 

 

 

 

 
Am nächsten Morgen fanden sich alle erst gegen den späten Vormittag unten im Wirtshaus ein. Mit scheelem Blick betrachtete der Wirt den mürrischen Ramloc.
 
„Keine Angst, wenn er aufgestanden ist, ist er nicht so…aufbrausend.“ versicherte ihm Grayden.
 
„Aber dafür schlecht gelaunt.“ murrte Ramloc als er sich setzte.
 
„Am besten wäre jetzt wohl ein kräftiges Frühstück.“ sagte der Nordmann.
 
Mit einem besorgten Ausdruck im Gesicht verschwand der Wirt im hinteren Teil der Stube. Der Duft von gebratenem Speck, Eiern und frischem Brot kam kurz darauf aus der Küche und belebte ihre Sinne. Die Frau des Wirts brachte ihnen einen starken Morgentrank den alle schnell getrunken hatten. Einen ließ sie auf Nachfrage für Shana zurück, die noch nicht erschienen war.
 
„Wie kommt`s nur das Frauen immer zu spät kommen müssen?“ fragte Magnus an Grayden gerichtet.
 
„Sie brauchen halt mehr Zeit um sich hübsch zu machen.“ sagte Grayden.
 
„Ich hab gehört, dass Frau`n sich morgens ihr Gesicht erst aufschmink`n müss`n, damit sie eins hab`n.“ meinte Ramloc.
 
„Das würde dir heute Morgen gut geraten sein, so wie du aussiehst, Ramloc Schmelzgesicht.“ rief Shana von der Treppe herab.
 
„Uuups.“
 
Schnell beschäftigte sich Ramloc mit der unglaublich wunderschön ausgeprägten Maserung des Tisches um Shana nicht direkt ansehen zu müssen und pfiffelte vor sich hin. Magnus grinste nur über den geschickt gewählten Zeitpunkt des Zwergs um über die Frauen anderer Rassen her zu ziehen. Alle wussten das Ramloc das nur tat um seine Unsicherheit im Umgang mit dem anderen Geschlecht zu überspielen. Außerdem wäre es wegen so was nie zu einem ernsten Streit gekommen. Dafür hatten sie alle schon zu viel Abenteuer erlebt und jeder hatte dem anderen ein dutzend Mal das Leben gerettet. Im Gegenteil, diese Neckereien waren ein Zeichen ihrer langen Freundschaft. Shana gab Grayden einen Kuss und setzte sich neben ihn, begrüßte die anderen mit einem guten Morgen und genoss den Morgentrank. Eine geringe Zeit später wurde das Frühstück vom Wirt gebracht. Magnus und Ramloc stürzten sich auf das Mahl während Grayden und Shana anfingen zivilisiert zu essen. Mehrere Minuten aßen sie schweigend. Nachdem er die ersten Bissen gegessen hatte sagte er zu Magnus und Ramloc: „Shana und ich haben gestern Abend darüber gesprochen, dass wir Dimitrion besuchen könnten. .“
 
„Auf seiner Farm besuch`n?“ fragte Ramloc.
 
„Seinem Gut.“ berichtigte ihn Shana.
 
„Klar würde ich unseren Gefährten gern wiedersehen“, sagte Magnus.
 
„Ich auch.“ sagte Ramloc und bekräftigte seine Aussage mit einem satten Rülpser.
 
„Gut, dann holen wir uns die Belohnung für den Basilisken ab, frischen den Proviant auf und machen uns auf den Weg.“ stellte Grayden fest.
 
„Mundschenk.“
 
„Ja Herr?“
 
„Entsendet einen Boten zum Gemeindehaus und sagt dem Bürgermeister, das die Gruppe Abenteurer den Basilisken getötet hat. Wir sind in einer Stunde vor dem Rathaus.“
 
„Ist gut Herr. Ich werde den Küchenjungen unverzüglich los schicken.“
 
antwortete der Wirt und wartete.
 
Grayden gab ihm einen Kupfertaler und nickte.
 
Zufrieden beendeten sie ihr Frühstück, packten ihre Sachen, bezahlten den Wirt, gaben ihm zusätzlich einen Silbertaler als Entschädigung und gingen in den Stall um die Pferde zu satteln.
 
Der Frühlingssonne war schon seit zwei Stunden aufgegangen und die Luft erwärmte sich rasch. Eine Menschenmenge ging zum Marktplatz, wo die Händler seit gestern die ersten Stände aufbauten und nun begannen ihre Waren anzupreisen. Emsig bauten Schausteller und Gaukler ihre Bühnen auf und unterhielten die Leute mit kleinen Kunststückchen. Der Duft von gebratenen Äpfeln, süß eingelegtem Obst, geschmolzenem Zucker und Schleckerwaffeln lag in der Luft. Magnus und Ramloc konnten dem Duft nicht widerstehen, in dieser Hinsicht waren sie wie jeder andere der aus nördlichen Gebieten stammte, und sie erstanden mit warmen Honig überzogene Fruchtspieße. Von der anderen Seite des Platzes wehten die herzhaften Aromen von allerlei gewürztem und gebratenem Fleisch herüber. Fett zischte als Fleischspieße hinein getaucht wurden.
 
Laut schreiend protzten die Fleischer mit den Haxen ihrer geschlachteten Tiere. Kräuterhändler priesen die Qualität ihrer Waren an und hielten den vorüber gehenden Menschen lange, getrocknete Zweige unter die Nase, die einen herbsüßen Geruch verbreiteten. Schalen mit Heilsalbe versprachen rasche Heilung, Töpfe und Phiolen waren mit Ingredenzien aller Art gefüllt, Duftwässerflaschen wechselten den Besitzer und gespickte Früchte baumelten von der Plane. Unter der Hand wurden die verruchenen Tinkturen von kraftsteigernden Wurzeln gehandelt, sowie berauschendes Rauchwerk und Betäubungsperlen. Daneben hatte ein Wafenschmied seine Esse aufgebaut und stellte seine kostbaren Schwerter aus. Die Klingen blitzten im Morgenlicht und waren ordentlich auf einem verzierten Stander aneinander gereiht. Die Hammerschläge hallten in einem metallischem Stakkato auf den Amboß und immer wieder brodelte Wasser auf wenn die erhitzten Metalle hinein getaucht wurden. Eine große lederne Plane war über den Stand gezogen und ein Rüstungsschmied teilte sich den Platz mit dem Waffenschmied. So bekam ein interessierter Käufer gleich die Gelegenheit entweder eine passende Rüstung zum neuen Schwert zu kaufen oder sich einen prachtvollen Gürtel dazu auszusuchen. An einem Platz sammelte sich eine besonders große Menge an Schaulustigen. Auf einem erhöhten rautenförmigen Podest das mit dicken Seilen gesichert war lieferten sich Schaukämpfer und alle die sich für geschickt genug im Umgang mit Faust oder Schwert hielten, bejubelte Wettkämpfe ab. Jeder Kampf wurde von einem Ausrufer begleitet der diesen oder jenen Hieb bedeutend zu würdigen wusste. Nicht weit davon entfernt hatten Heiler ihren Stand aufgebaut und behandelten die Verlierer, die zumeist aus unterlegenen Prahlhähnen und Angebern bestanden.
 
Aber auch andere die von der einen oder anderen Krankheit heim gesucht wurden sammelten sich dort. Gleich daneben zogen Barden zwischen den Ständen hindurch und erfreuten die Leute mit ihren Gesängen und jedes Mal wenn sie eine Frau erblickten bauten sie geschickt anzügliche aber harmlose Anspielungen in ihr Spiel mit ein, die bei den unerfahrenen und schüchternen zu geröteten Wangen führten. Unweit des Kräuterhändlers stand ein Hölzner und stellte seine Bogen und Armbrüste aus. Kinder spielten mit Holzschwertern oder anderem Spielzeug. Ein lautes Wirrwarr aus Dutzenden von Stimmen lag wie eine Decke über dem Platz und überall sah man lachende Gesichter. Ein breiter Stoffstreifen war über dem Eingang gezurrt worden und verkündete einen Willkommensgruß zum „Fest der Gündung von Sonnental und der Befreiung von dem unersättlichen Basilisken“.
 
Grayden überflog den Gruß und furchen zeigten sich auf seiner Stirn. So einen Wirbel hatten sie nicht vermutet, der um ihre Tat gemacht wurde und es war ihm unangenehm. Sie ritten auf das Rathaus zu vor dem sie der Bürgermeister und seine Verwalter schon erwarteten. 
 
„Ah, Willkommen zurück. Seid ihr erfolgreich gewesen?“ fragte der Bürgermeister.
 
„Das waren wir, Bürgermeister“, sagte Shana.
 
Sie stieg ab und nahm den Leinensack mit dem Basiliskenkopf.
 
„Hier ist der Beweis.“ sagte Shana und reichte den Sack dem Jagdverwalter.
 
Der öffnete ihn vorsichtig, denn selbst nach dem Tod konnte der Blick eines Basilisken seine Opfer in Stein verwandeln.
 
„Keine Sorge,“ sagte Grayden ,“ich habe die Augen entfernt.“
 
„Wunderbar, wie können wir euch jemals dafür danken?“ fragte der Bürgermeister.
 
„Zum Beispiel ind`m ihr uns die Belohnung gebt.“ sagte Ramloc.
 
„Natürlich, Natürlich.“
 
Der Bürgermeister machte ein Zeichen und der Schatzmann gab Shana vier schwere Geldbeutel. Nicht ohne dabei ein verkniffenes Gesicht zu machen, wie Shana auffiel. Aber sie musste sich keine Sorgen um die Gemeindkasse machen. Nur um ihre eigene hatte sie sich zu kümmern und die ihrer Gruppe.
 
„Habt nochmals vielen Dank..“ freute sich der Bürgermeister.
 
„Stets zu Diensten.“ grinste Magnus als er den Geldbeutel in seiner rechten Hand wog.
 
„Die Gemeinde richtet eine Feier aus um den Sieg über das Monster zu feiern. Wir laden euch herzlich ein, denn ihr seid schließlich der Grund des Festes.“
 
„Bitte seit unsere erhabenen Gäste.“ sagte ein Diener während er einen
 
kunstvoll inszenierten Knicks machte.
 
„Wir danken euch für die Einladung Bürgermeister aber wir haben beschlossen weiter zu reiten.“ lehnte Grayden höflich ab.
 
„Das ist aber bedauerlich. Immerhin seit ihr die Helden von Sonnental die uns befreit haben. Die Bürger würden sicherlich begeistert sein euch zu sehen und zu feiern.“
 
„Tut mir leid Bürgermeister aber vor uns liegt eine dringliche Angelegenheit, die sich nicht aufschieben lässt.“
 
Der Bürgermeister machte ein enttäuschtes Gesicht.
 
„Aber grüßt die Sonnentaler von uns und richtet ihnen unseren tief empfundenen Dank und Grüße aus.“ 
 
„Nun gut, dann ziehet in Frieden und mögen die Sterne euch auf eurem Weg begleiten.“
 
„Mögen die Sterne euch und eurer Gemeinde wohl gesonnen sein. “ verabschiedete sich Shana.
 
Der Priester gab ihnen den göttlichen Segen und bedankte sich bei ihnen. Die Abenteurer ritten zu einem Händler, wo sie wie abgesprochen, ihre Vorräte auffüllten. Als sie auf dem Weg durch das Palisadentor ritten, nickten die Wachen ihnen freundlich zu und sie verließen die Gemeinde. Langsam stieg die Sonne immer höher und Shana genoss die Sonnenstrahlen, sie schloss die Augen und atmete die klare Luft des Frühlings. An den Bäumen zeigten sich die ersten grünen Blätter und Vögel zogen über das neu erwachende Land. Überall sprießten Blumen hervor die in allen Farben zu knospen anfingen. Insekten summten und die Tiere erwachten aus ihrem Winterschlaf. Shana spürte die Magie des Lebens und sie lächelte. Sie ritten schweigend einige hundert Meter um dann nach Südosten zu schwenken.
 
„Wie lange brauchen wir bis zu Dimitrion?“ fragte Magnus nach einer Weile.
 
„Ich schätze in zwölf Tagen sollten wir auf seine Ländereien stoßen.“
 
antwortete Grayden. “Wenn uns nichts dazwischen kommt.“
 
„Und wo reiten wir lang?“
 
„In fünf Tagen müssten wir am oberen Ende von Konkoros’ Narbe ankommen, dann nach Osten zur Festungsstadt Tokagen. Das dauert drei Tage. Dort richten wir uns nach Süden und nach vier weiteren Tagen haben wir es geschafft.“ erklärte Grayden.
 
„Dann kommen wir am Kargen Land vorbei, der Heimat der Biestmänner.“
 
„Ja. Aber die Biestmänner leben tief im Süden vom Kargen Land. Auf unserer Strecke treffen werden wir keinen zu Gesicht bekommen.“
 
„Ich würd’ gern mal einen sehen. Hab da so einiges gehört…“
 
„Ach ja, was denn?“, fragte Shana.
 
„Das die Biestmänner mit den Tieren reden können, blutige Rituale, Opferungen und solche Sachen. Die sollen sich sogar in Tiere verwandeln können. Das ist unheimlich wenn ihr mich fragt.“, antwortete Magnus mit einem Schauer.
 
Ramloc drehte sich auf seinem Feren halb in Magnus’ Richtung.
 
„Das hört sich an als ob…“
 
„Als ob, was…?“
 
„Als ob unser Nordmann…Schiss hätt`.“
 
„WAAS, Ich und Schiss? Niemals! Und wenn du so was noch mal behauptest Zwerg, dann werde ich dir mit meinen Äxten den Hals rasieren.“ empörte sich Magnus gespielt. Der Zwerg stellte sich aufrecht in den Sattel und plusterte sich auf.
 
„Oho, unser Nordmann hat ja auf einmal Mut in der Brust bekomm`n. Pass auf das du nich´ platzt.“
 
Ramloc hielt seine Hände an die Brust und öffnete die Hände ruckartig und verzog das Gesicht zu einer überraschten Grimasse. Dabei blies er die Wangen auf und verdrehte die Augen. Als Shana das sah, musste sie unwillkürlich lachen. Grayden wiederum sah Shana an. Er liebte ihr helles und unbeschwertes Lachen. Es berührte sein Herz und ließ ihn einen Teil seines schweren Schicksals leichter ertragen. Auch Magnus musste bei der Vorstellung des Zwerges lachen und dann lachten sie, wie sie schon seit Monaten nicht mehr gelacht haben.
 
Shana strich sich Tränen aus den Augen und schnappte nach Luft.
 
„Das tat gut“, sagte sie.“ Mein Bauch tut schon richtig weh“.
 
„Ich bin halt unübertroffen“, gab Ramloc an.
 
Grayden ritt näher an Shana heran und legte seine rechte Hand auf ihre linke und schaute sie an. Sie nahm seine Hand und drückte sie sanft.
 
Hinter ihnen knuffte Magnus Ramloc in die Seite und deutete nach vorn. Der Zwerg winkte ab und schaute auf das Land. Bis zum frühen Abend ritten sie gemächlich dahin und hielten an einem kleinen Wald durch ein Bach floss.
 
„Lasst uns hier Rast machen.“ schlug Grayden vor.
 
Der Schildmeister und Ramloc fingen an ein Feuer zu machen während Magnus Wache hielt. Shana schulterte ihren Bogen und ging auf die Jagd. Nach kurzer Zeit kam sie mit vier Hasen zurück. Sie häutete sie, nahm sie aus und steckte sie auf Holzspieße. Mit zwei schweren Steinen bildete sie einen Hängespieß. Danach legte sie die Pfoten der Hasen in den Wald zurück die sie vorher abgeschnitten hatte. Sie setzte sich an Graydens Seite und sprach ein stilles Gebet als dank für die Gabe des Waldes. Bevor sie sich schlafen legten überprüfte Shana den Aether. In diesem konnten Nachrichten verschickt werden wenn derjenige die Formeln beherrschte.
 
Dimitrion hatte vor einiger Zeit eine Welle gefunden mit der sie die anderen Wellen abhören konnte und er zeigte Shana wie sie den Spruch weben musste. So fanden sie oft heraus wo es etwas zu tun gab und reisten dann dorthin. Manchmal wurden sie auch direkt über einen Schamanen oder Priester gefunden und gebeten zu Hilfe zu kommen. Weitaus verbreiteter war jedoch die Methode, Botschaftsfächer an Anschlagtafeln der Stadt- und Gemeindemärkte anzuschlagen. Nicht jede Gemeinde besaß einen Schamanen oder Duiden, der den Aether für Botschaften nutzen konnte. Doch seit ihrem letztem Auftrag den Basilisken in den Bergen von Sonnental zu töten, waren die Aufträge entweder zu weit weg oder die Aufträge waren zu riskant und oft auch schlecht entlohnt.
 
Nach der Überprüfung bestimmten sie die Wachen. Grayden als erster, dann Magnus, Ramloc und die Morgenwache übernahm Shana. So konnte sie das Land aufwachen sehen und die ersten Sonnenstrahlen genießen. Auf diese Weise kamen sie am Mittag des fünften Tages bei Konkoros’ Narbe an.
 
Vor ihnen breitete sich die Erde in einen gigantischen Spalt aus. Die Länge der Narbe erstreckte sich bis zum Horizont, wobei sie einen Bogen von Osten nach Süden schlug und es dauert acht Tage das andere Ende zu erreichen. Ihr Rand war stark zerklüftet und bildete die bizarrsten Formationen. Ein Grasstreifen entlang der Schlucht ging von einem satten Grün in ein Rostrot über. Die Tiefen der Schlucht zeigten alle Töne der Farben Rot und Braun. Auf den Grund konnte niemand schauen und war Stoff allerlei unheimlicher Geschichten . Die Narbe wurde selbst beim höchsten Stand der Sonne nie richtig erhellt. Ehrfürchtig hielt die Gruppe an. Mehrere Minuten staunten sie ob der unglaublichen Größe von Konkoros’ Narbe.
 
„Wahns`nn.“ sagte Ramloc.
 
„Wahrhaft Göttlich.“ bestätigte Magnus mit offenem Mund.
 
„Hast du so etwas Gewaltiges schon mal gesehen, Grayden?“ fragte Shana
 
„Vor Jahren. Damals bin ich mit dem Königlichen Heer hier entlang gekommen als wir gegen das Östliche Reich Krieg führten.“
 
„Bevor du verurteilt wurdest.“ sagte Magnus. „Oh, das ist mir so raus geflutscht, Schildmeister.“
 
Shana bedachte Grayden mit einem mitfühlenden Blick.
 
„Schon gut.“ Er zögerte ein wenig. „Immerhin habe ich dadurch euch kennengelernt. Meine Entscheidung, mich euch an zu schließen habe ich seit diesem Moment auch nie bereut.“
 
„Wir auch nich´.“ sagte Ramloc.
 
Wiederum zögerte der Schildmeister als ob er noch etwas dazu sagen wollte, tat es dann aber doch nicht.
 
„Lasst uns einen Platz zum Rasten suchen und den Rest des Tages ausruhen.“ sagte Shana.
 
„Gute Idee.“ sagte Magnus.
 
„Jup.“ stimmte ihm Ramloc zu.
 
Nach dem sie ihr Lager aufgestellt hatten, ging Shana wieder auf die Jagd.
 
„Hier ist die Natur mit ihren Gaben sicherlich zurückhaltender. Es wird eine Zeitlang dauern bis ich etwas für uns erlegt habe.“ schätzte sie.
 
„Soll ich dich begleiten?“ bot Ramloc an.
 
„Nein, nicht nötig. Ich werde schon was finden.“
 
„Bist du sicher?“ vergewisserte sich auch Grayden. Dann flüsterte er ihr ins Ohr:“Wir könnten wieder Zeit für uns nehmen und jagen könnten wir dann immer noch.“
 
„Nicht hier. Wenn wir in Tokagen angekommen sind werden wir genug Zeit für uns haben.“
 
Dann küssten sie sich und Shana lief los während Grayden zum Lager zurückging. Ramloc und Magnus waren derweil in Kampfübungen verstrickt. Der Zwerg erklärte gerade, dass man eine Axt oder einen Hammer nicht nur vom Griff aus führen kann.
 
„In manch`n Situation`n fasst du weiter ob`n an, du verringerst zwar die Reichweite aber damit überraschst du viele Gegner. Die Axt kannst du schneller und präziser handhab`n. Siehst du? Probiers’ aus.“ Lehrte der Zwerg gerade.
 
Magnus nahm seine Wurfäxte und übte mit dem Trick bis er und Ramloc sich schweißüberströmt ans Lagerfeuer setzten.
 
„Das war gut, Magnus. Nich` so gut wie ein Zwerg, dennoch gut für ein`n Menschen.“
 
„Ein Kompliment von einem Älteren nehme ich gerne an.“
 
Ramlocs’ Gesicht färbte sich Rot.
 
„Älteren?“ rief er. „Ich werd` dir zeig`n wie alt ich bin, du frisch gemahlener Kiesel.“
 
„Oho, der Kurze…“.
 
Doch weiter kam Magnus nicht. Er blickte auf und sah nur noch einen Schatten auf sich zu springen. Dann war er auch schon in eine Rauferei mit dem Zwerg geraten.
 
„Kaum hat einer von beiden nur kurz eine Kampfpause und schon raufen sie sich.“ dachte sich Grayden als er dem vorbei rollendem Nordmann-Zwergknäuel auswich.
 
Doch durch die Kampfübungen, den langen Ritt und nicht zuletzt einem großen Hunger, hörte das Gebalge bald schon wieder auf. Diesmal waren sie nicht nur schweißüberströmt sondern auch total verstaubt und dreckig. Schwer atmend ließen sich die beiden ans Lagerfeuer fallen. Magnus spuckte Dreck aus. Ramloc zupfte sich Grashalme aus dem Haar.
 
„Hätt`st mitmach`n soll’n, Grayd’n.“ schlug Ramloc vor.
 
„Nein Danke, ich denke gerade über etwas nach.“
 
„Soso und über was denkst du so nach?“ fragte Magnus heuchlerisch.
 
„Über diese Technik die Ramloc dir gezeigt hat.“
 
„Na das Beste is`, wenn du es selber probierst.“
 
Magnus und der Zwerg sahen sich an und während Grayden zu einer weiteren Antwort ansetzen wollte stürzte sich der Zwerg mit einem Kampfschrei auf den Schildmeister. Und schon gab es eine zweite Rauferei. Nach vielen Minuten erst hörten sie auf. Nun saßen alle erschöpft am Lagerfeuer.
 
„Wer rastet setzt Moos an.“ schnaufte Ramloc. „Hat schon mein Urgroßvater gesagt, der ein großer Fels gewes`n is` und nie Moos angesetzt hat.“
 
„Dein Urgroßvater war ein Fels? Ich wusste doch, dass ihr Zwerge aus Steinen geboren werdet. Es ist also nicht nur ein Gerücht.“ bemerkte Magnus.
 
„Ach, das ist purer Unfug. Als Nordmann solltest du wiss`n, dass diese Gerüchte nur üble Nachrede sind und nur dazu gedach` sind uns Zwerge zu verspott`n. Nein. Bei uns nenn`n wir bestimmte Teile des Leb`ns wie zum Beispiel, Kiesel für einen jungen Zwerg, oft auch Schieferling, nach den verschieden`n Art`n der Erde. Danach kommen Stein, Granit und Basalt. Die ältest`n Zwerge nenn`n wir Obsidiane oder einfach nur Harter.“ erläuterte Ramloc.
 
„Und wie sieht es bei den Frauen aus, wie nennt ihr die?“
 
„Unsere Frau`n dageg`n benenn`n wir nach den edl`n Metall`n und Juwel`n die wir aus den Berg`n gewinn`n. Eine junge Zwergin wird Phyllis genannt. Dann kommt das Alter des Goldschimmers, dann Silberne oder Amethyeira. Darauf folgt die Brynzene und die ergraut`n Frau`n nenn`n wir Deymantene oder Caranthum wie das selten` Metall.“
 
„Da leben unsere Völker so nah miteinander und doch weiß ich so wenig über euch.“ sinnierte Magnus.
 
„Du bis` ja auch ein Kiesel. Jung und Unwissend. Jetzt ist die Zeit in der du viele Dinge lernst und dein Feuer in die richtige Form gebracht werd`n muss. Damit aus dir ein tapferer und ehrenhafter Zwerg, äähm, Mensch werd`n kann.“
 
Langsam stieg die Sonne herab und die Schatten wurden länger. Noch waren die Nächte frisch in diesem Frühling und Magnus ging los um weiteres Feuerholz zu suchen. Grayden versuchte die Zeit zu schätzen die Shana auf der Jagd war und kam zu dem Entschluss, dass sie bald zurück sei. Als er in die Richtung schaute in die sie gegangen war, erblickte er ihre Umrisse auch nur wenige Schritte entfernt. Shana hatte ein Kitz über den Rücken gelegt und beim Feuer angekommen warf sie es auf den Boden vor Graydens Füße.
 
„Na, dass ist ja mal eine stattliche Beute die du erlegt hast Shana.“ staunte der Schildmeister. „Was anderes als Hasen und Beeren.“
 
„Es war schon verwundet, doch aus irgendeinem Grund hat der Jäger es nicht endgültig erlegt.“ Shana zuckte mit den Schultern.
 
