Andreas Rüdig

Radio freies Rheinland

Deutschland den Deutschen! Die Zeiten, in denen diese unselige Forderung erhoben wurde, sind zum Glück vorbei.
Ich arbeite beim "Radio freies Rheinland". Rheinland, Rheinland über alles. Von Mannheim aus wird der Oberrhein versorgt, von Mainz aus der Mittelrhein (also das rheinland - pfälzische Rheinland). Von Duisburg aus bedienen wir den Niederrhein und die Kölner Bucht.
Eine Konkurrenz zum staatlichen Rundfunk, zum Bügerfunk und zum Lokalradio sind wir nicht. Und dafür gibt es zwei verschiedene Gründe.
Zum einen werden alle drei Standorte von einer privaten Betreibergesellschaft betrieben. Wir erwirtschaften heute schon Gewinn.
Zum anderen wollen wir das Rheinland kulturell, künstlerisch, touristisch, wissenschaftlich, gesellschaftlich, bildungspolitisch und erzieherich voranbringen. Das Rheinland soll der beste Teil Deutschlands werden. Radiovorträge gehören also genauso zu unserem Programm wie eine Reiseberichterstattung, Städtebeschreibungen, Sport, Musikwettbewerbe, Hörspiele, Features, Hörerbefragungen oder Beiträge, die von den Bürgern selbst produziert wurden.
Wir sind sehr beliebt bei den Menschen vor Ort, unabhängig vom Alter, Beruf oder der Tageszeit. Nachmittags, an Wochenenden und an Feiertagen liegt die Einschaltquote bei 98 - 100 %.
 
(im Tonstudio)
 
Du, Edelgard, stell doch mal das Radio lauter.
 
Wieso? Was ist denn?
 
....
 
Komm, nun sag schon!
 
Hast du den Beitrag eben gehört?
 
Nein. Was war denn?
 
Das Radio hat einen Musikwettbewerb angekündigt. Der Sender will unbekannte Bands vom Niederrhein fördern. Sie sollen sich beim Sender melden.
 
Und dann?
 
Sie sollen erst einmal Demo - Bänder beim Musikredakteur abgeben. Wenn sie dem Mann gefallen und die Band noch keinen Plattenvertrag hat, wird sie ins Studio eingeladen. Dort werden dann die Lieder eingespielt.
 
Ja, und dann?
 
Wenn der Sender die Lieder spielt, bekommen die Bands Geld. Und mit ein bißchen Glück bekommt die Band dann einen Vertrag bei einem großen Musikverlag.
 
Na und? Warum erzählst du mir das?
 
Das ist unsere Chance, an einen Plattenvertrag zu kommen. Ich werde morgen unser Demoband zum Sender senden.
 
(2 Wochen später)
 
Edelgard! Der Brief vom Sender ist da. Verflixt! Wir wurden abgelehnt. Der Redakteur konnte unsere Texte nicht verstehen. Angeblich singen wir auf Holländisch. Dabei ist es doch nur Emmerischer Platt...
 
 
(In einer Eckkneipe)
 
Sag mal, Kurt, was machst du da?
 
Ich mische Karten. Ich dachte, das sieht man.
 
Klar, ich bin doch nicht blöd. Nimm lieber die hier. (Karl schiebt ein noch verpacktes Skatblatt über den Tisch. Kurz schaut kurz verdutzt aus der Wäsche. Das schmeißt der geräuschvoll die benutzten Skatblätter in den Abfalleimer und öffnet knisternd die neue Verpackung.)
 
Danke, Kalle.
 
(Stimme aus dem Hintergrund)
Meine Damen und Herren, ich melde mich hier live aus dem Rheinischen Eck in Issum. Hier wird gerade die Vereinsmeisterschaft der `Hünxener Herzbuben' ausgespielt. Der Gewinner hat das große Los gezogen. Er wird das Rheinland bei den Skatweltmeisterschaften in Andorra vertreten. Die beiden Spieler zählen gerade:
 
(Karl und Kurt)
 
Zwanzig?
 
Ja.
 
Zweiundzwanzig?
 
Ja.
 
Null?
 
Ich passe.
 
Ich auch.
 
(Reporterhintergrundstimme):
 
Das war gerade Friedhelm. Kurt wird also das Spiel machen.
Diese Vereinsmeisterschaft konnte nicht zuhause in Hünxe ausgetragen werden. Das Vereinslokal der Herzbuben, die "weinende Trauerweide", hat gerade Betriebsferien. Und Jupp van Holland, der Wirt im "eifrigen Eierwärme", dem anderen Lokal in Hünxe, ist der Grund dafür, warum die Herzbuben nach Issum ins Exil ausweichen mußten. Hören wir noch einmal kurz in unseren Beitrag vom vergangenen Sonntag `rein.
 
(der folgende Text ist auf alt und knisternd getrimmt)
 
(weinerliche Stimme) Ich will aber mit.
 
