Heidelind Matthews

Lebenswahnsinn

 

Ich soll eine lustige Geschichte schreiben, hat mein Gehirn eben zu mir gesagt. Solche blöden Gedanken können einen auch nur beim Abwaschen ereilen. Dabei habe ich überhaupt keine Zeit. In einer Stunde muss ich zur Arbeit und die Dusche hat mich auch noch nicht gesehen. Wie soll ich denn da jetzt auf die Schnelle humorige Worte auf das Display meines altersschwachen Laptop knallen. Dazu kommt, wir sind gerade aus dem Urlaub zurück und so richtig bin ich in Deutschland noch gar nicht angekommen, geschweige denn bereit, meine tagtägliche Arbeit wieder aufzunehmen. Mir ist zum Kotzen. Schon lange ist es mir nicht mehr so schwer gefallen, den Alltag aufzusaugen. Mein Körper hat sich scheinbar einen Antialltagspanzer zugelegt und läßt die Normalität daran abprallen. Ich kann nur hoffen, dass sich dieser Zustand bald wieder ändert, ansonsten werden meine Haushalte sauer, wenn ich wie eine lahme Ente meine Arbeit verrichte.

So mancher mag jetzt denken, die Alte ist doch nicht ganz normal. Richtig. Das Gute daran, mit meinen fünfzig Jahren habe ich es nicht mehr nötig, mich der allgemeinen Meinung über Lebensweisen unterzuordnen. Ich habe alles getan was nötig war.

Meine Schulausbildung abgewickelt, die Lehre als Tippse über mich ergehen lassen und sogar noch eine Fortbildung mit dickem Bauch durchgezogen. Wir haben uns zwei Söhne geschenkt und gemeinsam eine Menge großer und kleiner Kämpfe ausgefochten. Uns ging es mal gut, mal schlecht und es gab sogar eine Zeit, da fühlten wir uns reich. Aber unser Urgroßvater Staat fand das nicht so toll und hat diesen Zustand ganz fix abgeändert. Er jagte mich in die Arbeitslosigkeit und brachte mich dazu, mir ein Jahr Eheauszeit zu nehmen. Eine schrecklich gute und böse Zeit. Nähere Ausführungen werde ich mir ersparen. Nur so viel sei geschrieben, es war die beste Lehrzeit über das Leben.

Ist das jetzt eine lustige Geschichte? Meine Augen wandern immer wieder zur Uhr, damit ich ja nicht vergesse, wann es Zeit ist mich arbeitsfähig aus dem Haus zu schleichen, meinen treuen Opel zu besteigen und anderen Leuten die Wohnung zu entstauben. Momentan steht mir die Arbeit bis zum Hals. Viel lieber würde ich zu Hause bleiben und es mir und meinem Gatten super gemütlich und behaglich machen. Hast du das gelesen Urgroßvater Staat. Ich bin nach fast 30 Jahren Arbeit ausgebrannt und noch viel schlimmer, ich bin jetzt fünfzig. Eigentlich könntest du mich doch belohnen und deinen Geiz mal beiseite schieben. Aber wie ich dich kennen, willst du blos noch mehr Arbeitsleistung von mir und am liebsten auch noch mein sauer verdientes Geld. Vielleicht sollte ich nachts auch noch arbeiten. Dann müßte ich nicht mehr schlaflos im Bett wühlen, sondern könnte dich endlich mal satt kriegen.

Wenn ich ganz mutig wäre, würde ich abhauen, aber mit fünfzig ist das nicht mehr so einfach und so nehme ich das Leben wie es ist und bastel mir meinen Spaß. Wie man das macht? Eine gute Frage. Ich besitze in meinem Alter einen Irrenschein, der es mir erlaubt, alles zu tun und zu lassen, worauf ich Lust habe. Natürlich muss ich weiterhin Geld verdienen, damit Urgroßvater nicht am Bettelstab landet, aber darüber hinaus, gestalte ich mich selbst und tue Dinge, die man in meinem Alter manchmal belächelt. Mir egal, denn es ist mein Leben und nicht das der Anderen.