„Hoffentlich will uns der vorherige Jäger nicht mitten in der Nacht besuchen kommen um doch noch seine rechtmäßige Beute zu holen. Und uns mit dazu.“
 
„Ich denke nicht. Dem Jäger muss etwas widerfahren sein nach dem er das Kitz getroffen hatte. Ich konnte jedoch keine Spur entdecken.“
 
Sie zeigte auf eine tiefe Wunde an der Seite des Kitzes. Sie war etwa zwanzig Zentimeter lang und es sah nicht wie eine Wunde aus die durch eine Klingenwaffe wie ein Schwert verursacht wurde. Auf dem Kopf des Tieres fing das Geweih gerade an zu wachsen. Sein Fell war hellbraun und auf dem Rücken hatte es einen schwarzen Streifen der von zwei weißen umrahmt wurde. Seine Größe betrug über einen Meter Länge und Höhe. Shana schnitt die Hufe ab und legte sie einige Meter entfernt ins Karge Land.
 
„Das Fell kann man gut auf dem Markt in Wongden verkaufen oder wir behalten es selbst. Als Satteldecke sieht es gut aus und meine alte ist schon durch gescheuert.“ sagte sie.
 
Dann machten sie sich daran das Tier zu zerlegen. Das Fell legten sie zum Trocknen über einen Felsen. Schon bald hing ein köstlicher Fleischgeruch in der Luft. Ramloc lief das Wasser im Mund zusammen und sein Magen knurrte. Auch Magnus und Grayden warteten ungeduldig auf das köstliche Mahl, welches vor ihnen briet. Die Sonne war inzwischen hinter dem Horizont untergegangen. Nachtjäger ließen ihr Geheul ertönen und gingen auf die Jagd. Als die Müdigkeit die Gruppe überfiel, teilten sie wie gewohnt die Wachen ein und legten sich dann schlafen. In der Nacht wurden sie nur von einem schakalartigem Wesen belauert, dass Ramloc jedoch mit einem geschickten Steinwurf in die Flucht jagte. Der Jäger der das Kitz erlegt hatte zeigte sich nicht. Der Morgen kam und Shana bereitete das Frühstück vor. Schweigend aßen sie und Shana steckte das getrocknete Fell ein bevor sie weiter ritten.
 
Der Mittag wurde sehr heiß und sie suchten den Schatten einer Felsformation auf. Auf ihrem Weg bemerkte Ramloc im Süden einige Umrisse. Seine Augen waren die schärfsten in der Gruppe und sie konnten zweimal so weit sehen wie die eines Menschen. Durch ein Nicken machte er Grayden darauf aufmerksam.
 
„Was siehst du?“ fragte er.
 
„Es sind mehr`re Umrisse die ich erkenn`n kann. Fünf oder sechs un` ein kleinerer um den die größer`n kreis`n.“ sagte sie.
 
„Vielleicht ist das der Jäger. Wenn er verwundet ist, könnte er sich gegen ein Rudel Löwen nur schwerlich verteidigen. Lasst uns näher ran.“
 
Sie schwenkten in die Richtung der Umrisse und beschleunigten ihr Tempo.
 
Bald sahen sie was sich wirklich vor ihnen abspielte.
 
Ein kleiner Junge wurde tatsächlich von einem Rudel Löwinnen umkreist. Einige fauchten ihre Beute an, manche hoben ihre Tatzen als wenn sie in auf den Jungen zeigen würden. Eine der Katzen stand etwas abseits und beobachtete alles. Stolz stand sie da und ihr Fell hatte die Farbe von dunklem Sand. Ihre Augen blitzten gefährlich. In ihnen lag eine ungewöhnliche Intelligenz. Sie bemerkte als erste, das sich jemand näherte um sie bei der Jagd zu stören. Sie stieß ein knurrendes Geräusch aus und mehrere Katzen ließen von dem Jungen ab. Eine bewachte den Jungen während die anderen sich der neuen Bedrohung entgegen stellten.Es waren insgesamt sechs Löwinnen.
 
„Siehst du das?“ fragte Grayden.
 
„Ja, diese Katzen sind schlau. Hast du gesehen wie die eine die anderen kommandiert?“ entgegnete Shana.
 
„Ja. Irgendwas an der Sache gefällt mir nicht. Bleibt wachsam.“
 
„Sind doch nur`n paar Kätzch`n, was soll an den`n schon gefährlich sein?“ höhnte Ramloc.
 
Shana schoss einen Pfeil ab in dem Versuch die Raubtiere zu verscheuchen, doch die Raubkatzen liessen sich nicht einschüchtern und blieben wo sie waren. Als sie von ihren Pferden absprangen, warnte Magnus ihn.
 
„Sei dir nicht zu sicher. Die Schneekatzen im Norden sind zähe Gegner und schon viele haben ihre Kraft und Schnelligkeit unterschätzt und mit ihrem Leben bezahlt.“
 
Magnus zog sein Langschwert. Ramloc hielt schon seine Doppelaxt in den Händen und Grayden ging mit seinem Bastardschwert in Angriffsstellung.
 
„Hör auf Magnus, Ramloc.“ warnte der Schildmeister.
 
Doch der Zwerg warf sich mit einem Sprung einer Löwin entgegen.
 
„Komm Kätzch`n, bist du bereit für`n Tänzchen?“
 
Mit einem Brüllen ging die Katze zum Angriff über. Sie sprang aus dem Stand vier Meter auf ihn zu und hieb bei der Landung mit ihren Tatzen nach dem Zwerg. Dieser parierte den Schlag mit seiner Axt, doch behände wich die Löwin nach links aus um ihrerseits dem Zwerg in die Seite zu fallen. Nur knapp entging Ramloc dem Hieb und er schritt zur Seite aus.
 
„Ho Ho, Kätzch`n. So leicht bekommst du Ramloc Stahlschlag nich`.“
 
Im Hintergrund surrten zwei Pfeile heran und trafen ihr Ziel direkt ins rechte Auge und in die Schulter. Mit einem winselndem Geräusch ging die Löwin zu Boden.
 
Grayden stellte sich seiner Gegnerin und sie begannen sich zu umkreisen. Fauchend hieb die Katze nach Grayden. Dieser wehrte ab und schlug nach der Tatze, was ihm jedoch misslang. Die Katze setzte nach rechts und sprang. Grayden warf sich zu Boden und rollte zur Seite um in der Flanke einer anderen auf zu tauchen, die versuchte in Magnus Rücken zu fallen. Geistesgegenwärtig schwang er sein Kristallschwert und schlitzte ihr die linke Seite von Schulter bis zu den Hinterläufen auf. Brüllend brach das Raubtier zusammen. Noch auf den Knien drehte sich der Schildmeister um seiner Gegnerin die Stirn zu bieten. Lauernd sah sie ihn an und ihm schauderte bei der Intelligenz der Katze. Diesen Augenblick nutzte die Älteste um ihn umzuwerfen. Gleichzeitig schnappte seine erste Gegnerin nach ihm und mit dem Griff des Schwertes schlug er ihr seitlich auf die Schnauze. Sie ließ von ihm ab und entfernte sich wenige Meter.
 
Magnus war in einen blutigen Kampf mit seiner Löwin verstrickt. Sie hatte ihn schon mehrmals verletzt und er blutete aus Wunden am rechten Bein, seiner rechten Schulter und eine Platzwunde an seinem Auge machten ihn langsamer aber nicht unaufmerksamer. Wütend hielt er den Griff seines Schwertes fester. Bildete er sich das nur ein oder grinste ihn die Katze höhnisch an? Geduckt, mit einer Tatze voran knurrte sie Magnus an. Er sah in ihren Augen dass sie springen würde und passte den richtigen Moment ab. Sie sprang, Magnus duckte sich und rammte ihr das Schwert in den Bauch. Durch ihre eigene Kraft getrieben, schlitzte sie sich den Bauch der gesamten Länge nach auf. Ein Schwall von Blut spritzte Magnus an den Körper.
 
Jetzt waren nur noch zwei Katzen übrig. Mit zuckenden Schwänzen warteten sie auf ein Zeichen ihrer Führerin zum Angriff.
 
Die Gruppe stand ihnen entgegen und sie sahen dass die Älteste hinter dem Jungen hockte. Shana schoss wieder einen Pfeil in den Boden vor den Katzen. Die Älteste blickte in Graydens Augen und er erkannte dass sie gewonnen hatten. Sie gab auf. Die Löwin brüllte markerschütternd. Es klang nach einer Warnung . Dann wandte sie sich um und lief mit den restlichen Zweien davon.
 
„Ha, lauf nur klein`s Kätzch`n. Und wehe du renns` mir wieder über den Weg, dann mach aus dein`m Fell `n paar hübsche Stiefel.“ rief ihr Ramloc hinterher.
 
„Jetzt hör schon auf.“ sagte Shana.
 
Sie ging zum Jungen, kniete sich hin und untersuchte ob er verletzt war. Der Kleine schaute sie mit großen Augen an. Magnus und Ramloc belobigten sich gegenseitig.
 
„Nich` schlecht Kiesel.“
 
„Danke Kiesel.“
 
Sie verbeugten sich gegenüber und lachten.
 
Grayden trat neben Shana und dem Kind.
 
„Was macht so ein Kind hier draußen im Kargen Land? Wie und Breit gibt es keine Stadt, noch nicht mal ein Dorf.“ fragte der Schildmeister.     
 
„Ich weiß es nicht.“ sagte Shana. „ Vermutlich hat er zu einer Karawane gehört, die überfallen wurde.“
 
„Oder er wurde von seiner Familie ausgesetzt, weil sie ihn für eine Missgeburt hielten. Schau mal, sein Haar ist ungewöhnlich dicht und wie kräftig gebaut er ist. Seine Augen haben eine seltsame Farbe. Einige wenige Bergvölker tun das, wenn sie denken, dass die Götter sie für ihre Sünden bestrafen wollen.“
 
„Das ist furchtbar, wie kann man einem Kind nur so etwas antun?“ fragte Shana.
 
„Menschen tun Dinge die man nicht versteht. Vor allen nicht, wenn die Angst vor den Göttern dafür Grund ist.“ antwortete der Schildmeister. „Ich denke, dass das alles Irrglaube ist.“
 
Shana schüttelte den Kopf und nahm den Kleinen in die Arme. Er gluckste und versuchte ihr an die Nase zu greifen.
 
„Was machen wir mit ihm?“ fragte Magnus.
 
Sie alle bildeten einen Kreis um Shana um ihren Fund zu begutachten.
 
Shana wiegte den Kleinen leicht hin und her.
 
„Er hat`n mutiges Herz und kennt keine Angst. Er wird`n starker Krieger werd`n. Den ganzen Kampf habe ich ihn nich` schrei`n gehört. Ihr etwa?“ sagte Ramloc.
 
„Willst du damit sagen, dass wir ihn mitnehmen sollen?“ fragte Magnus.
 
„Was bleibt uns denn anderes übrig?“ stellte Shana fest.
 
Grayden grübelte vor sich hin.
 
„Auf jeden Fall sollten wir ein Lager aufschlagen. Deine Wunden müssen versorgt werden Magnus.“ sagte er. „Wir können uns bei den Felsen da drüben ausruhen.“
 
„Ich sammle die Felle ein. Weiß einer von euch wie Löwe schmeckt?“ fragte der Zwerg und machte sich auf die Beute zu holen.
 
Verdutzt schauten ihn die anderen hinterher. Der Kleine griff Shana ins Haar und spielte mit den eingeflochtenen Perlen.
 
„Ich helfe ihm.“ sagte Magnus und ging hinterher.
 
Bei den Felsen angekommen, lehnte sich Shana an einen Felsen an. Grayden holte die Pferde, machte sie an einem Vorsprung fest und ließ sie das spärlich wachsende Gras fressen. Dann sammelte er Holz und machte ein Feuer. Kurze Zeit darauf kamen Ramloc und Magnus wieder. Stolz legte er die Felle zum Trocknen aus und die dicken Fleischstücke spießte er auf.
 
„Was hast du mit den Fellen vor?“ fragte Magnus. „Stiefel, Weste oder einen Umhang?“
 
„Mal seh`n. Is´n gutes Stück, das werde ich mir als Polster unter mein` Rüstung zieh`n. Und die Reißzähne mache ich auf `n Schultern fest. Den Rest heb` ich auf um ihn als Reserve zu hab`n oder ihn zu verkauf`n, dass weiß ich noch nich` so genau.“
 
„Das Fell sollte auf einem Markt ein nettes Sümmchen bringen. Von dem anderen fertige ich mir noch einen schönen Umhang für den nächsten Winter.“ sagte Magnus. „Damit werde ich bestimmt bei den Frauen gut ankommen.“
 
„Sei dir da nicht zu sicher.“ sagte Shana. „Bei den Männern magst du damit Eindruck schinden, doch die Frauen nehmen eher Reißaus bei dem Geruch.“
 
„Dann lege ich die Felle eben in Duftwasser ein.“ antwortete er.
 
Das Feuer brannte inzwischen gut und sie waren gespannt wie Löwe schmecken würde. Auch wenn keiner es zu geben wollte. Es schmeckte gut, wenn auch ein wenig zäh. Shana legte das Kind auf eine Decke und kam dann rüber zu Magnus um seine Wunden zu heilen.
 
 „Wenn ich die Wunden gesäubert habe, salbe ich sie ein und lege ein Blatt zum Schutz darüber. In ein zwei bis drei Tagen sind die Wunden verheilt und du kannst mit den Narben bei den Frauen angeben die so etwas mögen.“ zwinkerte sie ihm zu.
 
Magnus grinste, doch als Shana die Wunden mit einer Tinktur säuberte sog er die Luft scharf zwischen den Zähnen durch.
 
„Tut’s weh?“ spöttelte Ramloc.
 
Augenblicklich schloss der Nordmann den Mund und er machte eine wegwerfende Geste. „Ach was.“ sagte er.
 
„Na dann is` ja gut. Das war nämlich nur `ne kleine Schramme an der Schulter. Die Wunde an deinem Bein is` dageg`n wesentlich länger und tiefer.“
 
Als Shana die Wunde dort versorgte, machte Magnus groß Augen und er zwang sich sichtlich sich nichts anmerken zu lassen. Shana war fertig und ging wieder zum Kleinen herüber. Sie nahm ihn wieder in die Arme fing an mit ihm zu spielen. Auch das Fleisch war fertig und sie probierte aus ob der Kleine das Fleisch essen würde. Sie pustete das Stück Fleisch kühl und hielt es ihm hin. Doch der Kleine hatte noch keine Zähne und Shana überlegte wie sie füttern solle. Dann kaute sie das Fleisch klein und gab es ihm zu essen. Und siehe da, vorgekaut bereitete ihm das Essen keine Probleme.
 
„Darum brauchen wir uns keine Sorgen machen. Wer hat dich nur hier mitten in der Wildnis ausgesetzt?“ fragte sich Shana.
 
Gegen den frühen Abend tauchte die untergehende Sonne das Karge Land in eine Vielfalt von Farben. Von Sonnigem Gelb über Orange, bis zu roten Tönen und sogar ein leichtes Purpur war zu erkennen. Die ockerfarbenen Felsen und das Rostrot von Konkoros’ Narbe bildeten mit dem wenigen Grün des Landes ein kontrastreiches und dennoch harmonisches Bild. In der Ferne waren Hochgewachsene Tiere zu sehen die durch das karge Land zogen. Die Monde Karanthar und Segum erschienen in hell scheinender Pracht am dunkler werdenden Himmel. Karanthar war doppelt so groß wie Segnum und sie bildeten ein Pärchen von zwei schillernden Kugeln. Karanthar hatte einen kupferfarbenen Ton und Segnum besaß ein sehr helles grünes Leuchten. Der große Mond erschien vor seinem Gefährten, der eine knappe Stunde später sich vor Karanthar schob und ihn im Laufe der Nacht überholte und als erster wieder unterging. Es war ein berauschendes Bild von natürlicher schöner Eleganz wie sie nur die Natur erzeugen konnte.
 
Ramloc und Magnus waren noch am diskutieren was sie mit ihrer Beute machen sollten und Grayden schaute manchmal kauend zu Shana und dem Kind herüber.
 
Plötzlich krachte ein Speer über ihnen an den Fels.
 
Sofort sprangen alle auf und griffen zu ihren Waffen.
 
„Ramloc! Magnus! Halbkreis um Shana ziehen. Ramloc, kannst du was erkennen?“
 
„Da sind zwölf oder vierz`hn Gestalt`n, die auf uns zukomm`n. Sehr groß. Mit Speer und Bogen bewaffnet. Die andere Waffe kenn` ich nich` und es sind zwei Frau`n dabei.“ antwortete der Zwerg.
 
„Wie sehen sie aus?“ wollte der Schildmeister wissen.
 
„Ziemlich wild. Löwenmähne. Platz`n vor Kraft.“
 
„Biestmänner“ vermutete Magnus.
 
In der Dämmerung sahen sie vierzehn Biestmänner auf sie zulaufen. In einem gewissen Abstand verlangsamten sie und nun konnte man erkennen, das Ramlocs’ Dunkelsicht sehr gut war. Die meisten von ihnen trugen lange, mit Feder und Fellen verzierte Speere die in einer Schneide endete, die eine Länge eines ausgewachsenen Männerarms hatte. Einige trugen zusätzlich schwere Langbögen auf ihrem Rücken. An den Gürteln von den Größten hingen Ringe die das Licht der Abendsonne reflektierten. Ihre Gesichter waren allesamt von einer Haarpracht umrahmt, die wirklich die Ausmaße einer Löwenmähne hatte. Sie waren mit leichten Schuhen, einem kurzen Waffenschurz, Unterarmschienen und Schulterschützer bekleidet. Auf der muskulösen Brust bei zwei von ihnen prangten Brustplatten aus Metall und sie hatten als einzige silberne Mähnen. Nur einer von ihnen trug einen Pelzumhang. Dieser trug auch den größten Speer und den größten der Ringe mit sich. In sein Haar waren drei rote Bänder eingeflochten.
 
Die Biestmänner kreisten die Abenteurer ein
 
„Der da scheint der Häuptling oder so zu sein.“ glaubte Ramloc.
 
„Hoffentlich sprechen wir alle die Selbe Sprache.“ sagte Grayden.
 
„Ich spreche eure Sprache, Mensch.“ kam die baritone Antwort des Größten.
 
Sie war die Stimme eines erfahrenen und edelmütigen Kriegers der schon viele Jahre alt zu sein schien.
 
„Jetzt weiß` du’s.“ sagte Ramloc.
 
Der Biestmann trat vor Grayden und hob seine linke Hand. Er zeigte auf Shana.
 
„Ich bin der Rakshasa der Biestmänner. Warum haltet ihr meinen Sohn gefangen?“ verlangte der Rakshasa zu wissen.
 
„Gefangen? Wir halten euren Sohn nicht gefangen.“ sagte Grayden.
 
„Was macht dann mein Sohn in den Armen dieser Frau. Gebt ihn mir. Sofort!“ Der Biestmann trat noch einen Schritt vor und Grayden musste den Kopf heben um ihm in die Augen sehen zu können.
 
Shana trat vor und schaute erst den Kleinen und dann den Biestmann an.
 
„Wir haben ihn gefunden als er von Löwen angegriffen wurde.“ sagte sie. „Wir haben die Löwen vertrieben und ihn gerettet.“
 
Sie erwiderte den Blick des Rakshasas der sie wütend anstarrte.
 
„Ihn gerettet?“ Die Stimme des Biestmannes beruhigte sich. „Ihr glaubt, ihr habt meinen Sohn vor den Löwen gerettet?“.
 
Er warf einen Blick über die Schulter zu einer der Frauen. Diese funkelte ihn zornig an, sagte aber nichts.
 
„Ja, das glauben wir.“ sagte Shana.
 
Nervös und angespannt standen Ramloc und Magnus da. Grayden behielt einen klaren Kopf und lockerte den Griff um sein Schwert.
 
„Gebt mir meinen Sohn, dann begleitet Ihr uns in unser Dorf. Dort können wir in Ruhe miteinander reden.“
 
Unsicher senkten sie langsam ihre Waffen, bereit zuzuschlagen falls dies ein Trick sein sollte. Shana wechselte einen Blick mit Grayden, der mit einem Nicken zu verstehen gab, das sie es tun solle.
 
„Woher sollen wir denn wissen, dass dies wirklich euer Sohn ist und nicht eines anderen, zum Beispiel eures Rivalen?“, wollte Shana wissen.
 
Grayden verdrehte die Augen. Der Biestmann antwortete mit einem knurrenden Schnauben. Ramlocs Hand bewegte unmerklich. Auch Magnus bereitete sich vor. Der Rakshasa trat vor Shana und hielt ihr seinen Arm entgegen. Sie sah am linken Unterarm eine Verfärbung der Haut. Dann verstand sie und schaute auf den linken Unterarm des Jungen. Er hatte die gleiche Verfärbung.
 
„Seht. Er ist mein Sohn.“ sagte der Biestmann.
 
„Dann nehmt ihn, Rakshasa.“
 
Behutsam legte sie den Kleinen in die Arme des Anführers der Biestmänner. In den massiven Muskeln wirkte der Junge noch kleiner als er ohnehin schon war.
 
„Kommt nun.“ sagte der Rakshasa.
 
Die Anspannung wich von allen Gesichtern. auch die Biestmänner senkten ihre Speere.
 
 „Wir müssen erst unser Lager abbrechen. Das dauert nicht lang.“ sagte Shana.
 
Schnell verstauten sie ihre Sachen und löschten das Feuer. Sie nahmen die Zügel der Pferde und folgten den Biestmännern. Diese bildeten einen losen Ring um die Gefährten. Grayden wurde das Gefühl nicht los, dass er abgeführt wurde und das Gefühl gefiel ihm nicht. Doch die Biestmänner zeigten keine Anzeichen dass sie angreifen würden und so entspannte sich Grayden ein wenig.
 
„Wo liegt euer Dorf?“ fragte Grayden.
 
Der Rakshasa schaute auf seinen Sohn als er antwortete.
 
„In einem halben Tag werden wir dort sein.“ sagte er.
 
„Das wird unser Treffen mit unserem Kameraden verzögern.“
 
„Ihr seid auf dem Weg um jemanden zu suchen?“
 
„Ja, einen Kampfgefährten von uns.“
 
Der Biestmann brummte etwas Unverständliches aber der Schildmeister fragte nicht nach, er wollte die Waffenruhe nicht gefährden. Grayden hatte allerdings nicht das Gefühl, dass vom Biestmann Gefahr drohte. Im Gegenteil. Ihn umgab eine Aura von Offenheit und Verständnis. Das in Kombination mit seiner offensichtlichen Führungsstärke, machte ihn zu einer vertrauenswürdigen Person, die hart aber gerecht handelte. Nur die Frau die der Rakshasa während des Gespräches angesehen hatte, warf ihnen immer wieder bösartige Blicke zu.
 
Ramloc bemerkte es als erster und er machte Grayden mit einem heftigen Nieser zur linken Seite darauf aufmerksam. Zur Antwort dass er verstanden hatte rieb sich der Schildmeister an der Nase.
 
„Wer ist diese Frau?“ fragte er in gedämpftem Ton den Rakshasa.
 
„Das erkläre ich euch im Dorf. Wenn wir allerdings weiterhin gehen, wird es noch länger dauern bis wir da sind. Ihr seid nicht unsere Gefangenen aber wenn ihr euer Wort gebt nicht zu flüchten, könntet ihr auf eure Pferde steigen und reiten. Macht euch keine Sorgen ob wir mithalten.“
 
Grayden schaute jeden an und gab sein Wort. Der Rakshasa band eine Schlaufe aus Leder, legte seinen Sohn hinein und schnallte die Lederschlaufe um seinen Oberkörper, versicherte sich ob sie fest saß und gab seinen Gefolgsleuten ein Zeichen. Grayden und die Gruppe stiegen auf ihre Pferde und nach einem zögerlichen Trab, trieben sie die Pferde zu einem schnellen Galopp an. Die Biestmänner liefen neben ihnen her,
 
wie die Pferde Pausen brauchten und die Biestmänner zeigten keine Anzeichen von Erschöpfung. Keine Schweißtropfen waren auf ihren Gesichtern zu sehen. Kein Schnaufen oder Japsen war zu hören.
 
„Erstaunlich.“ staunte Magnus. „ Unser Zwerg wäre schon nach wenigen Minuten vor Erschöpfung umgefallen.“
 
„Pass bloß auf Kiesel, sonst werd` ich dir zeig`n wann ich erschöpft bin.“ tönte der Zwerg. „Nämlich wenn ich dein`n unverschämt`n Hintern bis zum Östlichen Reich getret`n hab`.“
 
Die Biestmänner schauten sich an. Sie konnten sich nur schwer vorstellen dass dieses kleine Wesen so eine Kraft inne wohnt. Der Rakshasa musste grinsen.
 
„Euer Zwerg ist ein Wuppervogel.“ stellte der Biestmann fest.
 
„Ein was?“ fragte Grayden.
 
„Ihr kennt den Wuupervogel nicht? Dieser Vogel ist ungefähr zweimal so groß wie eine Landmaus aber bei Gefahr kann er seine Federn aufblasen. Dabei macht er einen Riesenlärm und kreischt ‚Wuuup, Wuuup’.“
 
Die Biestmänner fingen an zu lachen.
 
„Genau, ein Wuupervogel!.“ lachte Magnus.
 
Shana fiel in das Lachen ein. Selbst Grayden strahlte übers ganze Gesicht. Der Zwerg dagegen lief rot an und das war einer der seltenen Momente in dem der Zwerg sprachlos war. Das Eis zwischen den Gruppen war gebrochen und die Biestmänner stellten den Abenteurern viele Fragen. Dieses Volk war freundlich und neugierig wenn sie ihre Scheu abgebaut hatten. Nur diese eine Frau hielt sich zurück und ihre Blicke verrieten ihre wahren Gefühle.
 
