Angelika Sakowski

Geburtstagswunsch

Würde man morgens schon wissen, was der Tag für einen bereit hält, könnte man manch unangenehmer Sache aus dem Weg gehen, in dem man einfach im Bett bleibt. Da das aber, wie alles was vor uns liegt, ein Geheimnis ist, stellt man sich jeden Tag aufs Neue der Herausforderung Leben. Oder aber wie in meinem Fall, dem Sterben.  
Hätte ich jedoch geahnt, dass sich dieses simple Vorhaben eines Selbstmordes, zu solch einer lebensgefährlichen Katastrophe entwickelt, wäre ich wohl nicht aufgestanden.
 
Momentan bedrohe ich in einer Apotheke drei Angestellte und mehrere Kunden mit einer Kanone, von der ich nicht mal weiß, ob sie überhaupt noch Munition hat, während draußen jeder verfügbare Scharfschütze Position bezogen hat und das Blaulicht der Polizeiautos die ganze Szene in ein wirres Discogeflimmer versetzt. In diese Apotheke wollte ich von Anfang an. Sie liegt nur ein paar Minuten von meiner Wohnung entfernt, leicht zu Fuß zu erreichen, was ich mir jetzt leider vorwerfen muss. Hier wollte ich mir die letzte Packung Schlafmittel besorgen, die meine berechnete Überdosis komplett machen sollte. Ich habe das schon seit Wochen geplant, spätestens aber seit dem Tag als ich feststellen musste, dass ich das ganze Geld, dass mir Jack zur Aufbewahrung anvertraut hatte, verpulvert habe. Anfangs hatte ich mir nur kleine Beträge geliehen, um mir etwas Essen zu kaufen, aber unmerklich hat sich mein Lebensstandard Tag für Tag verbessert. Neue Klamotten, neuer Fernseher, neue Freunde und irgendwann war nichts mehr übrig. Ungefähr zeitgleich hat sich Jack gemeldet und angekündigt in den nächsten Wochen vorbei zu kommen, um sein Baby zu holen. Einen kurzen Moment war ich mir nicht sicher, ob er vielleicht mich meinte schließlich war ich auch mal sein Baby. Da die Dinge zwischen uns aber schon lange schlecht liefen, konnte es nur das Geld sein. Dieser kurze Augenblick des Grübelns, hatte Jack verunsichert. „Du hast es doch noch, oder?“ fragte er mich bedrohlich. „Klar, was denkst du denn?“ kam es selbstsicher aus meiner Richtung. „Das will ich dir auch raten Kleine, sonst muss ich dir weh tun, das weißt du!“ Diese Drohung allein reicht natürlich nicht aus, den Entschluss zu fassen mir das Leben zu nehmen. Da gab es weit schlimmere Dinge, die einem die Hoffnung rauben. In meinem Fall lag es an diesem verdammten Tag, der sich trotz leugnen und verdrängen unaufhaltsam in mein Bewusstsein drängte, meinen 30.Geburtstag. Nun stand dieser Samstag unmittelbar bevor und diesen Tag wollte ich gebührlich mit meinem Abschied feiern. Vor Jahren hatte ich diesen lächerlichen Schwur abgelegt, es entweder mit 30 geschafft zu haben, was das damals auch immer bedeutet haben mag, oder aber dem ganzen Elend ein Ende zu machen. Ich nahm es zwar sonst auch nicht besonders genau mit Versprechen, aber wo kämen wir denn hin, wenn wir nicht mal uns selbst die Treue hielten. Nun fehlte mir also noch die letzte Packung Schlaftabletten  und deswegen stieg ich gestern Abend in meinen Wagen um die Dinger aus der Apotheke zu holen. Es war ja nun wirklich nicht weit und ich konnte bereits an der ersten Kreuzung das Apothekenschild erkennen, als die Beifahrertür aufgerissen wurde und ein Mann mit gezogener Waffe in mein Auto sprang. „Fahr weiter und schrei` bloß nicht, oder ich knall dich gleich hier ab“ zischte er mich an. Ich war viel zu überrumpelt, als dass ich mir großartig Sorgen gemacht hätte und lies den Wagen einfach weiter rollen. „Such den nächsten Geldautomaten und dann holst du mir soviel du kannst!