(Kurt, eiskalt, stahlhart) Nö.
 
Warum nicht?
 
Darum.
 
Nu' sag schon.
 
Ganz einfach: Weil du der Wirt bist.
 
Na und?
 
Kneipenwirte dürfen nicht an Weltmeisterschaften teilnehmen. Das ist gegen die Regeln.
 
Aber ohne mich kannst du doch gar nicht spielen. Du brauchst doch jemanden, der dir dein Bier bringt und für dich in die Karten der anderen Spieler schaut.
 
(Kurt leicht cholerisch) Also erlaube mal. Ich betrüge doch nicht..
 
(Man hört klatschende Geräusche (von den Ohrfeigen), splitterndes Glas (von den fliegenden Bierflaschen) und Poltern (umfallende Tische und Stühle) - eine klassische Wirtschaftsschlägerei ist im Gange. Das Martinshorn wird lauter und kommt offensichtlich näher.)
 
(Reporterhintergrundstimme)
 
Doch nun zurück nach Issum. Karl und Friedhelm haben Kurt gewinnen lassen. Wie wir es von ihm gewohnt sind, hält Kurt Volksreden und schmeißt eine Lokalrunde nach der anderen. Wenn er so weitermacht, ist er bald so pleite, daß er nach Andorra trampen muß...
 
 
 
Und nun kommen wir zu einem gewohnten samstäglichen Thema, nämlich dem Wochenendausflug. Er führt mich heute ins keusche Museum in Köln. Genau genommen heißt das Museum ja "Museum für Keuschheit und Sexualabstinenz".
Seine Vorläufer reichen bis ins Jahre 1723, als Kardinal Roger in einer kleinen Kapelle nahe dem Dom diverse Keuschheitsgürtel zur Schau stellte. Offiziell wollte er die rheinischen Frohnaturen unter scheinen Schäfchen daran erinnern, bei kirchlichen Feiertagen nicht über die Strenge zu schlagen.
Die Legende berichtet aber, daß Roger ein ganz anderes Problem plagte. Er sei schwer in Julia, die uneheliche Tochter des Kurkardinals Peter - Paul von Worringen, verknallt gewesen und habe auch so manches Techtelmechtel mit ihr gehabt. Als dieses Techtelmechtel ruchbar wurde, ordnete der Kurkardinal an, Roger müsse für den Rest seines Lebens einen Keuschheitgsgürtel tragen. Um ihn daran zu erinnern, wurden die Keuschheitsgürtel in der Kapelle angebracht.
Heute füllen die Keuschheitsgürtel und anderen lusthemmenden Mittel ein eigenes Museumsgebäude. Beischlafhemmende Gewürze gibt es genauso zu sehen wie die Burka für den Mann oder das Buch "Der moderne Mann - 1.000 Wege, einem Flirt aus dem Wege zu gehen".
"Wir sind stolz auf diese Ausstellung," berichtet Museumsdirektor Konrad Siegburger. "Köln ist damit um eine Attraktion reicher."
 
 
Guten Morgen, liebe Hörer an den Rundfunkempfangsgeräten. Sind Sie schon wach? Ja...? Das ist schön. Ich stehe hier nämlich im Skurrilschlafstudio der Karl - Jarres - Universität zu Oberhausen - Mülheim. Hier werden aquasomnambulare Menschen betreut. Wie, Sie wissen nicht, was Aquasomnambulismus ist? Darunter leiden Leute mit einem übertriebenen Reinlichkeitsfimmel. Selbst wenn sie sich im Tiefschlaf befinden, glauben sie, sie würden vor Schmutz starren. Kaum liegen sie im Bett und schlafen, stehen die Betroffenen auch schon wieder auf, gehen ins Badezimmer, entkleiden sich, füllen die Badewanne mit warmen Wasser, legen sich in die Wanne und bleiben dort bis zum Morgen liegen. Dabei spielt es keine Rolle, wie warm das Wasser ist. Bei kleinen Badewannen leiden die Betroffenen lediglich nur unter einer aufgeweichten Haut. Bei entsprechend großen Badewannen erfreuen sich die Aquasomnambulanten einer entspannten Muskulatur und einer extremen Gelenkigkeit der oberen und munteren Extremitäten.
Neben mir steht Prof. Dr. Doktor. Herr Prof. Dr. Doktor, Sie sind Experte für das Schlafwandeln. Sind Sie schon der Ursache für das Wasserschlafwandeln auf dem Grund gekommen?

Nö.
 
Wer ist von dieser Krankheit betroffen? Gibt es da Häufungen?
 
Ja, bei Frauen, die älter als 37 Jahre 7 Monate 17 Tage  5 Stunden 18 Minuten und 36 Sekunden sind.
 
Wie oft?
 
1 unter 936.799.
 
Danke. Zurück ins Studio.
 
 
Und das waren sie, meine besten Radiobeträge, liebe Hörer. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.07.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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