„Auch ich habe Fragen an euch, doch werde ich sie euch in angemessener Umgebung stellen und nicht jetzt.“ sagte der Biestmann. „Lasst uns aufbrechen.“
 
Besser gelaunt machten sich die Gruppen auf den Weg. Am Vormittag sahen sie die Siedlung der Biestmänner von einem Hügel aus.
 
Ein Feld aus Blau und Rosa blühenden Kakteen erstreckte sich zur Rechten über einen weiteren flachen Hügel. In der Mitte des Dorfes stand ein Mammutbaum um den sich das Dorf in Kreisen ausrichtete und der Versammlungsplatz mit der Hütte des Rakshasas befand sich unter dem Schatten, der vom Wipfel auf die Behausungen der Biestmänner fiel. Sie lebten in runden Hütten, die aus Lehm gebaut und mit Palmenblättern abgedeckt waren und aus vielen stiegen Rauchfahnen empor. Hinter dem Mammutbaum reflektierte die Oberfläche eines kleinen Sees. Von dort breitete sich nach links ein Palmen –und Sträucherwald aus. In der Ferne konnte man Konkoros’ Narbe erahnen.
 
Grayden erkannte, dass die Biestmänner das Seewasser zum Bewässern nutzten und vermutete, dass der See von einer unterirdischen Quelle gespeist wurde. Die Siedlung umgab eine friedliche Atmosphäre. Auf dem Hügel konnten die Abenteurer geschäftiges Treiben hören. Familien saßen vor ihren Hütten und spielten mit ihren Kindern. Es wurde viel geredet und an vielen Plätzen trugen die jungen Biestmänner Übungskämpfe unter der strengen und wachsamen Obhut der Älteren aus.
 
Als die Gruppen in die Siedlung geritten kamen wurden sie mit fragenden Blicken überhäuft. Die Siedlung roch nach Moschus, gemischt mit dem Duft von Kräutern, Honig und blühenden Kakteen. Die Leute tuschelten und die Kinder kamen neugierig näher. Nach anfänglichem Zögern trauten sie sich immer näher an Grayden und seine Gruppe heran. Sie berührten seine Beine und streichelten die Pferde. Die Kämpfer unterbrachen ihre Übungen und die Älteren unterhielten sich mit aufgeregten Gesten. Die Frauen lächelten als sie Magnus und Ramloc sahen. Einerseits aus Belustigung, da sie nie einen Zwerg gesehen hatten und teils weil sie den Nordmann aufgrund seines dunkelblondes Haar attraktiv fanden. Die meisten Biestfrauen hatten braune bis rote Haare und sie begannen zu kichern. Shana drehte sich zu Magnus um.
 
„Da hast du Frauen die von deinem Fell beeindruckt sind.“ sagte sie lächelnd.
 
„MhmmHmm.“ war das einzige was der Nordmann entgegnen konnte. Unsicher betrachtete er die hochgewachsenen Frauen.
 
Shana beobachtete indes eine hohe Anzahl von Tieren die im Dorf umherstreiften. Geparde, Löwinnen, Warane, große Vögel mit langen Hälsen und scharfen Schnäbeln, die Shana nicht kannte, Kargfüchse und gepanzerte Wesen die fast so groß wie ihre Feren waren, mit breitem Schädel der von einer Hornplatte geschützt wurde. Sie sah auch vereinzelte Steppenwölfe, Bussarde, kleinere Vögel sowie Wüstenluchse und sogar Schlangen. Shana wunderte sich das keines der Tiere weder sie noch die Biestmänner angriffen. Viele Kinder und die jüngeren spielten außerdem mit den Tieren. In Shana stiegen immer mehr Fragen auf die sie zu diesem Volk hatte, denn es war nur wenig über sie bekannt und Shana wollte diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Der Rakshasa rief die Kinder zur Ordnung als sie bei seiner Hütte abstiegen. Die Feren wurden von jüngeren Biestmännern zu einer Tränke gebracht und gefüttert. Shana und Grayden sahen dass die Reittiere in eifrigen und guten Händen waren. Der Anführer der Biestmänner redete mit der versammelten Menge seines Volks, ihre Sprache bestand aus Bruchstücken der Menschensprache, vielen gutturalen Lauten und Rufe die aus Knurren und Brüllen geformt wurden. Die Menge zog sich murmelnd zurück.
 
„Es kommen nicht viele Besucher aus anderen Ländern oder Rassen zu uns, deswegen ist mein Volk so neugierig.“ sagte der Rakshasa.
 
„Schon in Ordnung.“ sagte Shana „Uns geht es nicht anders.“
 
„Ihr solltet euch erst ausruhen. Die Reise ist für eure Tiere sehr anstrengend gewesen und sie sind die Sonne nicht gewohnt.“
 
„Unsere Feren?“ fragte Shana.
 
Der Biestmann antwortete jedoch nicht sondern schaute sie nur an. Shana hatte das unbestimmte Gefühl, dass er sie belustigt ansah.
 
Dann schritt er voraus und lud sie in seine Hütte ein. Drinnen war es kühl und die Gruppe atmete erleichtert auf. Der Rundbau war mit Feder, Häuten, Fellen, Pelzen und mit Geweihen geschmückt, die weder Shana noch Grayden oder Ramloc und Magnus, gesehen hatten. Im hinteren Teil waren Kissen und Felle um eine Feuerstelle verteilt auf die sich der Rakshasa und die Biestmänner mit den silbernen Mähnen setzten.
 
Der Führer der Biestmänner deutete ihnen sich ebenfalls zu setzen. Grayden setzte sich rechts von einer Silbermähne, dann kam Shana, Magnus und Ramloc saßen neben der anderen Silbermähne. Dann rief der Rakshasa etwas in seiner Sprache und eine Biestfrau betrat den Hauptraum. Sie war 1,94 groß und hatte eine braunrote Mähne die ihr in wilden Locken fast bis an die Hüfte reichte. Zöpfe waren eingeflochten, verziert mit Perlen und bunten Steinen. Das Ende der Zöpfe war mit Federn geschmückt von denen sie auch welche an ihren Stirnseiten trug. Sie trug dünne und weiche Stiefel. Ein orangener Schurz war mit einer breiten, gelben Schärpe um ihre Hüfte gewickelt und daran war ein Kurzmesser befestigt.Eine Rot gefärbte Fellweste bedeckte ihren Oberkörper. Sandfarbene Armschienen waren ebenfalls mit bunten Steinen verziert. Sie besaß eine sportliche Figur und ihr Gesicht war geprägt von hellblauen Augen die Wildheit und Kraft ausstrahlten. Sie hatte schöne, hohe Wangenknochen und eine leicht gebogene Nase. Ihre Lippen waren wunderschön und mit einer hellbraunen Paste geschminkt. Dabei war die Unterlippe etwas größer. Das machte die animalische Schönheit perfekt.
 
Selbst Grayden staunte ob dieser Biestfrau und ihrer Ausstrahlung. Leichte Eifersucht blitzte in Shanas Augen auf. Sie ließ sich dieses Gefühl dessen ungeachtet nicht anmerken und überspielte es mit einem Lächeln auf ihren Lippen.
 
„Rakshasa, du bist sehr früh zurück. Wie geht es unserem Sohn?“
 
„Du hast Besucher mitgebracht.“ stellte sie mit erstauntem Blick in die Runde fest.
 
„Wir haben viel zu bereden, Rikshasa. Sehr viel sogar.“ sagte der Biestmann und benutzte die Sprache der Biestmänner.
 
Er reichte ihr die Lederschlaufe. Behutsam nahm sie es in die Arme.
 
„Hat ein Totem sich für ihn entschieden?“ fragte sie ungeduldig.
 
„Es ist leider nicht dazu gekommen.“ sagte er mit einem Anflug von Bedauern. Die Rikshasa runzelte die Stirn und sah ihn fragend an. Auch die Silbermähnen wechselten besorgte Blicke. Doch der Rakshasa winkte ab und fing an, wieder in der Menschensprache zu reden.
 
„Vieles ist unklar und vieles muss erklärt werden.“ eröffnete er.
 
„Dies ist Korosch.“ Der Rakshasa deutete zu dem Biestmann der rechts von ihm saß. „Und dies ist Lironzor.“ Er wies auf die linke Silbermähne. „Sie sind die Ältesten des Dorfs und stehen mir mit ihrem Rat zur Seite.“
 
Die vorgestellten neigten ihre Häupter zum Rakshasa und dann zu den Abenteurern. Sie taten es ihnen nach. Es war immer gut sich den Sitten und Gebräuchen seiner Gastgeber soweit wie möglich anzupassen, damit kein Unwille entstand.
 
„Nun lasst mich euch Willkommen heißen.“
 
Er nickte Korosch zu und die Silbermähne nahm eine Holzschale und reichte sie dem Rakshasa. Dieser trank daraus und reichte sie an Lironzor weiter, der es dem Rakshasa gleich tat und daraus trank. Die Schale ging durch die Hände der Gruppe und alle tranken aus ihr, bis die Schale wieder bei Korosch war und er sie zur Seite stellte. Die Flüssigkeit war kühl und labend. Sie schmeckte nach Kräutern und Honig. Ein leichtes Rauschgefühl stellte sich bei Grayden, Shana und Magnus ein und ihre Wangen röteten sich und ihr Verstand klärte sich. Es fühlte sich an als ob ein Nebel sich von ihren Gedanken löste und die Dinge einfacher, verständlicher machte. Ramloc merkte nichts davon.
 
„Das ist ein Trank den wir aus Maha brauen. Er öffnet den Geist und labt den Körper. Könnt ihr es spüren?“ fragte er.
 
Shana und Grayden nickten und auch Magnus machte einen sehr
 
entspannten Eindruck.
 
„Wir gebrauchen den Mahatrank um Konflikte und Streitigkeiten zu lösen. Denn wir sind ein friedliches Volk und kennen keine Kriege wie ihr. Wenn man allerdings zuviel davon trinkt, bekommt man das Gefühl das das Gesicht taub wird…“ sagte der Korosch mit einem Blick auf Magnus der sich gerade mit seinem Zeigefinger in die rechte Wange piekste.
 
„Ihr seid der Biestmann der im Krieg gegen das Östliche Reich das Regiment der Rhanareiter angeführt hat, nicht wahr? Deswegen sprecht ihr unsere Sprache.“ fragte Grayden.
 
Er hatte damals von den Taten der Reiter gehört. Bei Gefechtshandlungen geriet König Aaron IV in einen Hinterhalt und die Reiter retteten ihm das Leben.
 
„Ohne euch wäre der König getötet und der Krieg verloren gewesen.“ erinnerte sich der Schildmeister.
 
„Ihr habt ebenfalls in diesem Krieg gekämpft.“ stellte der Rakshasa fest.
 
„Ein Battalion des Karanthar-Mondordens wurde mir zu geteilt und wir belagerten die Stadt Wongden, die wir nach zwei Monaten unter hohen Verlusten einnahmen.“ antwortete der Schildmeister.
 
„Aber ihr sagt`t, dass ihr kein`n Krieg kennt, wieso wart ihr dann dort?“ fragte Ramloc.
 
„Als der Krieg ausbrach, kam eine Delegation mit eurem König in unsere Siedlung und forderte alle jungen Männer auf, in den Kriegsdienst einzutreten. Nach langen Verhandlungen konnte ich ihn überzeugen nur drei von uns mit zu nehmen statt unseres ganzen Volks, von denen nur wenige überlebt hätten, eine Horde Rhanas auszurüsten und mit ihnen in den Krieg zu ziehen. Denn wenn wir nicht unseren Teil
 
beigetragen hätten, wären wir ohne Schutz den Horden aus dem Osten ausgeliefert gewesen und wir wären ausgelöscht worden.“
 
„Sind die Rhanas die Tiere mit den Schädelplatten?“ fragte Shana.
 
„Ja. Wir redeten mit ihnen und sie waren bereit mit uns zu kämpfen. Es sind sehr ruhige, friedfertige Wesen und sie sind sehr schlau.“
 
„Ihr redet mit den Tieren?“ blaffte Ramloc heraus.
 
„Nicht nur. Mein Volk verbindet mit den Tieren mehr als das. Sie sind unsere Gefährten, Freunde und Familie. Sie geben uns Nahrung, Kleidung, Schutz. Wir Biestmänner zwingen unsere Gefährten nicht ein in dem wir sie, wie ihr, in Käfigen und Kellerräumen einsperren. Oder sie in Farmen züchtet um sie zu euren abartigen Jagdvergnügen zu töten.“
 
Traurig schaute der Biestmann über die Abenteurer hinweg und er schien sich an Dinge aus der Vergangenheit zu erinnern. Dann schüttelte er den Kopf und fuhr fort.
 
„Tiere sind fühlende Wesen, sie kennen nicht den Drang aus Langeweile oder Spaß anderen Schaden zuzufügen. Ich blieb lange Jahre am Hof eures Königs. Dort lehrte ich ihm wie er mit den Tieren umzugehen habe damit sie kein Leid erdulden mussten. Er erkannte die Brutalität der adligen Jagdgesellschaften und hat sie verboten. Natürlich jagen einige Edelmänner immer noch zum Spaß aber der Anfang war gemacht.“
 
Grayden und Shana fingen an zu vermuten, dass sie zur Bestrafung, dafür das sie die Löwinnen getötet hatten, in das Dorf geführt wurden. Sie tauschten Blicke aus und einer erriet was der andere dachte und in dem Moment, in dem Grayden Ramloc ein Zeichen geben wollte sich kampfbereit zu machen, ließ Korosch ein kurzes Knurren ertönen.
 
Der Rakshasa nickte zur Antwort.
 
„Doch ihr seid nicht von mir eingeladen worden um für das Töten der Löwinnen verurteilt zu werden. Nein, ich habe euch eingeladen um den Grund zu erfahren warum ihr das Totemritual gestört habt und warum ihr glaubt meinen Sohn gerettet zu haben.“
 
Grayden konnte mit der Bezeichnung Totemritual nicht viel anfangen. Doch ein Gedanke drängte sich ihm auf.
 
„Ihr lasst eure Söhne und Töchter zu einem Ritual im Kargen Land zurück um heraus zu finden, welchem Pfad er folgen soll.“ mutmaßte der Schildmeister.
 
Erstaunen zeigte sich in den Augen des Rakshasas und auch die Silbermähnen schienen beeindruckt zu sein.
 
„Wenn er oder sie überlebt, dann bestimmt das Tiertotem seinen weiteren Weg im Leben.“
 
Die Silbermähnen wurden aufmerksamer, hatten sie doch erlebt, dass sich die Menschen schwer tun die Riten und Sitten anderer Völker und Rassen zu achten. Lironzor selbst hatte das an eigenem Leib erfahren müssen. Shana hielt das für eine grausame Art von Ritual, sagte aber nichts.
 
„Wie ich sehe hat das Maha euren Geist erweitert und könnt das Ritual nachvollziehen“ sagte die Silbermähne.
 
„Bitte versteht auch uns, “ sagte Shana „ wir sahen nur einen Säugling der von Löwen angegriffen wurde und wussten nicht das wir durch unser Eingreifen ein Ritual störten.“
 
„Als Zwerg kenn` ich die Bedeutung von Tradition. Sie zeig`n uns welch`n Regeln wir folg`n müss`n damit wir uns nicht gegenseitig zerstör`n.“ sagte der Zwerg. „Bitte entschuldigt unser Verhalt`n und wir hoff`n auf euer Verständnis.“
 
Von der Aussage des Zwergs überrascht drehten sich alle zu ihm um. Selbst Magnus hatte aufgehört in seinem Gesicht herum zu stochern.
 
Der Rakshasa und seine Ältesten redeten viele Minuten in ihrer eigenen Sprache miteinander. Auch die Rikshasa kam zurück, offensichtlich hatte sie ihren Sohn versorgt und gedachte an der Beratung teilzunehmen. Nach dem der Anführer mit seinen Leuten gesprochen hatte, erklärte er seiner Frau was passiert war. Zuerst schien sie nicht erfreut gewesen zu sein, denn sie fauchte den Rakshasa an doch dieser blieb ruhig und beruhigte sie. Die Rikshasa setzte sich schräg hinter ihren Mann. Dann wandte er sich wieder seinen Gästen zu.
 
„Was hat eure Frau gesagt? Sie machte keinen freundlichen Eindruck auf mich.“ fragte Shana.
 
„Sie bestand darauf, euch für die Störung unseres Totemrituals zu bestrafen. Doch ich konnte sie davon überzeugen, dass es besser sei euch nicht zu bestrafen. Ihr habt danach gehandelt was euer Herz für richtig hielt. Dafür kann ich niemandem ein Leid zufügen. Ein Sprichwort bei uns besagt: „Ein edles Wesen handelt im Einklang mit seinem Herzen“.
 
„Weise Worte.“ sagte Ramloc.
 
„Ist euch Schaden wegen dem gestörten Ritual entstanden?“ wollte Shana wissen.
 
„Es wird deswegen einige Unzufriedenheiten in meinem Volk geben. Es ist noch nie vorgekommen, dass jemand das Totem verjagte. Ich werde mit ihnen reden und sie überzeugen, dass ihr meinem Volk nichts Böses wolltet. Wir glauben, daß alles aus einem bestimmten Grund geschieht und das euer Eintreffen kein Zufall ist. Beim nächsten Vollmond wird sich das Totem aus seiner Zuflucht unter dem Himmel wieder zeigen und dann wird meinem Sohn sein Lebenspfad offenbart werden. Bis dahin seit ihr alle eingeladen bei uns zu verweilen und dem nächsten Ritual beizuwohnen.“ 
 
„Wir danken euch für eure Güte und eurem großen Geist, Rakshasa. Doch wir können nicht so lange bleiben, unser Freund wartet auf uns und es ist noch ein weiter Weg zu ihm.“ bedankte sich Grayden im Namen der Gruppe.
 
„Heute könnt ihr allerdings nicht mehr weiterziehen.“ sagte der Biestmann freundlich aber bestimmt.
 
„Ich, meine Ältesten und sogar meine Frau möchten von euch hören was sich außerhalb des Kargen Landes in den letzten Jahren zugetan hat.“
 
„Gerne berichten wir euch darüber, Rakshasa. Auch ich möchte von euch viel erfahren, schon damals war ich auf euer Volk neugierig.“
 
„Dann lasst uns diese Begegnung feiern. Es kann kein Zufall sein, das sich unsere Pfade auf solchen Wegen kreuzen, wenn das Totem euch geschickt hat.“ Mit herab gesenkter Stimme beugte er sich zu Shana.
 
„Auch meine Rikshasa will hören, was es in der Welt der Frauen an Neuigkeiten gibt.“ sagte der Biestmann mit einem Augenzwinkern.
 
Die Rikshasa verließ den Raum und der Rakshasa zeigte seiner Frau hinterher und Shana verstand, das die Männer unter sich sein wollten. Das störte sie nicht im Geringsten, gab es ihr die Möglichkeit auf eigenem Weg etwas über das Volk der Biestmänner zu lernen. Langsam ging sie in den Nebenraum durch den die Rikshasa den Raum verlassen hatte. Der Nebenraum war etwas größer als der Hauptraum schätzte Shana. Sie sah die Rikshasa im hinteren Teil des Raumes stehen, wo eine Wiege stand über die sie sich beugte und ihren Sohn in die Arme nahm. Als sie sich umdrehte sah sie Shana und rümpfte die Nase. Shana ging auf sie zu und der Sohn schien sie wieder zu erkennen. Er fing an zu glucksen und zu lachen als er die Bogenschützin sah.
 
„Einen schönen und starken Sohn habt ihr, Rikshasa.“ sagte sie zu ihr.
 
Die Rikshasa zögerte.
 
„Ja, er wird einmal ein großer Anführer werden. Mutig und tapfer.“
 
Sie sah Shana an und die Zurückhaltung wich langsam aus ihrem Gesicht.
 
„Wie heißt ihr?“ fragte sie Shana.
 
„Mein Name ist Shana, Rikshasa.“
 
„Rikshasa ist nur der Titel mit dem wir von unserem Volk gerufen werden. Mein eigentlicher Name ist Alana.“
 
„Ein wirklich schöner Name.“ lächelte Shana. „und wie heißt euer Sohn?“
 
„Er wird seinen Namen erhalten wenn ein Totem ihn erwählt hat und er sich einen verdient hat. So ist es bei uns Brauch. Wie hast du deinen Namen erhalten?“
 
„Meine Eltern gaben ihn mir kurz nach meiner Geburt.“
 
Alana schaute erschrocken auf.
 
„Du besitzt kein Totem? Hat keiner von euch ein Totem?“ Sie wies mit dem Kopf auf den Hauptraum aus dem lautes Stimmenwirrwarr und Gelächter erklang.
 
Shana überlegte.
 
„Wenn man es so sagen mag, ist mein Totem das Mondzeichen Eiche.“
 
„Eiche,“ wiederholte Alana sinnierend,“ Welche Eigenschaften hat dein Totem Eiche?“
 
Und schon waren die zwei Frauen in ein Gespräch verwickelt.
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
Kapitel 2
 

 

 

 
Der Hammer landete krachend auf dem Holzpfosten und trieb ihn endgültig in die aufgetaute Frühlingserde.
 
„Endlich fertig.“ stöhnte Dimitrion und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
 
Der Halbelf nahm den Hammer auf seine rechte Schulter und prüfte mit einem Ruckeln ob der Pfosten auch wirklich fest in der Erde saß. Zufrieden hob er den Kopf und sog die frische Vormittagsluft ein. Auf seinen Ländereien begannen die Bauern die ersten Kühe und Pferde in die Gehege zu treiben. Lautes Muhen und Wiehern war von den Feldern zu hören, die sich vor Dimitrion erstreckten. Falken machten Jagd auf Hasen und Schmetterlinge flatterten auf den Wiesen herum.
 
Saftiges Grün sprießte überall und die Menschen begrüßten sich freundlich und trafen sich hier und da zu Gesprächen und Verabredungen. Das Tal war eigentlich kein Tal sondern mehr eine tiefe Senke. Dort lag ein Dorf mit fast fünfhundert Einwohnern, unzählige Äcker und Felder rahmten es ein. Im Süden und Westen lag der Graanwald, der aus Birken, Eichen und Linden bis zu der Gebirgskette des Konkoros reichte. Auf den Gipfeln der entfernen Gebirgskette konnte man noch den Schnee des Winters liegen sehen. Dieser Schnee würde nie schmelzen, da Cyrilla die Göttin des Wassers ihn ihrem Bruder Konkoros, dem Gott der Erde zum Geschenk gemacht hatte. Sirane, die Luftgöttin ließ ihn gefrieren damit sich ihr Bruder an der Schönheit des Schnees und des Eises auf ewig erfreuen konnte.
 
Am Rande des Waldes waren die Frauen zu sehen die die ersten Beeren und Nüsse sammeln wollten. Sie wurden von mehreren Männern bewacht, die ein waches Auge auf den Waldrand warfen. Denn im Frühling kamen die Tiere aus dem Wald um nach Nahrung nach dem langen Winterschlaf zu suchen. Bisher gab es keine Unfälle und Dimitrion wollte das es auch so blieb. Er schaute nach den vorbei ziehenden Schwalben und schaute sich nach Merthan um, der an einem anderen Zaun arbeitete.
 
Er winkte ihm zu das er mit der Arbeit fertig war. Die Rinder und Strabanvögel konnten jetzt endlich auf das Land getrieben werden. Auf dem Weg zu Merthan dachte der Halbelf daran wie die Dorfbewohner die zwei Meter großen Vögel aufnehmen würden, doch als sie das erste Fleisch gekostet hatten, fingen sie am Rande des Kargen Landes sechs Paare. Zwei starben leider aber der Rest vermehrte sich rasch und schon bald hatten sie eine Herde zusammen. Dimitrion dachte auch daran Handel mit den Straban zu treiben. An das Wetter im Kargen Land gewohnt, brauchten sie wenig Nahrung und haben ein sanftes Gemüt. Ihr Fleisch ist wohlschmeckend und von einem Vogel konnte eine sechs bis achtköpfige Familie einen halben Monat leben. Das Gefieder der Vögel ist äußerst robust, angenehm zu tragen und leicht in der Handhabung. Nur der Geruch musste noch entfernt werden. Der Halbelf und die Kräuterfrau, die hinter seinem Gutshof lebte, suchten immer noch nach einer Lösung zur Geruchsbeseitigung.
 
„Wie ich sehe, seit auch ihr mit der Reparatur des Zauns fertig, Herr.“ sagte Merthan.
 
Der Halbelf wollte etwas sagen aber er hatte es den Menschen schon sooft gesagt und nach über einem Jahre nannten ihn alle Leute immer noch Herr. Dabei war er gar nicht in dem Alter in dem man „Herr“ genannt wurde.
 
Mit seinen 28 Jahren war Dimitrion zwar nicht mehr jung, doch er war immer noch kräftig und ausdauernd. Sein elfisches Erbe gab ihm allerdings das Aussehen eines frühen zwanzigjährigem. Was dazu führte das seine Umgebung ihn ständig als Jüngling betrachtete und seine Fähigkeiten unterschätzte. Er hatte dunkelblondes, langes Haar das glatt über die Schultern reichte. Auf diese Weise sahen die Menschen nicht sofort, dass er spitze Ohren hatte. Blauviolette Augen gaben ihm eine fremdartige Erscheinung, doch sie strahlten Sanftheit und Kraft aus. Aus dem Grund, dass er auch menschliche Züge in sich vereinte waren seine Augen rund und nur wenn man genau hinsah, konnte man sehen dass sie einen hochgezogenen Winkel hatten. Dimitrion war überdurchschnittlich groß und besaß einen drahtigen Körperbau mit gut ausgeprägten Muskeln.
 