“ sagte er und hörte dabei nicht auf, mir ständig die Kanone in die Seite zu stechen. „Das wird ein Problem“ erwiderte ich „ich bin blank. Ich hab gerade mal 20 Euro und dafür will ich mir Schlaftabletten holen, damit ich mich umbringen kann“. „Du verarscht mich doch, du blöde Schlampe! Halt´s Maul und hol die Kohle, oder es wird dir leid tun!“. Was sollte ich darauf sagen? Also zuckte ich nur die Schultern, fuhr mit dem Wagen an den Straßenrand und blieb stehen. „Ich sage es gern noch mal, ich hab kein Geld auf der Bank, oder zuhause oder hier. Alles was ich habe sind 20 Euro und die brauche ich selber. Also knall mich ab, oder hau ab!“ Sekundenlang zeigte sich keine Regung im Gesicht des Mannes, dann begann er plötzlich zu grinsen. „Okay, wenn du kein Geld hast, dann besorgst du mir einfach was anderes. Fahr weiter und mach bloß keinen Scheiß, sonst wirst du keine Gelegenheit mehr haben, deine Schlaftabletten zu schlucken.“ Eigentlich ist es schon absurd, da bedrohte mich der Kerl damit, mir das Leben zu nehmen, obwohl es doch genau das war was ich wollte. Aber er hatte das Problem richtig erkannt und daher auch das schmierige Grinsen,  ich wollte es auf meine Art machen. Also fuhr ich weiter, immer seinen Anweisungen folgend, bis wir schließlich, es war zwischenzeitlich schon Nacht geworden, in einem alten Steinbruch anhielten. „So Schätzchen, ab auf die Rückbank und mach es dir schon mal bequem. Papi ist gleich wieder da und sorgt dafür, dass du noch mal richtig Spaß hast.“ Er packte mich grob am Arm und schob mich zwischen den Vordersitzen nach hinten. Dann stieg er aus dem Wagen, winkte mit der Waffe und stellte sich vor den Wagen um zu pinkeln. Ich hatte den Motor noch gar nicht abstellen können, so dass die Scheinwerfer grell die Hinterseite des Mannes ausleuchteten. Auch wenn er sein Geschäft in meine Richtung abgewickelt hätte, hätte er durch das grelle Licht nicht sehen können, was sich im Auto abspielt. So war der Moment des Hörens, Verstehens und der Aufprall für den Mann eins. Ich hatte danach wirklich Mühe den schlaffen Körper in den Kofferraum zu bekommen und schlief erst mal vor Erschöpfung ein. Das schrille Klingeln meines Handy´s weckte mich, als es bereits begann wieder hell zu werden. Jack teilte mir mit, dass er in der Stadt war und in 2 Stunden bei mir vorbeikommen würde. Ich hatte nun keine Zeit zu verlieren. Ich musste vor Jack in der Wohnung sein um meinen Tablettenvorrat zu holen. Wäre er vor mir da, hätte ich keine Chance mehr meinen Plan zu Ende zu führen. Wenn Jack erst mal wüsste, dass das Geld weg ist, würde ich mir wünschen, der Typ im Kofferraum hätte mich erledigt. Als ich endlich vor meinem Haus parkte,  erkundigte ich vor dem Aussteigen die Umgebung  um sicher zu gehen, dass Jack nicht bereits irgendwo auf mich lauerte. Noch schien alles ruhig zu sein, doch als ich aus dem Aufzug trat, sah ich dass meine Wohnungstür offen stand. Jack hatte keinen Schlüssel und erst beim näher kommen, sah ich dass das Schloss aufgebohrt