Petra Schneider

Brauchen

Brauchen

 

 

 

irgendwann vor langer Zeit haben wir damit aufgehört, weil wir irgendwo, mit irgendwem oder irgendwas so schlechte Erfahrungen gemacht haben, weil es uns so weh getan hat, das wir es verwünschten, ja verfluchten.  Wir haben diesen Wunsch, diesen Fluch, ausgesprochen und ihn dann einfach vergessen. Aufgehört uns daran zu erinnern. An diesen  Wunsch, diesen Fluch und das wir ihn ausgesprochen haben. Wir schworen uns nie wieder so etwas Schlimmes zu erleben, wie brauchen, weil es uns so sehr und so tief verletzt hat und wir verbannten dieses Gefühl und alles was dazu gehört. Um ganz sicher zu gehen haben wir keinen Gedanken mehr daran verschwendet. Wir wollten nichts mehr damit zu tun haben. Wir lehnten jeden Gedanken und jedes Gefühl daran ab. So ging es lange Zeit. Das Brauchen aber meldete sich immer wieder, denn es wollte gelebt werden. Schließlich ist es ein Gefühl von uns. Doch wir gingen nicht darauf ein. Fanden stets irgendwelche Ausreden und Ablenkungen. Bis wir endlich merkten, das uns etwas fehlte. Also machten wir uns auf die Suche danach. Ohne zu wissen nach was. Wir folgten einfach nur einem Gefühl. Einem Gefühl der Leere. Ohne es beschreiben zu können und ohne zu ahnen um was es sich dabei handelt. Wir suchten und suchten überall. Weil wir dachten, das wir etwas verloren haben. Unseren Wunsch, unseren Fluch hatten wir längst vergessen. Es gab so viele andere Dinge, die uns beschäftigten. So merkten wir auch nicht, das wir es nicht finden konnten, egal wo wir auch hingingen, da wir es immer bei uns trugen. Es war immer da und wartete nur darauf von uns angenommen zu werden. Von uns geliebt zu werden. Es wartete nur darauf das wir uns daran erinnern und es so wieder hervor holen. Da wir ständig mit etwas anderem beschäftigt waren und uns unsere Gedanken und Gefühle nie wirklich interessierten,  suchten wir,  ohne auch nur einen Anhaltspunkt zu haben, warum und was wir überhaupt suchen. Manchmal, wenn wir ganz verzweifelt waren,  kam es an die Oberfläche und kratzte uns, um uns zu zeigen, das es noch da war, das wir es nie verloren haben. Wir sahen es aber nicht, weil unsere Augen auf andere Dinge gerichtet waren. Auf uns und weil wir mit ganz anderen Dingen beschäftigt waren. Größer, schöner, jünger, beliebter, anerkannter, erfolgreicher oder was auch immer zu werden.

 

 

Gebrauchen wurde dann zu unserem Ding. Wir gebrauchten Andere oder Andere gebrauchten uns. Niemand achtete darauf was geschieht. Schließlich gab es so viel zu tun, um das zu werden was wir uns vorstellten, das wir gar keine Zeit hatten, uns darum zu kümmern. Durch das Gebrauchen der Anderen wurden wir, ohne es zu merken, von ihnen ebenso benutzt, wie wir Andere benutzten, die wir gebrauchten. So wurde Brauchen zu Gebrauchen und somit zu Benutzen und es entstand eine Abhängigkeit, zwischen dem der gebrauchte und dem, der gebraucht wurde.  Klingt ja im Grunde ähnlich. Brauchen und Gebrauchen. Sind auch nur zwei Buchstaben mehr und dennoch ändern gerade sie den Sinn, den Inhalt dieses Wortes, denn genau sie machen den Unterschied. Etwas gebrauchen heißt es zu benutzen ohne danach zu fragen. Es einfach zu nehmen. Entweder haben wir genommen oder die Anderen haben genommen, wirklich bekommen hat niemand und es konnte kein Fliessen, kein Austausch stattfinden.

 

 

Brauchen ist etwas ganz anderes und  bedeutet – ein Gefühl spüren, in sich spüren, es annehmen und ihm nachgehen – schauen, wo es einen hinführt. Bis zu seinem Ursprung. Den Schmerz, der damit in unserer Erinnerung verbunden ist ansehen. Das Gefühl ertragen und die Erinnerung von diesem Gefühl trennen und ihm eine neue Chance geben, es neu erleben. So das der Schmerz sich auflösen kann. Dazu gehört Mut sich in unbekanntes Gebiet zu begeben. Vertrauen in das Leben selbst und der unerschütterliche Glaube. Der Glaube an uns selbst.