„Lass uns nach dem Mittag weiterarbeiten, Merthan. Ich brauch eine Pause.“
 
„Wie ihr wollt Herr.“ antwortete der Marschall.
 
Dimitrion klopfte Merthan auf die Schulter und ging zu seinem Gut . Sein Geschenk war auf dem höchsten Hügel erbaut worden und von dort aus hatte man eine weite Aussicht auf das Tal mit seinen Feldern und Äckern. Inmitten derer sich die Gemeinde Graanbergen befand, die vom Halbelfen geführt wurde. Als er seine Füße auf den Kieselweg zu seinem Gut senkte, hörte er schon seine Magd, Hildrin, nach ihm rufen.
 
„Oh, Herr. Ihr kommt genau rechtzeitig, das Mittagsmahl ist fertig. Ihr braucht nach so einem anstrengenden Morgen doch sicher eine Stärkung?“ fragte sie mit einem Glänzen in den Augen.
 
Hildrin und eine weitere Magd, die auf den Namen Magrun hörte, waren ihm vom Mandarrn als Belohnung überreicht worden als Zeichen dessen Dankbarkeit. Dimitrion und seine damaligen Kampfgefährten hatten vor etwas über einem Jahr das Leben der Tochter des hohen Landregenten gerettet. Sie halfen ihm dabei den Gutshof und die Felder zu bewirtschaften. Des weiteren stellte der Mandarrn ihm Merthan und drei tüchtige Bauern zur Seite, sie hießen Nab, Valt und Therben. Merthan war der Älteste und hatte schon Dimitrions Vorgänger gedient. Zunächst war der Halbelf überrascht angesichts der Ehre einen Gutshof und die Verantwortung über eine fünfhundert Mann zählende Gemeinde zu übernehmen, doch er fasste sich schnell. Wenn er viele Abenteuer bestanden, unzählige Kämpfe gefochten, monatelange Reisen durch Eis und Hitze unternommen und zahllose Schlachten geschlagen hatte, dann würde er es auch schaffen, diese Bürde zu meistern.
 
Doch so einfach wie sich der Halbelf das Leben als Gutsherr vorstellte, war es nicht und schon bald musste er sich um alle Belange kümmern: Felder bewirtschaften, Ernte einfahren, die Leitung des Gemeinderates übernehmen, Gesetze erlassen, Verbrecher jagen und verurteilen, Streitigkeiten zwischen den Bauern schlichten, Hochzeiten absegnen und noch vieles mehr. Dimitrion war in den ersten Wochen jeden Abend früh ins Bett gefallen, oft noch vollkommen angezogen. Sein Gefolge merkte dadurch sehr schnell das er sich wirklich seiner Verantwortung stellte und den Bürgern versuchte zu helfen wo er nur konnte. Seine Mägde halfen im das Haus zu organisieren und Merthan brachte ihm die Landwirtschaft bei. Einer der Dorfältesten führte ihn langsam aber sicher in die Welt der Politik und Gesetze ein und durch die Strabanvögel gelang es ihm viele hungernde Mäuler zu füllen. Das brachte ihm nicht nur die Zuneigung seiner Leute ein, es sprach sich auch im Umland herum.
 
In wenigen Tagen erwartete er eine Abordnung von einem benachbarten Landregenten, bei dem er seinen ersten Anstandsbesuch gemacht hatte um sich in den umliegenden Bezirken als neuer Grundherr vorzustellen, wie es die Tradition verlangte.
 
Dimitrion bedankte sich bei Hildrin und wie immer war ihr Mahl köstlich. Es gab gebratenes Rinderfleisch, dampfendes Gemüse, frisches Brot und Toffeln. Und wie immer hatten die Mägde zuviel gekocht. Dimitrion seufzte angesichts der Üppigkeit der Mahlzeiten, in seinem vorherigen Leben musste er häufig auf richtige Speisen verzichten. Wenn man bei der Jagd kein Glück hatte, musste gehungert werden oder man aß die zähen Notrationen aus Dörrfleisch. Innerhalb eines Jahres hatte er mehrere Pfund zugenommen trotz der schweren Arbeit die er verrichtete.
 
Hildrin war ihm von allen am meisten zugetan, hatte sie sich doch am ersten Tag heimlich in den Halbelf verliebt und mit ihrer Kochkunst, ihrem Fleiß und mit vielen anderen Nettigkeiten machte sie es ihm bequem so gut es ging. Sie berührte ihn öfters absichtlich an den Armen und lächelte erwartungsvoll den Halbelfen an. Sie übernahm mehr Aufgaben als es für eine Magd üblich war und hoffte, das Dimitrion sie eines Tages endlich in den Arm nahm und küsste. Ihr auffälliges Verhalten blieb natürlich nicht unbemerkt und das Gesinde tuschelte hinter ihrem Rücken über ihre Narretei sich einen Gutsherren angeln zu wollen, doch Hildrin störte das nicht und sie umsorgte Dimitrion weiterhin.
 
Ihm war das ganze zuerst unangenehm, doch mit der Zeit schätzte er die hübsche Magd immer mehr. Mehr als einmal hatte er sich dabei ertappte wie er ihr hinterher schaute. Dann gingen ihm allerhand Gedanken durch den Kopf, die ihn von der Arbeit ablenkten und er sich ins Hier und Jetzt zurückholen musste.
 
Beim Abräumen berührte sie seinen Arm und schenkte ihm ein warmherziges und scheues Lächeln. Er lächelte ebenfalls und für einen langen Moment sahen sie sich in die Augen, bis Magrun aus der Küche rief.
 
„Bald werde ich Hildrin wohl fragen müssen, jetzt da ich sesshaft geworden bin, kann ich auch eine Familie gründen und mein Lebensalter genießen.“ dachte er, als er die Stufen zum Schlafgemach hoch ging.
 

 

 

 
*
 

 

 
Hidrin weckte ihn.
 
„Herr, wacht auf.“
 
„Hmmm, ja?“
 
„Herr, ich nahm an das ihr die Herden auf die Felder treiben wolltet.“
 
Dimitrion war noch schläfrig, doch er musste seinen Pflichten nachkommen und sich um die Rinder und Straban kümmern.
 
„Danke Hildrin.“ murmelte er und tätschelte sanft ihre Hand. „Ich bin gleich da.“
 
Er ließ seine Hand eine Sekunden länger auf ihrer ruhen.
 
Sie errötete, denn ihr Herr hatte sie noch nie so lange berührt. Es war ein gutes
 
Zeichen deutete sie und lächelte. Dann richtete er sich in seinem Bett auf und zog Hildrins Gesicht zu sich. Sie begann unruhig zu atmen und ihr Dekollete senkte sich im Rhythmus auf und ab. Hildrin war wohlgeformt, nicht zu schlank und nicht zu dick. Sie trug eine übliche Gesindekleidung die ihre weichen Formen betonte. Ihr schwarzes Haar war bis in den Nacken geschnitten und sie hatte schöne dunkelbraune Augen.
 
Ihre Lippen trafen sich und ein langer Kuss folgte.
 
„Was würde ich nur ohne dich tun, Hildrin?“ flüsterte er ihr zu.
 
„Oh, mein Herr, ich bin nur eine Magd…“ bracht sie nur stockend hervor.
 
„Das ist doch egal. Ich habe bemerkt wie du mich anlächelst und wie du dich liebevoll um mich sorgst.“
 
„Das…Das ist euch aufgefallen, Herr?“
 
„Schon seit geraumer Zeit Hildrin und ich hätte mich schon viel eher bei dir bedanken sollen.“ sagte er ihr leise.
 
„Das freut mich, Herr.“
 
Sie küssten sich dieses Mal länger. Doch da rief  sie plötzlich jemand.
 
„Hildrin, wo steckst du denn? Denkst du ich kann den Haushalt alleine machen?“
 
Es war Magrun.
 
„Herr, ich muss gehen.“ sagte Hildrin mit einem tiefen Bedauern.
 
„Ja und ich muss mich wieder der Arbeit widmen.“ sagte Dimitrion.
 
Hildrin beruhigte ihren Atem und Dimitrion stand auf um sich mit Wasser aus der Waschschale abzukühlen. Sie lächelten sich noch einmal zu. Hildrin machte einen Knicks und lief runter in die Küche.
 
Dimitrion schüttelte den Kopf um wieder einen klaren Kopf zu bekommen und machte sich auf die Suche nach Merthan und den anderen. Er fand sie bei den Strabanställen. Merthan war verschwitzt und hustete keuchend.
 
„Herr, gut das ihr kommt. Ihr wisst doch, das eins der Weibchen trächtig ist?“
 
„Ja, das weiß ich. Wieso fragst du? Was ist denn los?“
 
„Sie sollte nächsten Monat eigentlich ihre Eier legen aber vorhin fing sie an zu straucheln und flatterte umher. Wir haben sie nur mit Mühe davon abhalten können auszubrechen. Dann wurde sie plötzlich still und ihr Mund begann zu schäumen..“
 
„Erzähl weiter.“ forderte Dimitrion.
 
„Nun, ich dachte mir, das ich erst jemanden los schicke um Serrin und Nirven zu holen bevor ich euch wecke, Herr.“ beendete Merthan.
 
„Das war eine kluge Entscheidung, Merthan. Unsere Straban sind sehr wichtig für unsere Gemeinde. Wann sind die Kräuterfrau und der Dorfheiler hier?“
 
„Serrin müsste gleich eintreffen, der Heiler wird länger aus dem Dorf brauchen, Herr.“ antwortete Merthan immer noch schwer atmend.
 
Sie gingen während des Gesprächs in die hinteren Ställe wo die Straban untergebracht waren Da sah Dimitrion auch schon den kranken Vogel. Er lag auf der Seite und krächzte laut wobei er seinen langen Kopf Hin und Her schwang. Weißgrüner Schaum lief ihr aus dem Mund und sie schaute angriffslustig jeden an der ihr zu nahe kam. Sie hackte mit ihrem Schnabel nach Therben als dieser versuchte sich ihr zu
 
nähern und zu beruhigen.
 
„Vorsicht!“ rief Dimitrion, doch Therben war zu langsam. Der Straban hackte nach seiner linken Hand und er konnte sie nicht mehr rechtzeitig zurückziehen, als der Vogelschnabel zuschnappte.
 
Straban hatten kleine Reißzähne in ihrem Schnabel, die ineinander zahnten, sie streiften damit die Stacheln von den Kakteen ab die im Kargen Land wuchsen und ihre Hauptnahrung waren. Außerdem ist der Schädel eines Strabanvogels eineinhalb Mal so groß wie der Kopf eines ausgewachsenen Mannes und der Schnabel steht dem in nichts nach. Doch das war Therben im Moment egal, er schrie auf als er seine Hand in dem riesigen Schnabel verschwand und instinktiv versuchte er sie heraus zu ziehen. So schaffte er es nur, dass seine Hand geradezu abgesägt wurde und aus dem resultierenden Schmerz, zog er noch mehr. Blut spritzte als der Vogel das Fleisch von den Knochen riss
 
„Verdammt.“ rief Dimitrion und er sah sich im Stall nach einer Möglichkeit um mit der er Therben befreien konnte. Sein Blick fiel auf eine Schaufel die wenige Meter an ein Gatter gelehnt war. Er griff danach und schlug nach dem Straban.
 
Einmal. Zweimal.
 
Der Vogel lockerte den Biss um Therbens Hand. Das ging dem Halbelfen zu langsam und er holte zu einem stärkeren Schlag aus. Therben schrie immer mehr, man sah die entblößten Knochen an seinem Gelenk. Mit einem Knacksen traf Dimitrion den Kopf des Straban und zerschmetterte dessen Schädel.
 
Der Vogel ließ endlich von Therben ab. Die Schmerzensschreie vermischten sich zu einem wilden Kreischen. Dann verstummte der Vogel und er fiel mit einem letzten Krächzen zur Seite. Merthan zog seinen Bauerngehilfen aus dem Stander und versuchte Therben zu beruhigen.
 
„Therben, Therben, sieh mich an. Es ist vorbei.“ redete er auf ihn ein.
 
Der Gehilfe sah auf und hielt verzweifelt seine blutenden Hand. Sie war beinahe abgetrennt worden. Dimitrion überzeugte sich das der Vogel tot war und kniete sich zu Therben runter. Da erschien Nab mit Serrin.
 
„Nab, hole saubere Lappen und warmes Wasser. Ich muss das Blut entfernen und seine Hand säubern. Rasch.“ bestimmte die Kräuterfrau.
 
Der Gehilfe rannte sofort zum Haupthaus und Serrin fing an Therben zu untersuchen. Aus einer Tasche nahm sie einen Trank, hielt seinen Kopf fest und tröpfelte ihm etwas auf die Zunge. Nach ein paar Minuten wurde der Gehilfe ruhiger und bekam einen glasigen Blick.
 
„Diese Vögel sind bisher doch immer friedlich gewesen?“ fragte sie Dimitrion.
 
„Es hat noch nie jemand davon berichtet, dass sie so aggressiv werden können.“ antwortete Merthan. „Ich vermute eine Vergiftung. Bevor er verrückt spielte hatte der Vogel Schaum an seinem Schnabel.“
 
„Dann werde ich mir gleich den Vogel anschauen. Die Blutung hört auf. Merthan, hilf mir ihn auf den Tisch zu heben.“
 
Merthan nickte und gemeinsam hoben sie ihn hoch während Dimitrion darauf liegendes Werkzeug zu Boden warf.
 
„Es ist zwar nicht sauber aber was anderes haben wir wohl nicht.“ sagte Serrin als sie Therbens Hand mit einem sauberen Lappen umwickelte.
 
Nab kam mit weiteren Lappen und einem Topf dampfenden Wassers zurück. Die Kräuterfrau reinigte die Hand und rührte dann eine Salbe an. Dimitrion ging los um zwei Holzstangen und eine Pferdedecke zu einer Trage zu verbinden.
 
„Können wir ihn nicht mit der Trage in sein Zimmer bringen?“ fragte Dimitrion.
 
„Das ist besser als hier. Gut mitgedacht, Grundherr.“ sagte die Kräuterfrau.
 
Schnell legten sie Therben auf die Trage und Nab lief zum Gesindehaus voraus.
 
Dort angekommen öffnete er die Tür zu Therbens Kammer und behutsam legten sie ihn auf das Bett. Serrin kümmerte sich weiter um ihn.
 
„Welche Farbe hatte der Schaum?“ fragte sie.
 
„Der Schaum war weißgrün.“ antwortete Merthan.
 
„Trollbeere. Dann muss ich noch etwas zusammenbrauen.“
 
„Wenn ihr in die Küche wollt, dann führe ich euch.“ bot Dimitrion an. „Merthan, Du bleibst und falls sich an Therbens Zustand etwas ändert schickst du Nab los.“
 
„Ja, Herr.“
 
Dimitrion ging voraus und in der Küche hatte Magrun schon einen weiteren Topf Wasser aufgesetzt. Die Kräuterfrau nahm Kräuter und Blätter, verrieb sie und mischte eine Tinktur an. Dann gab sie andere Kräuter ins kochende Wasser dazu.
 
„Die Blätter brauchen Zeit um zu ziehen, wenn das Wasser sich verfärbt, füllt ihr eine Tasse ab und bringt ihn mir, ja?“ gab Serrin die Anweisung.
 
„Dann geht zu Therben, ich warte und bringe euch den Tee.“ sagte Dimitrion.
 
Als das Wasser verfärbte, nahm er eine Tasse davon und ging in Therbens Kammer zurück wo Valt mit dem Dorheiler eingetroffen war.
 
„Ich grüße dich Nirven.“
 
„Guten Tag, Gutsherr. Wie ich sehe komme ich zu spät.“
 
„Keine Hilfe kommt zu spät wenn ihr gebraucht werdet, ihr könntet mit mir den
 
Vogel untersuchen.“
 
„Merthan sagte, der Vogel hatte weißgrünen Schaum gespuckt. Das passiert bei einer Trollbeerenvergiftung. Doch wer würde einen eurer Vögel vergiften wollen?“
 
„Das werden wir noch herausfinden. Wichtiger ist Therben. Wie geht es ihm, Serrin?“
 
„Er wird sehr lange Ruhe brauchen, bis die Hand erholt und neues Fleisch nachgewachsen ist. Aber die Sehnen sind gerissen. Er wird die Hand nicht mehr vollständig benutzen können.“
 
„Solange Therben wieder gesund wird, ist das zweitrangig. Er hat nur versucht seinen Dienst zu tun und ich werde nicht zulassen dass er als Bettler endet weil er nicht mehr arbeiten kann. Therben bleibt auf dem Hof, hier hat er sein Zuhause.“
 
Dieses Mitgefühl war es was ihn bei seinen Untergebenen so beliebt machte.
 
Für Dimitrion selbstverständlich, hätten die Einwohner von seinem Vorgänger anderes zu erwarten gehabt. Alle nickten und Serrin beendete ihre Behandlung.
 
„Danke euch, Herr…Ich…“ stammelte Merthan. Therben war inzwischen eingeschlafen und Merthan deckte ihn zu.
 
„Schon gut.“ sagte Dimitrion und klopfte ihm auf die Schulter. „Wir finden denjenigen, der den Straban vergiftet hat.“
 
„Jetzt schauen wir uns den Vogel an, vielleicht finden wir etwas. Ich werde die nächsten Tage immer wieder vorbeischauen um Therbens Verbände zu wechseln und neue Tinkturen anzurühren.“ sagte Serrin.
 
Dimitrion, Nirven und die Kräuterfrau gingen zum Stall in den Stander des Vogels.
 
„Zum Glück hat Merthan die anderen schon auf die Weide gebracht sonst wären sie auch noch durchgedreht.“ dachte Dimitrion.
 
Serrin kniete sich zu dem toten Vogel herunter und zerrieb den Schaum zwischen ihren Händen.
 
„Eindeutig Trollbeere. Nirven?“ fragte sie auffordernd.
 
„Normalerweise sind Trollbeeren abgekocht ungiftig. Vielleicht vertragen die Vögel diese Beeren nicht.“ sagte der Dorfheiler.
 
„Und jeder hier hat etwas von den Tieren, wer könnte euch Schaden wollen?“ fragte Serrin mehr zu sich selbst.
 
„Also werde ich dafür sorgen dass niemand Trollbeeren an die Straban verfüttert und meine Gutsgehilfen fragen ob ihnen jemand aufgefallen ist.“  sagte Dimitrion.
 
„Danke euch, dass ihr gekommen seid. Bitte ruht euch aus und stärkt euch. Magrun wird sich um euch kümmern während ich den Straban vergrabe.“
 
„Ich werde zuhause Tees und Tinkturen brauen müssen, deshalb kann ich leider nicht bleiben. Ich danke euch trotzdem für das Angebot, Grundherr.“  sagte Serrin.
 
„Ich könnte etwas vertragen, der Weg aus dem Dorf hier hoch ist anstrengend für
 
einen Mann meines Alters.“
 
„Gut. Serrin, wir sehen uns morgen und kommt sicher nach Hause.“ Dimitrion nickte Serrin zu und begleitete dann den Dorfheiler in die Küche. Er verabschiedete sich und ging in Therbens Kammer um nach dem Gehilfen zu sehen. Dieser schlief und wälzte sich unruhig herum. Nab und Valt nahm er mit um den Straban zu vergraben.
 
Als sie die Arbeit verrichtet hatten, was sehr lange dauerte, fragte Dimitrion ob den Gehilfen etwas aufgefallen wäre. Doch leider konnte ihm keiner der beiden helfen.
 
Dimitrion nahm sich vor Merthan zu fragen, doch der war an Therbens Seite ebenfalls eingeschlafen. Verwundert schloß der Halbelf wieder die Tür und rieb sich angestrengt die Augen. Er dachte nach. Der Verlust des Weibchens würde sich auf den Rest der Horde auswirken und sie nervös machen. Das Männchen wird ebenfalls
 
sterben, da Straban genau wie Sawane eine Verbindung bis zum Tod eingehen und ohne den Partner nicht überleben können. Also müsste ein neues Pärchen gefangen werden und das wiederum bedeutete eine mehrtägige Reise für die im Moment keine Zeit übrig war. Zuviel musste im Frühling erledigt werden und der Giftmischer könnte in der Zwischenzeit erneut zuschlagen.
 
Stunden verbrachte Dimitrion mit ergebnislosem Grübeln. Nur eine Erkenntnis fiel ihm ein. Grundherr zu sein ist anstrengender als er gedacht hatte.
 
Am gleichen Abend kam eine Gruppe aus dem Dorf den Weg zum Anwesen hoch.
 
Sie trugen Fackeln und wurden vom Dorfvorstand, dem Priester und Nirven angeführt. Von der Bank, auf der der Halbelf saß, konnte er ein Pärchen sehen, dass sehr verstört wirkte denn die Frau weinte bitterlich und ihr Mann versuchte sie zu trösten obwohl auch ihm die Tränen in den Augen standen.
 
De Dorfvorstand deutete auf den Grundherr und sie eilten auf ihn zu. Dimitrion stand auf und begrüßte die Leute.
 
„Herr, etwas furchtbares ist geschehen.“ eröffnete Jergen, der Dorfvorstand.
 
Er war in einen Mantel gehüllt und man konnte in dem schwächer werdenden Licht nur eine Stoffhose und ein Baumwollwams erkennen. Auf seinem Kopf saß eine Kappe die ihn als den Dorfvorstand erkenntlich machte und ihm im Rat eine Stimme zuteilte.
 
„Was ist denn passiert? Nirven, setzt euch, ihr seht erschöpft aus.“
 
„Danke, Herr.“
 
„Die Kinder wurden entführt.“ sagte Jergen.
 
„Welche Kinder?“ verlangte Dimitrion zu wissen.
 
Der Dorfpriester trat vor, an seiner Seite das Pärchen, dass dem Halbelf schon vorher aufgefallen war.
 
„Dies sind der Weber Kemen und seine Frau Gritt.“ sagte der Priester Birdan.
 
„Sie kamen gegen Nachmittag zu mir und sagten, dass sie ihren Sohn vermissten.
 
Er sei zwar ein kleiner Streuner aber zu den Mahlzeiten immer zuhause, doch weder zum Mittag noch zum Abendbrot war er daheim. Sie suchten ihn im Dorf und fragten die Nachbarn ob sie ihren Sohn gesehen hätten. Hefrim, der Schmied sagte dann, dass er einen Jungen gesehen hat, der in Richtung Berge gelaufen wäre. Danach sind sie zu mir gekommen und wir haben den Dorfvorstand und den Heiler geholt um eine Versammlung abzuhalten. Wir kamen überein, dass wir euch zu Rate ziehen sollten. Ihr wart doch ein Abenteurer und wir hoffen, dass ihr uns helfen werdet.“
 
„Ihr dachtet wohl und selbstverständlich werde ich meinen Leuten helfen. Weber Kemen, tretet vor und sagt mir wie euer Sohn aussieht und wie er heißt.“ sagte Dimitrion.
 
„Ja, Herr.“ sagte Kemen und mit seiner Frau im Arm stellte er sich vor seinen Grundherren und mit zittriger Stimme teilte er ihm das geforderte mit.
 
„Er heißt Jillen und ist zehn Jahre alt, hat braunes Haar und dunkelbraune Augen und geht mir fast bis zur Brust.“ Er machte ein entsprechendes Handzeichen.
 
„Er ist ein guter Junge, ein kleiner Forscher, dass will er nämlich werden, Herr, und er streunt ständig im Dorf oder in den Feldern oder am Waldrand herum. Gritt sagt, dass er heute eine kurze grüne Hose und ein braunes Hemd trug. Wahrscheinlich hat er auch seine Forscherkappe auf, Herr, ohne die geht er nirgendwo hin. Eine kleine, flache, dunkelrote Kappe, die ich ihm zu seinem achten Geburtstag geschenkt habe.“ Gritt verfiel wieder in heftiges Weinen und Dimitrion bemerkte, dass ihr Bauch sich wölbte und vermutete das sie schwanger sei.
 
„Setzt euch doch. Ihr seid schwanger, nicht wahr?“ sagte Dimitrion.
 
Die Frau nickte unter ihrem Schluchzen nur und setzte sich neben Nirven.
 
„Hefrim. Ihr saht den Jungen in die Berge laufen?“
 
„Ja, Herr. Heute Vormittag schmiedete ich einige Kettenglieder und während einer kurzen Pause lief der Junge an meiner Schmiede vorbei und grüßte mich höflich. Ich fragte ihn wohin er denn grade gehen wollte und er sagte er hätte gestern ein Eichhörnchen am Waldesrand gesehen und heute wollte er es wieder suchen. Ich wünschte ihm viel Glück und dann lief er auf die Berge zu. Das ist alles, Herr.“
 
„Danke Hefrim. Ich schlage vor, dass wir noch Serrin holen, die ist häufig im Wald und den Bergen unterwegs und sie könnte uns mit ihrem Wissen sehr von Nutzen sein. Wir holen uns noch mehr Fackeln und versuchen noch heute Abend eine Spur zu finden. Rasch, wir haben nicht mehr viel Zeit bevor die Sonne untergegangen ist.“
 
Alle stimmten zu und nachdem sie auch Serrin geholt hatten, machten sie sich auf die Suche nach dem verschwundenen Jungen. In der ersten Stunde fanden sie keine Spur. Nach zwei weiteren Stunden fing es an dunkel zu werden, da hörten sie die
 
tiefe Stimme von Hefrim rufen.
 