war. Ich war irritiert, ahnte Jack tatsächlich etwas und wollte daher nicht warten bis ich nach Hause kam? Vorsichtig trat ich in die Wohnung und hörte bereits im Flur Stimmen aus der Küche. Jack hatte wohl gleich Verstärkung mitgebracht. Ein Frau trat aus dem Raum und ein Handwerker folgt ihr. Ich blieb stehen und starrte die beiden an. Die Frau wies sich als Vollstreckungsbeamtin und den Mann als Schlosser aus. Ich hatte total vergessen, dass heute der Tag der Pfändung anstand. Der Schlosser verabschiedet sich, nicht ohne mir dabei freundschaftlich auf die Schulter zu klopfen. Die Beamtin bat mich sie durch die Wohnung zu führen. Nach kurzer Bestandaufnahme setzten wir uns zusammen in die Küche. „Was haben Sie an Bargeld bei sich?“ fragte sich mich, während sie begann Formulare auszufüllen.  „Nun, eigentlich gar nichts.“ antwortet ich. „Eigentlich? Kann ich mal bitte ihre Geldbörse sehen?“ Unerbittlich streckte sie mir ihre Hand entgegen und wartet auf mein Portmonai. „Ich hab nur noch 20 Euro und die brauch ich heute!“. “Darauf kann ich leider keine Rücksicht nehmen, ich bin verpflichtet alles von Wert sicher zu stellen und da gehören auch diese 20 Euro dazu. Also bitte.“ Langsam wurde ich richtig sauer, war es so schwer zu begreifen, dass ich das Geld nicht hergeben konnte? „Ebenso liegt mir hier eine Zulassungsbestätigung für eine Kraftwagen vor. Würden Sie mir bitte sagen, wo das Auto parkt und mir die Schlüssel aushändigen?“ Nun brannte mir die Sicherung durch. Ich zog die Waffe, die ich dem Typen von heute nacht abgenommen hatte und zwang die Frau sich in meinem Schlafzimmer aufs Bett zu legen. Mit Klebeband fesselte ich Ihre Arme die Beine und ein Socken diente mir als  Knebel in ihrem Mund. „Ich wusste gar nicht, dass du auf so eine Nummer stehst!“ Jack. Ich dreht mich langsam um versuchte dabei die Waffe zu verbergen. „Was soll das alles hier?“ fragte er weiter und machte mit der Hand einen ausholende Bewegung. „Was hast du vor?“ Ich konnte immer noch nichts sagen und setzte mich erst mal an das Fußende des Bettes. „Wer ist die Frau? Und wo ist mein Geld?“. Er stand immer noch drohend in der Schlafzimmertür und fixierte mich mit seinen kalten Augen. Endlich löste sich meine Zunge und ich konnte sprechen. „Ich bin gerade nach Hause gekommen und da hab ich 2 Typen, eine davon diese Frau, in meiner Wohnung überrascht. Die sind hier eingebrochen, siehst du ja an der Tür. Der Mann ist mit dem Geld entkommen, nur die Frau konnte ich festhalten.“ „Mit dem Geld? Mit meinem Geld meinst du? Jack war stinksauer. „Woher sollten die gewusst haben, dass bei dir Geld zu holen ist?“ Er stürmte nun regelrecht zum Bett und drehte die Beamtin auf den Rücken. Mit einem Ruck riss er ihr die Socke aus dem Mund. „Los rede. Was war hier los? Wo ist mein Geld?“ Die Frau hatte Todesangst und fing an zu krächzen. Tränen liefen ihr über das Gesicht und sie starrte immer wieder in meine Richtung. Ich stand inzwischen hinter Jack und hatte die Waffe im Anschlag. Die Frau riss die Augen auf und Jack war alarmiert. Er drehte sich blitzschnell um und versuchte mir in der Bewegung die Kanone aus der Hand zu schlagen. Der Rückstoß der Waffe überraschte mich sehr. Jack saß aufrecht am Boden und sah mich verwundert an. Aus seinem Mund lief ein dünner Faden Blut der das weiße Hemd rasch einfärbte. Nun begann die Frau zu schreien, was mich angesichts der Situation nicht gerade friedlich stimmte. Kurzerhand sprang ich aufs Bett und stopfte ihr die Socke wieder in dem Mund. „Beruhige dich einfach. Es passiert dir nichts!