 

 

Gebrauchen kann jeder von uns, ebenso wie sich gebrauchen lassen. Darin besteht keine Kunst. Das ist einfach und  bequem, auch, wenn es manchmal unbequem für uns ist. Brauchen allerdings muß jeder von uns erst lernen. Lernen, das wir Gefühle haben, die gelebt werden wollen. Lernen, das Gefühle nicht weh tun müssen.  Lernen, indem wir sie ansehen und annehmen, damit sich der Schmerz, den sie aus unserer Sicht enthalten, auflösen kann. Schmerz, der für uns damit verbunden ist, weil wir es als schmerzhaft empfunden haben. Brauchen ist nur eines unserer Gefühle, denen wir irgendwann, irgendwo die Schuld gaben, weil uns irgendwas oder irgendwer damit weh getan hat.

 

 

Sobald sich der Schmerz, den wir mit diesem Gefühl verbunden haben aufgelöst hat, können wir brauchen.

 

 

Die Voraussetzung zum Brauchen ist das Haben. Genau das macht es so schwierig. Dabei ist es ganz einfach, denn alles was wir brauchen ist immer da. Wir haben und wir sind alles was wir brauchen. Jetzt kommt bestimmt die Frage, wieso sollen wir dann brauchen, wenn wir doch schon alles sind und bereits alles haben? Ja und genau hier ist der Denkfehler. Wir denken, das wir alles haben und da wir es denken erfüllen wir nicht die Voraussetzung. Gehen wir von etwas anderem aus. Nämlich davon – wir haben alles und brauchen nichts - . So entsteht der Irrtum. Von da an befinden wir uns auf dem Holzweg. Warum? Weil etwas wichtiges fehlt. Etwas unbeschreiblich wichtiges. Glauben. Wir denken zwar, aber wir glauben nicht. Denn, wenn wir glauben das wir alles haben, dann brauchen wir nicht zu denken das wir alles haben. Dann glauben wir es. Dann wissen wir es. Dann sind wir davon überzeugt. Dann stehen wir dazu. Warum sonst sollten wir daran glauben. Niemand glaubt an etwas, wovon er nicht überzeugt ist oder zu was er nicht steht. Ziemlich kompliziert? Sieht nur so aus. Ist im Grunde ganz einfach sobald wir dahinter schauen. Sobald wir anfangen wirklich zu sehen. Zu sehen was wir haben und was wir sind. Denn genau das ist die Voraussetzung dafür um zu bekommen. Das zu bekommen was wir brauchen. Um zu wissen was wir brauchen ist es wichtig uns anzusehen was wir haben. Es ist alles da und wir können alles sein. Egal was wir brauchen. Allerdings nicht an der Oberfläche. Es reicht nicht dort zu kratzen. Der Glaube, den wir dazu brauchen befindet sich nicht an der Oberfläche. Er ist tief in uns vergraben. Er ist unser Schatz den wir vor langer Zeit versteckt und danach vergessen haben. Er ist unser Schlüssel zum Brauchen. Er ist der Schlüssel zur Tür hinter der wir das Haben finden um Brauchen zu können. Erst müssen wir verstehen, das wir bereits haben und an das – was wir nicht mit unseren Augen sehen können – glauben, dann können wir brauchen lernen.  Dann erst können wir anfangen zu brauchen. Das zu brauchen was wir bereits haben. Ja, was schon immer in uns ist. So können wir bekommen. Bekommen und es entsteht ein Fliessen. Es entsteht ein Austausch zwischen Geben und Nehmen. Wir bekommen durch unser Geben. Klingt fantastisch? Das ist es auch, aber es ist nicht nur fantastisch, es ist auch paradox. So paradox wie das selbst. Oder besser das, was aus meiner Sicht das Leben ausmacht. Das Fliessen. Der Austausch. Wir.

 

 

 

Was heißt das nun?

 

 

Wenn wir davon ausgehen, das wir Erfolg haben, dann haben wir ihn. Wenn wir davon ausgehen, das wir etwas schaffen, dann schaffen wir es. Es kommt einzig und allein darauf an was wir glauben. Das stärken wir mit Energie. Unser Glauben ist die Kraft, die unseren Gedanken und unseren Gefühlen die Macht verleiht zu leben. Wie ein Kind, das, weil es gehänselt oder ausgelacht wurde, sich nicht mehr traut zu tun, den Glauben an sich verliert, können wir, indem wir es erneut versuchen, auch, wenn es weh tut, den Glauben an uns wieder finden. Den Glauben, der tief in uns verwurzelt ist und der jeder Angst stand hält.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.07.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Sprachtechniker Walter Mathois und Verskonstrukteurin Heike Gewi hämmern, klopfen ab, machen Licht in den Ecken des Vergessens, hängen Bilder neuer Momente in unser Bewusstsein, ohne einen Nagel zu verwenden. Auf Meditationsebene nickt Meister Bashô freundlich, Buddha lacht, der Affentempel steht und das Gnu tut verwundert. Doch der Mond schweigt. Sind Sie bereit mit Ihren Sinnen, Zeuge zu sein?

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