Sofort liefen alle zu ihm und der Schmied hielt eine Kappe in der Hand.
 
„So wie der Weber die Kappe beschrieben hat, müsste das die Kappe des Jungen sein.“ sagte der Priester.
 
Sie hatten das Pärchen in Magruns Obhut gelassen, sie waren zu erschöpft um an einer so großen Suche teilzunehmen.
 
„Dann haben wir unsere erste Spur. Der Junge war hier und etwas muss ihm zugestoßen sein. Ich kann sehen, dass der Junge wieder auf das Dorf zugerannt sein muss. Die Fußspuren liegen weiter als normal auseinander und sie kommen aus südwestlicher Richtung. Dann hat er sich hinter diesem Baum versteckt. Dort enden die Spuren und der Boden ist aufgewühlt. Wir sollten die Spur zurückverfolgen, vielleicht finden wir etwas, was uns Aufschluß darüber gibt, wovor er weggerannt ist.  Hoffentlich finden wir ihn bevor die Sonne untergeht und wir die Suche abbrechen müssen.“ sagte Dimitrion und die Dorfleute waren aufgrund seiner Erkenntnisse erstaunt. Nur sehr wenige kannten die Fähigkeiten anderer Rassen wie den fast ausgelöschten Elfen und Zwergen. Die meisten Dörfler waren Bauern und ihr Acker war ihr Leben.
 
„Ich kann auch Spuren von etwas anderem erkennen aber ich kann sie nicht genau bestimmen.“
 
„Vielleicht versuchte der Junge sich vor einer Rotte Keiler in Sicherheit zu bringen. Wenn sie ihre Frischlinge bedroht sehen, greifen sie alles an. Wenn der Junge sich hier in der Nähe versteckt hält, sollten wir ihn bald finden.“ sagte der Dorfvorstand.
 
Dimitrion nickte, doch an eine Rotte Keiler glaubte er nicht.
 
Sie folgten den unbekannten Fußspuren und der Halbelf erkannte an den tieferen Eindrücken, dass jemand den Jungen getragen haben musste. Außerdem schätzte er, dass es drei gewesen sein mussten. Nach einer knappen halben Stunde endeten die Spuren an einem Bergbach. Die Bäume standen hier weiter auseinander und sie sahen die Monde im Abendhimmel aufsteigen. Der Bach war tief und kalt. Sie folgten dem Verlauf der nach einer Biegung im Gestein verschwand und unterirdisch weiter floss. Es war inzwischen dunkel geworden und sie zündeten die Fackeln an. Bis auf Dimitrion versuchten alle angestrengt etwas von dem Jungen oder seinen Entführern zu finden.
 
„Serrin, wisst ihr wohin der unterirdische Verlauf führt?“ fragte Dimitrion.
 
„Das kann ich nur vermuten. Er fließt in Richtung Süden. Dort können wir nicht hin, das Gelände ist zu stark zerklüftet. Wenn ich richtig liege, tritt der Bach erst hinter der Gebirgskette wieder an die Oberfläche.“
 
„Falls der Junge da hinein gefallen ist oder gestoßen wurde, dann wird er ertrunken sein.“ flüsterte der Halbelf. „Auf jeden Fall beenden wir die Suche für heute. Wir gehen zurück und suchen morgen weiter, dann können alle wieder mehr sehen und je mehr Augen mithelfen desto eher finden wir vielleicht noch etwas.“ rief er.
 
Mit einem letzten besorgten Blick führte er die Gruppe wieder zum Gut zurück. Unterwegs dachte er über die Spuren nach, die er gesehen hatte. Er kannte kein Tier oder Kreatur zu denen sie passten oder die in diesen Wäldern heimisch waren. Es gab auch kein Blut, der Junge wurde also nicht von Tieren gerissen. Solange sie nicht wussten wie es ihm in Wirklichkeit ergangen war, ging er davon aus dass er noch lebte und sie ihn finden würden. Gab es einen Zusammenhang zwischen der wahrscheinlichen Vergiftung des Strabanweibchens und dem Verschwinden des Webersohnes?
 
In seine Gedanken vertieft, merkte Dimitrion den Regen erst als ihm eine nasse Strähne ins Gesicht fiel. Passend zu dem heutigen Tag, würden sie alle auch noch durchnässt nach Hause kommen.
 
Magrun und Hildrin erwarteten sie schon mit Decken und einer Schale dampfender Hühnersuppe. Sie trockneten sich und schlürften die dampfende Suppe. Hildrin kam auf Dimitrion zu.
 
„Herr, ich habe euch neue Kleidung rausgelegt.“
 
„Danke dir Hildrin.“ sagte Dimitrion und küsste sie auf die Stirn.
 
Hildrin wurde rot und schaute sich verstohlen um ob jemand sie beobachtete. Es schickte sich nicht das ein Grundherr seinen Mägden, zumindest in der Öffentlichkeit, gegenüber Gefühle zeigte oder sie gar küsste. Schnell huschte Hildrin weiter um die nächste Suppe auszuschenken. Auch Dimitrion wurde klar was er eben getan hatte, doch niemand schien es bemerkt zu haben. Außer Serrin. Sie sah zu dem Halbelfen rüber und er sah dass sie versuchte ihr wissendes Lächeln hinter der Schale zu verstecken. Magrun teilte ihm mit, dass sie das Weberpärchen in eine Kammer gebracht hatte damit sich die Frau ausruhen konnte.
 
„Wann wollen wir morgen mit der Suche fortfahren?“ wollte Jergen wissen.
 
„Bei Sonnenaufgang.“
 
Dimitrion begleitete sie zum Ausgang und als alle gegangen waren, zog er sich um und ging mit Magrun zur Kammer in der das Pärchen untergebracht war. Magrun klopfte an und Kemen der Weber öffnete.
 
„Herr, ihr seit zurück. Habt ihr meinen Sohn gefunden?“ fragte er hoffnungsvoll.
 
Dimitrion senkte seinen Blick.
 
„Noch nicht. Wir haben nur seine Kappe gefunden.“
 
Er reichte sie ihm. Kemen liefen Tränen über die Wangen als er sie an seine Brust drückte. Magrun bedachte ihn mit einem mitfühlenden Blick. Auch Dimitrion tat der Weber leid. Im hinteren Teil der Kammer erwachte seine Frau mit geröteten Augen.
 
Sie erkannte den Grundherrn und beeilte sich an die Tür zu kommen.
 
„Bleibt liegen“ sagte der Halbelf. „Wir werden morgen früh weitersuchen. Es ist Nacht geworden und es regnet. Gebt die Hoffnung nicht auf. Eurem Sohn geht es gut. Er wird sich in einer Höhle versteckt und die Zeit vergessen haben als er auf Forschungsreise war.“ versuchte er ihnen Mut zuzusprechen.
 
Gritt lehnte sich an ihren Mann und er umarmte sie.
 
„Danke Herr.“
 
„Ihr könnt hier in der Kammer bleiben. Der Regen macht die Wege tückisch und ich möchte nicht, dass ihr den Halt verliert und ausrutscht. Magrun wird sich um euch kümmern und euch etwas zu essen bringen. Seid beruhigt, wir finden euren Sohn.“
 
Magrun verschwand in die Küche um mit Schalen mit Hühnersuppe zurück zu kommen. Serrin folgte ihr. Sie hatte Becher eines leicht bitter riechenden Tees in den Händen und gab sie dem Pärchen zu trinken.
 
Dimitrion liess Kemen und Gritt allein und begab sich in das Kaminzimmer des Anwesens um sich aufzuwärmen. Die Wärme tat gut und es klopfte. Serrin trat herein und stellte sich neben dem sitzenden Halbelfen.
 
„Was habt ihr ihnen zu trinken gegeben?“
 
„Einen Beruhigungstee. Er wird dem ungeborenem Leben nicht schaden.“
 
„Das ist gut. Etwas Ruhe wird uns allen gut tun. Bitte setzt euch doch.“
 
Serrin ließ sich in einen Sessel fallen. Schweigend saßen sie beisammen.
 
„Was denken ihr, Grundherr, ist mit dem Jungen passiert?“
 
„Wahrscheinlich wurde er von einem Tier als Beute in ein Nest geschleppt. Wenn der Junge Glück gehabt hat ist er vorher ertrunken bevor er bei lebendigem Leibe gefressen wurde. Ich habe da wenig Hoffnung. Die Tatsachen sind einfach zu unklar um ein vernünftiges Bild zu schaffen was wirklich vorgefallen ist. Ich kenne kein Tier das solche Fußspuren hinterlässt und der Regen wird alle andere Hinweise wegspülen.“
 
„Das denke ich auch aber wir dürfen nicht aufgeben. Die Menschen vertrauen euch sehr. Unser letzter Grundherr hätte sich einen Dreck darum gekümmert.“
 
Dimitrion sah die Kräuterfrau an.
 
„Was ist eigentlich mit ihm passiert? Als ich das Land übernahm, wohnte er noch im Dorf und dann habe ich irgendwann nichts mehr von ihm gehört.“
 
Serrins Augen blitzten kurz auf.
 
„Na ja, wer weiß? Vielleicht hat er sich einfach zu den Ratten gesellt von denen er abstammt?“
 
Dimitrion merkte auf und Serrins Mundwinkel zuckten unmerklich hoch.
 
„Habt ihr etwa…?“ den Rest sprach Dimitrion nicht aus.
 
Serrin stand auf und ging zum Halbelfen herüber.
 
„Schlaft gut, Grundherr.“
 
Sie berührte ihn zum Abschied an der Schulter, dann ging sie zur Tür. Dort wartete sie kurz.
 
„Hildrin ist ein gutes Mädchen, Grundherr. Sie hat früh ihre Eltern verloren und Magrun nahm sie auf und erzog sie zu einem guten und liebenswerten Menschen. Sie hat einen ebenso guten Mann verdient.“
 
Diese Frau überraschte ihn immer mehr. Was für Geheimnisse sie wohl über die Dorfleute wusste, die sich bei ihr behandeln ließen mochte er sich nicht vorstellen.
 
Da kam ihn eine alte Legende in den Sinn und er fragte: „Ihr seid eine der drei Graanwaldschwestern, nicht wahr?“
 
Serrin ging nicht auf seine Frage ein sondern redete weiter.
 
„Der Junge lebt aber er ist bereits weit weg. Ihr müsst euch beeilen wenn ihr ihn noch rechtzeitig finden wollt, Grundherr.“ antwortete sie leise.
 
„Wo ist der Junge?“ wollte der Halbelf wissen.
 
„Weit weg. Mehr kann ich euch nicht sagen. Der Graanwald ist unruhig. Die Tiere haben Angst und die Bäume flüstern.“
 
„Über was flüstern die Bäume, Serrin?“
 
Doch es kam keine Antwort. Serrin war gegangen und Dimitrion war allein im Kaminzimmer. Das Feuer flackerte und knisterte. Dem Halbelfen fielen plötzlich vor Müdigkeit die Augen zu und er schlief im Sessel ein. Er schrak hoch und schaute sich verwirrt im Zimmer um. Die Monde schienen durch die Fenster und das Feuer war herunter gebrannt. Verschlafen schaute er auf und ging in sein Schlafgemach. Dort erwartete ihn die nächste Überraschung. Er sah eine Wölbung unter der Bettdecke und als er sich dem Bett näherte, regte sich etwas darunter und er schlug die Decke beiseite.
 
Hildrin lag nur mit einem kurzen Nachthemd bekleidet da und schaute ihn mit scheuen Augen an. Das wenige Mondlicht schien auf ihre verführerischen Kurven und das flackernde Kerzenlicht beleuchtete ihr schönes Gesicht. Nach dem sie sich sicher war, das Dimitrion ihre Gefühle erwiderte, nahm sie sich ein Herz und als alle gegangen und die Hausarbeit erledigt war, zog sie sich heimlich in das Schlafgemach zurück und wartete auf ihn. Es waren keine weiteren Worte notwendig. Dimitrion entkleidete sich und stieg zu ihr ins Bett. Sie kuschelte sich an ihn und ihre Wärme breitete sich in seinem Körper aus. Ein zarter Lavendelduft füllte den Raum. Sie schauten sich an und dann gaben sie sich ganz der Liebe hin.
 

 

 

 
   *
 

 

 

 
Am nächsten Morgen wachte Dimitrion auf und er stieg leise aus dem Bett um Hildrin nicht zu wecken. Er zog sich an, küsste sie auf die Stirn und ging in die Küche um Magrun zu suchen. Sie war schon dabei das Frühstück im Speisesaal aufzutragen.
 
„Guten Morgen, Herr.“ lächelte sie ihn an. „Ich habe euch ein deftiges Frühstück gemacht. Nach der Suche und dem was euch heut bevor steht, braucht ihr alle Kräfte die ihr kriegen könnt.“
 
„Guten Morgen und Danke, Magrun.“
 
„Verzeiht ,Herr aber habt ihr Hildrin heute Morgen schon gesehen? Es sieht ihr gar nicht ähnlich so spät aufzustehen. Ich muss mich für sie entschuldigen, Herr.“
 
„Es ist schon gut. Sie sagte mir gestern Abend, dass sie sich nicht wohl fühle.“ antwortete er in dem Versuch keinen Verdacht zu erwecken. „Sie wird erst später in der Küche helfen.“
 
„Wie ihr meint, Herr. Ich wünsche euch guten Appetit.“ Damit verschwand sie in der Küche wo sie anfing ein Lied zu singen, das von der Schönheit des Frühlings handelte und in dieser Gegend sehr beliebt war.
 
Magrun hatte nicht untertrieben was das Frühstück anging. Vor Dimitrion standen Schalen und Teller voll mit dampfenden und leckeren Sachen. Frisch gebackenes Brot, Rühreier, gegrillter Speck, fette Wurst und reifer Käse lockten mit ihren Düften zu einem Festmahl. Dimitrion war sehr hungrig wie er feststellen musste und ließ es sich schmecken.
 
Als er satt war, sah er durch eine offene Tür Hildrin in die Küche eilen. Kurz darauf kam sie in den Speisesaal, machte einen Knicks und wünschte einen guten Morgen. Sie entschuldigte sich, dass sie so spät ihren Dienst antrat und es nie wieder vorkommen würde.
 
„Es ist schon gut Hildrin. Nach so einer Nacht sind wir doch alle verschlafen.“ sagte er in einem neutralen Ton.
 
Sie machte wieder einen Knicks und begann den Tisch abzuräumen. Zwischendurch berührten sich ihre Hände und Hildrin wurde warm ums Herz. Sie hatte gestern Abend allen Mut zusammen genommen und sie wurde von den Göttern nicht enttäuscht und schenkten ihr die Liebe nach der sie sich sehnte. Dimitrion stand auf und ging zum Gesindehaus rüber. Therben schlief noch und der Halbelf beschloss hinter dem Hof seine Kampfübungen durchzuführen.
 
Serrin kam ihm entgegen und begrüßte ihn.
 
„Ich werde nach Therben sehen. Die Hand muss gut versorgt werden sonst entzündet sie sich und dann müssten wir sie abtrennen.“
 
„Ich bin hinten auf dem Übungsplatz. Kommt dorthin wenn ihr fertig seit.“
 
„Wie ihr wünscht, Grundherr.“
 
Er begann seine Übungen und war nach wenigen Minuten vollkommen darin vertieft. Doch die Erlebnisse kamen ihm immer wieder dazwischen, sodass er oft unkonzentriert war und Fehler machte. Verschwitzt gab er auf. Mit seinem Schwert hockte er sich schwer atmend auf den Übungsplatz.
 
Gedankenfetzen blitzen auf.
 
Der Straban, wie er Therbens Hand zerfetzte, Hildrins Gesicht, sie lächelte, dann Therben wie er schlief, der Regen, rauschende Blätter, die Kappe des Jungen, Tatzen mit gelben Krallen, Reißzähne, Dunkelheit. Dimitrion wurde schwindelig und er fiel nach hinten, das Schwert fiel ihm klirrend aus der Hand und jemand rief seinen Namen. Ein Gesicht tauchte über ihm auf und er wurde hoch gehoben. Undeutlich konnte er hören wie sein Name gerufen wurde. Doch es war wie durch einen Nebel verschleiert und klang hohl und entfernt.
 
„Hört ihr mich, Grundherr?“
 
Es roch scharf und sein Blick klärte sich. Benommen sah er sich um und gewahrte Serrin und Merthan neben sich.
 
„Herr, geht es euch gut? Was ist passiert?“ fragte Merthan besorgt.
 
Dimitrion stützte sich an Merthans Schulter ab.
 
„Schon gut. Mir geht es gut, Merthan. Ich bin nur unglücklich gefallen, dass ist alles.“ log er ihn an. Doch Serrin konnte er nicht täuschen. Sie wusste was Dimitrion widerfahren war aber sie schwieg.
 
„Ich mache euch einen Tee, Grundherr.“ Serrin ging ins Haus zurück.
 
„Danke. Ich bin tatsächlich durstig.“ stellte er selber fest.
 
„Seid ihr krank, Herr? Der Regen war gestern schlimm, vielleicht eine Erkältung?“
 
„Ja, dass wird es sein, Merthan. Keine Sorge, Serrin hat bestimmt etwas in ihrer Kräutertasche was mich wieder auf die Beine bringt.“ Er schloss die Augen und atmete mehrmals tief ein. Er roch den Stall, die blühenden Bäume, Blumen, Merthans Schweiß, den Sand auf dem Platz. Nach solchen Visionen waren seine Sinne immer für eine Zeitlang schärfer als sonst.
 
Merthan betrachtete seinen Herrn trotzdem besorgt. Dann holte er das Schwert und lehnte es an den Zaun neben Dimitrion.
 
„Wie geht es Therben?“ fragte der Halbelf.
 
„Er war nur kurz wach und hatte starke Schmerzen. Die Kräuterfrau hat ihm Tropfen gegeben und er schlief wieder ein. Dann hat sie die Salbe und den Verband gewechselt. Sie sagte, dass sie ihn jeden Tag so behandeln wird bis eine Woche vorbei wäre.“
 
Dimitrion nickte. Das waren gute Neuigkeiten. Wenn die Wunde bis morgen kein Wundbrand entwickelte, könnte Therben seine Hand behalten.
 
Serrin kam mit dem Tee zurück. Früchtetee, einfacher Früchtetee befand sich im Becher. Serrin unterdrückte ein Grinsen. Nach dem der Becher zur Hälfte leer war, stellte er ihn beiseite.
 
„Merthan, geh in den Vorderhof und falls die Suchgruppe eingetroffen ist, begrüße sie in meinem Namen und sage ihnen, dass ich gleich kommen werde.“
 
Merthan blickte zur Kräuterfrau, dann zu seinem Herrn. Er nickte.
 
„Ja, Herr.“
 
Nachdem er gegangen war, sprach ihn Serrin an.
 
„Ihr hattet eine Vision, Grundherr. Euer Volk ist tief mit der Natur verbunden. Ich hatte mich schon gefragt, wann ihr eine haben werdet. Wir Druiden brauchen dafür Kräuter und Liederformeln um uns in eine Trance zu versenken. Was habt ihr gesehen?“
 
Dimitrion sagte es ihr. Die Kräuterfrau nickte und stützte ihr Kinn mit beiden Händen ab nachdem sie neben dem Grundherren Platz nahm.
 
„Es gibt große Tiere in den Bergen, Bären, die einem Mann mit einem Schlag das Genick brechen können. Ein Junge wie Jillen würde von der Größe her zu ihrem normalen Beuteschema passen.“
 
„Dann werden wir Jillen wohl nicht mehr lebend finden.“ mutmaßte Dimitrion. „Zumindest wissen wir was ihm zugestoßen ist.“
 
„Noch ist er nicht tot, Grundherr…“
 
„…er ist nur weit weg.“ beendete er den Satz.
 
„Genau.“ Serrin stand auf. „Wir sollten aufbrechen damit wir keine Zeit verlieren.“
 
Die beiden gingen in den Vorderhof, wo schon zwei dutzend Männer warteten und sich angeregt unterhielten. Sie grüßten den Grundherrn und die Kräuterfrau. Dimitrion sah Jergen und Birden, doch Nirven war nicht dabei. Nach kurzer Absprache brachen sie in den Wald auf. Doch Dimitrion hatte wenig Hoffnung wegen dem gestrigen Regen noch verwertbare Spuren zu finden. Er irrte sich. Dimitrion stand in der Nähe des Baches wo dieser unterirdisch weiter lief, als er an einem Felsen einen durchnässten, kleinen Lederbeutel fand. Aus dem geöffneten Beutel kullerte der Inhalt in seine Hand.
 
Trollbeeren.
 
Nach der Größe des Beutels zu urteilen waren weniger drin als hinein passten. Dimitrion sah auf und Serrin dachte dasselbe wie er.
 
„Der Junge hat wohl gedacht, er würde dem Strabanvogel eine süße Abwechslung bieten und wusste nicht, dass die Beeren erst abgekocht werden müssen, damit das Gift unschädlich gemacht wird und sie anfangen süß zu schmecken.“ sagte sie.
 
„Dann fing der Vogel an Schaum zu spucken, er bekam Angst und flüchtete in die Berge. Und hier traf er auf die Tiere und er rannte wieder zurück.“
 
„Die meisten Kreaturen reagieren auf Flucht wie ein Stier auf ein rotes Tuch. Er muss furchtbare Angst gehabt haben.“ sagte Serrin.
 
Hätte er seine Tat gebeichtet, hätte er zwar eine Bestrafung bekommen aber wäre noch am Leben. Nun schien die Lage schlimmer als eine Strafarbeit und den Hosenboden von seinem Vater versohlt zu bekommen.
 
„Wir machen Rast.“ rief er und die Sucher begannen die eingepackten Mahlzeiten gierig zu verdrücken. Danach teilte er ihnen mit was er und Serrin vermuteten.
 

 
                                                 
 

 

 
                                                           *
 

 

 

 
Folgte man dem Verlauf des unterirdischen Baches kam man nach wenigen Metern an eine Stelle die zu einer hausgroßen Höhle führte. Die Wände waren mit Moos bewachsen und etwas Licht schien durch den Bach schwach herein. Der Junge lag gefesselt und geknebelt auf dem Kalten Boden und betrachtete ängstlich seine schlafenden Entführer. Er rieb seine Fesseln an einem Felsvorsprung auf und hoffte, dass die Echsen nicht aufwachten. Jillen war geflüchtet als der Vogel anfing zu würgen und zu spucken. Ohne das ihn jemand bemerkt hatte, schlich er sich davon. Zu Hause angekommen schnappte er sich Brot, Käse und Wurst. Im Wald wollte er ein paar Tage bleiben, bis niemand mehr an den toten Vogel dachte. Mama und Papa würden sehr böse sein und wenn Vater auf ihn wütend war, was selten vorkam, dann legte er Jillen übers Knie und danach konnte er eine Woche nicht richtig sitzen.
 
Die Kreatur regte sich. Jillen verharrte. Doch das Wesen schlief weiter.  Jillen zerschnitt die Seile immer schneller und er fühlte, dass sich die Fasern zu lösen begannen. Es konnte nicht mehr lange dauern, dann wäre er endlich frei. Zum Glück hatten sie nicht seine Beine gefesselt, dass würde ihm mehr Zeit geben zu flüchten. Die Kreatur regte sich wieder. Doch diesmal schnitt er weiter seine Fesseln auf.
 
Jetzt. Ja.
 
Sie lösten sich von seinen Handgelenken und er war frei. Frei. Er nahm den Knebel aus dem Mund und während er seine tauben Hände rieb, sammelte er Speichel. Durch den Knebel war sein Mund ganz fürchterlich trocken und die Hände taten ihm weh. Ganz langsam kroch Jillen auf den Bach zu. Einen Meter, dann zwei. Jillens Herz klopfte laut. Dann war er am Bach und er wollte gerade hinein springen als er hinter sich ein Zischen hörte. Sein Herz stockte und Jillen sprang verzweifelt los.
 
Zu spät. Eine Klaue packte ihn und zog in zurück in die Höhle. Ein zweites, wütendes Zischen ertönte und das letzte was der Junge sah war eine Klauenhand die auf seinen Kopf zu raste. Dann war da nichts mehr…
 

 

 

 
Gegen frühen Nachmittag löste sich die Gruppe auf Dimitrions Hof auf und alle gingen ihrer Wege. Serrin ging in die Küche um für Therben noch mal einen Tee zu brühen.Der Halbelf stand noch einen Moment da und er dachte, dass er dringend jemand bräuchte der ihm helfen würde.
 
Oder vielleicht eine Gruppe von Bekannten, keine Jemands.
 
Er ging geradewegs auf das Haupthaus zu und dort in den Keller. Dort gab es ein geräumigen Zimmer, zu dem nur er den Schlüssel besaß. Dimitrion öffnete die Tür und verschloss sie hinter sich. In dem Raum befanden sich ein großer Tisch mit allerlei Gerätschaften wie Ampullen, Röhren, Gläsern, Drähten und Schüsseln. Daneben stand ein Regal gefüllt mit verschiedensten Büchern über Schamanismus, Alchemie, Heilkunst, Waffen, Rüstungen und Legendenerzählungen. Auf der anderen Seite des Raums waren Waffen an der Wand aneinander gereiht. Es gab einen Abzug der für frische Luft sorgte und ein schlichtes Bett in der hinteren linken Ecke. In der Mitte stand ein hüfthohes und halben Meter breites Kohlebecken, dass mit Runen verziert war. Dimitrion zündete es an und begann die Formel für den Äther anzustimmen. Es war dasselbe Ritual, dass die Aetherkundigen in ganz Caranthan verwendeten um mit jemanden Kontakt aufzunehmen. Er setzte seine Welle auf die seiner Gruppe und wartete. Nach vielen langen Stunden spürte Dimitrion dieses Prickeln auf der Haut. Er hatte es geschafft seine Freunde zu erreichen.
 