“ versuchte ich sie zu trösten, war dabei aber nicht gerade sanft vorgegangen und die aufgeplatzte Lippe blutetet heftig. Jack war ganz still von uns gegangen und lehnte völlig entspannt am Bettpfosten. Es klingelte an der Tür. Die war immer noch, aufgrund des kaputten Schlosses nur angelehnt und ich konnte bereits von der Schlafzimmertür aus sehen, dass jemand davor stand. „Bei Ihnen alles in Ordnung“ rief ein Mann in die Wohnung. „Alles klar. Der Fernseher ist wohl etwas laut.“ versuchte ich neutral zu sagen, als ich die Wohnungstür aufzog. Vor mir stand ein Mann der Stadtwerke und hatte ein Klemmbrett unterm Arm. „Strominkasso. Guten Tag.“ sagte er geschäftstüchtig und legte mir eine Forderungs-aufstellung der letzen unbezahlten Stromrechnungen vor. „Können Sie bezahlen, oder muss ich den Strom abstellen?“ fragte er mich.  „Anscheinend will jeder heute an mein Geld“ antwortet ich fröhlich und schüttelte den Kopf. „Nein kann ich nicht. Ich hab nichts da.“ „Dann muss ich mal eben in Ihre Wohnung zum Sicherungskasten“ meint der Mann und versucht die Wohnung zu betreten. „Wie viel müsste ich denn bezahlen, dass sie den Strom nicht abdrehen?“ „Mindestens 50 Euro, dann könnten  wir weiter sehen“ sagt der Beamte. Ich bat ihn zu warten und lief in die Küche. Dort lagen die Sachen der Frau und ich durchwühlte ihre Handtasche. 25 Euro das war alles was ich finden konnte. Der Mann wurde langsam ungeduldig und klopft an die Tür. Mir blieb nichts anderes übrig, ohne noch mal ins Schlafzimmer zu müssen, als mein Geld dazu zu legen. Es reichte zwar immer noch nicht ganz, aber der Mann lies es gut sein und verabschiedete sich, mit der Auflage das restliche Geld bis morgen bei den Stadtwerken bezahlt zu haben, ansonsten würde er wiederkommen. Nun war es schon kurz vor Mittag und die Apotheke würde bald schließen. Ich lief wieder ins Schlafzimmer und wollte bei Jack Geld für die Tabletten holen. Er trug nur ein Hemd und in der Hose befand sich auch keine Geldbörse. Wahrscheinlich lag sie in seinem Auto und ich wusste weder was er gerade für einen Wagen fuhr, noch wo er ihn überhaupt abgestellt hatte. Die Zeit verstrich und mein schöner Plan schien den Bach runter zu gehen. Aber ich hatte ja noch die Pistole. Nun stehe ich seit fast einer Stunde in dieser lausigen Apotheke und ein Mitarbeiter muss es geschafft haben, den Alarm auszulösen. Die Polizei war innerhalb weniger Minuten um das Geschäft postiert und ich sitze jetzt richtig in der Scheiße. Das mit den Tabletten kann ich wohl vergessen, so schnell wirken die nicht, obwohl mir hier noch ein paar andere Leckereien zu verfügen stehen. Aber so habe ich mir das nun mal alles nicht vorgestellt, ich wollte einen würdigen Rahmen schaffen. Nicht so, nicht so laut und öffentlich.   Ich könnte mich natürlich auch erschießen lassen. Aber wer will schon sterben. Ich nicht.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.07.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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