Nehme wir mal unseren letzten Urlaub. Wer geht bei 13 Grad Wassertemperatur baden? Ich natürlich und soll ich euch etwas dazu schreiben. Es war herrlich. Man spürt endlich seinen Körper und sich selbst. Wer steht im Urlaub um 6.00 Uhr auf. Ich. Für manche sicherlich eine Wahnsinnsvorstellung, aber ich genieße diese ruhigen Stunden. Das ist manchmal besser als Schlaf. Wer joggt im Urlaub freiwillig? Falsch. Nicht nur ich, sondern auch noch einige Andere laufen sich die Lunge aus dem Hals und schaufeln frische Nordseeluft in ihren Körper. Wer veranstaltet eine Fahrradwettfahrt mit seinem Mann? Nicht lachen. Habe meinen Mann gewinnen lassen. Wer klettert mit dem Fahrrad eine Sandwüste hinunter? Ätsch. Ich. Es hat aber lange gedauert, bis ich meinen Mann dazu überreden konnte. Er fand es einfach zu gefährlich. Ich dagegen fühlte mich wie ein kleiner Abenteurer. Wer läßt im Urlaub laute siebzigerjahre Discomusik erklingen und rockt beim Frühstück. Der Kaffee wurde nicht verschüttet, dafür die Marmelade durchgeschüttelt und mein Mann hat sich halb totgelacht. Wer filmt mit einer uralten Kamera. Solange sie funktioniert, wird sie auch benutzt. Von mir jedenfalls. Dafür besitze ich jetzt auch den besten und schönsten Sonnenuntergang des Urlaubs. Kann da einer mithalten? Hand hoch!

Wer will uns Vorwürfe machen? Die Jugend lebt doch auch wie sie will und darum bin ich der Meinung, auch leben zu können, wie ich es möchte. Wenn ich am Wochenende keine Lust habe zu kochen, na dann gibt es eben nur eine Stulle. Mich stört es nicht, ob es gesund oder ungesund ist. Ich empfinde es als Zwang, das zu tun was vor mir schon viele Mütter, Omas und Uromas getan haben. Genauso ist es mit dem Säubern der Wochnung. Bei mir ist es sauber, aber nicht rein. Ich jage nicht jeden Tag mit Sauger und Lappen durch meine vier Wände. Es gibt einen Tag und da wird für Ordnung gesorgt. Basta! Das Leben ist zu kurz, zu kostspielig und zu hart, um seine Zeit mit unnötigen Dingen zu verplempern. Viel lieber schnappe ich mir meinen Mann und verbringe diese kostbare Zeit mit ihm. Wobei mein Mann manchmal auch so veralterte Allüren hat und meint, was werden wohl die Leute dazu sagen. Das ist mir soetwas von egal. Sollen sie doch ihr alten Trott beibehalten. Jedem wie es ihm beliebt. Der eine steht eben gerne stundenlang am Herd oder liebt Einkäufe, die nie enden wollen.

Fünfzig ist ein herrliches Alter. Kinder sind aus dem Haus. Eltern können tun und lassen was sie wollen. Sie frühstücken am Wochenende bis zum Mittag, gehen nicht ans Telefon, lümmeln sich auf dem Sofa und schauen sich einen kitschigen Film an. Wer jetzt denkt, wir wären Lebemenschen, den muss ich enttäuschen. Auch wir haben manchmal trübe Zeiten, sind am Boden zerstört und fragen uns, was wird sein, wenn wir Rentner sind.

Wir sparen im Kleinen und haben noch eine Menge Träume beziehungsweise Wünsche, die wir uns erfüllen möchten. Einiges davon werden wir sicherlich noch packen, wenn mein Mann endlich aufhört, seit dreißig Jahren sterben zu wollen. Natürlich zwickt und zwackt es bereits in unseren Körpern. Sicherlich schlucken wir auch bereits regelmäßig Pillen, weil der tägliche Stress und Überlebenskampf den Blutdruck ins Überdimensionale steigen läßt. Na und! Sollten wir deshalb einfach aufhören zu leben. Verkriechen ist nicht drin. Wir hängen an unserem kleinen Leben und werden uns wie bisher durchkämpfen, ohne Regeln.

Leider mußte ich euch enttäuschen. Mit einer lustigen Geschichte ist es nichts geworden. Vielleicht klappt es beim nächsten Mal. Scheinbar geht es ohne meine kleine Frieda nicht.

Oh Gott! Hilfe! Es kann ja auch nicht funktionieren. Frieda steckt noch in meiner Urlaubsfedertasche. Hoffentlich ist sie nicht erstickt.

Außerdem wird es jetzt Zeit, meine alten müden Knochen aus der Wohnungstür zu schupsen. Winke, winke!

Juni 2008

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.07.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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