 
 
   
 

 

 
*
 
  
 
 
 
 
 

 

 
Im Kargen Land graute der Morgen und die Luft war mit den vielfältigsten Tierlauten erfüllt. Die Gruppe hatte lange mit den Biestmännern geredet aber zum Ausschlafen ließen ihnen die Tiere keine Zeit.
 
„Oooh, mein Schädel zerbirst gleich.“
 
Stöhnend stand Magnus auf. Gestern Abend hatte er sich auf ins Dorf gemacht um die Biestfrauen zu finden, die bei ihrer Ankunft so gekichert hatten. Magnus wurde am See fündig und schon bald schenkte ihm eine ihre volle Aufmerksamkeit.
 
Er hielt seinen Kopf und schwankte in der Hütte herum auf der Suche nach einer Wasserschüssel. Als er sie fand spritzte er sich Unmengen des erfrischenden Labsals ins Gesicht und tauchte dann seinen ganzen Kopf hinein.
 
„Lass uns auch noch was übrig.“ sagte Grayden verschlafen und tauchte seinen Kopf ebenso wie der Nordmann in das kühle Nass. Auch sein Kopf brummte aber nicht so schlimm wie der von Magnus,  schätzte er. Er zog sich seine Jacke über und ging aus der Hütte um frische Luft zu schnappen. Er atmete tief ein.
 
Am frühen Morgen war der Tiergeruch noch nicht zu stark und er setzte sich auf die Bank die vor der Hütte stand. Schon bald leistete ihm der durchnässte Magnus Gesellschaft. Ramloc kam blinzelnd hinterher und schweigend betrachteten sie das Aufwachen der Siedlung.
 
Viele Tiere waren schon wach und stromerten umher, auf der Suche nach Nahrung oder Wasser. Manche suchten auch ihre Spielgefährten vom vorherigen Tag. Ein braungrauer Rhana stampfte gutmütig an ihnen vorbei, hielt kurz inne und wandte den dreien seinen massiven, gepanzerten Kopf zu. Mit kleinen aber intelligenten Augen musterte er sie und mampfte auf einem Grasbüschel herum. Der Rhana machte keinerlei Anstalten sich zu bewegen, er stand da und schaute sie einen nach dem anderen einfach an. Magnus stand auf und ging zu dem kauenden Tier rüber. Der Rhana wartete was der Nordmann tun würde und Magnus bewunderte die Gestalt des Tiers. Es war kopfgroß, maß sicherlich vier Meter in der Länge und einanhalb Meter in der Breite. Die knöcherne Schädelplatte war eine Handbreit dick und verlief fast in einem kompletten Kreis um den Schädel. Sie war von innen nach außen leicht gewölbt und der Rand wurde von einer Art Wulst begrenzt. Auf der Platte selbst zeichnete sich ein verschlungenes Muster in Braun-, Rot, -und Sandfarben ab, das sich auf der wohl sehr dicken Haut fortsetzte. Zu dem Rhana gehörte auch ein zwei Meter dicker Schwanz der sich zum Ende verjüngte und mit handlangen Dornen bewehrt war. Das gewaltige Tier umgab eine ruhige und sanftmütige Aura, doch Grayden hatte die Tiere im Einsatz erlebt und wusste, das sie mit diesem Dornenschwanz erheblichen Schaden anrichten konnten. Und wenn die Rhanas erst auf  Kampfgeschwindigkeit gekommen waren, konnte sie selbst eine mannsdicke Mauer nicht aufhalten. Der Schildmeister sah an den Beinen, Hals und dem gewölbten Bauch zahlreiche Narben und er nahm an, das der Rhana den Krieg miterlebt hatte.
 
Magnus beugte sich nach vorn und begann das Tier am Nacken zu kraulen. Der Rhana stutzte und kaute dann genüsslich weiter. Das schien ihm zu gefallen, der er ließ ein zufriedenes Schnaufen hören und drückte gegen die Hand des Nordmanns, der nur zu gerne weitermachte und ihn dann am Bauch kraulte. Lachend umarmte Magnus das schnaufende Tier und mit einem mutigen Ruck schwang er sich auf den breiten Rücken.
 
„Magnus, du weißt nicht ob der Rhana jemandem gehört, komm besser da runter bevor noch etwas passiert.“ sagte Grayden.
 
„Ach, wird schon nicht so schlimm sein, es mag mich, seht ihr?“ entgegnete er. Dabei klatschte er dem Rhana auf den Hals.
 
„Normalerweise ist Rhoun nicht so freundlich zu Fremden.“ ertönte die
 
Stimme des Rakshasas an ihrer Seite.
 
„Jetz` gib`s Ärger.“ flüsterte Ramloc.
 
Magnus beeilte sich abzusteigen.
 
„Entschuldigt, Rakshasa. Ich wusste nicht, dass der Rhana euch gehört. Dann hätte ich ihn in Ruhe gelassen. Er stand einfach so da und ich habe noch nie so ein schönes Tier gesehen.“ sagte Magnus entschuldigend.
 
„Rhoun gehört nicht mir sondern ich gehöre zu ihm. Er hat mich vor über vierzig Sonnenläufen gewählt als ich das Totemritual durchlaufen habe.“ Der Biestmann streichelte den Rhana am Hals und sprach mit ihm.
 
„Und ihr seid mit ihm im Krieg geritten.“ sagte Grayden. „Es muss ein wahrhaftig erhebendes Gefühl sein auf so einem prächtigem Tier zu reiten.“
 
„Ja und Ja.“ sagte der Rakshasa.
 
Shana erschien bei der Gruppe und sie hatte das Selbe müde Gesicht wie die anderen während sie ihre Haare im Nacken zusammen band.
 
„Wie alt werden Rhanas, Rikshasa?“ fragte sie.
 
„Wenn ihnen nichts passiert, dann können sie bis zu hundertsechzig Sonnenläufe zählen. Doch die meisten fallen Hunger, Krankheit oder als Beute den Raubtieren zu Opfer. Der UrUrgroßvater von Korosch hatte den ältesten Rhana, sagt man sich. Hundertzweiundneunzig Sonnenläufe.“
 
Rhoun schnaufte und stampfte dann auf den See zu. Sie schauten ihm hinterher.
 
„Bevor ihr fragt, ich weiß es nicht. Vielleicht wird er es mir eines Tages mitteilen. Ich schätze das Rhoun schon an die hundert Sonnen alt ist. Ich bin sehr stolz, dass er mich erwählt hat. Rhanas wählen selten.“
 
Der Rakshasa drehte sich zu Shana.
 
„Habt ihr euch gut mit Alana verstanden? Manchmal kann sie…schwierig sein.“
 
„Wir haben stundenlang geredet. Sie ist nicht nur schön, sie ist auch sehr schlau.“
 
Ob des Kompliments schwellte dem Rakshasa die Brust und er wuchs um einen ganzen Meter.
 
Ramlocs Magen knurrte laut.
 
„Ich glaube, wir haben genug geredet und es wird Zeit dem Körper Gutes zu tun. Bitte seit eingeladen, mit mir zu speisen.“ sagte der Biestmann.
 
Er wies mit der Linken auf seine Hütte und ging voraus. In der Siedlung fingen die Biestmänner an draußen zu frühstücken. Alle grüßten den Rakshasa und die Frauen kicherten und tuschelten wieder als sie Magnus sahen. Vor der Hütte des Rakshasas lag ein riesiger Holzstamm der zu einer Tafel geschnitzt worden war. Sie liessen sich nieder und Alana brachte ihnen Wurzeln, Honigwaben, Brot und geröstetes Kaktusfleisch. Dazu tranken sie warmes Honigwasser. Die Rikshasa zwinkerte Shana zu uns setzte sich neben sie.
 
„Probiert das Kaktusfleisch, ich habe es so gewürzt, dass es leicht bekömmlich ist.“
 
„Danke Alana.“ sagte Shana.
 
„Ich möchte euch nach dem Morgenmahl etwas zeigen.“ sagte der Rakshasa.
 
„Was´n?“ wollte Ramloc wissen. Selbst in Gesellschaft anderer konnte der Zwerg seine Morgenmuffelmanieren nicht ablegen.
 
„Unser Schamane hat gestern Abend jemanden rufen gehört.“ sagte Alana.
 
„Er kam heute Morgen um mir davon zu berichten und ich entschied euch nach dem Morgenmahl zu seiner Höhle zu führen. Dort wird er euch zeigen wer euch gerufen hat.“ sagte der Rakshasa.
 
„Uns gerufen?“ fragte Grayden.
 
Die Abenteurer schauten sich fragenden Blicken an.
 
„Hast du den Äther nicht überprüft?“ fragte Grayden Shana.
 
„Das letzte Mal vor ein paar Tagen. Ich wollte erst wieder nachsehen wenn wir wieder unterwegs sind, damit wir hier nicht gestört werden.“
 
„Stärkt euch, dann werden wir den Schamanen besuchen. Ich bin immer begeistert über welche Kräfte er verfügt und wie er es schafft die Magie zu lenken.“ sagte der Biestmann.
 
Nach dem Essen gesellten sich Korosch und Lironzor zu der Gruppe. Sie begrüßten sich und der Rakshasa sagte ihnen, dass sie auf dem Weg zum Schamanen seien.
 
Sie verließen die Siedlung in Südwestlicher Richtung. Sie kamen an dem kleinen See vorbei. Dort stillten viele Tiere ihren Durst, unter anderem Rhoun, der ihnen entgegen brüllte. Vögel stiegen in den Himmel auf und der Schwarm zog nach Westen. Biestfrauen schöpften an einem Brunnen Wasser oder holten Honig aus den Palmen am See. Kinder platschten lachend umher und spielten mit den Tieren. Die Sonne stand nun höher am Himmel und es wurde schnell wärmer. Hell strahlte der Sand und am Horizont konnte man Hitzeflimmern erkennen, die den unerfahrenen Wanderer in die Irre führen konnten. Nicht selten fanden die Biestmänner die verblichenen Knochen von Reisenden die sich im Kargen Land verirrt hatten und verdurstet waren.
 
„Wann würde man aus dem Kargen Land heraus sein wenn wir immer nach Süden reiten würden?“ fragte Grayden.
 
„Nach ungefähr sechs Tagen, wenn man wie wir läuft, “ antwortete der Rakshasa, „dann kommt man an den äußeren Ausläufern des Graanwaldes an. Ihr müsstet dann nach Osten und nach fünf Tagen habt ihr das Karge Land hinter euch gebracht.
 
Nach Westen könnt ihr nicht weil die Gebirgskette des Konkoros genau in die Narbe übergeht und erst nach acht Tagen hättet ihr eine Möglichkeit sie zu überqueren.“ erklärte ihnen der Biestmann.
 
Sie hatten den See hinter sich gelassen und sie gingen auf eine Hügelhöhle zu die sich schwarz vor dem Sand abzeichnete und von der Öffnung sah man auf den See hinaus. Davor standen auf jeder Seite des Eingangs Fackeln, die blau schimmernd brannten. Über dem Eingang war die Schädelplatte eines Rhanas angebracht. Von ihr liefen verschiedene Schädel bis zum Boden und bildeten einen gruseligen Einlass zur Höhle des Schamanen. Sie blieben vor der Höhle stehen und ein Hauch nach    
 
getrockneten Kräutern, abgestandener Luft und der Geruch von Tieren kam ihnen entgegen.
 
„Kommt herein.“
 
Sie wunderten sich woher die Stimme kam und Grayden deutete auf den Rhanaschädel, dessen Augen leuchteten. Sie betraten die Höhle. Rakshasa ging wieder voraus, danach folgte die Gruppe mit Alana die an Shanas Seite ging und dann die beiden Silbermähnen.
 
„Ich habe diesen Ort nie gemocht. Er ist unheimlich und macht mir Angst.“ flüsterte Alana. Shana stimmte ihr in Gedanken zu.
 
Zu Anfang wurden die ersten Meter von der Sonne erwärmt, doch je tiefer sie kamen desto kühler wurde es. Die Höhle ging in einem Bogen nach rechts ab und war etwa drei Meter breit und vier Meter hoch. Er fing an kleiner zu werden und die Wände wechselten von Sand zu Gestein auf dem Wassertropfen glitzerten. In regelmäßigen Abständen waren an den Wänden die blau brennenden Fackeln angebracht. Shana fiel auf, das die Fackeln keinen Ruß entwickelten. Nach ein paar weiteren Minuten kamen sie in der eigentlichen Höhle an. Sie betraten einen Raum der wie eine Halbkuppel geformt war. Stalaktiten hingen von der Decke und es war angenehm kühl hier unten. Im hinteren Teil sah man das grün-bläuliche Schimmern von Wasser. Leises Tröpfeln war zu hören. Ab und zu ein Zischen und ein Keuchen. Links von ihnen konnten sie eine Trommel hören die in einem hypnotischen Rhythmus den Raum zum Vibrieren brachte.
 
Schatten an der Wand warfen bizarre Bilder an die Wand und huschten wild umher. Die Gruppe setzte ihren Weg wachsam fort, den man wusste nie was einen in einer Schamanenhöhle oder sonstigen von magischen Wesen bewohnten Räumen, an Außergewöhnlichem erwartete. Der Rakshasa winkte und sie gingen in einen Winkel der Kuppel die von Stalagmiten eingekreist war. Dort sahen sie einen schmächtigen Biestmannschamanen mit einer für ihn unglaublich großen Trommel an einem Feuer sitzen. Er trug eine Maske die aus einem Rhanaschädel angefertigt war und mit allerlei bunten Federn geschmückt war. Sein Schatten überdeckte zahlreiche Höhlenmalereien. Der Schamane hatte unzählige Ketten aus Zähnen, Klauen, Pfoten und Tatzen um den Hals hängen. An seinen Handgelenken waren Lederarmschienen angebracht die ebenso mit bunten Gefieder verziert war und ihnen das Aussehen von umgedrehten Flügeln gaben. Trotz der Feuchtigkeit und Kälte trug der Schamane nur einen dünnen Lederschurz. Daran hingen mehrere große und kleine Taschen, Beutel und Amphoren. An seinem linken Unterbein war ein Dolch gebunden, der ein knöchernes Heft mit einem kleinen Schädel besaß. Der Schädel grinste hämisch, beschlich Ramloc das unangenehme Gefühl und das er genau ihn an grinste.
 
Damit hatte der Zwerg auch durchaus Recht.
 
Der Schamane trug Sandalen die aus Leder gefertigt waren. Dinge hingen von der flacher werdenden Decke herab. Dinge auf die keiner der Gruppe einen genauen Blick werfen wollte. Manche Dinge schauten aber zu dem seltenen Besuch herab und es entstand ein Flüstern das wie der Wind klang wenn er die Blätter zum Rauschen brachte.
 
Der Schamane sah auf und mit einem letzten Schlag hörte er auf zu trommeln. Die Höhle war bis auf das Flüstern ruhig. Er stampfte mit dem rechten Fuß auf und auch das Flüstern verstummte. Ein Kichern klang noch leise nach. Der Schamane sagte ein unverständliches Wort und stand auf. Er breitete die Arme mit den Händen nach oben aus und er rief einen Satz in der Biestmannsprache. Der Rakshasa antwortete auf die Selbe Weise. Der Schamane lud die Gruppe mit einer ausholenden Geste an sein Feuer. Shana und Alana hielten heimlich Händchen und versuchten unbeteiligt auszusehen. Alle setzten sich, nur der Schamane blieb stehen. Dann setzte auch das flüsternde Rauschen wieder ein.
 
Ramloc vermied es mit sehr großem Aufwand dem Blick des Schädeldolchs auszuweichen. Magnus war fasziniert von dem Schamanen. Er erinnerte ihn an die Druiden seines Volks und war gespannt was geschehen würde.
 
Grayden war sich bewusst das vieles nur zur Schau war und die Leute nur einschüchtern sollte. Was nur zum Teil stimmte. Dennoch war die Macht von Schamanen, Somnethoi, Hexen und Geoden eine mächtige Kraft die nur wenigen zu nutzen bestimmt war. 
 
„Ihr seid endlich gekommen, Wanderer.“ sagte der Schamane mit Ehrfurcht gebietender Stimme, die gar nicht zu seinem Erscheinungsbild passte. „Seid willkommen an meinem Feuer, ich glaube, dass ich gestern Nacht während meiner Trance von den Göttern gelenkt wurde um eine Nachricht zu finden, die für euch bestimmt ist, Wanderer.“
 
Die Gruppe saß gebannt da und sagte nichts. Der Schamane setzte sich, warf ein Pulver ins Feuer und begann einen leisen Singsang. Eine grüne Stichflamme schoss empor und Schatten hüllten ihre Gesichter ein. Dann wurde das Feuer kleiner und veränderte seine Farbe mehrmals bis es zu einem Meeresblau wurde. Funken stieben zur Decke. Erst nur ein einzelner, dann zwei und es wurden immer mehr. Es bildete sich innerhalb der Funken eine violette Rauchsäule und der Schamane hob die Stimme höher und wiegte seinen Körper hin und her.
 
Alana bekam große Augen und drückte Shanas Hand fester. Shana kannte diese Formel, benutzte sie doch eine ähnliche wie die von Dimitrion um in den Äther zu schauen und zu hören. Der Rakshasa und die Silbermähnen waren von der Macht des Schamanen zutiefst beeindruckt, ließen sich aber nichts anmerken. Die Rauchsäule über ihren Köpfen drehte sich um ihre Achse und bildete einen Kreisel und sie sahen die ersten Umrisse eines Gesichts. Eines Gesichts mit leicht spitzen Ohren und leicht mandelförmigen Augen, die eine blau-violetter Farbe hatten. Sie erkannten Dimitrion.
 
„Hallo Freunde, wie geht es euch? Wir haben uns lange nicht mehr gesehen.“
 
„Hey, `mit. Wie geht`s?“ rief Ramloc. Den Kurznamen des Elfen dehnte er dabei etwas aus.
 
„Mir geht es gut. Und euch?“
 
„Man schlägt sich so durch.“ sagte Magnus mit einem Grinsen.
 
„Wir haben dich vermisst.“ erwähnte der Schildmeister.
 
„Was macht dein Land und Grund?“ fragte Shana.
 
„Deswegen habe ich mich auf euch eingestimmt und der Schamane führte mich zu euch. Irgendwas stimmt nicht. Meine Strabanvögel werden vergiftet und es verschwinden Menschen. Für mich allein wird das zu schwer, deswegen bitte ich euch um Hilfe.“
 
„Darum brauchst du uns doch nicht zu bitten. Wir sind schon vor Tagen aufgebrochen um zu dir reisen.“ sagte Grayden. „Du hast eine Strabanzucht?“
 
„Das erklär ich euch wenn ihr hier seid. Wo seit ihr denn?“
 
„Hab`n nur ein klein`n Zwischenstopp bei den Biestmännern eingelegt.“
 
„Dann seit ihr gar nicht so weit entfernt. Ich schätze, in sieben bis acht Tagen werdet ihr an der Grenze zu meinem Grund sein. Dann feiern wir unser Wiedersehen. Die Welle wird schwächer. Habt ein Auge auf die Tiere im Wald, im Frühling sind sie besonders angriffslustig. Bis bald.“ verabschiedete sich Dimitrion. Die Rauchsäule schrumpfte und verzerrte das Gesicht des Halbelfen bis zur Unendlichkeit und sog es zurück in den kleiner werdenden Kreisel. Der Funkenschlag ließ nach und bald darauf knisterte das Feuer wieder normal. Der Schamane kam aus seiner Trance, lehnte sich zurück und schaute die Abenteurer an.
 
„Wir haben diesen Elfen vor einem Sonnenlauf im Südosten des Kargen Landes gesehen, wie er mit vielen Menschen Strabanvögel gefangen hat.“ sagte Korosch.
 
„Aber was will er mit ihnen?“ fragte Shana.
 
„Vielleicht um ihr Fleisch und das Gefieder zu nutzen. Sie sind leicht zu halten und geben viel Fleisch. Das Gefieder lässt sich zudem gut zu Kleidung machen.“ vermutete der Rakshasa.
 
„Wir sollten uns auf den Weg machen, es ist noch ein weiter Weg.“ beschloss Grayden und stand auf. „Wir danken euch, Schamane, dass ihr uns die Welle gezeigt habt und an eurem Feuer sitzen durften.“
 
Der Schamane nickte. „Es wäre unhöflich gewesen, sie euch nicht zu zeigen.“
 
Ramloc sah im Augenwinkel immer noch den Schädeldolch wie er ihn anstarrte. Zusammen verließen sie die Höhle und die Wärme des Tages schlug über sie herein. Die Sonne stand hoch und sie fingen an zu schwitzen. Schnell gingen sie zurück ins Dorf um sich in den Schatten des Mammutbaums zu setzen.
 
„Endlich. Dieser Dolch hat mich die ganze Zeit angestarrt. Wi-der-lich.“ Ramloc schüttelte sich.
 
Der Rakshasa wusste, dass der Dolch ein alter Trick des Schamanen war. Warum der Schamane das tat wusste er nicht aber der Biestmann schwieg.
 
„Die Höhle und der Schamane gruseln mich immer mehr.“ stimmte die Rikshasa zu.
 
„Dann lasst uns los reiten.“ rief Magnus freudig.
 
„Noch ist es zu heiß. Unsere Feren würden nicht lange durchhalten. Heute Abend ist es kühl genug und wir reisen nachts und rasten tagsüber.“ sagte Grayden.
 
„Gut entschieden. Seit bis dahin auch weiterhin willkommen. Ich werde euch noch das Dorf zeigen wenn die Mittagshitze vorbei ist.“ sagte der Biestmann.
 
„Ich habe noch eine Frage an euch, Rakshasa. Wer ist die Frau, die uns auf der Reise hierher so feindselig gesinnt war?“
 
„Nashara. Sie hat den Jungen zum Ritualfelsen gebracht und sie war dafür verantwortlich, dass dem Jungen nichts passiert. Die Löwinnen die ihr getötet habt, waren Teil ihres Rudels.“
 
„Sie kann sich in eine Löwin verwandeln?“ fragte Shana ungläubig.
 
Lironzor warf dem Rikshasa einen warnenden Blick zu.
 
„Nein. Sie hat in einiger Entfernung gewartet um uns mitzuteilen, wenn ein Totem meinen Sohn gewählt hat. Sie ist eine Biestfrau, deren Temperament ihren Verstand überflügelt aber sie hat ein gutes Herz und ist eine tapfere Frau.“
 
Shana glaubte ihm nicht aber die Biestmänner sollten ihre Geheimnisse und Mythen auch weiterhin behalten.
 
„Vielleicht wäre es dann angebracht uns bei ihr zu entschuldigen?“
 
„Sie würde euch nicht verzeihen, dafür kenne ich sie zu gut. Außerdem trauert sie eine Woche und wird euch nicht anhören. Danach wird sie Wiedergutmachung fordern, doch ich werde sie überzeugen, das dies nicht notwendig sein wird.“
 
„Das wäre sehr freundlich von euch Rakshasa. Ungern würden wir Feinde bei den Biestmännern zurücklassen. Ihr und euer Volk habt eine tiefe Verbindung mit der Natur und untereinander, da wollen wir nicht Wut oder Zorn zurücklassen.“
 
„Gut gesprochen, Shana. Lasst uns noch etwas essen bevor wir euch Lebwohl sagen müssen.“ antwortete der Anführer.
 
Und so speisten sie im Schatten des gigantischen Mammutbaums. Alana brachte ihnen Brot, Gemüse, Obst und einen besonderen Salat, der aus den Früchten der Kakteen und Beeren der Seesträucher bestand. Er war belebend und sättigend zugleich und erinnerte Shana an Waldbeeren. Sie tranken mit Wasser verdünnten Maha und tauschten noch eine ganze Weile Erfahrungen und Geschichten aus. Magnus ging los um seine Bekanntschaft zu suchen und sich von ihr zu verabschieden. Er fand sie wie am Abend zuvor am See, wo sie Wasser schöpfte.
 
Der Abschied fiel ihm nicht leicht und um sie ein wenig zu beschwichtigen, schenkte er ihr eines der Löwinnenfelle, sodass sie immer ein Andenken von ihm besitzen würde und Magnus nicht allzu sehr vermisste.
 
Als er zurück kam machten sich die anderen fertig zum Abreisen.
 
Shana grinste unmerklich, Ramloc winkte nur verächtlich ab und Grayden schien nichts bemerkt zu haben. Alana stiegen beim Abschied Tränen in die Augen und umarmte ihre neue Freundin lang und fest.
 
„Ich möchte dir dies schenken.“ sagte die Rikshasa und überreichte Shana einen Talisman. Es war ein hölzerners Medaillon, das einen Greifvogel darstellte und mit winzigen, bunten Federn umrandet war.
 
„Es wird dich beschützen. Du musst es immer auf deiner Haut tragen, dann verleiht dir der Talisman Kraft und Schnelligkeit.“
 
Shana bewunderte dieses kostbare Geschenk und kramte in ihren Beuteln nach einem Geschenk das diesem ebenbürtig war. Alana wehrte diesen Versuch allerdings ab und machte eine entsprechende Kopfbewegung.
 
„Ich wünsche dir viel Glück auf deinen weiteren Abenteuern und hoffe das wir uns wiedersehen werden.“ sagte sie.
 
„Ich danke dir für das wundervolle Geschenk Alana. Du bist eine starke und schöne Frau und ich wünsche auch dir alles Gute. Bitte nimm diese Kette als Zeichen unserer Freundschaft.“
 
Shana nahm eine Kette mit Krallen und Reißzähnen und gab sie Alana.
 
Der Rakshasa ging zu Grayden herüber.
 
„Ich danke euch für eure Gastfreundschaft Rakshasa.“ sagte Grayden und sie griffen sich nach Kriegerart an den Unterarmen.
 
„Ihr und eure Gruppe seit hier immer willkommen, Schildmeister.“
 
In den Schatten des Mammutbaums kam Rhoun gestampft. Er schien bemerkt zu haben, dass etwas vor sich ging. Seine intelligenten Augen guckten traurig. Magnus ging zu ihm und kraulte seinen Hals. Zufrieden brummte der Rhana.
 
„Machs gut, mein Dicker.“ sagte Magnus und stieg dann auf sein Pferd.
 
Rhoun brüllte und stampfte mit herunter gesenktem Kopf davon, auch Magnus war traurig, er wäre gern länger hier geblieben aber der Ruf seines Freunds liess keinen weiteren Aufschub zu.
 
„Ihr wäret ein guter Boroschvorr, Nordmann.“ sagte der Rakshasa.
 
„So nennt ihr euch selbst?“ vermutete Magnus.
 
„Ja, Biestmänner ist ein Begriff den nur die Menschen verwenden.“ lächelte der
 
Boroschvorr und entblößte seine Zähne dabei.
 
„Lasst mich euch Verpflegung und Maha mitgeben, die Reise durch das Karge Land wird sicherlich beschwerlich für euch werden. Außerdem gebe ich euch dies mit.“
 
Der Anführer griff in eine seiner Taschen und gab Grayden einen Stein. Er war wie eine Pfeilspitze geformt, war einen Finger lang und ebenso breit. Der Stein besaß eine dunkelgraue Farbe und wog fast nichts.
 
„Dieser Stein wird bläulich schimmern wenn Wasser in der Nähe ist. Ihr müsst dann nur graben um es zu finden.“
 
„Ein wahrlich kostbares Geschenk Rakshasa. Wie kann ich euch dafür danken?“ antwortete Grayden verdutzt angesichts so einer Kostbarkeit.
 
„Indem ihr eurem Freund helft. Der Schamane hat mir gesagt, in einer Vision hätte er gesehen wie ihr zusammen einer großen Bedrohung entgegen tretet. Was das für eine Bedrohung sei, konnte er jedoch nicht sehen also seid vorsichtig.“
 
„Das werden wir, Rakshasa. Habt noch mal Dank für euer Geschenk.“
 
Grayden stieg auf und sie ritten unter Begleitung der Boroschvorr zum Dorfende.
 
Dort hielten sie noch einmal an um sich zu verabschieden. Der Abschied fiel allen schwer, bis auf Ramloc, der ein wenig mürrisch blickte. Shana winkte Alana zu. Dann trabten sie auf ihren Feren davon und machten sich auf den Weg ihrem Freund zu helfen.
 

 

 

 

 
*
 

 

 

 

 
Das Karge Land war heiß und trocken. Grayden suchte einen geeigneten Platz zum Ausruhen und als sich die Luft zum Abend hin abkühlte, ritten sie weiter. Die Nacht war wolkenlos. Shana suchte zum Zeitvertreib die Mondzeichen. Es war frisch und der Sternenhimmel klar. Funkelnd und Glitzernd standen die Sterne über ihnen. Sie hörten Tiere in der Nacht brüllen. Leichte Dünen boten eine weite Sicht ins Karge Land hinein. Shana fand die Einfachheit wunderschön und versank bis zum Morgengrauen darin. Es gab während der Rast nicht viel zu reden und bald schliefen sie im Schatten eines großen verdorrten Baumes. So ging es zwei Tage. Der Schildmeister nutzte den Stein des Rakshasas und so mussten sie nie dursten. Am dritten Tag mussten sie ein Rudel Schakale in der Abenddämmerung verjagen. Beinahe hätten sie das Feren von Ramloc gerissen aber Shana warf eine Stinkbombe und jaulend verzog sich das Rudel. Am vierten Tag änderte sich ihre Umgebung und sie sahen nun viel mehr Bäume und Sträucher.
 
„Wird auch Zeit.“ nörgelte der Zwerg. „Der Sand geht mir auf die Nerv`n. Er kratzt und mein`n Bart kann ich bald als Schleifpapier benutz`n.“
 
„In zwei Tagen sollten wir aus dem Kargen Land rauskommen und uns der Festungsstadt Torkagen nähern, Ramloc. Dort kannst du auch wieder baden und deinen Bart einfetten.“
 
„AHH, das klingt gut. Es is` beschämend für einen Zwerg sein´n geliebt´n Bart nich` pfleg´n zu könn´n.“
 
Er strich sich bei diesen Worten liebevoll durch seinen Vollbart und verzog das Gesicht angesichts der Sandkörner die herab rieselten.
 
„Ich könnte auch bald wieder ein Bad vertragen. Die Boroschvoor haben mich ganz schön angestrengt.“ Magnus streckte sich im Sattel und Shana hörte wie seine Knochen knackten als sie wieder in die richtige Position rückten. Bei dem Geräusch schauderte sie und auf ihren Armen richteten sich die Haare auf.
 
Auch Grayden hatte vom Kargen Land genug gesehen.
 
Er liebte Wälder und die Tiere die darin lebten. Die Feren schonten sie so gut sie konnten, doch die trockene Luft dörrte die Kehlen aus und bei der Abendrast suchte der Schildmeister wieder nach Wasser.
 
Dabei sah er für einen Moment in den klaren Nachthimmel. Ein Funkeln nahm seine Aufmerksamkeit gefangen. Es veränderte seine Farbe von Weiß zu Gelb und dann ging es zu Rot über während es auf die Erde fiel. Sternglühen sah man selten und Grayden deutete als ein gutes Zeichen. Beinahe hätte er das blaue Schimmern in seiner Hand nicht bemerkt. Erst als der Stein sehr hell strahlte und ihm ins Gesicht schien, hielt Grayden an und er rief die anderen zu sich. Zusammen gruben sie die Ader aus und füllten ihre Trinkbeutel. Eine Mahlzeit später waren sie wieder unterwegs. Sie schlugen einen leichten Galopp an und ritten so einige Zeit weiter. Als die Monde anfingen unterzugehen rief Ramloc das er etwas gesehen hätte.
 
„Was ist los?“ wollte Shana wissen.
 
Sie griff nach ihrem Bogen und legte einen Pfeil auf die Sehne. Wenn Ramloc sagte, er hat etwas gesehen, dann vertraute sie auch darauf.
 
„Da drüb`n hat sich was bewegt.“ sagte er mit fester Stimme.
 
Magnus zog sein Schwert. Grayden griff ebenfalls an den Knauf seines Kristallschwertes und kniff die Augen zusammen um im leichten, kupfer-grünen Mondenschein besser sehen zu können.
 
Ramloc hatte Recht. Es sah so aus als ob dreißig Meter entfernt ein Tier über den Boden kriechen würde. Ein stacheliger Schatten näherte sich ihnen mit rasanter Geschwindigkeit. Alle machten sich kampfbereit. Sie hörten ein zischendes Rasseln. Die Feren fingen an zu scheuen. Schnell stiegen sie ab und banden sie fest. Dann bildeten sie eine Spitze mit Grayden vorne, rechts Ramloc und links Magnus. Hinter dem Zwerg versetzt bezog Shana Stellung um eine frei Schusslinie zu haben.
 
Das Rasseln kam näher und der Schatten stoppte. Ein Schnüffeln war zu hören und dann kroch der Schatten weiter.
 
Ramloc erkannte das Tier und warnte seine Gefährten.
 
„Stachelhygron.“ sagte er leise.
 
Shana kannte die Tiere gut. Ihr Dornengift war sehr begehrt bei ihren ehemaligen Brüdern und Schwestern des Assana-Ordens. Bilder liefen in ihrem Kopf ab. Sie sah wie sie ein Gift mischte und die Dosis anpasste um einen Hund zu lähmen. Sie hatte zuviel genommen und der Hund starb nach wenigen Sekunden. Sie hätte ihn aber nur lähmen sollen und dafür musste sie als Strafe drei Tage in der Sprungzelle verbringen. In unregelmäßigen Abständen kamen zentimeter lange Dornen aus dem Boden und Shana krallte sich an die Wände und musste ausharren bis die Dornen wieder eingezogen wurden, was Stunden dauern konnte. Sie durfte nach drei Tagen keinen Kratzer aufweisen sonst wäre sie für ihre Nachlässigkeit und Faulheit nochmals bestraft worden.
 
Shana rief sich mit einem Ruck in die Wirklichkeit zurück.
 
Der Hygron wich der Gruppe nach links aus und sie zielte auf die Stelle wo sie den Kopf vermutete. Dann überlegte sie und hing sich den Bogen auf den Rücken. Sie suchte nach ihrer letzten Brandkugel. Ein Gemisch, dass sich wie Feuer ausbreitet wenn die Kugel platzte und den getroffenen Körper vollständig überzog.
 
Magnus fasste sein Schwert fester.
 
„Irgendwas stimmt nicht. Warum greift es nicht an?“ fragte er.
 
Das Tier kroch wieder nach rechts und umkreiste die Abenteurer.
 
„Stimmt. Diese Viecher sin` normalerweise verdamm´ angriffslustig.“
 
Auch Ramloc wurde nervös. Diese hüfthohen Käfer waren grimmige Einzelgänger und sie duldeten nichts in ihrer Umgebung. Der Käfer stoppte wieder und sie rochen einen widerlichen süßen Geruch der zu ihnen herüber wehte.
 
„Er wird uns nicht angreifen.“ sagte sie zu Grayden.
 
„Woher willst du das wissen?“
 
„Stachelhygrons riechen nur so, wenn sie Angst haben. Es muss also sein Fressfeind in der Nähe sein.“
 
„Und was ist sein Fressfeind?“ Magnus Stimme liess Unruhe erkennen.
 
Rumpeln dröhnte durch den Boden.
 
Shana schaute zu ihm herüber.
 
„Steinläufer.“
 
„Oh, Verdammt.“ sagte Magnus. „Wir sollten verschwinden Grayden. Schnell.“
 
Grayden stimmte zu und sie zogen sich langsam zu den Feren zurück. Wachsam beobachteten sie den Hygron und die Umgebung.
 
Das Rumpeln wurde stärker. Es kam von den Felsen hinter ihren Rücken. Steine rollten herab und kullerten herum.
 
„Jetzt. Auf die Feren. Los!“ rief Grayden.
 
Sie schwangen sich auf und ritten so schnell sie konnten.
 
Magnus drehte sich im Sattel um und sah, dass der Stachelhygron sie nicht verfolgte. Das Tier verharrte auf der Stelle und scharrte unruhig im Sand herum. Dann rollte er sich zusammen und seine Stacheln boten ihm Schutz. Doch der große Schnabel, der über den Felsen auftauchte würde diesen Panzer wie eine Nussschale knacken. Der Steinläufer war das gefährlichste und größte Tier im Kargen Land und sie konnten von Glück reden, dass er schon seine Beute gefunden hatte.
 
Fauchend stürzte der Greifenähnliche Vogel hinter den Felsen hervor.
 
Er war größer als ein Pferd, hatte verstümmelte Flügel und auf seinem Kopf prangte ein zweihörniges Geweih. Sein Gefieder hatte blau-braune Färbung und sein Schnabel war mit geronnenem Blut verschmiert. Der Vogel schrie und warf sich auf den Stachelhygron. Wild und wie von Sinnen hackte er auf den Käfer ein. Der wehrte sich mit seinen Mandibeln und versuchte die Läufe seines Feindes zu erwischen. Nach ein paar Versuchen schaffte es der Steinläufer den wunden Punkt im Panzer seiner Beute zu finden und presste mit seinem Schnabel darauf ein. Im selben Moment drehte der Hygron seinen kurzen Kopf und packte den rechten Lauf des Vogels. Ein lautes Knirschen erklang als der Knochen brach und mit einem Ruck dem Steinläufer ein Bein abtrennte. Schmerz erfüllt schrie der Vogel auf. Er verhakte sich im Dornenpanzer und mit letzter Kraft zerbirste der Chitinpanzer unter einem widerlichen Knacken. Nun rasselte der Käfer vor Schmerzen. Blut floss zwischen den Dornen hervor und er wurde schwächer während der gefallene Vogel weiter versuchte den Panzer aufzubrechen. Verzweifelt drehte der Steinläufer seinen Schnabel in dem Riss. Doch kam er dabei den messerscharfen Kneifzangen zu nahe und der Käfer liess die Mandibeln zuschnappen. Erschrocken hörte der greifenähnliche Vogel auf in der Wunde zu hacken und fing an, wild mit seinen Flügeln zu schlagen. Mit dem unverletzten Bein stieß er immer wieder in den Boden.
 
Staubwolken und Erdbrocken flogen durch die Luft als die Tiere sich in einem verzweifelten Tanz umher wirbelten. Dies ging einige Minuten so, bis die Mandibeln die raue Haut des Vogelhalses durchtrennt hatte und nun tief in das Fleisch vordrangen. Ein furchtbarer Schrei entfuhr noch einmal der Kehle des Steinläufers. Ein letztes Zucken und die Halswirbel wurden knirschend zertrennt. Der Kopf fiel zur Seite und seiner Kraft beraubt folgte der massive Körper in den Staub des kargen Landes. Eine Blutlache bildete sich rasch um den Kadaver. Der Stachelhygron wich zurück und rasselte laut als er den zangenbewehrten Kopf zu einer Siegespose erhob. Hinter den Felsen tauchten weitere, sehr viel kleinere Hygrons auf und nach kurzem Zögern wimmelten sie um ihre Mutter herum. Dann fingen sie an den Steinläufer zu fressen. 
 
Aus hundert Metern Entfernung verfolgten die Abenteurer das Schauspiel.
 
„Wir können uns beruhigt auf den Weg machen. Keiner von den beiden wird uns noch gefährlich werden können.“ sagte der Schildmeister.
 
„Verdammtes Glück.“ murmelte Magnus.
 
Trotzdem schlugen sie ein hohes Tempo an. Der Geruch des toten Steinläufers mochte andere Räuber anziehen und so ritten solange sie den Galopp den Pferden zumuten konnten und trabten dann ohne eine Rast die ganze Nacht hindurch. Nach Sonnenaufgang fanden sie einen kleinen Tümpel der von hohen Gräsern umrandet wurde und in einiger Entfernung in einen Wald überging. Hier schlugen sie ihr Lager auf und die Feren grasten hungrig das Grün ab. Erschöpft aßen die Abenteurer, teilten die Wachen ein und schliefen lang und fest.
 
Am Morgen übernahm es Grayden das Feuer erneut anzufachen und Shana zog mit Magnus los um zu jagen. Gelegentlich versuchte Shana ihm Bogenschießen beizubringen. Magnus war darin nicht untalentiert, schließlich wusste er gut mit Wurfäxten- und Beilen umzugehen. Am Rande eines hohen Grasfeldes, das in wildwachsendes hohes Gebüsch überging, legten sie sich auf die Lauer. Nach annähernd einer halben Stunde raschelte es im Gras und Shana spann den Bogen während Magnus seine Äxte zog.
 
Es raschelte wieder und eine fette Kröte hüpfte zum Tümpel herüber.
 
„Also, die esse ich nicht.“ sagte Magnus angeekelt.
 
„Kann man auch nicht. Sie ist eine Curca und die sind giftig. Siehst du die Flecke auf ihrem Rücken? Dort tritt ihr schleimiges Gift hervor und bedeckt den ganzen Körper.“
 
Shana beobachtete die Curca wie sie am Rand des Tümpels anhielt und anfing zu quaken. Die Bogenschützin überlegte wie sie die Kröte fangen könne. Magnus dagegen knurrte der Magen und kurz hörte die Curca auf zu quaken. Langsam drehte sie sich zu ihnen um.
 
„Schnell, zur Seite.“
 
Shana schubste Magnus und dieser tat wie ihm geheißen. Nur Sekunden später klatschte ein klarer Schleim an die Stelle wo er gelegen hatte.
 
Shana legte den Bogen zur Seite und nahm einen Stein vom Boden auf und warf ihn  vor die Curca. Der Stein prallte vor ihr auf und kullerte über die Erde. Die Kröte blinzelte unerschrocken, quakte beleidigt und tauchte dann im brackigen Tümpelwasser unter. Shana zog die Augenbraue hoch angesichts so einer frechen Art und sah nach ihrem Jagdgefährten. Dieser zupfte sich Grashalme aus seinem dunkelblonden Haar.
 
„Glück gehabt. Wenn sie dich getroffen hätte, müsste ich dich zum Lager zurückschleppen. Das Gift der Curca lässt dich stundenlang in Starre verfallen.“
 
Sie nahm eine leere Ampulle von ihrem Gürtel. Sorgsam schob sie mit einem großen Blatt den Schleim hinein und schnürte ihn dann zu. Sie markierte die Ampulle mit einem Zeichen und verstaute es wieder an ihrem Gürtel.
 
„Shana, was hast du mit dem Zeug vor?“ fragte Magnus angewidert.
 
„Hättest du jetzt nicht so überzogen reagiert, hätte ich es dir gesagt aber so…“
 
Shana dachte nicht im Geringsten daran ihm zu sagen was sie damit vorhatte. Magnus schüttelte den Kopf. Er sah die Alchimistin öfters Dinge tun sehen die er nicht verstand und beließ es dabei.
 
„Aber jetzt sollten wir uns wieder der Jagd widmen, bevor dein Magen uns noch mal verrät und alle Tiere verscheucht.“
 
„Mir ist grad der Appetit vergangen.“
 
Magnus stand auf schaute sich um und seine Lippen verzogen sich zu einem zufriedenem Grinsen. Shana folgte seinem Blick und sah einen prächtigen Rotkeiler im Gebüsch trotten. Er beachtete sie nicht als er in Richtung Tümpel zog um sich dort im Schlamm zu wälzen. Magnus holte mit seiner Rechten aus die immer noch eine Wurfaxt hielt. Kraftvoll warf er sie, wechselte seine linke Axt in die rechte falls er ein zweites Mal werfen musste. Doch das war nicht nötig. Der Keiler brach mit einem lauten Quieken auf der Stelle zusammen.
 
„Volltreffer.“ prahlte Magnus. „Herr Keilers Fleisch wird uns gut schmecken.“
 
Er steckte seine verbliebene Axt ein und zog dafür sein Jagdmesser. Er vergewisserte sich das ihn keine Rotte überraschte und begann den Keiler zu zerlegen. Shana half ihm, doch hatte sie das unangenehme Gefühl beobachtet zu werden. Wenn sie sich allerdings umschaute, sah sie nichts was sie bedrohte. er Nordmann trennte die Keiler aus dem Kiefer, säuberte sie und verstaute sie in einer Tasche seines Umhangs. Das Zerlegen dauerte nicht lange und sie gingen zurück zum Lager. Shana sprach ein Waldgebet zum Dank für ihre Beute und legte ein abgetrenntes Bein unter einen Baum zurück.
 

 

 

 

 
*
 

 

 

 

 
Die ganze Zeit beobachtete die Curca das Tun der zwei Menschen die sie bei ihrer Balz gestört hatten. Was selbst Shana nicht wusste, die Kröte vor langer Zeit einem Gaéis unterworfen wurde und sich ihres Lebens als schleimige Kröte bewusst war. Denn früher war sie ebenfalls ein Mensch. Doch das ist lange her und mit der Zeit, verlor sie mehr und mehr an Erinnerung. Ein reicher Mensch war sie damals, ja, schön und begehrt, gingen Fetzen von Gedanken der Kröte durch den Kopf. Doch auch trotzig und hochmütig, ja. Vertrag, Vertrag; ja. Warum bin ich dann eine…eine… Das Tier übernahm wieder die Kontrolle und die Curca quakte gequält als sie eine summende, fette Sumpffliege mit ihrer Zunge fing.
 
Dann schwamm sie ans Ufer und stieg schwerfällig aus dem Tümpel. Da rief sie eine Stimme, eine, die nur sie hören konnte, und befahl ihr zu kommen. Sie hüpfte durch das hohe Gras davon. Dann ins Gebüsch und tief in den Graanwald hinein.
 

 

 
Beim Lager angekommen hielt Magnus seine Beute stolz in die Höhe.
 
„Heute gibt uns Herr Keiler die Ehre.
 
Unser Mahl seist du, trotz wildem Kampf.
 
Das rote Fell verteidigt gegen allerhand Feind`.
 
Doch dein Unglück war`s mir zu begegnen, Herr Keiler.
 
Und nun brätst du über`m Feuer während zischend Fett ins Feuer fällt.“
 
Der Nordmann zitierte diesen alten Jagdreim während er die Fleischstücke auf Spieße steckte. Grayden ging zu Shana rüber und sie lächelte ihn an. Er umarmte sie und küsste sie lange. Sie legte den Kopf an seine Schulter und genoss die Wärme ihres Gefährten. Alle ließen sich das Fleisch schmecken, das von Ramloc mit Steinsalz gewürzt war und ihm eine zusätzliche Würze gab. Shana döste in Graydens Armen während sie noch eine Weile ruhten und danach ihren Weg fortsetzten.
 
Die Feren lebten angesichts des milder werdenden Wetters sichtlich auf und gegen Vormittag des nächsten Tages trafen sie auf eine befestigte Straße. Sie führte sie zur Festungsstadt Tokagen, die schon von weitem sichtbar war. Sie lag auf einem Berg und war schwer befestigt. Der Berg hatte eine Höhe von über vierhundert Metern, war zweitausend Meter breit und verlief sacht ansteigend. Die Erbauer hatten sie in drei gewaltigen Terrassenbauten ringförmig angelegt und jede von ihnen mit mehreren Wehrtürmen, breiten Mauergängen und Schießscharten ausgestattet. Auf der untersten Ebene lebten die Handwerker, Minenarbeiter, Bäcker, Bauern und Alchemisten. Sie war mit den dicksten Steinquadern gebaut worden und mit einem tiefen Graben geschützt. Dieser wiederum wurde von Bogenschützen und leichten Speerballistas bewacht.
 
Darüber bezogen die wohlhabenderen Leute die mittlere Ebene und war mit edleren Materialien gefertigt, die an einigen Stellen in der Sonne aufblitzten. Hier fand man kunstvolle Statuen, Brunnen, Plätze und Blumengärten. In einer großen Kaserne war die Reiterei stationiert. Auch dort sah man die bewaffneten Wehrgänge. Doch das war nichts gegenüber der obersten, jedoch kleinsten Terrasse. Geschützt von sieben Katapulten, fünf Schweren Ballistas und drei Ferasaetherern. Eine Besonderheit der drei Festungstädte Tokagen, Jidaigen und Sokagugen waren die Schienen, auf denen die Katapulte und Ballistas an jede Stelle auf einem Ring gefahren werden konnten um  jede Seite ausreichend verteidigen zu können. An einer Stelle, zwischen der oberen und unteren Terrasse ragte ein gewaltiger Steinbogen aus dem Felsgestein hervor und ermöglichte einen Zugang in das Innere des Berges. Darüber befand sich ein kreisrunder Wehrgang der von breiten Schießscharten unterbrochen wurde. Zwei Statuen flankierten es auf hervor tretenden Balkonen, die einen Krieger und eine Priesterin darstellten. Meterdicke Säulen stützten den Zugang, über die manchmal ein dunkelblaues Glitzern hinweg zog. Über dreißig Meter hoch und ebenso breit und aus einem schwarzgrauen marmoriertem Material gefertigt, war der Aetherquor ein Bauwerk, das den Aether an einen Ort sammelte. Daraus baute sich ein meterdickes, sternförmiges Band hervor, dessen waagerechten Zacken doppelt so breit waren wie die vertikalen und in einem hellen grün strahlten. Das Aetherband kam aus dem Inneren des Bauwerks und schoss in die Ferne davon. Es war eine dauerhafte Verbindung zur Hauptstadt und wurde in Kriegszeiten dazu benutzt, Soldaten, Kriegsmaschinen und Konstrukte auf Gleiterschiffen schnell zu verlegen. Heute nutzten es Kaufleute um ihre Waren in die Städte zu bringen und ohne mühselige Reisen durch Gebirge, Wüsten oder Sümpfe, Handel zu betreiben. Das Aetherband war ein Netzwerk, das die größten Städte auf dem Kontinent Caranthans miteinander verband.
 
In der Burg der Stadt residierte der Gaugraf Hermenn Lechbadorn mit seiner Familie. Er hatte die Macht über das umgrenzende Land, das von der Stadt bis zu den schwebenden Inseln reichte. In jedem Ring der Stadt waren die Tempel der Götter zu finden. Der Ferastempel war jedoch der größte, da der Gott des Feuers auch der Gott der Krieger war. Der gemeinsame Marktplatz konnte von jeder Ebene erreicht werden, dessen Zugänge geschützt waren um eine rasche Einnahme der Stadt zu verhindern. Doch in diesen Zeiten wurden die Tore selbst nachts nicht mehr geschlossen. Der Krieg lag vier Jahre zurück und die Völker Caranthans lebten zum größten Teil in Frieden miteinander.
 

 
Staunend hielten die Abenteurer Hunderte von Metern vor der Stadt an.
 
Sogar Ramloc klappte der Mund auf.
 
„Grant hek Havalor.“ sagte er.
 
„Das kannst du laut sagen.“ stimmte ihm Magnus zu.
 
„Was hast du gesagt?“ Shana hörte den Zwerg selten in seiner Sprache reden.
 
„Es bedeutet ungefähr „gewaltige oder prächtige Festung.“ übersetzte Magnus für sie.
 
„Bin gespannt wie sie von innen aussieht.“
 
„Das werden wir ja schon bald erfahren.“ sagte Magnus und wollte los reiten.
 
„Warte. Wir können nicht nach Tokagen rein.“ Graydens Miene war angespannt.
 
„Warum nicht?“ fragte Magnus.
 
Auch Shana war neugierig. Dachte sie doch, sie könnte dort etwas Zeit mit ihrem Geliebten verbringen und vielleicht die Kräuterfrauen und Alchemisten suchen, bei denen sie gewiss ihre Vorräte aufstocken und Rezepte tauschen konnte. Doch Grayden zeigte stumm nach vorne. Sie sahen einen Trupp des Karanthar-Mondordens, unverkennbar an den blau-schwarzen Rüstungen, der in die Stadt hinein ritt und begriffen.
 
„Meinst du sie werden dich erkennen?“ fragte Shana.
 
Ein Anflug von Traurigkeit huschte über sein Gesicht.
 
„Das Gedächtnis des Ordens ist groß. Wir werden Tokagen leider nicht betreten können. Es tut mir leid, Shana.“
 
„Du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen. Irgendwann wird der Orden seinen Fehler einsehen und dann wirst du wieder aufgenommen. Vertrau auf die Götter.“
 
„Wir können uns doch in einer Herberge außerhalb der Festungsmauern ein Quartier suchen.“ schlug Magnus vor. „Siehst du?“
 
Ein großes, dreistöckiges Wirtshaus befand sich nur wenige hundert Meter abseits des Weges. Geschäftiges Treiben umgab das massive Haus. Menschen, Nordmänner, Ostleute, sogar ein paar Zwerge gingen ein und aus. Irrlichter schwirrten umher und das Haus wurde von zwei Pantharas bewacht. Draußen standen Feren, Mulis und Shana sah zwei seltene sechsbeinige Bagrahnts. Diese Reittiere hatten kurzes, flauschiges und lilafarbenes Fell, der von hellblauen Strähnen durchzogen war. Sie hatten einen breiten Stummelschwanz der am Ende unbehaart war und eine ebenfalls hellblaue Haut aufwies. Ebenso wie ihre stämmigen und behaarten Stummelbeine.  Die Bagrahnts sahen aus wie gestauchte Ochsen, maßen drei bis vier Meter in der Länge und reichten knapp bis an die Brust eines ausgewachsenen Manns während sie fast doppelt so breit waren. Den Kopf zierten gewundene Hörner und große Schlappohren. Das Fell überdeckte teilweise ihre Augen und sie hatten eine feuchte, flache Hundenase und ein fast kopfbreites Maul. Bagrahnts waren im Südwesten Caranthans beheimatet und man sah nur selten gezähmte Exemplare. Überall wo sie auftauchten erregten sie die Aufmerksamkeit der Menschen und irgendwie war man in ihrer Gegenwart immer gut gelaunt und fröhlich. Man erzählte sich, dass sie vor Urzeiten von Konkoros, dem Erdgott erschaffen wurden als seine Schwester, die Wassergöttin Cyrilla, bei ihm Unterschlupf suchte als sie nach dem Kampf mit Feras einen Platz zum Erholen brauchte. Sie war so angeschlagen von ihrem Sieg, dass sie nicht mehr bis in ihr eigenes Reich gelangte. Darauf hin erschuf ihr Bruder die Bagrahnts um ihr nieder geschlagenes Gemüt auf zu muntern. Als Dank verfügte Cyrilla, das niemand diesen Tieren ein Leid zufügen konnte.
 
Die Pantharas waren die einzige Rasse, auf denen die Kraft der Bagrahnts keinen Einfluss hatte. Die Abenteurer merkten den Einfluss der Kreaturen immer stärker werden je näher sie kamen. Alle fingen an zu lächeln und sie fühlten sich, als ob eine schwere Last von ihren Herzen genommen wird. Selbst Graydens anfänglicher Schwermut verflog und leichtfüßig banden sie ihre Pferde an und betraten das Wirtshaus. Bis auf Shana, die den Drang die Tiere näher zu betrachten, nicht widerstehen konnte. Sie kicherte wie ein junges Mädchen als sie sah, wie die Bagrahnts fraßen und ihre Breitschwänze gemächlich über dem Boden schweiften. Sie beachteten Shana mit einem beifälligem aber gutmütigem Blick, wussten sie doch das niemand ihnen etwas antun wollte.
 
Shana ging auf einen von ihnen zu und kraulte sein wundervoll, flauschiges Fell hinter den Schlappohren. Die Kreatur kaute weiter und Shana wagte es ihm ein kleines Bündel Fell abzuschneiden und in einem Beutel zu verstauen. Die Haare galten als ein starker Glücksbringer und Talisman. Sie kraulte den Bagrahnt noch ein wenig, kicherte dabei immer wieder und als Grayden nach ihr rief, trennte sie sich mit einem tiefen Seufzer von ihm. An der Schwelle zum Wirtshaus umarmte sie Grayden glücklich und küsste ihn spielerisch auf die Wangen. Grayden lachte und sie gingen zu Ramloc und Magnus, die schon mal das erste und zweite Bier hinter sich gebracht hatten und nun in die dritte Runde gingen. Grayden fragte den beschäftigten Wirt, einen Obsideren, nach Zimmern und bestellte einen ortsüblichen Tee und Wein, sowie eine großes Mahl für die Gruppe. Gut gelaunt genossen sie die Speisen und die Getränke. Shana sah sich genauer um.
 
Das Haus war von Gelächter und Gesprächen erfüllt. Mahageruch hing in der Luft und dämmte das schwache Licht, welches von bunten Irrlichten umschwirrt wurde. Auf den Querstreben des Lüsters saßen Wasserspeier, kaum einen Unterarm groß, nach den Schimmerlichte schnappen oder wahllos Grimassen schneiden. Sie sah Vertreter unterschiedlichster Rassen und Völker. In einer Nische saßen Aetherer verschiedener Künste und unterhielten sich angeregt. Daneben tranken ein paar Ostleute Tee, Shana schaute sich ihre prächtigen und farbenfrohen Gewänder an und ihr Blick ruhte auf einen schwarz gekleideten Nadelmeister, der allem Anschein nach der Anführer der Ostleute war. Drei Zwerge an einem anderen Tisch grüßten Ramloc. Eine Horde Blarrks betrank sich weiter entfernt und dahinter meinte sie kleine Nirim erkennen zu können. Der riesige Kamin wurde von einem Paar Flammenwichte belagert und daneben stand ein fast drei Meter großer Wasserelementar. Shana war erstaunt wegen der Vielfältigkeit und friedlichen Zusammentreffens der teilweise verfeindeten Rassen. Sie fragte eine Kellnerin danach.
 
„Hier scheinen ja alle gut miteinander auszukommen?“
 
Die Kellnerin lachte als sie antwortete.
 
„Das Wirtshaus ist neutrales Gebiet. Es wurde nämlich auf einem Kreuzpunkt gebaut und so kann hier niemand irgendwem irgendwas irgendwann antun. Obwohl es selbst im Hochsommer kalt wie im tiefsten Winter sein kann. Deshalb auch die Flammenwichte und der Elementar. Verzeiht, aber ich muss weiter.“
 
Erstaunt sah Shana ihr hinterher und lehnte sich entspannt zurück. Grayden tastete mit der Hand nach ihr und sie fühlte sich so glücklich wie seit Monaten nicht mehr. Grayden und Shana fingen an zu turteln und verschwanden dann in ihr Zimmer.
 
Die drei Zwerge kamen an den Tisch und luden Ramloc und Magnus zum Trinken ein. Da es nur noch annähernd tausend Zwerge gab, feierte man, wo man sich traf.
 
„Ho Ho. Ihr glaubt es mit mir aufzunehm`n? Ich sag` euch gleich: Ich bin Ramloc den alle „Hundert Hump`n“ nennen.“
 
„Und ich bin Magnus, der von allen nur „Maßloser Magen“ genannt wird.“
 
Wer so viel protzte, musste es auch beweisen. Und so nahm der Tag und Abend seinen Lauf. Sie tranken und aßen bis ihre Bäuche rund waren. Doch sie hatten die Zwerge in einem Trink- und Fressspiel geschlagen und das war für die Kampfgefährten momentan das wichtigste. Lachend gaben die Zwerge auf und übernahmen den ungeschriebenen Regeln gemäß die Rechnung. Sie wurden müde und torkelten zu ihren Zimmern wobei sie sich gegenseitig stützen mussten. Unten in der Schankstube ging währenddessen das bunte Treiben weiter. Ein Flammenwicht wurde übermütig und versuchte in die Menge zu hüpfen, was der Elementar gewissenhaft vereitelte. Auf den Geländern der stabilen Treppe boten käufliche Frauen, Mädchen und junge Knaben aller Rassen ihre Dienste an. Magnus winkte dankend ab. Im Zimmer angekommen fiel er ins Bett, doch der Raum drehte sich und sein Schädel dröhnte. Stöhnend erbrach er sich in einen Eimer und danach fühlte Magnus sich wesentlich besser. Er schaffte es nicht mehr sich auszuziehen und mit heraus hängenden Beinen schlief er ein. Ramloc trat in das Zimmer, rülpste das die Barthaare zitterten und warf seine schweren Sachen auf den Boden, die eine Spur zu seiner Bettstatt zogen und zufrieden stand er da.
 
„Endlich.“
 
Dann fiel Ramloc wie ein Stein ins Bett und schnarchte das ein Erdbeben
 
neidisch hätte werden können.
 
Grayden und Shana die schon eher die Gruppe verlassen hatten, konnten sich nicht mehr beherrschen. Der Schildmeister schloss zügig die Tür und zog Shana aus. Shana tat das gleiche bei ihm. In der Ecke stand eine große Wanne mit dampfendem Wasser. Genau richtig in Temperatur und mit verschiedenen Kräutern und Duftölen versehen, bot das Bad die verheißene Entspannung. Streichelnd und küssend setzten sie sich hin und sie wuschen sich zärtlich. Befreiten sich vom Schmutz der letzten Wochen und alle Anspannung fiel von ihnen ab. Sie genossen die innige Zuneigung für einander wie einen kostbaren Wein und ergaben sich in stundenlangen Liebesbezeugungen.
 
Es wurde niemals still im Wirtshaus, da der Obsiderenwirt nur einmal am Tag dreißig Minuten Schlaf brauchte, war es auch nie geschlossen.
 
Doch im dritten Stock war davon kaum etwas zu hören. So schliefen alle bis zum nächsten Mittag durch. Ramloc war als erster wach und via Rohrpost bestellte er ein kräftiges Frühstück für sich und Magnus, den er in der Zwischenzeit wach rüttelte.
 
„Gut`n Morg`n, „Maßloser Mag`n. Aufsteh`n, Frühstück`n.“
 
„Hrmpf.“ murmelte Magnus ins schönste, weichste Daunenkissen das er kannte.
 
Das Bett war wunderbar weich und wenn sich die Gelegenheit ergab in eben solch einem zu schlafen, schöpfte der Nordmann sie gründlich aus.
 
Ramloc lachte und zog den Nordmann an den Füßen aus dem Bett.
 
Verzweifelt hielt sich Magnus am kunstvollsten Eichenrahmen fest den er kannte.
 
„Lass mich, Kurzer sonst steck ich dich in ein Fass voller Heringe.“
 
„Das will ich seh`n. Du bist so kraftlos wie ein frisch geschlüpft`s Kük`n.“ höhnte Ramloc und fiel nach hinten als Magnus den Rahmen plötzlich los lies.
 
Er erhob sich auf dem angenehmsten Bett das er kannte und in dem Augenblick als er auf seinen Zwergenfreund springen wollte, landete ein Eimer des kältesten Wassers, das er kannte, in seinem Gesicht und stand triefend nass in seiner Kleidung da. Ramloc schlug sich vor Lachen auf die Knie. Magnus erwachte aus seiner Starre und mit lautem Gebrüll sprang er auf den Zwerg. Doch der war im Ringen besser und schon hatte er den Nordmann bezwungen. Er hielt Magnus` Kopf im Arm und spielte „Katzenbürste“ mit seinen Haaren als es klopfte und das Frühstück herein gebracht wurde. Hungrig wie Wölfe stürzten sie sich auf die Speisen.
 
Shana und Grayden lagen sich schlummernd in den Armen. Nur langsam erwachte der Schildmeister aus der Umarmung Morphions. Er sah auf die schlafende Shana herunter die ihren Kopf auf seiner muskulösen Brust abgelegt hatte und strich ihr sanft die herabhängenden Strähnen aus dem Gesicht.
 
Ruhig ging ihr Atem und strich über seine Brusthaare. Grayden genoss den Augenblick und lächelnd schloss er wieder seine Augen. Nur um kurz darauf von einem Summen am Fenster geweckt zu werden. Verschlafen drehte sich Shana um und Grayden stand leise auf. Nackt wie er war ging er zum Fenster, dass mit Stoffen zugehängt war, öffnete den Vorhang einen Spalt und schaute hinaus. Ein helles gelbes Licht blendete ihn. Er glaubte ein Kichern zu hören, dass von dem kleinen Licht kam. Es schwirrte vor dem Fenster ziellos herum ohne dabei länger als einige Augenblicke an einem Ort zu verweilen.
 
Shana drehte sich seufzend im Bett um. Grayden schaute nach ihr, doch sie schlummerte weiter. Er hielt sein Gesicht ganz nah ans Fenster um das Licht besser sehen zu können. Da hörte er wieder ein Kichern und ein zweites, blaues und ein drittes, rosafarbenes summten heran. Da der Schildmeister sich nicht erklären konnte was die Irrlichte von ihm wollten drehte er sich um und zog sich die zweite Garnitur an, die er immer mit sich führte. Dann schickte er eine Nachricht mit der Bitte zum Abholen der Wäsche und der Bestellung von Frühstück los. Er setzte sich zu seiner geliebten Shana ans Bett und schaute seine Lebensretterin einfach nur an, bis es klopfte und die Wäsche abgeholt wurde. Von einer anderen Bediensteten wurde das Essen gebracht. Es gab frisches, dunkles Kornbrot, gekochte Eier, Butter, Fruchtmus, sowie Wurst und Käse. Dazu stellte ihm die Bedienstete einen dampfenden Morgentrank vor ihn und verließ mit einem letzten, leicht neidischem Blick auf die Frau die im Bett lag, das Zimmer. Sie konnte allerdings ein winziges Winken nicht zurückhalten und machte die Tür hinter sich behutsam zu. Grayden besah sich die Köstlichkeiten die vor ihm standen, schaute zu Shana herüber, die scheinbar gar nicht daran dachte aufzuwachen um ihm Gesellschaft zu leisten und so fing er halt alleine an zu essen. Nach einer leckeren Scheibe Brot mit Beerenmus, hörte er wie Shana doch noch aufstand und stellte ihr den Morgentrank hin. Stumm trank sie den Becher in einem Zug aus und erst dann gab sie ihm einen Wangenkuss. Nackt setzte sie sich auf seinen Schoss und wünschte ihm einen guten Morgen. Dabei legte sie keck den Kopf schief und schaute unschuldig wie ein kleines Mädchen mit großen Augen.
 
Grayden widerstand nicht lange.
 
Magnus und Ramloc waren derweil gesättigt und hinterließen nur leere Teller auf dem Tisch zurück. Magnus zog sich ebenfalls nur die wichtigsten Sachen an und bestellte eine Magd zum Wäsche machen. Ramloc verzichtete. Er wollte nicht, dass seine wertvolle Basiliskenrüstung irgendjemand zwischen die Finger bekam.
 
Ramloc kümmerte sich lieber um seinen Bart dem er volle Aufmerksamkeit schenkte während Magnus los ging um auf dem Gemeinschaftsbalkon am Ende des langen Flurs frische Luft zu schnappen. Danach ging er in die Stallungen um nach den Feren zu sehen. Auch er konnte dem Drang den Bagrahnts hinter den Ohren zu kraulen genauso wenig widerstehen wie Shana. Magnus hatte schon immer eine gute Verbindung zu Tieren und in der Nähe von ihnen fühlte er sich wohl.
 
Der Tag ging auf diese Weise ohne Aufregung vorbei. Am nächsten Morgen bekamen sie die sauber geschlagene Kleidung zurück. Ramloc stolzierte mit seinem Bart umher wie ein eitler Pfau. Und wieder und wieder rangen sie miteinander um ihre Kräfte zu messen. So lernte Magnus schon seit zwei Jahren Würfe, Hebel, Griffe, Schläge und Tritte in sportlichen Übungen und mehrte seine Kampfkraft. Der Zwergensport
 
namens Pratak, war sehr beliebt im nördlichen Teil Caranthans und es fanden regelmäßig Wettbewerbe statt, die die Sieger mit viel Ehren und Silbertalern belohnten. Zudem lernte der Pratake Demut, Disziplin, Selbstvertrauen, Beherrschung, Gewandtheit, Ausdauer und Techniken seinen Gegner ohne Waffen nieder zu strecken. Und die Frauen und Männer liebten sie mit nahezu göttlicher Hingabe. Angeblich schauten die Götter bei den Kämpfen selbst zu und hatten ihre eigenen Lieblinge, denn die Götter existierten wirklich und waren allgegenwärtig.
 
Am frühen Morgen des zweiten Tages machten sie sich gut erholt auf den Weg und das Wirtshaus wurde in ihrem Rücken kleiner und kleiner als sie nach Süden ritten.
 
Der späte Abend begleitete sie in hügeliges Gebiet und jetzt konnten sie nicht mehr weit von Dimitrions Land entfernt sein. Die Monde Karanthar und Segnum strahlten ihr sanftes Licht über eine tief hängende Wolkendecke. Kupfern und grün reflektierten die Wolken den Schein und die dunkelblaue Nacht dazu formte verworrene Bilder. Die Sterne sangen ihr scheinendes Lied und tauchten die Hügellandschaft in wunderschöne Formen. Sie hörten Wölfe heulen und andere Tiere der Nacht erwachen. Es war frisch und kühl, als sie auf einer Anhöhe mit einem Eichenhain rasteten. Shana nutzte die Gelegenheit Eichelsamen, -und Blätter sowie einen Eichenzweig mitzunehmen. Ein Stück Rinde kratzte sie von dem höchsten Baum und wie immer wenn sie etwas aus der Natur nahm, sprach sie ein rituelles Dankesgebet an die Götter.
 
Zurück am Feuer unterhielten sich Ramloc, Magnus und der Schildmeister über die Vorteile von Schwert und Axt. Da Shana eine Bogenschützin und Alchemistin war, baute sie lieber neue Kugeln.
 
Unter der starken Eiche begann sie mit einer Rezitation einer Formel die das Gelingen der Mischung begünstigen sollte. Sie entschied sich eine Parakugel herzustellen. Sie mischte dazu drei Kräuter im richtigen Verhältnis zueinander. Das erste Kraut war für die Lähmung entscheidend und der Anteil durfte nicht zu hoch sein, weil ihr Opfer dann sofort paralysiert werden würde und an Atemlähmung starb. Darum nahm sie nur die Menge die gehäuft auf ihren kleinen Finger passte und zermahlte sie in einer Ebereschenschale. Dann fügte sie das zweite Kraut hinzu, das in niedriger Konzentration schmerzstillend wirkte. Als Überdosis dagegen führte es zu Halluzinationen und Übelkeit. Hier nahm sie die Menge dreier gehäufter Finger ab, zermahlte sie grob und wendete sich dem dritten Kraut zu. Dieses war das Kontaktkraut und Auslöser der Reaktion. Sie mahlte es besonders fein und rieselte es vorsichtig zu den anderen. Shana wartete als sie am Ende der dritten Rezitation angelangt war. Die Kräuter bewegten sich in der Schale in Richtung eines Sonnenlaufs und aus drei wurde eins. Die Kräuterpulver mischten sich erst übereinander und verschmolzen dann. Sie wiederholte das Ritual dreimal und begab sich zu ihrer Gruppen. Durstig wegen dem ständigen Wiederholen der Formel trank sie mit wenigen Schlucken ihren Becher Blattwasser aus. Dabei rann ihr ein wenig über die Lippen und Grayden verfolgte den Lauf des Tropfens wie er über das Kinn und ihren Hals lief um zwischen der Vertiefung ihrer Brüste zu verschwinden. Bevor Shana den Becher absetzte, beteiligte er sich wieder an der Unterredung zwischen dem Zwerg und dem Nordmann. Shana indes trank noch einen Becher und legte sich schlafen, da sie wie immer die Morgenwache übernahm.
 
Während der Morgenwache stand Grayden früher als sonst auf und leistete ihr Gesellschaft. Zusammen betrachteten sie den Wechsel der kupfern und grün beherrschten Nacht zu dem rötlich-gelben Scheinen der Sonnengöttin Khalsa.
 
Dieser Morgen auf der Anhöhe war nicht zu beschreiben. Die Farbmischungen erfreuten und verwirrten das Auge. Wirbel entstanden und lösten sich auf. Wolken trugen zu dem Schauspiel bei und mit ihrem trägen Dahinziehen, schufen die Farben und Formen bezaubernde Illusionen. Sirane steigerte den Wind und blies die letzten Reste der Nacht davon. Khalsa trat nun ganz hervor und ihre Kraft stieg mit jedem Tag im Frühling mehr und mehr.
 
In der Senke vor ihnen äste eine Herde Rotwild, die von einem stattlichen Hirsch angeführt wurde. Mit Beginn des Tages beendeten sie ihr Äsen im offenen Land und zogen sich zum Schutz in den Graanwald zurück. Die letzten Nebelschwaden lösten sich auf und Eichhörnchen huschten auf der Suche nach ihren Vorräten auf dem Boden herum. Schwalben flogen hoch über ihnen und Shana las aus dem Flug, dass es nicht anfangen würde zu regnen. Aus dem Wald drang das Knattern eines Spechts an ihr Ohr und es entstand die harmonische Melodie des Waldes. Es knackte und knirschte im Gehölz. Tiere zogen zwischen den Bäumen hindurch. Das Brüllen brünftiger Tiere hallte aus dem Wald hervor. Ein Rauschen ertönte als die Bäume sich im Wind wiegten. Blumen und Sträucher öffneten langsam ihre Knospen.   
 
Shana meditierte in dieser Komposition aus Tönen, Farben und Bewegungen.
 
Grayden zog sich zurück um sie nicht zu stören. Manchmal versuchte er Shana zu verstehen, er war von der Natur zwar beeindruckt aber der Schildmeister war ein Krieger und kein Druide oder ähnliches, dem die Gesetze der Natur oberstes Gebot waren und mit den Göttern reden konnte.
 
„So hat jeder seine ganz eigenen Fähigkeiten und ist somit Teil der Welt die ihn umgibt. Damit ist er mehr als nur ein einzelnes sondern verbindet sich mit allem was lebt, auf und in der Erde.“ wiederholte er einen Lehrsatz seines alten Lehrmeisters.
 
Der Somnethoi, ein vom Orden gebetener hoher Druide, hatte ihn in frühen Jahren unterrichtet um ihm Demut vor der Natur und seinen Zyklen zu lehren. Das ist ihm bei Grayden besser gelungen als bei den meisten seiner vorherigen Schüler, doch am Ende war Grayden mit Leib und Seele ein Schildmeister des Karanthar-Mondordens. Immer noch. Und würde es bis zu seinem Tode bleiben. Dabei war es ihm egal ob ihm der Orden eines Tages verzeiht und womöglich sogar wieder aufnimmt. Tief atmete Grayden ein und er fasste den Entschluss vor dem Frühstück Schwert- und Schildübungen durchzuführen.
 
Auch die letzten der Gruppe erwachten mit knurrendem Magen und sie sahen die meditierende Shana und den übenden Schildmeister und das kein Mahl zubereitet worden war. Ramloc und Magnus zuckten mit den Schultern und machten sich auf, das von Ramloc gepökelte Wildschweinfleisch auf dem Feuer zu braten.
 
Als sie alle aßen, sah Ramloc einen Reiter der auf sie zugeritten kam. Sie lockerten die Waffen und beschäftigten sich weiter mit dem Frühstück. Der Reiter kam näher und sie sahen, dass er eine einfache braun-grüne Lederrüstung trug und einen Stachelhelm an seinem Sattel geschnallt hatte. Daneben klapperte ein einfaches Schwert. An einem Speer flatterte der Wimpel des Friedens in Grün. Damit bezeugte er seine Bereitschaft zu reden und zu verhandeln statt zu kämpfen.
 
In zehn Metern Entfernung schlug er in einen Trab über und musterte die Fremden. Der Reiter kam zu dem Schluss, dass er die gesuchte Gruppe gefunden habe. Ein freundlicher Ausdruck zeigte sich auf seinem Gesicht als er sich den Abenteurern bis auf fünf Meter genähert hatte.
 
Fortzetzung folgt.....

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.07.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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